FG Köln, Urteil vom 25.06.2013 - 12 K 2010/11
Fundstelle
openJur 2016, 4184
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob für den Kläger anstelle laufenden Gewinns ein tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn i.S.d. §§ 16, 34 EStG festzustellen ist.

Der Kläger war bis 2001 Gesellschafter der inzwischen vollbeendeten Sozietät A Rechtsanwälte (Sozietät). Die Sozietät unterhielt Standorte an mehreren deutschen Großstädten. Neben dem Kläger waren über 100 weitere Gesellschafter beteiligt.

Im März 2001 kamen die Partner der Sozietät überein, die Gesellschaft aufzulösen und das Betriebsvermögen auf Nachfolgegesellschaften zu übertragen. Die Partner der einzelnen Standorte fanden sich jeweils zu neuen Gesellschaften zusammen, die das Betriebsvermögen des jeweiligen Standortes zum 31.03.2001, 24:00 Uhr übernahmen (Aktiva und Passiva, bestehenden Verträge und Mandate) und den Geschäftsbetrieb fortführten.

In dem für das Streitjahr (2001) unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung vom 02.07.2004 wurde die Auflösung der Sozietät zunächst erklärungsgemäß gewinnneutral behandelt.

Im Zuge einer vom Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung B durchgeführten Betriebsprüfung gelangte der Prüfer in Abstimmung mit dem Finanzministerium zu der Rechtsansicht, dass eine Buchwertfortführung in der hier vorliegenden Konstellation (Übertragung von Betriebsvermögen zwischen verschiedenen Gesamthandsgemeinschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten) nicht zulässig sei. Es handele sich auf der Ebene der einzelnen Gesellschafter um einen Tausch; der Veräußerungspreis richte sich jeweils nach dem gemeinen Wert des hingegebenen Mitunternehmeranteils.

Über die steuerliche Würdigung der Auflösung der Sozietät und die Höhe der im Betriebsvermögen befindlichen stillen Reserven entstand in der Folge Streit.

Nach zahlreichen Erörterungen schloss der Beklagte mit sämtlichen Gesellschaftern tatsächliche Verständigungen. Darin kam man überein, dass der zum 31.3.2001 aufzulösende Praxiswert insgesamt ... € betrug und davon die in den jeweiligen Verständigungen konkret benannten Teilbeträge auf die einzelnen Gesellschafter entfielen. Für den Kläger gelangten die Beteiligten einvernehmlich zu einem aufzulösenden anteiligen Praxiswert von ... DM.

Entsprechend dem Ergebnis der Verständigung erhöhte der Beklagte den laufenden Gewinn (geänderte Feststellungsbescheide vom 30.12.2009). Korrespondierend dazu wurden bei den Nachfolgegesellschaften jeweils entsprechend höhere Anschaffungskosten berücksichtigt.

Der Kläger gehörte bis zur Auflösung der Sozietät dem Standort in D an. Am 20. März 2001 hatten die in D tätigen Anwälte zur Vorbereitung der Realteilung die Gesellschaft "F" (D GbR) gegründet, auf die mit Ablauf des 31.03.2001 sämtliche Aktiva und Passiva des Standortes D übertragen wurden. Laut Gesellschaftsvertrag der D GbR wurden die Kapitalkonten mit den Beträgen eröffnet, die den Partnern auf ihren Kapitalkonten bei der Sozietät für die Übernahme von Wirtschaftsgütern im Rahmen der Realteilung belastet worden sind (§ 3 des Gesellschaftsvertrages). Vereinbarungsgemäß ging die D GbR am 01.04.2001 0:05 Uhr von der Bilanzierung auf die Einnahme-Überschussrechnung über; der dadurch entstehende Übergangsverlust wurde im Verhältnis der bisherigen Gewinnanteile auf die Gesellschafter der GbR verteilt. Mit Wirkung zum 01.04.2001, 0.15 Uhr veräußerte die D GbR an die jeweiligen Partner die auf sie übergegangenen Kraftfahrzeuge zum Verkehrswert. Ferner vereinbarte man im Gesellschaftsvertrag, dass sechs Partner -unter ihnen der Kläger- mit Wirkung auf den 01.04.2001 0:30 Uhr gegen eine Abfindung für die vorzeitige Aufgabe der Gesellschafterstellung und die dadurch entgehenden Einkünfte ausscheiden. Die Abfindung für den Kläger wurde auf ... DM festgelegt.

Aus der Beteiligung an der D GbR wurde dem Klägern als Mitunternehmer ein Verlust in Höhe von zuletzt ... DM zugerechnet (Feststellungsbescheid des Finanzamtes D vom 20.08.2010).

Der Kläger legte gegen den aufgrund der BP geänderten Feststellungsbescheid der Sozietät vom 30.12.2009 Einspruch ein und beantragte, den aufgrund der Realteilung entstandenen Gewinn als tarifbegünstigt i.S. der §§ 16, 34 EStG zu qualifizieren. Die Übertragung der Mitunternehmeranteile in eine neue Personengesellschaft gegen Gewährung von Mitunternehmeranteilen stelle eine Veräußerung im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG dar. Durch die Realteilung seien sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang übertragen und dabei die im Praxiswert vorhandenen stillen Reserven aufgedeckt worden. Weitere stille Reserven seien lt. Betriebsprüfungsbericht vom 01.12.2009 nicht vorhanden gewesen. Eine anschließende Tätigkeit als Angestellter oder freier Mitarbeiter sei unschädlich. Der Tarifbegünstigung stehe es überdies nicht entgegen, dass er Gesellschafter der D GbR geworden sei. Denn kurz nach Gründung der GbR sei er dort ausgeschieden und am laufenden Gewinn nicht beteiligt gewesen.

Der Beklagte hielt an dem Ansatz eines laufenden Gewinns fest und führte aus: Es seien zum einen nicht sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen übergegangen. Im Rahmen der Betriebsprüfung hätten die Vertreter der Sozietät den Standpunkt vertreten, dass sich die Mandate ausschließlich im Sonderbetriebsvermögen befänden. Es sei davon auszugehen, dass dies zumindest auf einen Teil der Mandate zutreffe; eine Aufdeckung aller stillen Reserven habe damit nicht stattgefunden; dies sei letztlich auch Bestandteil der tatsächlichen Verständigung gewesen. Zum anderen liege hier schon deshalb kein tarifbegünstigter Gewinn vor, da der Kläger an der Erwerberin (D GbR) im bisherigen Umfang beteiligt gewesen sei. Gemäß § 16 Abs. 2 S. 3 EStG gelte ein Veräußerungsgewinn als laufender Gewinn, soweit auf Seiten des Veräußerers und des Erwerbers dieselben Personen Unternehmer oder Mitunternehmer seien. Das treffe auf den Kläger zu. Er habe die Anteile wirtschaftlich gesehen an sich selbst veräußert. Dass seine Beteiligung an der D GbR nur für eine kurze Zeitspanne bestanden habe, sei unmaßgeblich. Auf die Dauer der Beteiligung stelle das Gesetz nicht ab.

Mit Einspruchsentscheidung vom 26.05.2011 wies der Beklagte den Einspruch nach weiteren Erörterungen als unbegründet zurück. Auf die Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen.

Mit der fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren, den Gewinn zum Teil als nach §§ 16, 34 EStG tarifbegünstigt zu qualifizieren, weiter.

Durch die Realteilung seien sämtliche stille Reserven der Gesellschaft aufgedeckt worden. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der tatsächlichen Verständigung ("Der ...aufzulösende Praxiswert beträgt insgesamt ... €"). Die Annahme weiterer stiller Reserven im Sonderbetriebsvermögen sei durch nichts belegt; jedenfalls bezogen auf seine Person seien keine stillen Reserven vorhanden gewesen. Eine Einigung des Inhalts, dass kein begünstigter Veräußerungsgewinn vorliege, sei nicht getroffen worden; im Übrigen würde es sich dabei um eine rechtliche Verständigung handeln, die in der AO nicht vorgesehen sei.

Die Ablehnung einer Tarifbegünstigung lasse sich auch nicht auf § 16 Abs. 2 S. 3 EStG stützen. Die besagte Vorschrift setze nach Sinn und Zweck voraus, dass der Steuerpflichtige am laufenden Gewinn und Verlust der Mitunternehmerschaft, auf die das Betriebsvermögen übertragen werde, beteiligt sei. Letzteres sei hier nicht der Fall. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise handele es sich bei der Auflösung der Sozietät und dem Ausscheiden aus der D GbR als Nachfolgegesellschaft der Sozietät um einen einheitlichen Veräußerungsvorgang. Die Vorschrift des §16 Abs. 2 Satz 3 EStG wolle eine Tarifbegünstigung in Fällen ausschließen, in denen wirtschaftlich gesehen gar keine Betriebsveräußerung stattfinde und aufgrund der Gestaltung neues AfA-Volumen geschaffen werde. Durch die fehlende Beteiligung am laufenden Gewinn komme es im vorliegenden Fall aber nicht zur Schaffung weiteren AfA-Volumens. Er sei letztlich nicht Mitunternehmer der D GbR geworden. Die Stellung als Mitunternehmer setze Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko voraus. Das FG Hamburg habe in seiner Entscheidung vom 22.07.2010, Az. 2 K 179/08, DStRE 2011, 734 dargelegt, dass eine lediglich kurze zivilrechtliche Gesellschafterstellung keine Mitunternehmerstellung begründe. Da ein Gewinnbezugsrecht in der D GbR fehle, greife die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG hier nicht. Eine Besserstellung im Vergleich zu einer direkten Veräußerung liege im Streitfall nicht vor.

Die Forderung des Beklagten nach Aktivierung des Praxiswertes habe sich im Übrigen maßgeblich auf das rückwirkend zum 01.01.2001 in Kraft gesetzte UntStFG gegründet. Das Bundesverfassungsgericht habe mit der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung vom 07.07.2010 (BvL 14/02, NJW 2010, 3629) Gesetzesänderungen, die auf den Beginn eines Veranlagungszeitraumes zurückwirkten, verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Auch wenn sich die Kläger darüber bewusst seien, dass sie wegen der tatsächlichen Verständigung an die Aktivierung des Praxiswertes gebunden seien, müsse hier zumindest die Tarifbegünstigung zur Anwendung gelangen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid für 2001 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 30.12.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.05.2011 betreffend die ehemalige Sozietät A dahingehend zu ändern, dass für den Kläger ein Gewinnanteil i.H.v. ... DM als begünstigter Gewinn im Sinne der §§ 16, 34 EStG statt als laufender Gewinn festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG einschlägig und daher von einem laufenden Gewinn auszugehen sei und verweist auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung. Ferner trägt er vor, dass beim Abschluss der tatsächlichen Verständigung Einigkeit bestanden habe, dass kein begünstigter Veräußerungsgewinn vorliege.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der im angefochtenen Bescheid festgestellte Gewinnanteil des Klägers ist nicht tarifbegünstigt i.S.d. §§ 16, 34 EStG.

1. Da der Kläger innerhalb der Klagefrist ausschließlich die Qualifikation des Gewinns aus der Auflösung der Sozietät als tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG anstelle laufenden Gewinns begehrt hat, ist allein die Qualifikation des Gewinns Gegenstand der Klage geworden. Der Senat hat deshalb nicht darüber zu entscheiden, ob im Zusammenhang mit der Realteilung zwingend die vorhandenen stillen Reserven aufzulösen waren und der Gewinn in zutreffender Höhe berücksichtigt wurde. Diese Feststellungen sind vielmehr bestandskräftig geworden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30.08.2012 IV R 44/10, BFH/NV 2013, 376; BFH-Urteil vom 09.02.2011 IV R 15/08, BStBl II 2011, 764).

2. Zu Recht hat der Beklagte keinen nach §§ 16, 34 EStG tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn festgestellt.

a) Gemäß §§ 16, 34 EStG werden Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils begünstigt besteuert. Nach § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG gilt ein Veräußerungsgewinn jedoch insoweit als laufender Gewinn, als sowohl auf Seiten des Veräußerers als auch auf Seiten des Erwerbers dieselben Personen Unternehmer oder Mitunternehmer sind. Der Steuerpflichtige veräußert in dieser Konstellation wirtschaftlich letztlich "an sich selbst". So betrachtet wird der Gewerbebetrieb bzw. die freiberufliche Praxis vom veräußernden (Mit-) Unternehmer im Umfang seiner Beteiligung an der erwerbenden Gesellschaft faktisch nicht beendet, sondern unter Auflösung der stillen Reserven fortgeführt (vgl. BFH-Urteil vom 15.06.2004 VIII R 7/01, BStBl II 2004, 754). Das maßgebliche Beteiligungsverhältnis i.S. des § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG bestimmt sich nach dem Anteil des Veräußernden am Aufwand, der aufgrund des zusätzlich geschaffenen Abschreibungsvolumens künftig auf ihn entfällt (BFH-Beschluss vom 29.11.2007 VIII B 213/06, BFH/NV 2008, 373; Frotscher, EStG § 16 Rz. 229).

b) Im Streitfall hat der Kläger für seinen Anteil an der Sozietät eine vermögensmäßige Beteiligung an der D GbR erhalten, die seinem Mitunternehmeranteil an der untergehenden Sozietät entsprach. Nach § 3 des Gesellschaftsvertrages der D GbR eröffnete das Kapitalkonto mit den Beträgen, die den Partnern auf ihren Kapitalkonten bei der Sozietät für die Übernahme von Wirtschaftsgütern im Rahmen der Realteilung belastet wurden. Nach dem Ergebnis der tatsächlichen Verständigung erhöhte sich das Kapitalkonto der Partner der D GbR um die realisierten stillen Reserven im Praxiswert. Durch den Ansatz dieser Position lt. Ergänzungsbilanz entstand auch beim Kläger ein zusätzliches Abschreibungsvolumen, das ihm als Einbringenden im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der D GbR in vollem Umfang aufwandsmäßig zugute gekommen ist (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 21.09.2000 IV R 54/99, BStBl II 2001, 178). Insoweit liegt eine vollständige Identität auf Veräußerer- und Erwerberseite vor (wirtschaftlicher Verkauf an sich selbst), die nach § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG zum Ausschluss der Tarifbegünstigung führt.

c) Die dagegen gerichteten Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.

aa) Der Kläger ist -ungeachtet der Tatsache, dass er ½ Stunde nach Einbringung seines Sozietätsanteile gegen Zahlung einer Abfindung für die vorzeitige Aufgabe seiner Gesellschafterstellung auch aus der D GbR ausgeschieden ist- Mitunternehmer der D GbR geworden. Seine Mitunternehmerstellung ergibt sich schon aus dem entsprechenden Feststellungsbescheid der D GbR vom 20.08.2010. Denn dem Kläger wurde danach als Mitunternehmer ein Verlust in Höhe von ... DM zugerechnet und der anteilige Firmenwert lt. Ergänzungsbilanz einkünftemindernd berücksichtigt.

bb) Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten ist für die Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht erforderlich. Zwar ist die Vorschrift mit dem Zweck eingeführt worden, Begünstigungen auszuschließen, die dadurch entstehen, dass einerseits eine Tarifermäßigung gewährt wird, während andererseits das zusätzlich geschaffene Abschreibungsvolumen den regulär besteuerten Gewinn mindert (vgl. BFH in BFH/NV 2008, 373). Die Minderung des regulären Gewinns ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG aber keine Tatbestandsvoraussetzung. Entscheidend ist, dass die aufgedeckten stillen Reserven nach der Vermögensübertragung wirtschaftlich beim Steuerpflichtigen verbleiben und einkünftemindernd weiterhin bei ihm berücksichtigt werden. Die Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG ist somit auch dann einschlägig, wenn es in der Folge zur Minderung eines Veräußerungsgewinns kommt.

Abgesehen davon hat das zusätzlich geschaffene Abschreibungsvolumen in der vorliegenden Konstellation zum Ansatz eines Verlustes geführt, da die erhaltene Abfindung von ... DM deutlich unter dem anteiligen (gegenzurechnenden) Praxiswert von ... DM lag. Dieser Verlust hat das regulär besteuerte Einkommen gemindert. Bei Gewährung einer Tarifermäßigung würde im Streitfall das Ergebnis eintreten, das durch die Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG gerade verhindert werden soll.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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