LG Arnsberg, Urteil vom 12.02.2013 - 3 S 139/12
Fundstelle
openJur 2016, 4756
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.09.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Brilon (Az.: 8 C 136/12) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Frage, ob die Klägerin von dem Beklagten - ihrer Kaskoversicherung - Regulierung eines Kaskoschadens auf Basis des Bruttowiederbeschaffungswerts verlangen kann, obwohl bei der von der Klägerin getätigten Ersatzbeschaffung Umsatzsteuer ausweislich der vorgelegten Rechnung nicht angefallen ist.

Auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch auf Erstattung von Mehrwertsteuer ergäbe sich nicht aus dem Versicherungsvertrag, da dieser ausdrücklich den tatsächlichen Anfall von Mehrwertsteuer voraussetze. Die entsprechende Klausel orientiere sich am Wortlaut des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB, so dass davon auszugehen sei, dass der Versicherungsnehmer von seiner Kaskoversicherung nicht mehr verlangen könne, als von einem Schädiger.

Einen tatsächlichen Anfall von Umsatzsteuer habe die Klägerin jedoch nicht nachgewiesen. In der Rechnung des Autohauses C sei die Mehrwertsteuer ausdrücklich mit 0,00 % angegeben worden, so dass auch eine versehentliche Unterlassung ausscheide.

Es sei daher davon auszugehen, dass nach § 25a UStG lediglich eine geringere Differenzbesteuerung angefallen sei. Insoweit schätze das Gericht nach § 287 ZPO, dass keine höhere Differenzbesteuerung als in Höhe des von dem Beklagten gezahlten Betrags von 177,80 € angefallen sei. Der Anspruch der Klägerin sei durch Zahlung des Beklagten erfüllt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag in vollem Umfang weiter verfolgt.

In der Berufungsbegründung führt die Klägerin unter Bezugnahme auf höchstrichterliche Rechtsprechung aus, das Amtsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass sie nur Erstattung der Differenzbesteuerung verlangen könne. Sie könne schon deshalb Regulierung des Schadens auf der Grundlage des Bruttowiederbeschaffungswertes verlangen, da sie durch die Ersatzbeschaffung zu einem diesen Wert übersteigenden Kaufpreis wirtschaftlich den ursprünglichen Zustand wiederhergestellt habe.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.101,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und führt weiter aus, die zum Schadensrecht entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung seien nicht auf das vorliegende Vertragsverhältnis einer Kaskoversicherung übertragbar.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das Amtsgericht die auf Zahlung der in dem Bruttowiederbeschaffungswert enthaltenen Mehrwertsteuer von 1.101,68 € gerichtete Klage abgewiesen.

Ein Anspruch auf Zahlung des Bruttowiederbeschaffungswerts bzw. der darin enthaltenen Mehrwertsteuer kann sich nur aus dem Versicherungsvertrag der Parteien i. V. m. Ziffer A.2.10 der AKB des Beklagten in der Fassung vom 01.04.2010 ergeben.

1.

Nach dem Wortlaut besteht ein solcher Anspruch nur dann, wenn die Mehrwertsteuer bei der vom Versicherungsnehmer gewählten Schadensbeseitigung tatsächlich angefallen ist.

Bei der von der Klägerin gewählten Schadensbeseitigung in Form der Ersatzbeschaffung ist ausweislich der Rechnung des Autohauses C vom 18.01.2012 ausdrücklich keine Mehrwertsteuer angefallen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV, da die Erforderlichkeit der Angabe eines Endpreises gegenüber Letztverbrauchern lediglich den wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen der Preisklarheit und Preiswahrheit (Abs. 6) dienen soll. Ziel der Vorschrift ist es, dem Letztverbraucher eindeutig den von ihm insgesamt zu zahlenden Betrag vor Augen zu führen.

Aus der Verpflichtung, die Preise so anzugeben, wie sie einschließlich der Umsatzsteuer oder sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind, kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass in jedem Endpreis zwingend die gesetzlich vorgeschriebene Umsatzsteuer enthalten ist. Dies gilt vorliegend umso mehr, als die Rechnung vom 18.01.2012 - wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat - die Mehrwertsteuer ausdrücklich mit "0,00 %" und "0,00 €" ausweist und daher nicht von einer unbewussten Auslassung auszugehen ist.

Dass bei der Ersatzbeschaffung tatsächlich keine Umsatzsteuer angefallen ist, ergibt sich letztlich auch aus den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung der Kammer vom 12.02.2013, wonach ihr bei Abschluss des Kaufvertrages im Januar 2012 gesagt worden ist, Mehrwertsteuer könne nicht ausgewiesen werden.

Nachdem die Klägerin daher bei der von ihr gewählten Schadensbeseitigung tatsächlich keine Umsatzsteuer gezahlt hat, kann sie nach dem Inhalt der AKB des Beklagten auch keine entsprechende Zahlung verlangen.

2.

Die Klausel in Ziffer A.2.10 der AKB des Beklagten verstößt nicht gegen die §§ 307 ff. BGB.

a)

Die Klausel verstößt nicht gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, da es kein gesetzliches Leitbild gibt, wonach vertragliche Regelungen über Ersatzleistungen in der Schadensversicherung an den Maßstäben der §§ 249 ff. BGB zu messen sind (BGH Urteil vom 24.05.2006, VersR 2006, 1066-1068)

Vertragliche Leistungen aus einer Kaskoversicherung sind nicht an § 249 BGB zu messen, da nach § 1 Abs. 1 S. 1 VVG der Versicherer den Schaden nur nach Maßgabe des Vertrages, also nach dem Inhalt der Vereinbarung der Parteien, zu ersetzen hat (BGH, aaO).

b)

Die Klausel ist auch nicht nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam, da die in ihr enthaltene Einschränkung der Einstandspflicht des Beklagten nicht zu einer Gefährdung des Vertragszwecks führt. Dieser ist - anders als das Schadensrecht - nicht auf vollen Ersatz des Vermögensschadens nach den Maßstäben des §§ 249 ff. BGB gerichtet, vielmehr sind bereits nach dem Inhalt des Vertrages Einschränkungen z. B. durch die Selbstbeteiligung und den Ausschluss des Ersatzes einer Wertminderung üblich (BGH, aaO; Beschluss vom 04.11.2009, VersR 2010, 208).

c)

Eine Unwirksamkeit der Klausel ergibt sich auch nicht aus § 307 Abs. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung oder Intransparenz der Regelung.

Soweit der Bundesgerichtshof im Urteil vom 24.05.2006 (VersR 2006, 1066-1068) noch eine Intransparenz der dem damaligen Fall zugrunde liegenden Klausel angenommen hat, weil nicht ohne weiteres erkennbar war, ob nur bei einer Reparatur des beschädigten Fahrzeugs die angefallene Mehrwertsteuer erstattet werde oder auch bei einer Neuanschaffung eines Ersatzfahrzeugs, hat er in dem Beschluss vom 04.11.2009 (VersR 2010, 208) die Neufassung der Klausel für ausreichend transparent erachtet.

Die Klausel in dem zuletzt genannten Verfahren lautete "Die Umsatzsteuer ersetzt der Versicherer nur, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist". Hierzu hat das Revisionsgericht ausgeführt, diese Klausel sei eindeutig und für den um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer ohne rechtliche Vorbildung unschwer zu erfassen.

Im vorliegenden Fall ist die Klausel in A.2.10. der AKB sogar noch klarer, da ausdrücklich der Zusatz "bei der von Ihnen gewählten Schadensbeseitigung" enthalten ist und damit für den Versicherungsnehmer hinreichend deutlich ist, dass dieser bei jeder Form der Schadensbeseitigung nur Ersatz tatsächlich angefallener Mehrwertsteuer verlangen kann.

3.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf die von der Rechtsprechung zum Schadensrecht (u. a. BGH NJW 2006, 285-286) entwickelten Grundsätze berufen, wonach der Geschädigte bei einer Ersatzbeschaffung Schadensersatz auf Grundlage des Bruttowiederbeschaffungswerts verlangen kann, wenn die Kosten für die Ersatzbeschaffung diesen Betrag erreichen oder sogar übersteigen.

Diese Entscheidung trägt dem im Schadensrecht immanenten Grundsatz der Naturalrestitution Rechnung, da der Geschädigte, der wirtschaftlich den Zustand vor dem schädigenden Ereignis wiederherstellt, Ersatz bis zur Höhe des Bruttowiederbeschaffungswerts verlangen kann, unabhängig davon, ob bei der Ersatzbeschaffung Mehrwertsteuer tatsächlich angefallen ist. Diese Entscheidung ist konsequent im Hinblick darauf, dass § 249 Abs. 2 S. 2 BGB lediglich eine Bereicherung über den tatsächlich entstandenen Schaden hinaus verhindern, nicht aber die Ersatzpflicht des Schädigers einschränken möchte.

Auch wenn der Wortlaut der Klausel eng an § 249 Abs. 2 S. 2 BGB angelehnt ist, ändert dies nichts an dem Umstand, dass der Kaskoversicherer nach der vertraglichen Vereinbarung grundsätzlich nicht zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, sondern nur zum Schadensausgleich nach dem Inhalt des Vertrages verpflichtet ist.

Eine Übertragung der Rechtsprechungsgrundsätze zum Schadensrecht kommt demnach nicht in Betracht.

4.

Soweit das Amtsgericht einen Zahlungsanspruch im Umfang der Differenzbesteuerung angenommen und diesen durch die Zahlung des Beklagten als erfüllt angesehen hat, ist die Berechnung des erstinstanzlichen Urteils nicht angefochten und unterliegt daher keiner Überprüfung durch die Berufungsinstanz.

5.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 ZPO.

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