VG Minden, Urteil vom 09.09.2013 - 11 K 2858/12
Fundstelle
openJur 2016, 4152
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für den Beigeladenen jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Dem Kläger ist am 21. August 2012 auf seinen Antrag vom 21. Dezember 2010 eine Genehmigung zur Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage zum Halten und zur Aufzucht von Mastschweinen mit 1995 Mastplätzen gemäß § 4 des BImSchG i.V.m. den §§ 1 und 2 der 4. BImSchV und Ziffer 7.1 Spalte 2 g) des Anhangs der 4. BImSchV für den Standort N. , Gemarkung I. , Flur 5, Flurstück 24/1 (postalisch: T. C. 121) erteilt worden. In dem Genehmigungsbescheid, dem u.a. Immissionsgutachten von Prof. Dr.-Ing. T2. T1. vom 24. März 2011, 07. Juli 2011, 26. März 2012, 04. Juli 2012 und 27. Juli 2012 zugrundeliegen, heißt es unter III. B) Nebenbestimmungen Ziffer 4.:

"Im Hinblick auf die Geruchs- und Ammoniakimmissionen sind folgende Auflagen einzuhalten:

a.) Die Anlage ist technisch so einzurichten, dass die Geruchsbelastung für die Nachbarhäuser "T. C. 106 und 119" maximal 20 % beträgt (ausgedrückt als relative Häufigkeiten der Geruchsstunden). Um dies zu er- reichen, müssen laut Gutachten der Stallneubau und der bestehende Stall mit 490 Mastplätzen mit Abluftführungen betrieben werden, deren Abluftpunkte 16 Meter über dem Erdboden liegen und deren Abluftsteuerung so eingerichtet ist, dass eine Austrittsgeschwindigkeit von 10 m/s erreicht wird.

b.) Um die Ammoniakimmission zu reduzieren, sind die unter 4 a.) genannten Auflagen ebenfalls einzuhalten."

Am 24. September 2012, einem Montag, hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sich gegen die vorgenannte Auflage wendet. Durch die Auflage hinsichtlich der Ablufthöhe und Geschwindigkeit entstünden für ihn Mehrinvestitionen, vor allem am Stallaltbau, da dort größere Ventilatoren angeschafft werden müssten. Bereits dies koste rund 15.950,50 €. Hinzu kämen, was derzeit noch nicht bezifferbar sei, Mehrkosten für die Erhöhung der Abluftrohre. Außerdem träfen ihn mit Blick auf die Erhöhung der Austrittsgeschwindigkeit höhere jährliche Stromkosten für den Altstall von 1.448,45 € und für den Neubau von 863,97 €. Diese Kosten stünden außer Verhältnis zur Reduzierung der Geruchsbelastung. Er habe einen Anspruch auf die Erteilung der von ihm beantragten Genehmigung unter Festsetzung eines für Geruchs- und Ammoniakimmissionen maßgebenden Immissionsgrenzwertes von nicht weniger als 25 % der Jahresgeruchsstunden. Die Festsetzung eines Immissionsgrenzwertes für Geruchsbelastungen bzw. Ammoniakimmissionen von 20 % für die im Außenbereich gelegenen Immissionspunkte "T. C. 106 und 119" finde keine rechtliche Stütze. Sein Vorhaben sei auch in der ursprünglich zur Genehmigung gestellten Variante mit einer Ablufthöhe von 15 m über den Erdboden am Neubau und 9 m am Altbau und einer Austrittsgeschwindigkeit auf nicht mehr als 7 m/s am Neu- und Altbau genehmigungsfähig, weil sich hieraus Immissionswerte von 23% bzw. 24 % an den nächstgelegenen Immissionspunkten "T. C. 106 und 119" ergäben. Diese Werte lägen innerhalb des für landwirtschaftliche Gerüche im Außenbereich anzusetzenden Wertes von bis zu 25 %. Auch bestehe für die Bewohner des Hauses "T. C. 106" aufgrund der früheren landwirtschaftlichen Nutzung eine anzunehmende nachwirkende Pflicht zur Rücksichtnahme, die ebenfalls einen Immissionswert im Außenbereich von bis zu 25 % zulasse. Das Objekt "T. C. 106" sei als ehemaliges Heuerlingshaus der Hofstelle des Beigeladenen "T. C. 119" zuzuordnen gewesen. Ein einstmals landwirtschaftsbezogenes Wohnen habe dort deshalb ebenfalls vorgelegen.

Der Kläger beantragt,

der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Genehmigungsbescheides vom 21. August 2012 verpflichtet, den in den Nebenbestimmungen B) 4. lit a) und b) festgelegten Immissionsgrenzwert für Geruchsbelastungen bzw. Ammoniakimmissionen auf 25 % (ausgedrückt als relative Häufigkeit der Geruchsstunden) festzusetzen sowie die Höhe der Abluftpunkte von 16 m über dem Erdboden und die Austrittsgeschwindigkeit von 10 m/s zu streichen, hilfsweise die Höhe der Abluftpunkte auf nicht höher als 15 m über dem Erdboden am Neubau und 9 m am Altbau und die Austrittsgeschwindigkeit auf nicht mehr als 7 m/s am Neu- und Altbau festzusetzen;

hilfsweise, den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 21. August 2012 insoweit teilweise aufzuheben als mit ihm in den Nebenbestimmungen zu B) 4. lit. A) und b) ein Immissionsgrenzwert für Geruchsbelastungen bzw. Ammoniakimmissionen von 20 % (ausgedrückt als relative Häufigkeit der Geruchsstunden), ferner die Höhe der Abluftpunkte auf 16 m über den Erdboden und die Austrittsgeschwindigkeit von 10 m/s festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, der Hinweis des Klägers auf einen erhöhten finanziellen Aufwand, der ihm durch die Realisierung des Genehmigungsbescheides entstehe, sei unerheblich. Der Kläger sei verpflichtet, die nach dem Stand der Technik möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern und unvermeidbare auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Durch die geforderten Maßnahmen ließe sich der Wert der Geruchsimmissionen für die Nachbarhäuser um zusätzlich 4 % reduzieren, was eine erhebliche Reduktion darstelle. Schon dies rechtfertige die aufgenommene Nebenbestimmung. Der Betrieb des Klägers sei der letzte verbliebene landwirtschaftliche Betrieb im Bereich "T. C. ". Das Gebiet habe den Charakter einer historisch verbliebenen "Außenbereichsinsel", die von den Wohngebieten N1. , C1. und L. weiträumig umgeben werde. Da die in der GIRL festgesetzten Immissionswerte für Wohn- oder Dorfgebiete (10 bzw. 15 %) nicht anzuwenden seien, andererseits auch die 25 %ige Ausnahmeregelung nicht in Betracht komme, sei die Bildung eines Zwischenwertes vorgenommen worden. Es sei auch nicht so, dass die Bewohner des Objektes "T. C. 106" aufgrund der ehemals landwirtschaftlichen Nutzung des Objektes eine derartige verringerte Rücksichtnahmepflicht treffe, dass sie 25 % hinnehmen müssten. Bereits im Jahre 1935 habe das sog. Heuerlingshaus schon als Mietshaus gedient. Im Jahre 1991 sei es seitens des Beigeladenen veräußert worden. Das Haus sei daher seit langer Zeit ausschließlich für Wohnzwecke genutzt worden und habe keine eigene landwirtschaftliche Hofstelle dargestellt. Die vom Kläger in Anspruch genommene Nachwirkung der Verpflichtung zur Rücksichtnahme könne sich aber nur auf den Inhaber einer landwirtschaftlich betriebenen Hofstelle beziehen und nicht auf solche Personen, die Wohnobjekte bewohnten, die schon seit geraumer Zeit nicht mehr zu einer Hofstelle gehörten. Für die Bewohner des Hauses "T. C. 106" würde die Belastung seitens des klägerischen Betriebes bei einer Höhe der Schornsteine von 15 m und einer Abluftgeschwindigkeit von 7 m/s rund 24 % betragen, dies stelle eine Steigerung der Geruchsimmissionen um 8 % dar, was als gravierend anzusehen sei. Die Nebenbestimmungen minimierten diese Belastungen.

Der Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakte 11 K 2805/12 sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (5 Hefte) Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft und zulässig.

Der Kläger begehrt mit dem in der Klagebegründung vom 04. Februar 2013 unter Ziffer 1. gestellten Haupt- und Hilfsantrag im Wesentlichen eine Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ohne die im Bescheid vom 21. August 2012 unter dem Punkt "III B) Nebenbestimmungen Ziffer 4. lit a) und b)" enthaltenen Bestimmungen bzw. mit einer verringerten Ablufthöhe und Abluftgeschwindigkeit. Es handelt sich bei den hier streitigen Nebenbestimmungen um sogenannte modifizierende Auflagen, d.h. um untrennbar mit der Genehmigung verbundene und daher nicht isoliert anfechtbare Nebenbestimmungen. Denn die Nebenbestimmungen hinsichtlich der einzuhaltenden Immissionswerte sowie der damit verbundenen Ablufthöhe sowie der Abluftgeschwindigkeit beruhen auf den durch § 5 Abs. 1 BImSchG normierten Betreiberpflichten des Betreibers einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage, die den Kernbereich der Genehmigung nach § 6 BImSchG ausmachen. Solche den Kernbereich betreffenden Auflagen sind daher notwendiger Bestandteil der Genehmigung, da eine Genehmigung ohne Einhaltung der Betreiberpflichten im Hinblick auf die im Bundesimmissionsschutzgesetz verankerten Grundsätze der gebotenen Umweltverträglichkeit von Anlagen keinen Bestand haben könnte.

Vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 05. Oktober 2011 - 5 B 1651/11 -, juris.

Die Klage ist mit dem Haupt- und Hilfsantrag jedoch unbegründet.

Der Genehmigungsbescheid vom 21. August 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, denn er hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die Genehmigung ohne die beanstandeten Nebenbestimmungen erlässt bzw. eine verringerte Ablufthöhe und Abluftgeschwindigkeit festsetzt (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

Als Anspruchsgrundlage einer Verpflichtung zur Erteilung der Genehmigung ohne die beanstandeten Nebenbestimmungen bzw. mit einer verringerten Ablufthöhe und Abluftgeschwindigkeit müsste der Kläger im Übrigen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 BImSchG im Genehmigungsverfahren erfüllen. Hierzu zählen insbesondere die Betreiberpflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG. Die eine Genehmigungsvoraussetzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 des BImSchG bildende Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, wonach genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen nicht hervorgerufen werden können, dürfte hier aber verletzt sein, wenn die Anlage durch den Kläger ohne die beanstandeten Nebenbestimmungen bzw. mit verringerter Ablufthöhe und Abluftgeschwindigkeit betrieben würde.

Prof. Dr.-Ing. T2. T1. hat im Rahmen seiner im Verwaltungsverfahren durchgeführten Begutachtungen die zu erwartenden Geruchsimmissionen für den Stall (BE 3, betreffend 490 Tiere) und den Stallneubau (BE 9, betreffend 920 Tiere) stets mit einer festgesetzten Auslasshöhe vorgenommen. In seinem ergänzenden Gutachten vom 24. März 2011 hat er für die BE 3 mit einer Ablufthöhe von 6,5 - 13 m und bei BE 9 von 15 m (eine gesteigerte Abluftgeschwindigkeit wurde nicht angenommen) für das Grundstück T. C. 106 eine Geruchsimmissionsbelastung von 25 % errechnet. In seiner letzten gutachterlichen Stellungnahme vom 07. Juli 2013 kommt er - ohne Berücksichtigung der Vorbelastung durch andere Betriebe - bei einer Ablufthöhe bei BE 3 von 9 - 15 m und bei BE 9 von 15 m sowie einer Abluftgeschwindigkeit von 7 m/s auf eine Geruchsbelastung beim Grundstück T. C. 106 von 24 % der Jahresgeruchsstunden und beim Grundstück T. C. 119 von 23 % der Jahresgeruchsstunden.

Wenn der Beklagte den Genehmigungsbescheid ohne die streitbefangenen Nebenbestimmungen hinsichtlich Ablufthöhe und Abluftgeschwindigkeit erließe, bedeutete dies unter Berücksichtigung der gutachterlichen Bewertung von Prof. Dr.-Ing. T1. vom 24. März 2011 für das Grundstück T. C. 106 eine zu erwartenden Immissionsbelastung von 25 % der Jahresgeruchsstunden. Wenn der Beklagte - wie vom Kläger hilfsweise begehrt - die Ablufthöhe bei BE 3 mit 9 - 15 m und bei BE 9 mit 15 m sowie einer Abluftgeschwindigkeit bei beiden Ställen mit 7 m/s festsetzen würde, führte dies ausweislich der gutachterlichen Stellungnahme vom 27. Juli 2012 dort zu einer Belastung von 24 % der Jahresgeruchsstunden. Dies stellte einen Verstoß gegen die Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar. Dieser Einschätzung liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Das Grundstück des Klägers sowie das Grundstück T. C. 106 liegen im bauplanungsrechtlichen Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB. Der hier betroffene Außenbereich ist bauplanungsrechtlich nur ausnahmsweise für Wohnnutzungen, in erster Linie aber als Standort für stark emittierende Betriebe vorgesehen (vgl. § 35 Abs. 1 BauGB). Im typischerweise landwirtschaftlich genutzten Außenbereich muss mit Lärm und Gerüchen gerechnet werden, die durch Tierhaltung, Dungstätten, Güllegruben und dergleichen üblicherweise entstehen. Sie sind typische Begleiterscheinungen der zulässigen landwirtschaftlichen Nutzung, so dass der Eigentümer eines Wohnhauses in der Regel nicht verlangen kann, von den mit der Tierhaltung verbundenen Immissionen verschont zu bleiben.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2008 - 10 A 1666/05 -, juris, m.w.N.

Schweinemastanlagen sind bauplanungsrechtlich dem Außenbereich zugewiesen, auch wenn es sich mangels überwiegend eigener Futtergrundlage im Rechtssinne nicht um eine landwirtschaftliche (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, § 201 BauGB), sondern um eine gewerbliche Tierhaltung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB handelt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 02. Juni 2009 8 B 572/09 -, DVBl. 2009, 1040 = NWVBl 2009, 481.

Bei der Beurteilung, ob Geruchsbelastungen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, kann bis zum Erlass bundesrechtlicher Vorschriften auf die nordrheinwestfälische Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 zurückgegriffen werden.

Die TA Luft enthält keine Vorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen. Bei den in Nr. 5.4.7.1 der TA Luft für die Errichtung von Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Nutztieren geregelten Mindestabständen, die in Form einer Kurve dargestellt werden und sich nach der in der Anlage vorgesehenen Tierlebendmasse in Großvieheinheiten richtet, handelt es sich, wie sich aus Nr. 1 und der Überschrift des 5. Abschnitts der TA Luft ergibt, um Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen. Die Einhaltung der Mindestabstände der TA Luft ist deshalb zwar ein Indiz dafür, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG auftreten. Dies bedeutet aber nicht, dass ein Betreiber seine Schutzpflicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG nicht erfüllt, wenn die Mindestabstände nicht eingehalten werden. Im Übrigen finden die in der TA Luft geregelten Mindestabstände nach Nr. 5.4.7.1 der TA Luft nur Anwendung auf vorhandene oder in einem Bebauungsplan festgesetzte Wohnbebauung, also nicht auf - wie hier - außerhalb eines Bebauungszusammenhangs im Außenbereich gelegene Einzelhäuser.

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Geruchsimmissions-Richtlinie sowie die VDI-Richtlinien 3471 und 3472 (Emissionsminderung Tierhaltung - Schweine bzw. Geflügel) bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen als Orientierungshilfe herangezogen werden können; sie enthalten technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 07. Mai 2007 - 4 B 5.07 -, BauR 2007, 1454; OVG NRW, Urteile vom 20. September 2007 - 7 A 1434/06 -, DVBl. 2007, 1515 (nur LS), und vom 13. Dezember 2007 - 7 D 142/06.NE -, juris, sowie Beschlüsse vom 24. Juni 2004 - 21 A 4130/01 -, NVwZ 2004, 263, vom 10. Februar 2006 - 8 A 2621/04 -, NWVBl. 2006, 337, vom 14. März 2008 - 8 B 34/08 -, juris, und vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -.

Die nachfolgende VDI-Richtlinie 3894 stellt ebenfalls eine neue Erkenntnisquelle und Orientierungshilfe zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Gerüchen dar.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 03. August 2012 - 8 B 290/12 -, juris

Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL gilt für Wohn-/Mischgebiete ein Immissionswert (IW) von 0,10 (10 % Jahresgeruchsstunden) und für Gewerbe-/Industriegebiete ein Immissionswert von 0,15 (15 % Jahresgeruchsstunden). Für Dorfgebiete gilt ebenfalls ein Immissionswert von 0,15; einen Immissionswert für den Außenbereich regelt die GIRL nicht ausdrücklich. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen. In der Begründung und in den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL ist erläuternd ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es "möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert bis zu 0,25 für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen."

Zu den Voraussetzungen, wann eine Erhöhung des maßgeblichen Richtwertes auf 0,25 möglich ist, hat das OVG NRW in seinem Beschluss vom 30. Januar 2013 - 8 B 1130/12 - Bezug genommen auf die in einer fachlichen Stellungnahme des LANUV NRW vom 13. Dezember 2012 aufgeführten Kriterien für die Prüfung der speziellen Randbedingen des Einzelfalls. Dort heißt es:

"- Siedlungsstruktur/Ortsüblichkeit: Einzelnen Wohnnutzungen im

Außenbereich kann, soweit keine der im Weiteren genannten Kriterien

dagegen sprechen, in der Regel ein Immissionswert bis 0,25 zugeordnet

werden. Für Straßendörfer und Streusiedlungen wird die Anwendung

eines Immissionswertes bis 0,20 empfohlen.

- Nutzung: Soweit es sich um eine reine Wohnnutzung im Außenbereich

handelt, können, in Abhängigkeit von den weiteren genannten Kriterien,

Immissionswerte oberhalb von 0,15 bis 0,25 festgelegt werden. Für

Wohnnutzungen von tierhaltenden Betrieben wird ein Immissionswert

bis 0,25 empfohlen, wobei die jeweilige Eigenbelastung

(Geruchsstundenhäufigkeiten, hervorgerufen durch die eigene

Tierhaltung) unberücksichtigt bleibt. Ein solches Vorgehen stellt sicher,

dass die Bewohner einer solchen Hofstelle für den Fall einer Aufgabe

der Tierhaltung (ein aufgrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft

regelmäßig auftretender Fall) nicht unbegrenzt Geruchsimmissionen

ausgesetzt sind, somit auch für diesen Fall der Schutz sichergestellt ist.

- Historie: Der Wohnnutzung innerhalb einer Hofstelle, auf der Tiere

gehalten wurden, die heute insgesamt aber nur noch zu Wohnzwecken

genutzt wird, kann ein Immissionswert bis 0,25 zugeordnet werden.

Handelt es sich um ein Wohnhaus im Außenbereich, das ohne

landwirtschaftlichen Bezug errichtet wurde (z.B. Bahnwärterhaus), wird

ein Immissionswert bis 0,20 empfohlen.

- Vorbelastung: Liegt die Vorbelastung bereits über 0,25, ist im Rahmen

eines Genehmigungsverfahrens anzustreben, den Immissionswert von

0,25 im Sinne eines Zielwertes zu erreichen.

Bezogen auf den Begriff des landwirtschaftlichen Geruchs führt das LANUV aus:

Zu bedenken ist hier, dass sich die Bezeichnungen "Landwirtschaft",

"landwirtschaftliche Gerüche", "landwirtschaftlicher Bereich" und

"landwirtschaftliche Anlagen" in Nr. 1 und 3.1 der GIRL bzw. den

Auslegungshinweisen zu Nr. 1, 2, 3.1 und 5 der GIRL nicht auf

"Landwirtschaft im Sinne von § 201 BauGB" beziehen, sondern als

Bezug die im Forschungs- und Entwicklungsprojekt zur GIRL genannten

Definitionen heranzuziehen sind. In diesem "Bericht zu Expositions-

Wirkungsbeziehungen" (LUA NRW 2006) wird der Summe der

Geruchsqualitäten "Geflügel, Schwein, Rind, Pferd, Gülle, Mist, Silage"

die Bezeichnung "landwirtschaftliche Gerüche" zugeordnet (Tabelle 5,

Seite 35). Für die in die GIRL 2008 eingegangenen Auswertungen

hingegen ist das Belastungsmaß "Tierhaltungsgerüche" (Geflügel,

Schwein, Rind) verwendet worden (Seite 73, LUA NRW 2006). Die

Geruchsqualität Pferd wurde zu Beginn des Projektes mit aufgenommen,

konnte aber nicht untersucht werden. Der Begriff "landwirtschaftlich" in

der GIRL bezieht sich somit auf die Geruchsqualität, die von landwirt-

schaftlicher Tätigkeit, hier speziell der Tierhaltung und deren Nebenein-

richtungen hervorgerufen wird. Insoweit ist die Formulierung in den

Auslegungshinweisen zur GIRL wie folgt zu präzisieren: Unter der

Prüfung der speziellen Bedingungen des Einzelfalls kann bei der

Geruchsbeurteilung im Außenbereich ein Wert bis zu 0,25 für Gerüche

aus der Tierhaltung herangezogen werden."

Mit Blick darauf, dass das OVG NRW in seinem Beschluss vom 30. Januar 2013 - 8 B 1130/12 - die Einschätzung des LANUV NRW, dass landwirtschaftliche Gerüche nicht an das Vorliegen einer Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB gekoppelt sind, übernommen hat, ohne diese in Zweifel zu ziehen, spricht einiges dafür, dass die im Beschluss vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, juris, aufgeworfene Frage des OVG NRW, ob die aus einer gewerblichen Tierhaltung im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB stammenden Gerüche wie landwirtschaftliche Gerüche im Sinne der Auslegungshinweise zu Nr. 3.1 der GIRL zu bewerten sind, dahingehend zu beantworten ist, dass das Vorliegen landwirtschaftlicher Gerüche nicht zwingend das Gegebensein einer Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB erfordert.

Einer Klärung dieser Frage bedarf es nicht, da im vorliegenden Fall davon auszugehen ist, dass es sich bei der geplanten Anlage des Klägers um Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB handelt. Dies ergibt sich aus der im Klageverfahren eingeholten ergänzenden Stellungnahme der Landwirtschaftskammer vom 05. September 2013. Von der Anlage des Klägers gehen daher landwirtschaftliche Gerüche im obigen Sinne aus.

Das Gericht hat in seinem Urteil vom 09. September 2013 - 11 K 2805/12 - ausgeführt, dass der Beigeladene auf seinem Grundstück T. C. 119 eine Erhöhung des Immissionswertes bis 25 % der Jahresgeruchsstunden hinnehmen muss. Dies gilt indes nicht für die Bewohner des Grundstücks T. C. 106. Das Grundstück ist mit dem ehemaligen sog. Heuerlingshaus des früheren Betriebes des Beigeladenen bebaut. Es handelt sich um eine einzelne Wohnnutzung im Außenbereich. Der Beigeladene hat das Haus 1991 veräußert. Das Objekt T. C. 106 wird - anders als die ehemalige Hofstelle des Beigeladenen - nach wie vor bewohnt. Eine Landwirtschaft wird von den Bewohnern nicht betrieben. Der Beklagte hat - insoweit seitens des Klägers unbestritten - vorgetragen, dass dieses Heuerlingshaus bereits seit 1935 ausschließlich Wohnzwecken gedient habe. Es mag zwar in der Vergangenheit eigentumsrechtlich zum Betrieb des Beigeladenen gehört haben, aufgrund seiner Nutzung als Wohnhaus und der durch die Straße vom Betrieb des Beigeladenen getrennten Lage auf der gegenüberliegenden Straßenseite, kann die im Betrieb des Beigeladenen bis ins Jahr 1977 betriebene Schweinehaltung dem sog. Heuerlingshaus nicht derart zugerechnet werden, dass die derzeitigen Bewohner als ehemalige Tierhalter anzusehen und auf aufgrund des Nachwirkens der Tierhaltung zu einer verstärkten Rücksichtnahme verpflichtet wären und eine Erhöhung des Immissionswertes (sogar) bis 25 % hinnehmen müssten.

Vgl. zum Nachwirken einer früheren Tierhaltung: OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2009 - 10 A 259/08 -, juris m.w.N. auf die eigene Rechtsprechung; OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Juli 2002 - 1 LB 980/01 -, juris.

Der Beklagte hat sich im Rahmen des Verwaltungsverfahrens ausweislich seines Vermerks vom 13. August 2012 (BA I, Bl. 181 ff.) auch mit den Besonderheiten des Einzelfalls auseinander gesetzt und diese bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Ausgehend von den obigen Ausführungen hat der Beklagte für das Grundstück T. C. 106 in nicht zu beanstandender Weise den dort einzuhaltenden Immissionswert auf 20 % festgesetzt. Die vom Kläger begehrte Genehmigung ohne Auflagen bzw. mit einer verringerten Ablufthöhe und Abluftgeschwindigkeit führt zu einer seitens der Bewohner mit Blick auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht hinnehmbaren Immissionsbelastung von über 20 %.

Von daher kann das Gericht offen lassen, ob die angegriffenen Nebenbestimmungen in ihrem Umfang auch mit Blick auf die einzuhaltenden Grenzwerte für Ammoniak-Immissionen erforderlich sind.

Die streitbefangenen Nebenbestimmungen sind - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht unverhältnismäßig. Die in der GIRL in Tabelle 1 festgesetzten Immissionsrichtwerte konkretisieren - wie bereits ausgeführt - das Maß dessen, was an Gerüchen tierhaltender Betriebe für die Nachbarschaft zumutbar ist, m.a.W. die Erheblichkeit schädlicher Umwelteinwirkungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG. Von daher ist schon fraglich, ob bei der Erfüllung von Genehmigungsvoraussetzungen die hierdurch entstehenden Kosten überhaupt beachtlich sein können. Von einer neuen Anlage die Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zu verlangen, dürfte immer verhältnismäßig sein.

Vgl. Jarrass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Kommentar, 9. Auflage, § 5 Rdnr. 22.

Gleiches dürfte auch für die Erweiterung einer Anlage gelten.

Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass vorliegend die Verhältnismäßigkeit der durch die Auflagen entstehenden Kosten zu berücksichtigen ist, weil die GIRL für den Außenbereich keine Richtwerte festsetzt und es überdies auf eine Prüfung des Einzelfalls ankommt, vermag ihm dies nicht zum Erfolg zu verhelfen. Im vorliegenden Fall hat er vorgetragen, durch die Nebenbestimmungen hinsichtlich der Ablufthöhe und Abluftgeschwindigkeit entstünden für ihn erhebliche Mehrinvestitionen, vor allem am Stallaltbau, da dort größere Ventilatoren angeschafft werden müssten. Dies bedeute dort eine Mehrinvestition von rund 15.950,50 €. Hinzu kämen, was derzeit noch nicht bezifferbar sei, Mehrkosten für die Erhöhung der Abluftrohre. Außerdem träfen ihn mit Blick auf die Erhöhung der Austrittsgeschwindigkeit höhere Stromkosten für den Altstall von 1.448,45 € pro Jahr und für den Neubau von 863,97 € pro Jahr. Berücksichtigt man die Angaben des Klägers in seinem Antrag vom 21. Dezember 2010, wonach sich die Errichtungskosten auf 587.500,00 € belaufen, beträgt der zu erwartende Mehraufwand, der - selbst wenn man einen gesteigerten Stromverbrauch für 10 Jahre zugrunde legt - weniger als 10 % der Herstellungskosten und steht damit nicht außer Verhältnis zu der dadurch erzielten Verringerung der Geruchsimmissionen für die Anwohner des Grundstücks T. C. 106.

Die Kostenentscheidung ergeht gem. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil er einen eigenen Sachantrag gestellt und sich damit am Prozesskostenrisiko beteiligt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.