FG Köln, Urteil vom 21.10.2015 - 3 K 2253/13
Fundstelle
openJur 2016, 4726
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

Streitig ist, ob im Streitjahr (2011) die Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse auch bei Aufwendungen für die Vermittlung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses zu gewähren ist.

Am 08.09.2010 erteilte die Klägerin der in A ansässigen Agentur "B" (Inhaber Herr C) den Auftrag, ihr eine Haushaltshilfe zu vermitteln, die alle 14 Tage jeweils 3 Stunden lang ihre Wohnung reinigen solle. Die Agentur übernahm ferner die Verpflichtung, jederzeit bei Urlaub, Krankheit sowie generell bei Ausfall von Personal kostenlose Folgevermittlungen zu schaffen. Die Klägerin hatte dafür an die Agentur neben einer einmaligen Bearbeitungsgebühr von 25 € einen monatlichen Abo-Betrag in Höhe von 17 € zu zahlen. Der Vertrag hatte eine Mindestlaufzeit von 6 Monaten und konnte danach gekündigt werden. Sollte der vermittelte Kontakt nach der Kündigung weiter genutzt werden, hatte die Klägerin für jeden angefangenen Monat einen Betrag in Höhe von 15 € zu leisten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Text des Vermittlungsauftrags vom 08.09.2010 einschließlich der allgemeinen Geschäftsbedingungen Bezug genommen.

Die Agentur vermittelte der Klägerin Frau D als Haushaltshilfe. Die Klägerin stellte Frau D im Oktober 2010 ein und zahlte ihr - ausgehend von einem Stundenlohn von 10 € - einen Monatslohn von 65 €. Außerdem zahlte die Klägerin im Wege des Haushaltsscheck-Verfahrens (§ 28a Abs. 7 bis 9 SGB IV) an die Minijob-Zentrale für Frau D Sozialversicherungsabgaben sowie pauschale Lohnsteuer von insgesamt monatlich 9,32 €. Im Streitjahr beschäftigte die Klägerin Frau D zu den gleichen Bedingungen. Sie zahlte ihr 780 € Arbeitslohn sowie weitere 112 € an die Minijob-Zentrale. Den Vermittlungsauftrag ließ die Klägerin bestehen und entrichtete an die Agentur insgesamt 204 € (=17 € x 12).

Nachdem die Klägerin für das Streitjahr keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatte, setzte der Beklagte die Einkommensteuer durch Bescheid vom 18.12.2012 im Schätzungswege fest. Die Klägerin legte Einspruch ein und reichte die Erklärung nach, in der sie unter anderem für Aufwendungen in Höhe von 1.096 €(780 € + 112 € + 204 €) eine Steuerermäßigung im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung im Privathaushalt beantragte. Durch Bescheid vom 01.02.2013 legte der Beklagte der Besteuerung nunmehr die Erklärung zugrunde. Die Steuerermäßigung gewährte er nur für die Leistungen an Frau D und die Minijob-Zentrale. Die Zahlungen der Klägerin an die Agentur berücksichtigte der Beklagte nicht. Den Einspruch wies er am 24.06.2013 als unbegründet zurück. Er führte aus, dass die Tätigkeit der Agentur nach dem Vertrag mit der Klägerin keine haushaltsnahe Dienstleistung darstelle. Die Agentur erbringe lediglich eine Vermittlungs- bzw. Bereitschaftsleistung außerhalb des Haushalts der Klägerin.

Mit der am 22.07.2013 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin den Abzug der Steuerermäßigung weiter und führt aus:

Die Agentur erhalte die Vergütung nicht für die Bereitschaft, im Bedarfsfall eine Leistung zu erbringen. Die Agentur habe für sie, die Klägerin, eine Haushaltshilfe gefunden. Weitere Vermittlungen würden keine Mehrkosten verursachen. Das Entgelt bezahle sie, die Klägerin, im Streitjahr dafür, dass sie die Haushaltshilfe weiter beschäftigen dürfe. Die Tätigkeit der Agentur sei sehr wohl haushaltsnah. Deren Dienstleistung sei von so großer Bedeutung für die von ihr, der Klägerin, nachgefragte Wohnungsreinigung, dass es keine Rolle spiele, von wo aus die Agentur tätig werde. Würde sie, die Klägerin, statt der Agentur und ihrer Haushaltshilfe ein Reinigungsunternehmen beschäftigen, so werde das Unternehmen durch büromäßige Arbeiten jedenfalls in erheblichem Umfang auch außerhalb ihres Haushalts tätig werden, wobei alle Leistungen in das Entgelt für das Reinigungsunternehmen eingepreist würden.

Mit der Einführung der Steuerermäßigung habe der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, die Schwarzarbeit von Beschäftigungen im Privathaushalt einzudämmen. Dem widerspreche es, gerade die Vermittlungskosten außer Ansatz zu lassen. Sie, die Klägerin, habe sich nämlich an die Agentur gewandt, weil es ihr auf dem freien Markt nicht möglich gewesen sei, eine Haushaltshilfe zu finden, die bereit gewesen wäre, nicht "schwarz" zu arbeiten.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid vom 18.12.2012, geändert durch den Bescheid vom 01.02.2013, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.06.2013 dahingehend zu ändern, dass die festgesetzte Einkommensteuer im Hinblick auf § 35a EStG um weitere 41 € vermindert wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf seine Einspruchsentscheidung.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, für die Zahlung der 204 € an die Agentur eine die tarifliche Einkommensteuer mindernde Steuerermäßigung zu gewähren (§ 2 Abs. 7 Satz 1 EStG). In Betracht kommen allein die Steuerermäßigungen nach § 35a Abs. 1 und Abs. 2 EStG für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und haushaltsnahe Dienstleistungen. Für die hier zu beurteilenden Aufwendungen ist aber keine der beiden Steuerermäßigungen zu gewähren.

1. Nach § 35a Abs. 1 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, bei denen es sich um eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8a SGB IV handelt, auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 510 Euro, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Die 204 € sind keine Aufwendungen "für" ein haushaltsnahes Beschäftigungsverhältnis.

Ein haushaltsnahes Beschäftigungsverhältnis besteht nur zwischen der Klägerin und Frau D. Die 204 € sind aber keine Aufwendungen für dieses Beschäftigungsverhältnis. § 8a Satz 1 SGB IV regelt geringfügige Beschäftigungen, die ausschließlich in Privathaushalten ausgeübt werden. Eine solche liegt vor, wenn die Beschäftigung durch einen privaten Haushalt begründet ist und die Tätigkeit sonst gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts erledigt wird. Erforderlich für die Anwendung von § 8a SGB IV ist außerdem die Teilnahme des Arbeitgebers am Haushaltsscheckverfahren gemäß § 28a Abs. 7 bis 9 SGB IV (vgl. Krüger in Schmidt, EStG, 34. Auflage 2015, § 35a Rn. 6). Die Anknüpfung der Steuerermäßigung aus § 35a Abs. 1 EStG an die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen schließt es aus, den Begriff der geringfügigen Beschäftigung auf Personen zu erstrecken, die ihre Tätigkeit nicht in einem privaten Haushalt ausüben. Das Gleiche gilt, soweit § 35a Abs. 1 EStG von Aufwendungen des Steuerpflichtigen "für" haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse spricht. Damit ist ausschließlich das Entgelt gemeint, das an diejenige Person gezahlt wird, die in dem privaten Haushalt tätig wird. Aufwendungen an andere Personen, wie hier die Zahlungen an die Agentur, die lediglich in einem Veranlassungszusammenhang mit dem haushaltsnahen Beschäftigungsverhältnis stehen, sind nach dem eindeutigen Text von § 35a Abs. 1 EStG nicht begünstigt.

2. Gemäß § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, für andere als in Absatz 1 aufgeführte haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht Dienstleistungen nach Absatz 3 (Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen) sind, auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 4 000 Euro, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen.

Die hier interessierende Wohnungsreinigung ist keine Handwerkerleistung gemäß § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG. Die Zahlung der Klägerin an die Agentur ist daher nur dann durch § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG begünstigt, wenn die Agentur von der Klägerin haushaltsnah beschäftigt wird oder für sie eine (andere) haushaltsnahe Dienstleistung erbringt. Eine derartige Haushaltsnähe weist die Tätigkeit der Agentur jedoch nicht auf. Das ergibt sich aus § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG. Diese Norm verlangt nämlich unter anderem, dass das Beschäftigungsverhältnis, die Dienstleistung oder die Handwerkerleistung "in einem ... Haushalt des Steuerpflichtigen ausgeübt oder erbracht wird". Das ist bei der Tätigkeit der Agentur für die Klägerin nicht der Fall.

a) Der Begriff "haushaltsnahe Dienstleistung" ist - anders als die geringfügige Beschäftigung im Privathaushalt (§ 8a Satz 2 SGB IV) - gesetzlich nicht näher definiert. Die Leistungen müssen nach der Rechtsprechung eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung aufweisen oder damit im Zusammenhang stehen. Dazu gehören hauswirtschaftliche Verrichtungen, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt werden und in regelmäßigen Abständen anfallen. Der Begriff "haushaltsnah" ist hierbei als sinnverwandt mit dem Begriff "hauswirtschaftlich" anzusehen. Dazu gehören jedenfalls die Reinigung und Pflege der Räume (BFH, Urteile vom 20.03.2014 VI R 55/12, BStBl II 2014, 880 und jüngst vom 03.09.2015 VI R 13/15, bei juris).

b) Die Leistung der Agentur, für welche die Klägerin die hier strittigen 204 € aufgewendet hat, hat keine ausreichende Nähe zur Führung des Haushalts der Klägerin in dem vorgenannten Sinne. Die Agentur wird weder in Gestalt ihres Inhabers noch durch von ihm beschäftigte Kräfte in der Wohnung der Klägerin tätig. Die Reinigung der Wohnung ist nicht der Agentur zuzurechnen, sondern beruht allein auf dem zwischen der Klägerin und Frau D geschlossenen Arbeitsvertrag. Mit dem Abo-Betrag in Höhe von 17 € monatlich hat die Klägerin das Recht erworben, die Vermittlungsdienste der Agentur "öfter in Anspruch zu nehmen". Die Agentur schuldete der Klägerin gemäß Nr. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ferner jederzeitige Folgevermittlungen bei Urlaub oder Krankheit sowie bei generellem Ausfall von Stammverbindungen. Soweit dort von "kostenlosen" Folgevermittlungen die Rede ist, ändert das nichts an der Entgeltlichkeit des Vertrags. Nach der Auslegung durch den Senat soll "kostenlos" lediglich bedeuten, dass jeweils für die einzelne Folgevermittlung kein gesondertes Entgelt mehr zu zahlen ist, da diese Leistung im Abo-Vermittlungsvertrag enthalten ist. Zu einem anderen Ergebnis führt es auch nicht, dass die weitere Nutzung eines durch die Agentur vermittelten Kontakts grundsätzlich an den Fortbestand des Vertrags geknüpft ist. Die mit dem Abo-Beitrag vergütete Leistung der Agentur ist eine Vermittlungsleistung, die sie nicht "im Haushalt" der Klägerin erbringt.

3. Die Gewährung einer Steuerermäßigung im Wege einer analogen Anwendung des § 35 Abs. 2 Satz 1 EStG für die hier zu würdigenden Aufwendungen kommt nicht in Betracht.

Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Eine solche liegt vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (BFH, Urteil vom 18.01.2012 II R 31/10, BStBl. II 2012, 519). Hiervon zu unterscheiden ist der sog. rechtspolitische Fehler, der gegeben ist, wenn sich eine gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch verbesserungsbedürftig, aber doch nicht - gemessen an der dem Gesetz immanenten Teleologie - als planwidrig unvollständig und ergänzungsbedürftig erweist. Ob es sich um eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke oder lediglich um einen sog. rechtspolitischen Fehler handelt, ist unter Heranziehung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) zu ermitteln, wobei für den danach erforderlichen Vergleich auf die Wertungen des Gesetzes, insbesondere die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zurückzugreifen ist (BFH, Urteil vom 22.09.2011 IV R 3/10, BStBl II 2012, 14). Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber im Steuerrecht eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zukommt (BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 1970 1 BvR 95/68, BVerfGE 29, 327, 335). Ob und ggf. in welcher Form und welchem Umfang steuerliche Erleichterungen gewährt werden sollen, steht in seinem Ermessen (BVerfG-Beschluss vom 06.02.1968 1 BvL 7/65, BVerfGE 23, 74).

Mit der Einführung der Steuerermäßigung des § 35a EStG wurde das Ziel verfolgt, die Schwarzarbeit von Beschäftigungen im Privathaushalt einzudämmen (Bundestags-Drucksache 15/77). Bei Betriebsstätten der gewerblichen Wirtschaft ist das Finanzamt berechtigt, die steuerlichen Verhältnisse im Rahmen einer Betriebsprüfung (§§ 193 ff AO) zu ermitteln. Diese Möglichkeit besteht im Privathaushalt nicht. Die Wohnung steht zudem unter dem besonderen Schutz des Grundrechts aus Art. 13 GG.

Die Forderung der Klägerin, sie müsse aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) steuerlich so gestellt werden, wie wenn sie mit der Reinigung ihrer Wohnung ein gewerbliches Unternehmen beauftragt hätte, ist nicht berechtigt. Die Besteuerung knüpft schon im Grundsatz nur an die effektiv verwirklichten und nicht an hypothetische, zwar realisierbare, aber tatsächlich nicht verwirklichte Sachverhalte und Gestaltungen an (BFH-Urteil vom 17.04.1997 VIII R 48/95, BFH/NV 1998, 20 m.w.N.). Die Klägerin hat die Reinigung ihrer Wohnung durch einen Arbeitsvertrag auf Frau D übertragen und gerade kein selbständiges Reinigungsunternehmen beauftragt. Die Sachverhalte wären wertungsmäßig zudem nicht vergleichbar. Die Klägerin übersieht die zivilrechtlichen Unterschiede. Der Arbeitgeber hat ein Weisungsrecht und kann grundsätzlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit des Arbeitnehmers einseitig festlegen (vgl. nur BAG, Urteil vom 12.12.2001 5 AZR 253/00, NJW 2002, 2411; Beschluss vom 08.09.2015 9 AZB 21/15, NJW 2015, 3469). Der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Aufgabe persönlich erfüllen. Vernachlässigt er seine Pflichten, kann der Arbeitgeber hierauf unmittelbar reagieren. Diese Befugnisse sind für den, der "haushaltsnahe Dienstleistungen" - wie hier die Reinigung seiner Privatwohnung - in fremde Hände geben möchte, von besonderer Bedeutung. Der Wohnungsinhaber wird diese Aufgabe auf Dauer nur einer Person seines Vertrauens übertragen. Bei der Beauftragung eines selbständigen Reinigungsunternehmens hat der Wohnungsinhaber diese Möglichkeiten nicht. Er müsste es im Zweifel hinnehmen, wenn das Unternehmen ständig wechselnde Personen zur Reinigung in seine Privatwohnung schicken würde. Arbeitnehmer und selbständige Unternehmer sind nicht "gleich" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG; gerade im Steuerrecht werden beide regelmäßig - und zu Recht - unterschiedlich behandelt (vgl. nur BFH, Urteil vom 20.06.2015, BFH/NV 2015, 1620).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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