VG Arnsberg, Urteil vom 06.03.2013 - 1 K 2801/11
Fundstelle
openJur 2016, 4401
  • Rkr:
Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Gewerbeuntersagung.

Zum 8. Juni 2011 meldete der Kläger das Gewerbe "Einzelhandel mit Wasserpfeifen und Zubehör" für die Betriebsstätte L. Straße, T. , bei der Beklagten an.

Im August 2011 wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger eingeleitet wegen des Verdachts der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln. Dem lag der Verdacht zugrunde, der Kläger habe in seinem unter der vorgenannten Adresse betriebenen "F. H. I. shop" an Minderjährige Kräutermischungen verkauft, denen Cannabis zugesetzt sei; das Rauchen dieser Kräutermischungen habe bei betroffenen Minderjährigen zu Vergiftungserscheinungen geführt, aufgrund derer eine krankenhausärztliche Behandlung auf der Intensivstation durchgeführt worden sei.

Mit der angefochtenen Ordnungsverfügung vom 29. September 2011 untersagte die Beklagte dem Kläger die Ausübung seines Gewerbes "Einzelhandel mit Wasserpfeifen und Zubehör" und die Ausübung aller anderen Gewerbe sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person. Die Beklagte forderte den Kläger auf, die untersagte selbständige Tätigkeit mit der Betriebsstätte L. Straße , T. , unverzüglich nach Zustellung der Ordnungsverfügung einzustellen und ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte die Beklagte dem Kläger die Schließung seines Betriebs im Wege des unmittelbaren Zwangs an; sie drohte ihm ferner ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 € an. Die Untersagung begründete die Beklagte im Wesentlichen damit, dass sich der Kläger als gewerberechtlich unzuverlässig erwiesen habe, weil er Kräutermischungen an Kinder und Jugendliche verkauft habe, deren Konsum bei diesen zum Teil zu ganz erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt habe.

Am 28. Oktober 2011 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben und vorläufigen Rechtsschutz beantragt.

Mit Schriftsatz vom 2. Februar 2012 hat die Beklagte die Zwangsgeldandrohung in der angefochtenen Ordnungsverfügung aufgehoben. Beide Beteiligte haben den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Zu Begründung seiner Klage trägt der Kläger - auch im zugehörigen Eilverfahren - im Wesentlichen vor: Er sei nicht gewerberechtlich unzuverlässig. Er handele mit legalen Kräutermischungen, deren Verkauf nicht untersagt sei und die mit dem Zusatz gekennzeichnet seien, dass sie zum menschlichen Verzehr nicht geeignet seien. Ein Verkauf an Minderjährige erfolge nicht. Sollten Jugendliche aufgrund des Konsums dieser Kräutermischungen gesundheitliche Beschwerden erlitten haben, liege das nicht in seinem Verantwortungsbereich. Die Kräutermischungen seien keine Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG), so dass eine Strafbarkeit nach diesem Gesetz nicht vorliege; entsprechendes gelte auch für das Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Davon abgesehen sei es in jedem Fall unverhältnismäßig, ihm die Ausübung seines Gewerbes im Ganzen zu untersagen; allenfalls hätte Anlass bestanden, den Verkauf von Kräutermischungen zu verbieten. In der mündlichen Verhandlung trägt der Kläger ergänzend vor: Er habe Zeugen dafür, dass er Ausweiskontrollen durchgeführt und die Kräutermischungen nicht an Minderjährige verkauft habe. Die Gründung seines Shops sei sogar mit öffentlichen Mitteln gefördert worden.

Der Kläger beantragt,

die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 29. September 2011 (in der Fassung, die sie durch den Schriftsatz der Beklagten vom 2. Februar 2012 erhalten hat) aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt - unter Bezugnahme auf ihren Sachvortrag im Eilverfahren - vor: Es liege ein Gutachten des Landeskriminalamtes vor, aus dem hervorgehe, dass es sich bei den im Geschäftslokal des Klägers beschlagnahmten Produkten um Arzneimittel im Sinne des AMG handele; deren Inverkehrbringen sei verboten. Der Kläger habe den Verkauf der Kräutermischungen nicht eingestellt, obwohl er durch die Ordnungsbehörde wiederholt hierzu aufgefordert worden sei und er Kenntnis von der Gefährlichkeit der Substanzen gehabt habe sowie von dem Umstand, dass bereits mehrere Jugendliche nach dem Konsum mit teils lebensgefährlichen Gesundheitsproblemen in Krankenhäuser eingeliefert worden seien. Der Kläger sei vollkommen uneinsichtig hinsichtlich der gefährlichen Auswirkungen seines geschäftlichen Tuns; das belege seine mangelnde Eignung für jede Art gewerblicher Tätigkeit.

Den mit der Klageerhebung gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Gewerbeuntersagung hat die Kammer durch Beschluss vom 8. Februar 2012 - 1 L 654/11 - abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers blieb erfolglos (Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW - vom 26. März 2012 - 4 B 282/12 -).

Unter dem 25. April 2012 hat die Staatsanwaltschaft T. Anklage gegen den Kläger erhoben u. a. wegen des Vorwurfs, entgegen § 5 Abs. 1 des Arneimittelgesetzes Arzneimittel in den Verkehr gebracht und tateinheitlich durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung anderer Personen verursacht zu haben (Az. 23 Js 876/11). Am 6. Dezember 2012 hat das Amtsgericht T. die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Schöffengericht eröffnet. Ein Termin zur Hauptverhandlung hat noch nicht stattgefunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (auch des Verfahrens 1 L 654/11) und auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie die ebenfalls beigezogenen strafrechtlichen Ermittlungsakten Bezug genommen.

Gründe

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die angefochtene Ordnungsverfügung der Beklagten vom 29. September 2011 ist - in der Fassung, die sie durch den Schriftsatz der Beklagten vom 2. Februar 2012 erhalten hat - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Materielle Rechtsgrundlage der Ordnungsverfügung vom 29. September 2011 ist § 35 Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO). Danach ist die Ausübung eines Gewerbes zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist (Satz 1). Die Untersagung kann auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist (Satz 2).

Im maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) verwaltungsbehördlichen Entscheidung,

vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 2. Februar 1982 - 1 C 146.80 -, GewArch 1982, 294 = juris Rn. 14; Beschluss vom 9. April 1997 -1 B 81.97 -, GewArch 1999, 72= juris Rn. 7, st. Rspr.,

hier also im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung vom 29. September 2011, lagen die Voraussetzungen für eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO vor. Namentlich erwies sich der Kläger als gewerberechtlich unzuverlässig. Auch die erweiterte Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO ist nicht zu beanstanden.

Die Kammer hat hierzu in ihrem Beschluss vom 8. Februar 2012 ausgeführt:

"Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 2. Februar 1982 - 1 C 146.80 -, juris, Rn. 13, st. Rspr.

...

Die Gründe für die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit müssen sich aus gewerbebezogenen Tatsachen ergeben, die im Rahmen der anzustellenden behördlichen Prognoseentscheidung auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in der Zukunft schließen lassen.

Vgl. Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung und ergänzende Vorschriften, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: Mai 2011, § 35 GewO Rn. 31-34.

Solche Tatsachen ergeben sich vorliegend maßgeblich aus der beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft T. zu dem gegen den Antragsteller geführten Ermittlungsverfahren 23 Js 876/11. Einer Verwertung der bisherigen Ergebnisse der strafrechtlichen Ermittlungen zum Nachteil des Antragstellers steht dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass diese noch nicht vollständig abgeschlossen sind.

Vgl. hierzu: OVG NRW, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 4 B 215/11 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 16. Oktober 2003 - 4 B 1766/03 -, siehe auch Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 28. September 1990 - 8 TH 2071/90 -, juris.

Es ist den Verwaltungsbehörden und dem Gericht überdies auch nicht verwehrt, die in einem noch nicht abgeschlossenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel einer eigenständigen Prüfung im Hinblick darauf zu unterziehen, ob sich hieraus Grundlagen für gewerberechtliche Maßnahmen ergeben.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2007 - 4 B 901/07 -, unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 28. April 1998 - 3 B 174.97 -.

Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller hat bei der bzw. durch die Ausübung des ihm nunmehr untersagten Gewerbes gegen Vorschriften des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetzes - AMG -) verstoßen. Diese Verletzung von - für die Ausübung des Gewerbes relevanten - gesetzlichen Bestimmungen durch den Antragsteller rechtfertigt unter Berücksichtigung der Gesamtumstände den Schluss, dass dieser auch in Zukunft sein Gewerbe nicht ordnungsgemäß ausüben wird, es ihm also an der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit fehlt.

Nach dem derzeitigen Sachstand ist davon auszugehen, dass der Antragsteller durch den Verkauf von sog. Designer-Drogen in seinem "I1. shop" in der L. Straße in T. entgegen § 5 AMG bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr gebracht hat - dies ist nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG strafbewehrt. "Inverkehrbringen" ist in § 4 Abs. 17 AMG definiert als das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere. Der Antragsteller verkaufte in seinem Geschäftslokal in T. in Tütchen abgepackte Kräutermischungen unterschiedlicher Namensbezeichnungen (z. B. "Maya", "R&B", "Boom", "Double Dutch") in Verpackungseinheiten bis zu 3 g bzw. hielt dort solche Kräutermischungen zum Verkauf bereit. Diesen Kräutermischungen waren synthetische Cannabinoide zugesetzt. Bei der ersten polizeilichen Durchsuchung der Geschäftsräume des Antragstellers in der "L. Straße 24" in der T1. Oberstadt am 3. August 2011 wurden 89 Tütchen mit Mischungen unterschiedlicher Bezeichnung sichergestellt. Ausweislich des Gutachtens des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen (LKA) vom 19. Oktober 2011 enthielten die Tütchen allesamt pflanzliche Materialien (getrocknetes und zerkleinertes Pflanzenmaterial) mit einem ganz erheblichen Anteil des synthetischen Cannabinoids JWH-210, teilweise zudem einen Anteil des synthetischen Cannabinoids AM-2201. Bei der zweiten polizeilichen Durchsuchung des "Headshops" des Antragstellers am 29. September 2011 wurden insgesamt 189 Tütchen sichergestellt. Laut Gutachten des LKA vom 22. Oktober 2011 beinhalteten diese Tütchen ebenfalls jeweils getrocknetes und zerkleinertes Pflanzenmaterial mit einem ganz erheblichen Anteil von synthetischen Cannabinoiden, namentlich JWH-210, AM-2201, JWH 122 und RCS-4 - entweder einzeln oder in Kombination. In der von dem Antragsteller am 19. September 2011 an zwei Jugendliche verkauften Mischung "R&B" waren nach dem Ergebnis eines weiteren LKA-Gutachtens vom 31. Oktober 2011 die Designer-Cannabinoide JWH-210 und AM-2201 enthalten. Alle vier in den Kräutermischungen des Antragstellers nachgewiesenen Wirkstoffe unterliegen (derzeit noch) nicht den Bestimmungen des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG -). Sie sind, wie in den genannten Gutachten im Einzelnen ausgeführt wird, jedoch strukturell mit den dem BtMG inzwischen unterstellten Designer-Cannabinoiden JWH-018, JWH-019 und JWH-073 verwandt. JWH-Verbindungen entfalten eine berauschende Wirkung, die der des Cannabiswirkstoffes THC (Tetrahydrocannabinol) im Wesentlichen ähnelt. JWH-122, JWH-210 und AM-2201 besitzen dabei nach derzeitigem wissenschaftlichem Erkenntnisstand eine erheblich stärkere psychoaktive Wirkung als THC (für RCS-4 sind Werte nicht bekannt). Die in Frage stehenden Kräutermischungen werden zwar üblicherweise als Räucherware, d. h. als Mischung von Kräutern und aromatischen Inhaltsstoffen, die beim Verbrennen ein angenehmes Raumklima verbreiten, deklariert. Teilweise sind sie - worauf sich auch der Antragsteller vorliegend beruft - zudem mit dem Hinweis gekennzeichnet, nicht zum menschlichen Konsum bestimmt zu sein. Tatsächlich werden die Kräutermischungen jedoch von einem am Gebrauch berauschend wirkender Mittel interessierten Personenkreis als Rauch-Drogen konsumiert, d. h. wie Cannabis geraucht. Dass auch die Hersteller und Verkäufer entgegen der anderslautenden Deklaration diese Zweckbestimmung üblicherweise zugrunde legen, zeigt sich insbesondere an der Höhe des Verkaufspreises. 1 g der Mischung "Maya" wird z. B. regelmäßig für ca. 10 EUR vertrieben. Dies entspricht nach den der Ermittlungsakte zu entnehmenden Angaben der Polizei den hiesigen Marktpreisen für 1 g Marihuana. Auch der Antragsteller verkaufte laut den anlässlich polizeilicher Vernehmungen getätigten Aussagen verschiedener Kunden 1 g "Maya" für 10 EUR bzw. 2 g "Maya" für 20 EUR. Aufgrund von Beiträgen im Internet und der Berichterstattung in den öffentlichen Medien ist die Verwendung der in Frage stehenden Kräutermischungen als Droge Konsumenten in der Cannabisszene - und darüber hinaus - bekannt. Auch die Kunden des Antragstellers erwarben die Mischungen als Cannabis-Ersatz, wie sich aus den von ihnen gegenüber der Polizei gemachten Angaben durchgängig ergibt.

Bei den von ihm angebotenen Kräutermischungen handelt es sich damit entgegen dem Vorbringen des Antragstellers um Arzneimittel i. S. d. Arzneimittelgesetzes. Arzneimittel sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 a) AMG (in der ab dem 23. Juli 2009 geltenden Fassung) Stoffe oder Zubereitungen von Stoffen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Die in Frage stehenden Kräutermischungen mit dem Zusatz von synthetischen Cannabinoiden haben bei der Verwendung als Rauschmittel eine pharmakologische Wirkung, und diese Art der Verwendung entspricht - wie bereits dargelegt - auch einer hinreichend fassbaren Verbrauchergewohnheit in der Rauschgiftszene und somit der in erster Linie nach objektiven Kriterien zu beurteilenden Zweckbestimmung des in Frage stehenden Stoffes.

Vgl. zur Arzneimitteleigenschaft sogenannter Designer-Drogen auch: Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 8. Dezember 2009 - 1 StR 277/09 -, juris, Rn. 10ff., Urteil vom 3. Dezember 1997 - 2 StR 270/97 -, juris, Rn. 16ff. (noch zur Vorgängernorm § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG); Patzak/Volkmer: "Legal High"-Produkte - wirklich legal? Kräutermischungen, Badezusätze und Lufterfrischer aus betäubungs- und arzneimittelrechtlicher Sicht, NStZ 2011, S. 498, 500f.

Die vom Antragsteller vertriebenen Kräutermischungen sind zudem bedenkliche Arzneimittel i. S. d. § 5 AMG, deren Inverkehrbringen nach § 5 Abs. 1 AMG verboten ist. Bedenklich sind nach § 5 Abs. 2 AMG Arzneimittel, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Ein naheliegender, häufiger oder typischer Fehlgebrauch ist dabei immer dann der maßgebliche bestimmungsgemäße Gebrauch, wenn die zur Vermeidung eines Missbrauchs ergriffenen Maßnahmen wirkungslos geblieben sind und keinen durchgreifenden Einfluss auf eine entsprechende Verbrauchergewohnheit haben (bzw. haben sollen). Als bestimmungsgemäßer Gebrauch ist danach vorliegend der auf dem Markt vorgesehene Missbrauch der Kräutermischungen als Rauschmittel der Bewertung als "bedenklich" zugrundezulegen.

Vgl. zum Bedenklichkeitsbegriff: BGH, Urteil vom 8. Dezember 2009 - 1 StR 277/09 -, juris, Rn. 22f.; Patzak/Volkmer, a. a. O., S. 498, 501; Rehmann, Arzneimittelgesetz. Kommentar, 3. Auflage, München 2008, § 5 Rn. 2f.

Die mit dieser Art der Verwendung verbundenen schädlichen Wirkungen gehen i. S. d. § 5 Abs. 2 AMG über ein vertretbares Maß hinaus. Die den vom Antragsteller verkauften und zum Verkauf vorgehaltenen Kräutermischungen zugesetzten synthetischen Cannabinoide sind für eine arzneiliche Verwendung am Menschen weder erforscht noch zugelassen. Es fehlen Erkenntnisse über die wahre Gefährlichkeit, insbesondere die Langzeittoxizität dieser Stoffe. Aufgrund der um ein Vielfaches erhöhten pharmakologischen Potenz der in den Kräutermischungen enthaltenen synthetischen Cannabinoide JWH-122, JWH-210 und AM-2201 gegenüber dem natürlichen Cannabisinhaltsstoff THC und der ungleichmäßigen Verteilung der Wirkstoffe in den Kräutermischungen besteht - bei fehlender Deklaration der Inhaltsstoffe und fehlender Dosierungsanleitung auf den die Kräutermischungen enthaltenden Tütchen - grundsätzlich die Gefahr von Überdosierungen mit der Folge von Nebenwirkungen z. B. in Form von Herz-Kreislaufstörungen, Bewusstlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, aber auch psychischen Störungen wie Panikattacken. Es wird überdies zumindest angenommen, dass synthetische Cannabinoide kanzerogenes Potential besitzen könnten. Für weitere Einzelheiten zu den negativen Wirkungen und Folgen des Konsums von Designer-Cannabinoiden wird ergänzend auf den Inhalt der LKA-Gutachten vom 19., 22. und 31. Oktober 2011 Bezug genommen. Die der Verwendung der in Frage stehenden Kräutermischungen als Cannabis-Ersatz innewohnende konkrete Gefahr der Gesundheitsbeschädigung hat sich überdies im vorliegenden Fall auch mehrfach verwirklicht. Mindestens sechs Jugendliche mussten nach dem Konsum von im Geschäft des Antragstellers verkauften Designer-Cannabinoide als Rauch-Droge im Krankenhaus medizinisch versorgt werden.

Die Kammer geht nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Weiteren davon aus, dass der Antragsteller durch seine gewerbliche Tätigkeit nicht nur objektiv gegen das in § 5 AMG normierte Verbot des Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel verstoßen, sondern dabei nicht nur fahrlässig, sondern auch vorsätzlich gehandelt hat. Er war mindestens in groben Zügen über die Beschaffenheit und Wirkungsweise der Kräutermischungen informiert und veräußerte diese als zum Konsum durch Rauchen bestimmten und geeigneten Cannabisersatz an seine Abnehmer bzw. hielt die Kräutermischungen zu diesem Zweck vor. Aus allen Aussagen der Kunden des Antragstellers gegenüber der Polizei ergibt sich eindeutig und zweifelsfrei, dass die Verwendungsmöglichkeit als Cannabisersatz den Beteiligten bekannt war, ohne dass dies noch ausdrücklich besprochen werden musste. In einem Fall fragten die (jugendlichen) Kunden sogar konkret nach "etwas zum Rauchen" und erhielten daraufhin vom Antragsteller ein Tütchen der in Frage stehenden Kräutermischungen. Ferner hat der Antragsteller auch die tatsächlichen Umstände, die der rechtlichen Qualifizierung der Kräutermischungen als bedenkliches Arzneimittel zugrunde liegen, und deren Bedeutungsgehalt zutreffend erfasst. Dass bei dem Konsum der Designer-Cannabinoide als Cannabis-Ersatz die Gefahr von Überdosierungen besteht, war dem Antragsteller bekannt. Dies ergibt sich daraus, dass er zumindest in einem Fall jugendliche Kunden auf diesen Umstand hinwies, als diese anfangs der Sommerferien 2011 bei ihm "Maya" erwarben. Spätestens nach der ersten polizeilichen Durchsuchung am 3. August 2011 war der Antragsteller zudem darüber informiert, dass Jugendliche nach dem Konsum von aus seinem Geschäft herrührenden Kräutermischungen als Droge im Krankenhaus hatten intensivmedizinisch behandelt werden müssen. All dies hat den Antragsteller jedoch nicht davon abgehalten, seine - wie dargestellt - verbotene Verkaufstätigkeit fortzusetzen.

Nach derzeitigem Sachstand geht die Kammer darüber hinaus davon aus, dass der Antragsteller sogar schuldhaft gehandelt hat. Er beruft sich zwar - unter Bezugnahme auf ein ihm zur Verfügung stehendes, bisher nicht vorgelegtes Gutachten, das die Legalität seiner Verkaufstätigkeit bestätigen soll - darauf, sein Handeln sei nicht strafbar. Ein solcher Irrtum über das Verbotensein des Tuns ist jedoch als Verbotsirrtum i. S. d. § 17 des Strafgesetzbuches (StGB) einzuordnen, der vorliegend vermeidbar war und die Schuld des Antragsteller damit nicht ausschließt. Der Antragsteller hat sich nicht, was geboten gewesen wäre, um die Erlangung zuverlässiger Informationen zu der (straf-)rechtlichen Bewertung seines Tuns bemüht. Hätte er dies getan, hätte er Erkenntnisse im Hinblick auf die Strafbarkeit seines Handelns erlangen können.

Aber selbst wenn entgegen dem Vorgesagten dem Antragsteller ein schuldhafter Verstoß gegen strafbewehrte Vorschriften des Arzneimittelgesetzes letztlich nicht zur Last gelegt werden können sollte, hat er unter Verletzung der ihn als Gewerbetreibenden (ansonsten) treffenden Pflichten objektiv gegen § 5 AMG in einer Weise verstoßen, die (nur) den Schluss zulässt, dass er (auch) zukünftig keine Gewähr für eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung bieten wird.

Den Antragsteller traf als Gewerbetreibenden jedenfalls die Pflicht, sich über die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen für die Ausübung seines Gewerbes zu informieren und ggf. durch fachkundige Personen beraten zu lassen. Diesen Anforderungen ist er in keiner Weise nachgekommen. Die Information allein über ein Herstellergutachten zur (vermeintlichen) (straf-)rechtlichen Einordnung des Verkaufs der Kräutermischungen ist hierfür unter den gegebenen Umständen erkennbar nicht ausreichend.

Die objektiv gegebenen Verstöße gegen § 5 AMG sind schwerwiegend, zahlreich und von beträchtlichem Umfang. Der Antragsteller hat die in Frage stehenden Kräutermischungen in großen Mengen verkauft. Der LKA-Gutachter geht davon aus - für die Einzelheiten der Berechnung wird auf den Inhalt der Gutachten vom 19. und 22. Oktober 2011 verwiesen -, dass die bei der ersten Durchsuchung am 3. August 2011 sichergestellten Tütchen mindestens 480 Konsumeinheiten an cannabinoidhaltigen Kräutermischungen entsprochen haben; die bei der zweiten Durchsuchung am 29. September 2011 sichergestellten Tütchen entsprachen mindestens 1015 Einzeldosen. Aus den ebenfalls bei der polizeilichen Durchsuchung sichergestellten Aufzeichnungen des Antragstellers geht hervor, dass dieser mit dem Verkauf der Kräutermischungen im Monat Mai mehr als 4.000 EUR an Einnahmen erzielt hat.

Der Antragsteller hat die Kräutermischungen zudem wiederholt an Minderjährige und damit besonders schützenswerte Personen veräußert. Dies wird durch Aussagen mehrerer jugendlicher Kunden im Alter von 13 bis 16 Jahren bei der Polizei eindeutig belegt. Dabei gab lediglich einer der jugendlichen Kunden auf Nachfrage bei seiner polizeilichen Vernehmung an, der Antragsteller habe beim Verkauf darauf hingewiesen, dass die Kräutermischung eine stärkere berauschende Wirkung aufweise als "normales Gras". In den anderen Fällen verkaufte der Antragsteller die Designer-Cannabinoide an die jugendlichen Kunden, ohne Angaben zur "richtigen" Dosierung und potentiellen Nebenwirkungen des Konsums zu machen. Der Antragsteller verkaufte beispielsweise zwei 13 und 15 Jahre alten Jugendlichen am 19. September 2011 das oben bereits erwähnte Tütchen "R&B", das nachweislich JWH-210 und AM-2201 enthielt, ohne die Jungen nach ihrem Alter zu fragen und auf Risiken des Konsums der Kräutermischung hinzuweisen.

Der Konsum von Kräutermischungen aus dem "Headshop" des Antragstellers führte, worauf vorstehend bereits Bezug genommen wurde, bei mehreren Jugendlichen zu erheblichen Gesundheitsverletzungen. Am 1. August 2011 mussten zwei zu diesem Zeitpunkt 15jährige Jugendliche nach dem zu Erbrechen und Bewusstlosigkeit führenden Konsum von nachweislich im Geschäft des Antragstellers in T. erworbenem "Maya" in der T1. Kinderklinik intensivmedizinisch versorgt werden. Am 10. September 2011 wurde ein 15jähriges Mädchen, das nach dem Konsum von aus dem Geschäft des Antragstellers stammendem "Maya" bewusstlos geworden, daraufhin mit dem Kopf auf eine Betontischplatte aufgeschlagen war und sich erbrochen hatte, in der Kinderklinik in T. intensivmedizinisch versorgt. In derselben Nacht wurde mindestens ein weiteres 15jähriges Mädchen nach dem Konsum von aus dem "I2. shop" des Antragstellers herrührendem "Maya" in der Kinderklinik in T. medizinisch behandelt. Am 12. September 2011 wurde ein 15jähriger Junge in die T1. Kinderklinik eingeliefert, nachdem er im Geschäft des Antragstellers erworbenes "Maya" konsumiert hatte. Am 19. September musste der 13jährige Junge, der mit seinem 15jährigen Freund am selben Tag beim Antragsteller ein Tütchen "R&B" erworben hatte, nach dem Konsum der "Droge" in der Kinderklinik in T. medizinisch behandelt werden.

Der Antragsteller hat den Verkauf von Kräutermischungen an Minderjährige fortgesetzt, auch nachdem er - spätestens anlässlich der ersten polizeilichen Durchsuchung am 3. August 2011 - darüber Kenntnis erlangt hatte, dass Jugendliche nach dem Konsum von aus seinem Geschäft stammenden Kräutermischungen im Krankenhaus behandelt werden mussten. Der Antragsteller hat sich durch die polizeilichen Ermittlungen und den gegen ihn erhobenen Vorwurf strafbaren Verhaltens nicht beeindruckt gezeigt. Auch die Einleitung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens hat der Antragsteller nicht zum Anlass genommen, zu prüfen, ob er seine gewerbliche Tätigkeit im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften ausübt. Er hat vielmehr aus Gewinnstreben seine Verkaufstätigkeit in Kenntnis der von dem Konsum der Kräutermischungen ausgehenden Gefahren für die Gesundheit (und das Leben) insbesondere von Jugendlichen fortgesetzt. Darin offenbart sich eine gegenüber der Rechtsordnung und den Rechtsgütern anderer gleichgültige Haltung. Diese spiegelt sich auch in den vom Antragsteller gegenüber den Polizeibeamten getätigten Äußerungen anlässlich der Durchsuchungen seines Geschäftslokals wider. Nach den - unwidersprochen gebliebenen - Angaben der Polizeibeamten erklärte der Antragsteller diesen gegenüber am 3. August 2011, seine Kunden würden ihn zum Teil sowieso "ankotzen", er würde alles nur wegen des Geldes machen. Im Rahmen der zweiten Durchsuchung am 29. September 2011 bemerkte der Antragsteller, die letzte "Aktion der Polizei" sei eine "gute Werbung" gewesen. Er habe die Verluste durch die anlässlich der ersten Durchsuchung erfolgte Sicherstellung innerhalb eines Tages wieder ausgeglichen.

Unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände ist damit, entgegen dem Vorbringen des Antragstellers, der zu keinem Zeitpunkt Einsicht hat erkennen lassen, im Ergebnis davon auszugehen, dass dieser nicht willens oder in der Lage ist, die mit der Ausübung einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit verbundenen (Sorgfalts-) Pflichten zu erfüllen, insbesondere die für eine Gewerbeausübung maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, sich über gesetzliche Verbote eine gesicherte Kenntnis zu verschaffen und diese zu beachten und überdies dafür Sorge zu tragen, dass es durch die Verwendung von den in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit veräußerten Produkten nicht zu Rechtsgutsverletzungen von Dritten, insbesondere von Jugendlichen, kommt. Der Antragsteller bietet danach nicht die Gewähr dafür, er werde sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben.

Liegen demnach die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO vor, ist die Ausübung des Gewerbes von der zuständigen Behörde zu untersagen. Die Untersagung ist auch nicht etwa unverhältnismäßig. Das Interesse des Antragstellers, seine Existenzgrundlage beibehalten zu können, tritt hinter den mit der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO verfolgten Zielen vorliegend schon deswegen zurück, weil der Antragsteller seinen Lebensunterhalt durch eine gewerbliche Tätigkeit bestreitet, die bereits objektiv gesetzeswidrig ist.

Hinsichtlich der erweiterten Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO, die die Antragsgegnerin nach dem Verfügungstenor auf die Ausübung aller anderen im Geltungsbereich der Gewerbeordnung liegenden Gewerbe sowie auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetriebes oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person erstreckt hat, bestehen ebenfalls keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Verhalten des Antragstellers offenbart, wie oben dargelegt, eine von Gewinnstreben dominierte, gegenüber der Rechtsordnung und den Rechtsgütern anderer gleichgültige Haltung, die den Schluss auf eine generelle Unzuverlässigkeit im gewerberechtlichen Sinne rechtfertigt. Eine solche Haltung ist nicht nur im Hinblick auf die hier konkret in Frage stehende gewerbliche Tätigkeit des Antragstellers relevant. Sie begründet vielmehr die generelle Gefahr, dass der Antragsteller seinen gewerberechtlichen Pflichten auch bei der Ausübung anderer Gewerbe nicht ordnungsgemäß nachkommen wird.

Die Begründung der Ordnungsverfügung vom 29. September 2011 gibt des Weiteren in noch ausreichender Weise zu erkennen, dass die Antragsgegnerin das Ermessen, welches ihr bei der erweiterten Untersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO zukommt, ausgeübt hat. Anhaltspunkte dafür, dass dies ermessensfehlerhaft erfolgt sein könnte, bestehen nicht. Insbesondere ist die - sinngemäße - Erwägung, dass der Antragsteller keine Einsicht gezeigt, den Verkauf von Kräutermischungen in Kenntnis von eingetretenen Körperverletzungen fortgesetzt, das Gefahrenpotential seines Verhaltens nicht erkannt habe, den dahingehenden Pflichten eines Gewerbetreibenden damit in keiner Weise nachgekommen sei und demzufolge dieses Verhalten unabhängig von der Art der Gewerbeausübung fortbestehen werde, rechtlich nicht zu beanstanden"

An diesen rechtlichen Wertungen hält die Kammer fest. Namentlich geht sie weiterhin davon aus, dass die vom Kläger verkauften Kräutermischungen Arzneimittel i. S. d. Arzneimittelgesetzes waren. Ergänzend wird zur rechtlichen Qualität solcher Produkte als Arzneimittel auf die überzeugenden Ausführungen des Landgerichts Limburg a. d. Lahn in dessen Urteil vom 27. September 2012 - 3 Js 14210/11 - 5 Kls - (S. 53 ff. d. amtl. Abdrucks = juris Rn. 286 ff.) Bezug genommen.

Die Kammer geht ferner davon aus, dass sich der Kläger auch wegen fahrlässiger Körperverletzungen nach § 229 StGB strafbar gemacht hat. Denn der Kläger hat durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung anderer Personen verursacht, indem er die Kräutermischungen an Minderjährige verkaufte, die durch den Konsum der Mischungen in einen Rauschzustand - zum Teil bis hin zu Erbrechen und Bewusstlosigkeit - gerieten.

Anerkannt ist, dass eine Gesundheitsbeschädigung im Sinne der §§ 223 Abs. 1, 229 StGB auch in der Herbeiführung eines Rauschzustandes liegen kann.

Vgl. BGH, Urteile vom 4. März 1981 - 2 StR 734/80 -, NJW 1983, 462 = juris Rn. 12, und vom 27. November 1985 - 3 StR 426/85 -, ; NStZ 1986, 266 = juris Rn. 9; Amtsgericht (AG) Saalfeld, Urteil vom 15. September 2005 - 684 Js 26258/04 - 2 Cs jug -, NStZ 2006, 100 = juris Rn. 14, m. w. N.

Diese Gesundheitsbeschädigungen hat der Kläger - zumindest - fahrlässig verursacht, weil er davon ausgehen musste, dass die verkauften Kräutermischungen wie Cannabis konsumiert werden, und er auch damit rechen musste, dass der Konsum insbesondere bei Jugendlichen zu schweren Rauschzuständen führt.

Die Tatbestandsmäßigkeit entfällt nicht etwa deshalb, weil die Geschädigten die Kräutermischungen freiwillig konsumiert haben. Zwar unterfallen eigenverantwortlich gewollte und verwirklichte Selbstgefährdungen nicht dem Tatbestand eines Körperverletzungsdelikts, wenn das mit der Gefährdung bewusst eingegangene Risiko sich realisiert, und deshalb derjenige, der lediglich eine eigenverantwortlich bewirkte Selbstgefährdung und Selbstverletzung veranlasst, ermöglicht oder fördert, an einem Geschehen teilnimmt, das als Körperverletzung nicht tatbestandsmäßig ist. Eine solche Selbstgefährdung liegt dann vor, wenn jemand sich frei verantwortlich und in voller Kenntnis des Risikos und der Tragweite seiner Entscheidung in eine Gefahrensituation begibt. Wer in dieser Weise eine Gefahr auf sich nimmt, schließt andere von den strafrechtlichen Folgen für die Realisierung der Gefahr aus. Die Strafbarkeit desjenigen, der den Akt der Selbstgefährdung veranlasst, ermöglicht oder fördert, beginnt jedoch dann, wenn er erkennt, dass das Opfer die Tragweite seines Entschlusses nicht überblickt. Weil er dann kraft überlegenen Sachwissens das Risiko besser erfasst als der sich selbst Gefährdende, trifft ihn die strafrechtliche Haftung für die sich ergebenden Folgen. Er haftet für die Realisierung des Risikos dann als Täter.

Vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1985 - 3 StR 426/85 -, ; NStZ 1986, 266 = juris Rn. 10; AG Saalfeld, Urteil vom 15. September 2005 - 684 Js 26258/04 - 2 Cs jug -, NStZ 2006, 100 = juris Rn. 15, m. w. N.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger täterschaftlich gehandelt. Der Kläger wusste, dass der Konsum der von ihm verkauften Kräutermischungen vor allem bei Jugendlichen zu schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen führen kann. Wenn ihm dieses Gefährdungspotential nicht von vornherein bekannt war, erfuhr der Kläger jedenfalls im Zuge der ersten polizeilichen Durchsuchung seines I3. shops am 3. August 2011 davon, dass Jugendliche nach dem Konsum der - auch vom Kläger angebotenen - Kräutermischung "Maya" im Krankenhaus behandelt werden mussten. Gleichwohl setzte der Kläger den Verkauf von Kräutermischungen an Minderjährige fort. So ergibt sich etwa aus den beigezogenen Ermittlungsvorgängen, dass zwei - seinerzeit nur 13 bzw. 15 Jahre alte - Jungen am 19. September 2011 im I4. shop des Klägers ein Tütchen der Kräutermischung "R & B" erwarben, ohne dass sie zu ihrem Alter befragt oder ihnen Warnhinweise erteilt worden waren. Dem Kläger musste hierbei bewusst sein, dass erkennbar noch nicht volljährige Jugendliche nicht in der Lage waren, die mit dem Konsum der Kräutermischungen verbundenen Risiken einschätzen oder überschauen zu können.

In Anbetracht dieser fehlenden Einsichtsfähigkeit kann auch keine Einwilligung im Sinne des § 230 StGB vorliegen.

Der pauschalen Behauptung des Klägers, die Kräutermischungen nicht an Minderjährige verkauft zu haben, schenkt die Kammer keinen Glauben. Die im Zuge der umfangreichen polizeilichen Ermittlungen vorgenommenen Anhörungen bzw. Vernehmungen belegen vielmehr eindrucksvoll, dass der Kläger die gefährlichen Mischungen ohne Rücksicht auf das Alter seiner Kunden auch an minderjährige Jugendliche veräußert hat. Die entsprechenden Bekundungen der Betroffenen, die das Geschehen vor und nach dem Konsum der Mischungen jeweils plausibel geschildert haben, erscheinen glaubhaft, zumal die minderjährigen Kunden des Klägers keine erkennbare Veranlassung hatten, den Kläger insoweit zu Unrecht zu belasten. In das Bild einer rücksichtslosen und allein auf Gewinn ausgerichteten Verkaufsstrategie fügt sich auch die - bereits angesprochene - Aussage des Klägers ein, seine Kunden würden ihn zum Teil sowieso "ankotzen", er würde "alles nur wegen des Geldes machen". Im Übrigen spricht für sich, dass der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vortrug, Ausweiskontrollen vorgenommen zu haben, obwohl die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 8. Februar 2012 davon ausgegangen war, dass der Kläger die Kräutermischungen auch an Minderjährige verkauft hatte. Auch angesichts der mit der Ladungsverfügung vom 12. November 2012 gesetzten Frist nach § 87 b Abs. 2 und 3 VwGO sieht die Kammer im Rahmen ihres Ermessens davon ab, dem neuen Vorbringen des Klägers weiter nachzugehen.

Auf die Frage, ob und inwieweit bereits im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Ordnungsverfügung eine Verfolgbarkeit der fahrlässigen Körperverletzungen nach § 230 StGB gegeben war, kommt es in der hier vorliegenden rechtlichen Konstellation nicht an. Entscheidend ist allein, ob der der Straftat zugrunde liegende Sachverhalt auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden schließen lässt. Ist dies - wie hier - der Fall, können Grundlage einer Gewerbeuntersagung auch Straftaten sein, die aufgrund verfahrensrechtlicher Voraussetzungen bzw. Hindernisse zum gegebenen Zeitpunkt noch nicht bzw. nicht mehr verfolgbar sind.

Vgl. etwa zur möglichen Berücksichtigung von Straftaten, die aufgrund von Verjährung nicht mehr verfolgt werden können: Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Auflage, 2011, § 35 Rn. 46.

Soweit der Kläger geltend macht, es sei in jedem Fall unverhältnismäßig, ihm die Ausübung seines Gewerbes im Ganzen zu untersagen, allenfalls hätte Anlass bestanden, den Verkauf von Kräutermischungen zu verbieten, hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen dem bereits im Beschwerdeverfahren entgegnet, dass für eine Untersagung nur einzelner Tätigkeiten kein Raum bestanden hat.

Auch die Androhung unmittelbaren Zwangs, die auf den §§ 55 ff. des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen beruht, unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 und 161 Abs. 2 VwGO und folgt den bereits im Eilbeschluss der Kammer dargelegten Gründen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

Die Kammer sieht von einer Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO ab, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.