FG Münster, Urteil vom 09.12.2014 - 15 K 4319/12 U
Fundstelle
openJur 2016, 4274
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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist der Vorsteuerabzug aus dem Kauf eines Blockheizkraftwerks im Rahmen eines betrügerischen Schneeballsystems bei dem der Kaufpreis vollständig bezahlt wurde, die Lieferung aber ausblieb.

Der Kläger bestellte im Streitjahr 2010 ein Blockheizkraftwerk bei der Firma X GmbH in O (im Folgenden: X). Die X bestätigte die Bestellung mit Schreiben vom 29.3.2010. Das Blockheizkraftwerk wurde dem Kläger von der X ebenfalls mit Datum vom 29.3.2010 i. H. 22.500 € zzgl. 4.275 € Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Um den Rechnungsbetrag zahlen zu können, nahm der Kläger ein Darlehen bei der ... i.H. von 27.000 € auf. Der Kläger hat den Kaufpreis ausweislich eines Vermerks der X auf der Rechnung am 11.5.2010 bezahlt. Aus der Rechnung ist erkennbar, dass die Rechnungsbeträge vor Lieferausführung angefordert wurden.

Der Kläger schloss zeitnah mit der Bestellung des Blockheizkraftwerks mit einer der Verkäuferin nahestehenden Gesellschaft (Y) einen Verwaltungsvertrag und mietete von der Y einen Stellplatz für das noch zu liefernde Blockheizkraftwerk an. Ausweislich des Verwaltungsvertrags, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, war die Y beauftragt und bevollmächtigt, die erzeugte Energie anzubieten und die Forderungen einzuziehen. Der Kläger schloss außerdem mit der Y einen "Premium Service Vertrag" ab, durch den sich die Y verpflichtete gegen pauschales Entgelt alle Serviceleistungen zur Aufrechterhaltung des Betriebs des Blockheizkraftwerkes durchzuführen. Nach Abschluss der Verträge überwies die X zunächst zum Ersatz der durch den Kläger getragenen Vorfinanzierungskosten 270 €. Die X erteilte anschließend mit Datum vom 12.10.2010 und 3.11.2010 Gutschriften mit offenem Steuerausweis zu 19 %. Hierin wies sie dem Kläger Abschlagszahlungen i. H. von jeweils 750 € zzgl. 142,50 € Umsatzsteuer "auf der Grundlage ihres Vertrags und ihres Blockheizkraftwerks" zu.

Nach zahlreichen Medienberichten über die X und ihr nahestehende Gesellschaften waren die verkauften Blockheizkraftwerke technisch gar nicht im Stande, die versprochene Energieleistung zu erbringen. Die Zahlungen an die Erwerber wurden im Rahmen eines Schneeballsystems durch Kaufpreiszahlungen neuer Anleger gespeist. Die X hatte von mehr als 1.400 Käufern mehr als 62 Millionen Euro eingenommen. Im Zeitpunkt des Beginns der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen die Verantwortlichen der X war noch kein Prototyp eines Blockheizkraftwerks hergestellt. Das Landgericht O kam zu der Überzeugung, dass die X von Anfang an ein Schneeballsystem betrieben hatte mit dem Ziel, neue Käufer zu gewinnen und aus den vereinnahmten Kaufpreisen die Garantiezahlungen zu leisten. Die Entwicklung und der Betrieb von Blockheizkraftwerken waren von den Verantwortlichen zur Überzeugung des Landgerichts nie beabsichtigt gewesen. Die Verantwortlichen der X wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Mit Datum vom 20.5.2011 reichte der Kläger eine Umsatzsteuererklärung für 2010 mit einer Umsatzsteuer von ./. 2.613,00 € ein. Der Umsatzsteuerbetrag enthielt u.a. die Vorsteuer aus der Rechnung für das Blockheizkraftwerk i. H. von 4.275 €.

Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung im August 2011 für die Zeiträume I. Quartal 2010 bis IV. Quartal 2010 änderte der Beklagte den Umsatzsteuerbescheid für 2010 mit Datum vom 6.9.2011 und setzte die Umsatzsteuer auf 1.662 € fest. Die Vorsteuern aus der Vorausrechnung der X i. H. von 4.275 € wurden nicht mehr anerkannt. Die im Übrigen erklärten Umsätze, die aus der Veräußerung von Strom durch vom Kläger betriebene Photovoltaikanlagen resultieren, und in diesem Zusammenhang entstandene Vorsteuern ließ der Beklagte unberührt. Gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2010 legte der Kläger mit Schreiben vom 14.9.2011 Einspruch ein und verwies auf eine Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg in vergleichbarer Sache (Beschluss vom 14.4.2011 9 V 3818/10, juris).

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 21.11.2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG eine gesetzlich geschuldete Steuer für eine Lieferung oder sonstige Leistung erfordere. Daran mangele es, da die X im Rahmen ihres betrügerischen Schneeballsystems von Vornherein beabsichtigt habe, kein Blockheizkraftwerk zu liefern und dies auch tatsächlich nicht getan habe.

Dagegen hat der Kläger am 14.12.2012 Klage erhoben. Der Kläger trägt vor, dass er bereits wegen des Betriebs der Photovoltaikanlagen Unternehmer sei. Ihm sei außerdem eine ordnungsgemäße Rechnung ausgestellt worden, so dass der Vorsteuerabzug bestehen würde. Der Vorsteuerabzug ergebe sich jedenfalls daraus, dass der Kläger gutgläubig hinsichtlich der Lieferung des Blockheizkraftwerks gewesen sei. Gutgläubigen Leistungsempfängern dürfe der Vorsteuerabzug nicht versagt werden. Außerdem komme nach wirksamer Entstehung des Vorsteuerabzugs eine Berichtigung desselben nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nur dann in Betracht, wenn das Entgelt zurückgezahlt werde, woran es vorliegend mangele.

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 6.9.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.11.2012 aufzuheben,

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt Bezug auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass es in der Anzahlungsrechnung an einer hinreichenden Bezugnahme auf weitere Unterlagen mangele, so dass die Leistungsbeschreibung für eine ordnungsgemäße Rechnung unzureichend ist. Im Übrigen sei das gekaufte Blockheizkraftwerk nie geliefert worden. Die X schulde die Steuer nach § 14c UStG und nicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, so dass es auf Seiten des Klägers an der "gesetzlich geschuldeten Steuer" mangele und die Vorsteuer daher nicht abgezogen werden könne. Letztlich sei darauf hinzuweisen, dass die Vorschrift über den Vorsteuerabzug - anders als die Regelung des § 6a Abs. 4 UStG - keinen Schutz des guten Glaubens vorsehen würde.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid für 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Dem Kläger steht ein Vorsteuerabzug aus der Rechnung der X nicht zu.

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG in der im Streitzeitraum geltenden Fassung kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen, vorausgesetzt, er besitzt eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG).

Im Streitfall hat der Beklagte den vom Kläger aus der Vorausrechnung der X geltend gemachten Vorsteuerabzug zu Recht versagt, weil es sich bei der in dieser Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer um keine "gesetzlich geschuldete Steuer" im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG handelt, sondern vielmehr um einen unberechtigten Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG.

Bei richtlinienkonformer Auslegung darf als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nur eine für den berechneten Umsatz vom Leistenden geschuldete Steuer abgezogen werden (EuGH-Urteil vom 15.3.2007 C-35/05, Reemtsma Cigarettenfabriken, Sammlung der Entscheidungen des EuGH - Slg. - 2007, I-2425, Rn. 23 m. w. N.; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6.12.2007 V R 3/06, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFHE - 221, 67, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2009, 203, Rn. 22 ff. in juris). Demnach erstreckt sich das Recht auf Vorsteuerabzug nicht auf eine Steuer, die ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in einer Rechnung ausgewiesen ist. Dies betrifft insbesondere im Sinne von § 14c Abs. 1 und 2 UStG ausgewiesene Steuern.

Gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 UStG ist eine Steuer unberechtigt ausgewiesen, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Eine Abrechnung ohne Leistung im Sinne des § 14c Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 UStG liegt hierbei nach dem Sinn und Zweck der Regelung - der Verhinderung von Missbräuchen - noch nicht vor, wenn der liefernde Unternehmer die Rechnung begibt, bevor er die Leistung ausführt (Anzahlungs- und Vorausrechnung). Der Fall einer Zahlung vor Ausführung der Umsätze ist in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG ein Vorsteuerabzug ausdrücklich vorgesehen. Für einen unberechtigten Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 UStG muss deshalb hinzukommen, dass der Unternehmer nicht willens und in der Lage ist, die in der ausgestellten Rechnung beschriebene Leistung zu erbringen, er aber mit der Rechnung gleichwohl den Schein einer (erbrachten oder nach Rechnungsstellung zu erbringenden) Leistung erwecken will, d. h. dass der Unternehmer von vornherein nicht beabsichtigt hat, die Leistung zu erbringen (FG Münster, Urteil vom 16.10.2014 5 K 3875/12 U, juris m. w. N.).

Der Senat ist überzeugt, dass im Streitfall bereits im Zeitpunkt der Ausstellung der Anzahlungsrechnung feststand, dass die abgerechneten Leistungen nicht erbracht werden konnten und sollten. Die in der Rechnung der X ausgewiesene Steuer ist daher keine "gesetzlich geschuldete Steuer" im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, so dass der Vorsteuerabzug hieraus verwehrt ist. Die Steuer wird von der X ausschließlich deshalb geschuldet, weil sie die Steuer in der Rechnung ausgewiesen hat (§ 14c Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 UStG).

Gegenstand des Betrugsmodells der X-Gruppe war nämlich, dass die verkauften Blockheizkraftwerke tatsächlich nicht hergestellt und geliefert werden sollten. Zur Vertuschung des groß angelegten Betrugs sollte verhindert werden, dass die Käufer die tatsächliche Existenz der Kraftwerke hinterfragen und überprüfen. Zu diesem Zweck wurden die Käufer dazu angehalten, mit dem Kauf eines Blockheizkraftwerks zugleich Miet- bzw. Pacht- und Verwalterverträge mit Schwester-/Partnerunternehmen zu schließen, damit sich die Käufer um die Auslieferung und den tatsächlichen Standort der gekauften Anlagen nicht weiter kümmern mussten und dies auch nicht taten. Außerdem erhielten die Käufer monatliche Garantieausschüttungen, durch die sie sich in ihrer Geldanlage bestätigt fühlen und keine Nachfragen stellen sollten. Diese Garantieausschüttungen wurden im Rahmen eines sog. Schneeballsystems durch die Kaufpreiszahlungen aus neu abgeschlossenen Kaufverträgen mit anderen Erwerben finanziert.

Da der Vorsteuerabzug bereits aus vorstehendem Grund zu versagen war, kann der Senat insbesondere dahinstehen lassen, ob eine ordnungsgemäße Rechnung im Sinne der §§ 14, 14a UStG vorlag, ob dem Kläger nach den abgeschlossenen Verträgen die Verfügungsmacht an dem von ihm gekauften Blockheizkraftwerk gemäß § 3 Abs. 1 UStG überhaupt verschafft werden sollte und ob nicht ggfls. mit Rückwirkung auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteil vom 13.3.2014 C-107/13, FIRIN, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2014, 467) der Anspruch auf Vorsteuerabzug, unterstellt dieser sollte entgegen den vorherigen Ausführungen entstanden sein, zu berichtigen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

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