1. Bei der Unterbringung von Asylbewerbern in einem genehmigten Wohnhaus handelt es sich um "Wohnen" i.S.v. § 3 Abs. 1 BauNVO, wenn aufgrund der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Räumlichkeiten eine hinreichende Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises in einem baulich abgeschlossenen Bereich mit eigener Küche und Bad für eine gewisse Dauer ermöglicht wird.
2. Bei einer Asylbewerberunterkunft, die die Merkmale des Wohnens nicht erfüllt, handelt es sich um eine soziale Einrichtung, die gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem reinen Wohngebiet als Ausnahme zulässig ist.
3. Entscheidend ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotential zu entfalten, das sich mit der Zweckbestimmung des Baugebiets nicht verträgt.
4. Relevant für die Beurteilung der Gebietsunverträglichkeit sind alle mit der Zulassung des Vorhabens nach der Art der Nutzung typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung. Auf das individuelle Verhalten von untergebrachten Personen kommt es baurechtlich grundsätzlich nicht an.
5. Mit dem Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20. November 2014 (BGBl. I S. 1748) hat der Gesetzgeber der Schaffung von Flüchtlings- und Asylbewerberunterkünften ein besonderes Gewicht beigemessen, was insbesondere auch bei der Abwägung und Bewertung nachbarlicher Interessen bei Anwendung des Gebots der Rücksichtnahme von Bedeutung ist.
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juli 2015 - 8 L 2362/15.F - wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 € festgesetzt.
Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juli 2015 - 8 L 2362/15.F - ist zurückzuweisen, denn sie hat mit den dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), die der Prüfung allein zugrunde zu legen sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag der Antragsteller, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, vor einer Entscheidung über den durch den Eigentümer des Anwesens Neu-Anspach, ...straße ..., zu stellenden Antrag auf Genehmigung der Einrichtung einer Asylbewerberunterkunft die Nutzung des Anwesens ...straße ... als Asylbewerberunterkunft zu untersagen, zu Recht abgelehnt.
Eine einstweilige Anordnung kann gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Sicherung eines Individualanspruchs in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Es obliegt dabei dem Eilantragssteller, den Anspruch, dessen Erhaltung durch die einstweilige Anordnung gesichert werden soll (Anordnungsanspruch) und den Grund für die vorläufige Eilmaßnahme (Anordnungsgrund) gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO analog glaubhaft zu machen mit der Folge, dass - entgegen der Annahme des Bevollmächtigten der Antragsteller - Beweisaufnahmen im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren grundsätzlich nicht geboten sind (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 12.03.2003 - 2 BvR 996/02 -, Rn. 6, ).
Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob der von den Antragstellern begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht bereits an der fehlenden Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes oder am Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache scheitert.
Denn die Antragsteller haben jedenfalls keinen Anordnungsanspruch auf bauordnungsrechtliches Einschreiten glaubhaft machen können.
Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 HBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Benutzung u. a. von baulichen Anlagen untersagen, wenn diese in Widerspruch zu öffentlichen Vorschriften genutzt werden. Ein Nachbar kann aber nur dann mit Erfolg einen Anspruch auf bauaufsichtsrechtliches Einschreiten geltend machen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften, zu denen das Vorhaben im Widerspruch stehen soll, auch nachbarschützend sind und durch das danach rechtswidrige Vorhaben eine tatsächliche Beeinträchtigung der geschützten nachbarlichen Belange zu befürchten ist. Ferner muss er darlegen, dass ein der Bauaufsichtsbehörde - wie hier im Falle des begehrten Erlasses eines Nutzungsverbotes gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 HBO - zustehendes Ermessen auf Null reduziert ist, sich mithin zu einer Verpflichtung zum Einschreiten zu seinen Gunsten verdichtet hat.
Nachbarschutz kann sich dabei u. a. ergeben aus bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften, in beplanten Gebieten aus Grundsätzen zur Gebietserhaltung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, aus ausdrücklich nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplanes, dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, das in unbeplanten Gebieten - wie hier - unter dem Gesichtspunkt des "sich Einfügens" im Sinne von § 34 BauGB zu beachten ist, sowie bei der Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen, bei denen auch die nachbarlichen Interessen zu berücksichtigen sind (vgl. Beschluss des Senats vom 28.08.2013 - 3 B 1496/13 - m.w.N.).
Die von den Antragstellern beanstandete Nutzung des als dreigeschossiges Wohnhaus genehmigten Gebäudes der Beigeladenen durch Asylbewerber stellt keine baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung i.S.v. § 54 Abs. 1 Satz 1 HBO dar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die nähere Umgebung i.S.v. § 34 BauGB als reines Wohngebiet (§ 3 BauNVO) oder als allgemeines Wohngebiet (§ 4 BauNVO) zu qualifizieren ist. Denn bei dem genehmigten Gebäude der Beigeladenen handelt es sich um ein Wohngebäude, das nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen auch nach dem Einzug von Asylbewerbern dem Wohnen im Sinne von § 3 Abs. 1 BauNVO und § 4 Abs. 1 BauNVO dient.
Eine Wohnnutzung in einer oder mehreren Einheiten eines Wohngebäudes liegt vor, wenn aufgrund der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Räumlichkeiten eine hinreichende Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises in einem baulich abgeschlossenen Bereich mit eigener Küche und Bad ermöglicht wird. Außerdem muss die Wohnnutzung auf eine gewisse Dauer ausgerichtet sein, wobei maßgeblich das Nutzungskonzept und die Möglichkeit seiner grundsätzlichen Verwirklichung und nicht das individuelle und mehr oder weniger störende oder als störend empfundene Verhalten einzelner Bewohner ist. Die Kriterien für eine Wohnnutzung dienen dabei der Abgrenzung von anderen Unterbringungsformen, etwa der Heimunterbringung, der bloßen Schlafstätte oder des Verwahrens unter gleichzeitiger Betreuung, die nicht als Wohngebäudenutzung, sondern ggf. als soziale Einrichtungen einzustufen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.03.1996 - 4 B 302.95 -, ).
Der Antragsgegner hat dazu ausgeführt, dass sich an der genehmigten Nutzung des Wohngebäudes der Beigeladenen durch die Unterbringung von Asylbewerbern nichts geändert habe. Der Landkreis habe das Gebäude von den Beigeladenen angemietet, um die darin vorhandenen Wohnungen in erster Linie Flüchtlingsfamilien zur Verfügung zu stellen, um ihnen ein häuslich eigenständiges Leben mit Selbstversorgung zu ermöglichen.
Dies wird im Ergebnis auch durch die vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin bestätigt. Darin ist unter dem 1. September 2015 (Bl. 125 GA) ausführt, dass in dem Gebäude der Beigeladenen derzeit acht Erwachsene und fünf Kinder wohnten, davon im 1. Stock ein junges Paar aus dem Kosovo mit einem kleinen Kind sowie zwei Männer aus Syrien. Im Erdgeschoss wohnten ein älteres Ehepaar aus dem Kosovo sowie eine Familie aus dem Kosovo mit vier Kindern. Das Haus würde im Durchschnitt von zehn bis dreizehn Personen bewohnt, wobei die Fluktuation sehr hoch sei.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat aber auch dann keinen Erfolg, wenn aufgrund des Vorbringens der Antragsteller im Schriftsatz vom 17. September 2015 angenommen werden müsste, dass durch bauliche Veränderungen im Gebäude der Beigeladenen Wohnungen aufgelöst und zu Gemeinschaftsräumen im Sinne einer Heimunterkunft für Asylbewerber umgestaltet worden sind. Dies hätte zwar zur Folge, dass die damit einhergehende Nutzungsänderung gemäß § 54 HBO baugenehmigungspflichtig wäre. Ein Anspruch der Antragsteller auf bauaufsichtliches Einschreiten des Antragsgegners durch Erlass eines Nutzungsverbotes folgt daraus jedoch nicht.
Denn bei der von dem Antragsgegner gemäß § 72 HBO zu treffenden Ermessenentscheidung über den Erlass eines Nutzungsverbotes hat er u.a. auch die Frage der Genehmigungsfähigkeit der Nutzungsänderung sowie mit der Nutzungsänderung einhergehende Beeinträchtigungen der Nachbarschaft zu berücksichtigen.
Bei einer Asylbewerberunterkunft, die die Merkmale des Wohnens nicht erfüllt, handelt es sich um eine soziale Einrichtung (vgl. BVerwG, a.a.O. und § 246 Abs. 10 i.d.V. vom 20.11.2014 - BGBl. I S. 2014 -), die gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein und gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO in einem reinen Wohngebiet als Ausnahme zulässig ist.
Selbst wenn mit den Antragstellern davon auszugehen wäre, dass die nähere Umgebung des Vorhabens gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem reinen Wohngebiet i.S.v. § 3 BauNVO entspricht, kann mithin gemäß § 31 Abs. 1 BauGB eine Asylbewerberunterkunft im Wege des Ermessens als Ausnahme zugelassen werden.
Die den Baugebieten der §§ 2 bis 9 BauNVO allgemein zugewiesenen Nutzungsarten sind ebenso wie die Vorhaben, die ausnahmsweise zugelassen werden können, im Einzelfall unzulässig, wenn sie den jeweiligen Gebietscharakter gefährden und deshalb gebietsunverträglich sind. Relevant für die Beurteilung der Gebietsunverträglichkeit sind alle mit der Zulassung des Vorhabens nach der Art der Nutzung typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung wie insbesondere die Art und Weise der Nutzungsvorgänge, ihr Umfang, die Häufigkeit und die Zeitpunkte dieser Vorgänge, der damit verbundene An- und Abfahrtsverkehr sowie der Einzugsbereich des Vorhabens (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.07.2013 - 4 B 8.13 -, ). Entscheidend ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotenzial zu entfalten, das sich mit der Zweckbestimmung des Baugebiets nicht verträgt.
Das ist bei einer Asylbewerberunterkunft für ca. 25 Personen in einem reinen Wohngebiet nicht der Fall. Diese Unterbringung ist der zulässigen Grundstücksnutzung in einem reinen Wohngebiet ähnlich und kann deshalb nicht als gebietsunverträglich angesehen werden, jedenfalls solange - wie hier - die Unterbringungskapazität beschränkt ist und nicht deutlich über dem Rahmen der in dem Gebiet generell zulässigen Grundstücksausnutzung liegt.
Bei der Ermessensentscheidung über die Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen für Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern hat die Bauaufsichtsbehörde zudem das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20. November 2014 (BGBl. I S. 1748) zu beachten. Das Gesetz enthält Neuregelungen zur Bauleitplanung und planungsrechtlichen Zulässigkeit von Flüchtlingsunterkünften und stellt eine Reaktion auf die dramatische Zunahme von Flüchtlingsbewegungen in die Bundesrepublik mit dem Ziel dar, die Schaffung von menschenwürdigen Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge und Asylbewerber baurechtlich zu erleichtern. U.a. sind § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB und § 34 Abs. 3a BauGB neu gefasst worden, indem das besondere öffentliche Interesse an baurechtlichen Vorhaben dieser Art herausgestellt worden ist.
Damit hat der Gesetzgeber der Schaffung von Flüchtlings- und Asylbewerberunterkünften ein besonders Gewicht beigemessen, was insbesondere auch bei der Abwägung und Bewertung nachbarlicher Interessen bei Anwendung des Gebots der Rücksichtnahme von Bedeutung ist (vgl. Krautzberger/Stüer, BauGB-Novelle 2014 II: Erleichterte Unterbringung von Flüchtlingen, DVBl. 2015, S. 73).
Daran gemessen haben es die Antragsteller nicht vermocht darzulegen, dass das Vorhaben der Beigeladenen auch nicht als Ausnahme gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO genehmigungsfähig ist.
Auch das Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme aus § 15 BauNVO zwingt den Antragsgegner nicht zum baurechtlichen Einschreiten.
Soweit in der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin des Parallelverfahrens 3 B 1517/15 (Bl. 126 GA) ausgeführt wird, dass zahlreiche Personen zu Besuch kämen, sich viele davon auf dem Balkon aufhielten und eine erhebliche Lärmbelästigung verursachten, im Übermaß Abfall produziert werde und bereits zweimal die Feuerwehr habe anrücken müssen, kann dem nicht mit einem baurechtlichen Nutzungsverbot begegnet werden. Denn maßgeblich hierfür ist das baurechtliche Nutzungskonzept und das dadurch typischerweise verursachte Störpotential und nicht das individuelle und mehr oder weniger störende oder als störend empfundene Verhalten der Bewohner (vgl. BVerwG, a.a.O.). Dagegen kann nur mit ordnungspolizeilichen Maßnahmen vorgegangen werden.
Soweit die Antragsteller auch Lärmbeeinträchtigungen durch einen erhöhten Fahrzeugverkehr beklagen, ist dieser zwar der baurechtlichen Nutzung zuzuordnen, es fehlt indes an jeglicher Glaubhaftmachung, dass ein durch die Nutzung des Nachbargebäudes verursachter Kraftfahrzeugverkehr nach Art und Umfang gebietsuntypisch ist und das ihnen zumutbare Maß überschreitet.
Die Beschwerde ist deshalb mit der Kostenfolge aus §154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keinen eigenen Antrag gestellt und sich somit auch keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Bei der Streitwertfestsetzung folgt der Senat der Vorinstanz (§§ 47 Absätze 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).