VG Köln, Urteil vom 26.11.2010 - 3 K 6474/10
Fundstelle
openJur 2016, 4732
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger stand bis zu seiner Emeritierung zum 31.08.2005 als Professor in Diensten des Landes Nordrhein-Westfalen für das Fachgebiet der medizinischen Mikrobiologie und Immunologie an der medizinischen Fakultät der S. G. -X. -Universität C. und war gleichzeitig Direktor des Instituts für medizinische Mikrobiologie und Immunologie der Universität C. (V).

Am 21.08.2002 schloss er mit dem V. eine Vereinbarung, wonach das durch ihn finanzierte Personal (5 Stellen für Laborantinnen) und die vorhandenen 315 Euro-Stellen gekündigt bzw. abgewickelt würden. Die Tilgung der Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber den V. erfolge in drei Jahren, spätestens bis zum 31.08.2005.

Mit Bescheid vom 17.01.2006 setzte der Beklagte das Nutzungsentgelt nach § 17

Abs. 2 Hochschullehrernebentätigkeitsverodnung (HNtV) auf 19.825,80 Euro fest. Mit Schreiben vom 22.08.2006 wies der Kläger hinsichtlich der Nachforderung von Sachkosten für die Nebentätigkeit erbrachte ärztliche Leistungen aus dem Jahre 2005 darauf hin, dass er im September 2003 zufällig habe feststellen müssen, dass ohne sein Wissen und damit ohne seine Zustimmung die Restguthaben von vier Drittmittelkonten abgebucht worden seien. Insgesamt handele es sich um einen Betrag von 7515,34 Euro. Für seine Abschlusszahlung für das Jahr 2005 kürze er deshalb den angeforderten Betrag von 19.825,80 Euro um 7.525,43 Euro.

Am 19.07.2006 gab der Kläger für das 1. Halbjahr 2006 die Erklärung für Einnahmen aus Nebentätigkeiten unter Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material an. Er gab an, er habe 23.098,29 Euro für Beratung und Behandlung sowie Untersuchung von Proben sowie 10.810,62 Euro für Beratung und Behandlung ambulanter Privatpatienten sowie Untersuchung von Proben erhalten. Für ärztliche Nebentätigkeiten im medizinischtheoretischen Bereich gab der Kläger Einnahmen in Höhe von 1.370,91 Euro an. Unter Zugrundelegung dieser vom Kläger gemachten Angaben setze der Beklagte das Nutzungsentgelt gemäß § 17 Abs. 1 bis 3 Hochschullehrnebentätigsverodnung (HNtV) mit Bescheid vom 02.08.2006 auf 11.335,42 Euro fest.

In der Folgezeit gab es eine Korrespondenz zwischen den Beteiligten über die für die Festsetzung des Nutzungsentgelts gemachten Angaben des Klägers. Unter dem 16.12.2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, in der Anlage erhalte er eine Durchschrift des Heranziehungsbescheides vom 02.08.2006, dem er die angeforderte Zahlung entnehmen könne. Aus dem Bescheid vom 17.01.2006 stehe noch ein Restbetrag von 7.515,34 Euro offen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.01.2010 - beim Beklagten eingegangen am 23.01.2010 - legte der Kläger gegen den Bescheid vom 02.08.2006 Widerspruch ein und gab an, dieser sei ihm erstmals am 21.12.2009 zugestellt worden. Der Bescheid vom 17.01.2006 liege nur im Entwurf vor.

Mit Bescheid vom 14.09.2010 wurde der Widerspruch gegen den Festsetzungsbescheid vom 02.08.2006 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde angegeben, der Festsetzungsbescheid basiere auf der Aufstellung des Klägers über bezogene Vergütung aus Nebentätigkeiten unter Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material des Landes NRW vom 19.07.2006. Abweichungen von dieser Deklaration der bezogenen Vergütung seien nicht erkennbar, die Bestimmungen der HNtV seien korrekt angewandt worden. Es bestehe auch kein Zusammenhang zwischen Mitteln des Universitätsklinikums C. und der Verpflichtung der Professoren, für die im Rahmen zulässiger Nebentätigkeit erfolgte Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material des Landes aus der aus der Nebentätigkeit erlangten Vergütung an Nutzungsentgelt zu entrichten.

Unter dem 20.08.2010 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, angesichts der Rechtskraft des Sachkostenbescheides vom 17.10.2010 werde dieser den aus diesem Bescheid noch offenen Betrag zeitnah ausgleichen.

Am 09.10.2010 hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Ansicht, der Beklagte habe einen etwaigen Anspruch auf die Zahlung von Nutzungsentgelt verwirkt, da der Heranziehungsbescheid für das erste Halbjahr 2006 erstmals am 21.12.2009 zugestellt worden sei. Der Beklagte sei der Verpflichtung zur unverzüglichen Festsetzung des Nutzungsentgeltes nicht nachgekommen. Hilfsweise erkläre er die Aufrechnung mit dem festgesetzten Nutzungsentgelt in Höhe von 7.515,34 Euro. Bei diesem Betrag handele es sich um eine rechtswidrig vorgenommene Abbuchung von Drittmittelbeiträgen durch den Beklagten. Bei diesen Drittmittelbeträgen handele es sich um zweckgebundene Drittmittel, die auf Veranlassung der Verwaltung zweckentfremdet worden seien, ohne den Kläger davon in Kenntnis zu setzen. Es bestehe auch ein für die Aufrechnung erforderlicher Zusammenhang zwischen den Mitteln des Universitätsklinikums C. und der Verpflichtung des Klägers, für die im Rahmen zulässiger Nebentätigkeit erfolgte Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material des Landes ein Nutzungsentgelt zu entrichten. Durch die rechtswidrige Handhabung des Beklagten, zweckgebundene Drittmittel zweckentfremdet zu verwenden, seien dem Kläger bzw. dem von ihm geleiteten Institut Drittmittel in Höhe von 7515,34 Euro entgangen.

Der Kläger beantragt,

den Heranziehungsbescheid vom 02.08.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte weist darauf hin, dass er den Kläger mit Schreiben vom 02.12.2009 zur Zahlung der noch offenen Forderungen für das Nutzungsentgelt und die Sachkosten gemäß den entsprechenden Bescheiden aufgefordert habe. Der Kläger habe daraufhin unter dem 14.12.2009 mitgeteilt, dass er zu der Forderung nicht Stellung nehmen könne, da ihm prüffähige Unterlagen nicht vorlägen. Insbesondere habe er die Heranziehungsbescheide nicht erhalten. Mit Schreiben vom 16.12.2009 habe der Beklagte dem Kläger noch einmal eine Durchschrift des Heranziehungsbescheides vom 02.08.2006 gesandt und darauf verwiesen, dass auf den Sachkostenbescheid vom 17.01.2006 nur ein Teilbetrag geleistet worden sei. Zwischenzeitlich habe der Kläger den aus dem Bescheid vom 17.01.2006 noch offenen Betrag von 7.515,34 Euro gezahlt. Hinsichtlich des Bescheides vom 02.08.2006 habe bei Durchsicht der Akte kein Empfangsbekenntnis des Klägers gefunden werden können. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass der Bescheid vom 02.08.2006 erst im Rahmen des Mahnschreibens vom 16.12.2009 bekannt gegeben worden sein. Eine Verwirkung sei nicht eingetreten. Eine Verwirkung erfordere neben der reinen Zeit- auch immer ein Umstandsmoment. Über den bloßen Zeitablauf hinaus gehende Umstände, aus denen der Kläger hätte schlussfolgern können, dass die Beklagte auf die Zahlung der ihr zustehenden Nutzungsentgelte hätte verzichten wollen, seien vom Kläger noch nicht einmal ansatzweise behauptet worden. Hinsichtlich der Aufrechnung sei darauf hinzuweisen, dass die Aufrechnung nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides führe, sondern - wenn überhaupt - nur im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen sei. Zum Zeitpunkt der (vermeintlich erstmaligen) Zustellung des Bescheides vom 02.08.2006 am 21.12.2009 habe der Kläger einer Aufrechnung des Betrages von 7.515,34 Euro gegen die von ihm zu zahlenden Nutzungsentgelte für das 1. Halbjahr 2006 gegenüber dem Beklagten nicht erklärt. Der Kläger habe zum damaligen Zeitpunkt vielmehr erklärt, dass er mit dem Betrag von 7.515,34 Euro gegen die Forderung aus dem Bescheid vom 17.01.2006 aufrechne. Erst nachdem der Beklagte dem Kläger habe nachweisen können, dass der Bescheid vom 17.01.2006 bestandskräftig geworden sei und dem Kläger diesbezüglich die Vollstreckung drohe, habe der Kläger den aus dem Bescheid vom 17.01.2006 noch offenen Betrag von 7.515,34 Euro bezahlt und nunmehr wegen dieses Betrages die Aufrechnung mit dem Bescheid vom 02.08.2006 erklärt. Die erst nach Erlass des Bescheides vom 02.08.2006 von dem Kläger erklärte Aufrechnung gegen die darin festgesetzte Forderung berühre die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 02.08.2006 indessen nicht. Der Bescheid sei auch deshalb aufzuheben. Im Übrigen stehe dem Kläger eine aufrechenbare Gegenforderung auch nicht zu. Bei den von dem Kläger initiierte Drittmittelprojekten hätten sich im Laufe der Jahre Fehlbeträge in einer sechsstelligen Höhe ergeben. Diese Fehlbeträge hätten sich insbesondere daraus ergeben, dass Personal über Drittmittelkonten beschäftigt worden sei, das tatsächlich nicht vollständig über die Drittmittelkonten habe refinanziert werden können. Hierzu habe es mehrfach Gespräche gegeben, die schließlich zu einer Vereinbarung vom 21.08.2002 geführt hätten. Im Zuge der Umsetzung dieser Vereinbarung seien die betreffenden Drittmittelkonten geschlossen worden. Soweit auf den Drittmittelkonten nach Abschluss der Projekte noch kleinere Restguthaben verblieben waren, seien diese auf die Defizitkonten umgebucht bzw. mit den Fehlbeträgen verrechnet worden. Selbst wenn es diese Vereinbarung nicht gegeben hätte, hätte der Kläger mit Gutachten aus Drittmittelkonten nicht gegen die ihn treffende Verpflichtung zur Zahlung der Nutzungsentgelter aufrechnen können. Bei den Drittmitteln handele es sich unter keinem denkbaren Gesichtspunkten um persönliche Mittel des jeweiligen Hochschulmitgliedes, die er sich als persönliche Vergütung aneignen dürfe. Vielmehr seien Drittmittel nach § 71 Hochschulgesetz NW von der Hochschule zu verwalten und entsprechend den Vorgaben des Mittelgebers und gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu bewirtschaften. Soweit Drittmittel nicht vollständig benötigt würden, stehe dem einwerbenden Mitglied der Hochschule kein persönlicher Anspruch auf Auszahlung des Guthabens zu. Der Kläger vermische im Rahmen seiner Aufrechnung seine persönliche Leistungspflicht nach Maßgabe des § 17 HNtV mit ausschließlich der Beklagten zustehenden Drittmittelkonten. Eine derartige Vermischung sei unzulässig. Bei dem Betrag von 7515,34 Euro, der vom Kläger zur Aufrechnung gestellt werde, handele es sich um Überschüsse aus insgesamt vier verschiedenen Drittmittelprojekten, die auf das Drittmittelkonto N-051.0006 umgebucht worden seien. Da die Überschüsse aus diesen Projekten, die nach deren Abschluss festgestellt worden seien, zu keinem Zeitpunkt dem Kläger persönlich zugestanden hätten, habe der Kläger auch keinen Anspruch darauf, dass ihm diese Mittel ausgezahlt würden. Seine diesbezügliche Aufrechnung gehe deshalb ins Leere.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden; § 101 Abs. 2 VwGO.

Die Klage ist zulässig. Der Bescheid des Beklagten vom 02.08.2006 war zwar bereits bestandskräftig, nachdem der Kläger gegen den nach eigenen Angaben am 21.12.2010 zugestellten Bescheid erst mit Schriftsatz vom 21.01.2010, beim Beklagten eingegangen am 23.01.2010, Widerspruch eingelegt und damit die Widerspruchsfrist von einem Monat nicht eingehalten hatte, der Beklagte hat jedoch im Widerspruchsbescheid zur Sache entschieden.

In der Sache hat die Klage keinen Erfolg. Der Beklagte hat im Bescheid vom 02.08.2006 die Angaben des Klägers zu Grunde gelegt und das Nutzungsentgelt gemäß § 17 Abs. 1 bis 3 HNtV zutreffend berechnet.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist dieser Anspruch auch nicht verwirkt. Ein Anspruch ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die spätere Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (Umstandsmoment). Das Umstandsmoment ist insbesondere erfüllt, wenn der Anspruchsgegner infolge eines bestimmten Verhaltens des Anspruchsinhabers darauf vertrauen durfte, dass dieser seinen Anspruch nach längerer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage) und wenn er sich infolge seines Vertrauens so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauenstatbestand). Dies gilt auch bezüglich vermögensrechtlicher Ansprüche im öffentlichen Recht

vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2012 - 8 C 4/11 - m.w.N. juris.

Aus dem Umstand, dass dem Kläger - anders als bei dem Bescheid vom 17.01.2006 - nicht der Erhalt des Bescheides durch Vorlage des Empfangsbekenntnisses nachgewiesen werden kann, kann der Kläger keine Verwirkung herleiten. Es fehlt zunächst jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass Mitarbeiter des Beklagten die Verwaltungsvorgänge durch Rückdatierung des Bescheides vom 02.08.2006 verändert oder den Bescheid nicht unmittelbar nach Erlass versandt haben sollten. Letztlich kann dies aber auf sich beruhen, denn dem Kläger musste aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit und seiner Erfahrung bewusst sein, dass der Bereich "Nutzungsentgelte", zu denen nicht nur der Bescheid vom 02.08.2006, sondern auch der Vorgang um den Bescheid vom 17.01.2006 gehörte, noch nicht abschließend bearbeitet war.

Die geforderte Summe ist auch nicht teilweise durch Aufrechnung erloschen. Auch außerhalb bestehender gesetzlicher Sonderregelungen ist es im Grundsatz anerkannt, dass in öffentlichrechtlichen Rechtsbeziehungen - darunter auch solchen des Beamtenrechts - in entsprechender Anwendung der §§ 387 ff. BGB aufgerechnet werden kann. Die hierzu erforderliche Aufrechnungslage im Sinne des § 387 BGB hat im vorliegenden Fall allerdings wegen eines fehlenden Gegenseitigkeitsverhältnisses nicht bestanden. Der Anspruch des Beklagten auf Nutzungsentgelt einerseits und die behaupteten Ansprüche des Klägers aus der Verwendung von durch die Universität gemäß § 71 Hochschulgesetz NW verwalteten Drittmittelkonten andererseits sind keine gleichartigen Forderungen, die auch fällig bzw. erfüllbar gewesen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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