LG Lüneburg, Urteil vom 13.02.2015 - 27 Ks 11/14
Fundstelle
openJur 2016, 3512
  • Rkr:
Tenor

1. Der Angeklagte ist schuldig des versuchten Mordes in drei Fällen, in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition und davon in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit dem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition.

Er wird zu einer

lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe

verurteilt.

2. Der Angeklagte wird weiter verurteilt,

a) an die Adhäsionsklägerin K. G., R. K., B. (Klägerin zu 1)) 2.035,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2015 zu zahlen,

b) an den Adhäsionskläger R. G., R. K., B. (Kläger zu 2)) 2.025,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2015 zu zahlen,

c) an den Adhäsionskläger R. P., R. K., B. (Kläger zu 3)) 13.933,97 € € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 05.02.2015 zu zahlen.

d) Es wird festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1) und den Klägern zu 2) und 3) alle materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall vom 16.09.2014, 18.30 Uhr, zu erstatten, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist.

e) Es wird festgestellt, dass die Ansprüche zu 2. a) bis d) aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrühren.

f) Im Übrigen wird von einer Entscheidung abgesehen.

3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenkläger sowie die dem Kläger zu 3) entstandenen besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens.

Von den der Klägerin zu 1) entstandenen besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens trägt der Angeklagte 1/3, die Klägerin zu 1) 2/3.

Von den dem Kläger zu 2) entstandenen besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens trägt der Angeklagte ebenfalls 1/3, der Kläger zu 2) 2/3.

4. Das Urteil ist für die Klägerin zu 1) und die Kläger zu 2) und 3) wegen des Ausspruchs zu 2.a) bis c) gegen Sicherheitsleistung in Höhe 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

5. Wert der Adhäsionsanträge:

a) 8.374,70 € (K. G.)

b) 9.179,40 € (R. G.)

c) 15.033,97 € (R. P.) 

Angewendete Vorschriften:

§§ 211, 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5, 22, 23, 49, 52, 53 StGB, § 52 Abs. 1 Nr. 2.b) WaffG

Gründe

I.

Der zum Tatzeitpunkt 52-jährige Angeklagte wuchs mit zwei älteren und einem jüngeren Bruder bei seinen Eltern in L. auf. Er besuchte die Grundschule, anschließend die Hauptschule bis zur achten Klasse und verließ diese mit einem Abgangszeugnis. Seine Lehrer waren der Meinung, dass er „nichts auf die Reihe kriege“. Gleichwohl fand er eine Lehrstelle als Schmelzschweißer bei einer Werft in La. und schloss die Ausbildung erfolgreich ab. Anschließend arbeitete er noch ein Jahr in seinem früheren Lehrbetrieb und verpflichtete sich dann für die Dauer von vier Jahren als Zeitsoldat bei der Bundeswehr, wo er u.a. als Ausbilder für Handfeuerwaffen tätig war. Nach seiner Bundeswehrzeit arbeitete er für Firmen in L. und W. Den Besuch der Technikerschule in L. brach er nach drei Monaten ab, weil er merkte, dass er die Ausbildung dort nicht schaffen würde. Nach zweijähriger Arbeitslosigkeit ging er als Schweißer-Ausbilder nach B. und machte sich schließlich als Schweißer selbständig, wobei er zwischen 1996 und 2005 überwiegend in Bayern tätig war. Anschließend kehrte er nach Norddeutschland zurück und arbeitete u.a. für eine Firma in H.. In dieser Zeit arbeitete er von Montag bis Samstag und verbrachte seine Freizeit mit Radfahren, Joggen und gelegentlichen Bordellbesuchen. Im Jahr 2008 kaufte er Grundstück in W., einem Ortsteil von B.. Seit 2009 ist er arbeitslos, zuletzt lebte er von Sozialleistungen („Hartz IV“).

Der Angeklagte ist ledig und hat keine Kinder. Er hat weder Freunde noch Bekannte und auch keinen Kontakt zu seiner Familie. Strafrechtlich ist er bislang wie folgt in Erscheinung getreten und rechtskräftig verurteilt:

Am 15.01.2013 wurde er vom Amtsgericht Lüneburg der Beleidigung in zwei Fällen für schuldig befunden und verwarnt. Das Amtsgericht bestimmte eine Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen und behielt die Verurteilung zu dieser Strafe vor (Verwarnung mit Strafvorbehalt).

Der Angeklagte wurde wegen der hier in Rede stehenden Tat am 16.09.2014 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 17.09.2014 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Lüneburg vom selben Tage in Untersuchungshaft in der JVA U., A. L..

II.

1. Im Jahr 2009 begann der Angeklagte, auf seinem Grundstück in B.-W. ein Haus zu bauen. Sein Grundstück liegt an der Straße „R. K.“, bei der es sich um einen einspurigen, einschließlich Grünstreifen rund 3 Meter breiten Sandweg handelt. Direkt gegenüber dem Grundstück des Angeklagten liegen die Grundstücke des Herrn G. R. (Haus Nr. ...) sowie der Familie P. (Haus Nr. ...). Etwa 80 m vom Grundstück des Angeklagten entfernt befindet sich das Grundstück der Familie G. (Haus Nr. ...). Zwischen dem Grundstück des Angeklagten und dem Grundstück der Familie G. befinden sich auf beiden Seiten des R. Ks. unbebaute Grundstücke.

Bereits während der Angeklagte - überwiegend in Eigenarbeit - sein Haus errichtete, kam es zu ersten Streitigkeiten zwischen ihm und seinen Nachbarn. Dem späteren Geschädigten und Nebenkläger P., der zu diesem Zeitpunkt zwei Jack-Russel-Terrier hielt, warf der Angeklagte vor, er - der Nebenkläger - habe seine Hunde auf das Grundstück des Angeklagten koten lassen. Er drohte dem Nebenkläger: „Wenn ich deine Hunde dabei erwische, wie sie mir auf‘s Grundstück scheißen, dann hau‘ ich ihnen den Kopf ab!“. Der Nebenkläger und seine Ehefrau, die Zeugin I. P., waren sich keiner Schuld bewusst und über die drastische Ankündigung irritiert. Sie beschlossen, ihrem neuen Nachbarn vorsichtshalber aus dem Weg zu gehen. Dieser begann jedoch, sie bei zufälligen Begegnungen zu bedrohen und zu beleidigen („Ich mach‘ Euch platt! Ich bring‘ Euch um! Ich mach Deine Nutte platt!“). Der Nebenkläger und die Zeugin P. erstatteten mehrfach Anzeigen gegen den Angeklagten. Dieser reagierte hierauf, indem er die Zeugin P. bespuckte. Auch Herr R., der ebenfalls einen Hund hatte und mit diesem täglich am Haus des Angeklagten vorbei ging, wurde vom diesem wiederholt beleidigt. Darüber hinaus kam es auch zu mindestens einem körperlichen Angriff des Angeklagten auf G. R.. Diesen beobachtete der spätere Geschädigte und Nebenkläger R. G., der sich schützend vor G. R. stellte und seitdem, ebenso wie dieser und der Nebenkläger P., vom Angeklagten als Feind eingestuft wurde. Der Angeklagte nannte den Nebenkläger G. fortan nur noch „Stricherjunge“, seine Ehefrau, die spätere Geschädigte und Nebenklägerin K. G., bezeichnete er als „Nutte“ oder „Schlampe“ und den Sohn der Eheleute G. als „Bastard“. In dem seit dem 23.01.2013 rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 15.01.2013 wurden bezüglich der Beleidigungen zum Nachteil des Herrn R. (mit „er“ ist im Folgenden der Angeklagte gemeint) folgende Feststellungen getroffen:

1. Am 10.07.2012 gegen 11.00 Uhr äußerte er gegenüber dem Geschädigten G. R., als dieser an ihrem Grundstück im R. K. vorbei kam: „Arschloch, Penner, Stück Scheiße. Du kannst ruhig zur Polizei, da passiert sowieso nichts. Nun geh mal wieder in Dein Scheiß-Haus zu Deiner Nutte!“.

2. Am 05.08.2012 gegen 22.00 Uhr äußerte er bei einem Zusammentreffen gegenüber dem Geschädigten R.: „Grüß Deine Dreckschlampe von mir. Hast Du gehört, Du sollst Deine Dreckschlampe von mir grüßen, hast Du nicht gehört, Du sollst Deine Dreckschlampe von mir grüßen!“.

3. Am 06.09.2012 gegen 8.45 Uhr äußerte er vor seiner Wohnung bei einem weiteren Aufeinandertreffen gegenüber dem Geschädigten R.: „Warst Du wieder bei Deiner Dreckschlampe?“

4. Am 29.09.2012 gegen 8.45 Uhr äußerte er, als der Geschädigte mit dessen Hund zur Wohnung zurückkehrte und ihm zwischenzeitlich ein anwaltliches Schreiben zuging: „Nach dem Prozess bist Du hier weg, ich sorge dafür, dass Du verschwindest, grüß Deine alte Fotze von mir!“.

Nach der Urteilsverkündung war der Angeklagte wütend, weil das Gericht nicht ihm, sondern seinen Nachbarn, die als Zeugen vernommen worden waren, geglaubt und ihn schuldig gesprochen hatte. Noch im Gerichtssaal in Anwesenheit der Amtsrichterin und der Nebenkläger P. und G. kündigte er an, er werde sich nunmehr einen scharfen Hund und eine Pistole besorgen. Fortan ließ ihm der Gedanke an seine von ihm als Feinde betrachteten Nachbarn keine Ruhe mehr. Der Angeklagte wollte sich an ihnen für die Verurteilung rächen. Sein vermeintliches Recht, von ihnen „in Ruhe gelassen“ - d.h. nicht mehr wegen Beleidigungen angezeigt - zu werden, wollte er mit Gewalt durchsetzen, weil er davon ausging, vor Gericht angesichts der Überzahl seiner als Zeugen gegen ihn aussagenden Nachbarn auch zukünftig zu unterliegen bzw. verurteilt zu werden. Um sich auf die gewaltsame Abrechnung vorzubereiten, versuchte er herauszufinden, ob seine Nachbarn Waffen besäßen. Mehrfach fragte er den Nebenkläger P., was dieser denn für eine Waffe habe, ein Messer oder eine Pistole. Der Nebenkläger, der keine Waffen besaß, antwortete hierauf nicht, woraufhin der Angeklagte erneut äußerte, dann „müsse er sich eben eine Pistole besorgen“. Diese Ankündigung setzte er dann auch in die Tat um. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt beschaffte er sich eine halbautomatische Pistole, Modell P08, Kaliber 9 mm Luger, nebst mindestens 10 Patronen passender Vollmantelmunition. Dabei wusste der Angeklagte, dass er nicht im Besitz der erforderlichen waffenrechtlichen Erlaubnis war. Außerdem legte er sich eine Dobermannhündin zu, um seine Nachbarn zu ängstigen.

Im Laufe der Zeit entwickelte der Angeklagten den Plan, seine als Feinde betrachteten Nachbarn zu einem Angriff zu provozieren und auf diese Weise eine Notwehrlage herbeizuführen, in der er sie erschießen wollte. Dabei nahm er auch in Kauf, anschließend strafrechtlich belangt zu werden. Er ging davon aus, dass er allenfalls eine kurze Freiheitsstrafe zu befürchten hätte, wenn er sich darauf berufen würde, in „Panik“ gehandelt zu haben. Diese Strafe wollte er gegebenenfalls „absitzen“, dann nach Hause zurückkehren und dort fortan „in Ruhe“ leben. Um seine Nachbarn zu provozieren, beleidigte er sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Außerdem warf er Hundekot auf das Grundstück des Nebenklägers P., bespuckte den Nebenkläger G. und dessen PKW und warf ihm Nägel vor die Reifen. Wiederholt drohte er: „Ich erwisch Euch schon noch! Ihr werdet schon sehen was ihr davon habt!“. Um die Pistole im Falle des erhofften Angriffs seiner Nachbarn schnell zur Hand zu haben, legte sie der Angeklagte auf eine Kommode direkt hinter seiner Haustür. Er musste jedoch feststellen, dass seine Nachbarn nicht wie erhofft reagierten, sondern weitere Anzeigen gegen ihn erstatteten. Der Nebenkläger P. installierte darüber hinaus an seinem Haus eine Überwachungskamera mit Bewegungsmelder, um weitere Sachbeschädigungen, Hausfriedensbrüche etc. durch den Angeklagten zu dokumentieren. Der Angeklagte bemerkte die Kamera und hielt sich - vorübergehend - mit Beleidigungen zurück, weil er befürchtete, dass diese von der Kamera aufgezeichnet werden könnten. Stattdessen befestigte er ein Schild an seiner Gartenpforte mit der Aufschrift: „Vorsicht!! Der Nachbar gegenüber hat sich nicht unter Kontrolle! Abstand halten!“. Außerdem zeigte der Angeklagte seine Nachbarn wiederholt bei der Polizei an. Dadurch wollte er mit Blick auf die geplante „Notwehr“ ihre angebliche Aggressivität aktenkundig machen.

Die relative Zurückhaltung des Angeklagten endete im August 2014, als er eine Ladung zu einer Berufungsverhandlung in einer Strafsache erhielt, bei der es wiederum um Straftaten zum Nachteil seiner Nachbarn ging. Ungeachtet der vom Nebenkläger P. installierten Kamera nahm der Angeklagte sein früheres Verhalten wieder auf und stieß täglich Beleidigungen gegen den Nebenkläger und die Zeugin P., G. R. und dessen Lebensgefährtin sowie die Nebenkläger G. aus. Dem Nebenkläger P. warf der Angeklagte vor, im Januar 2013 vor Gericht zu seinem - des Angeklagten - Nachteil gelogen zu haben und forderte immer wieder ein „Geständnis“ von ihm. Andernfalls, so drohte der Angeklagte, werde der Nebenkläger P. ihn „noch kennenlernen“. Der Nebenkläger P. reagierte wie immer zurückhaltend und versuchte, dem Angeklagten soweit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Er verließ sein Haus nur, wenn er den Angeklagten auf dessen Grundstück gegenüber nicht sah. Dieser jedoch hatte sich angewöhnt, das Haus des Nebenklägers P. von seinem Küchenfenster aus zu beobachten und pöbelnd aus dem Haus zu stürmen, sobald er diesen auf seinem Grundstück wahrnahm.

Am 15.09.2014 stellte der Angeklagte fest, dass an seinem Pkw der rechte Außenspiegel beschädigt worden war. Er war davon überzeugt, dass dies das Werk seiner als Feinde eingestuften Nachbarn war und schleuderte dem Nebenkläger P. entgegen: „Hey Nuttenficker, morgen kommt die Rechnung! Das bekommst Du zurück, verlass Dich drauf, ich mach Dich fertig, jetzt ist der Spaß vorbei, mit Dir rechne ich noch ab, Nuttenficker, Du wirst Dich noch wundern, wir fangen jetzt erst richtig an!“.

2. Der Angeklagte war fest entschlossen, die von ihm schon seit Monaten erstrebte „Abrechnung“, d.h. die Tötung seiner Nachbarn, nunmehr endlich in die Tat umzusetzen. Weil seine bisherigen Provokationen nicht den gewünschten Erfolg gezeigt hatten, entschloss er sich, die Situation gezielt weiter zu eskalieren, um seine Nachbarn doch noch zu einem Angriff herauszufordern. Zu diesem Zweck lauerte er am Morgen des 16.09.2014 gegen 6.40 Uhr der Zeugin P. auf, als die mit ihrem Pkw zur Arbeit fahren wollte. Als die Zeugin aus ihrem PKW stieg, um die Gartenpforte zu schließen, beschimpfte er sie als „Drecksnutte“ und schlug ihr mit der Faust gegen die rechte Schläfe. Dazu sagte er: „Das ist nur der Anfang, Du wirst Dich bald nicht wiederkennen!“ Der Angeklagte ging davon aus, dass der Nebenkläger P. - möglicherweise in Begleitung weiterer Nachbarn wie G. R. oder dem Nebenkläger G. - ihn nunmehr aufsuchen und zur Rede stellen würde. Diese Situation wollte der Angeklagte nutzen, um seine Gegner zu töten und sich zur Rechtfertigung auf Notwehr zu berufen. Zu seiner Überraschung musste der Angeklagte jedoch feststellen, dass nichts dergleichen passierte. Während die Zeugin I. P. ihr mittlerweile durch den Schlag blau unterlaufenes Auge kühlte, schnitt der Nebenkläger P. am Nachmittag des 16.09.2014 seine Hecke und würdigte den Angeklagten keines Blickes. Dieser gab jedoch nicht auf, beschimpfte und beleidigte den Nebenkläger P. und rief ihm zu: „Na, hat Deine Nutte noch die Scheiße in der Hose von heute Morgen?“ woraufhin der Nebenkläger P. ihm nur entgegnete, für die Körperverletzung werde der Angeklagte „in den Knast gehen“. Der Angeklagte erwiderte: „Aber vorher bist Du tot!“. Auch hierdurch ließ sich der Nebenkläger P. nicht dazu hinreißen, den Angeklagten körperlich anzugreifen oder auch nur dessen Grundstück zu betreten.

Der Angeklagte war ratlos und beschloss, sich eine Flasche Sekt zu kaufen, um seine Enttäuschung über die nicht vorhandene Angriffslust seiner Nachbarn zu dämpfen. Zwischen 17.30 Uhr und 18.00 Uhr fuhr er mit seinem Pkw zum Einkaufen. Dies beobachteten die Nebenkläger R. und K. G.. Sie beschlossen, die Abwesenheit des Angeklagten zu nutzen, um auf einem der unbebauten Grundstücke, das direkt an das Grundstück des Angeklagten grenzte, einige Kiefern zurückzuschneiden. Hiervon erhofften sie sich eine bessere Sicht von ihrem Grundstück auf die Haustür des Angeklagten, um diesen früher zu bemerken und im Falle einer weiteren körperlichen Attacke - den Vorfall am Morgen hatte die Nebenklägerin von ihrem Grundstück aus beobachtet - gegen die Zeugin P. dieser schneller zur Hilfe eilen zu können. Der Nebenkläger P. bemerkte ihre Anwesenheit und half dabei, die abgesägten Äste beiseite zu schaffen. Anschließend standen die Nebenkläger auf dem R. K. und unterhielten sich. Früher als von ihnen erwartet kehrte der Angeklagte mit seinem Pkw vom Einkaufen zurück. Er parkte auf seinem Grundstück, stieg aus und rief zu den Nebenklägern herüber: „Danke Ihr Idioten, das hätte ich auch noch gemacht!“. Der Nebenkläger G. rief zurück: „Die einen machen‘s und die anderen können‘s nicht!“, worauf der Angeklagte ihn mehrfach als „Stricherjunge“ bezeichnete. Der Nebenkläger G. beschloss, dem Angeklagten ins Gesicht zu sagen, dass er sich diese Beleidigung in Zukunft sparen könne. Zu diesem Zweck ging er mit der Astschere, mit der er zuvor die Kiefern beschnitten hatte, in der Hand auf dem zum Grundstück des Angeklagten gehörenden Pkw-Stellplatz. Der Angeklagte sah nun die von ihm solange ersehnte Gelegenheit gekommen. Er zückte sein Mobiltelefon und machte ein Foto des Nebenklägers R. G., um zu dokumentieren, dass dieser mit einer Astschere „bewaffnet“ auf sein Grundstück „eingedrungen“ sei und dadurch eine „Notwehrlage“ herbeigeführt habe. Dann rannte er in sein Haus und ergriff die dort im Flur hinter der Haustür liegende Pistole. Als er wieder vor die Haustür trat, musste er feststellen, dass der Nebenkläger G. sich bereits umgedreht und das Grundstück verlassen hatte. Der Angeklagte war entschlossen, die Gelegenheit dennoch für seine Rache zu nutzen und rannte mit der Pistole in der Hand dem Nebenkläger G. hinterher, der auf dem R. Kamp in Richtung der dort noch immer stehenden anderen Nebenkläger ging. Der Nebenkläger P. sah den Angeklagten kommen und bemerkte die Pistole in dessen Hand. Er rief dem Nebenkläger G. zu: „Pass auf, der hat ‘ne Waffe!“. Der Nebenkläger G., der dem Angeklagten bis zu diesem Zeitpunkt den Rücken zugewandt hatte, drehte sich kurz um. Er sah den Angeklagten in drei bis vier Meter Entfernung auf seinem Grundstück stehend mit der Pistole auf ihn - den Nebenkläger G. - zielen und hörte ihn rufen: „Ich knall Dich jetzt ab!“. Der Nebenkläger drehte sich wieder weg und rief der Nebenklägerin zu: „Lauf!“. Im diesem Moment schoss der Angeklagte auf den Nebenkläger G., um diesen zu töten und traf ihn an der linken Schulter im Bereich des Schulterblatts, wobei es aufgrund der Drehbewegung des Nebenklägers nur zu einer streifenden, sofort stark blutenden Verletzung kam.

Der Angeklagte sah, dass er den Nebenkläger G. getroffen und verletzt hatte und behielt sich vor, diesen später zu töten. Zunächst aber wandte er sich dem Nebenkläger P. zu, der versucht hatte, auf sein Grundstück zu rennen, dabei jedoch ins Straucheln gekommen und wenige Schritte vom Angeklagten entfernt zu Boden gestürzt war. Der Angeklagte erkannte, dass der auf dem Rücken liegende Nebenkläger P. ein leichteres Ziel bot als der trotz der Schussverletzung weiterhin mobile Nebenkläger G. und trat an ihn heran. Er stellte sich unmittelbar vor die Füße des Nebenklägers P. und zielte mit der Pistole auf dessen Gesicht, wobei die Mündung der Pistole rund 1,5 Meter vom Gesicht entfernt war. Als der Nebenkläger G. dies sah, machte er ein paar Schritte auf den Angeklagten zu, um ihn abzulenken. Der Angeklagte bemerkte den Nebenkläger G., zielte kurz mit der Pistole auf ihn, richtete diese dann aber erneut auf das Gesicht des Nebenklägers P., der ihm - so glaubte der Angeklagte - nicht würde entkommen können. Der Nebenkläger P. riss in Todesangst die Hände vor sein Gesicht, während der Nebenkläger G. vergeblich versuchte, die Aufmerksamkeit des Angeklagten durch gezielte Tritte gegen dessen PKW auf sich zu ziehen. Der Angeklagte beachtete den Nebenkläger G. jedoch nicht mehr, sondern gab in kurzer Folge zwei Schüsse auf den Kopf des Nebenklägers P. ab, um ihn zu töten und so seine geplante Rache zu vollziehen. Der erste der beiden Schüsse traf den Nebenkläger P. nahe dem Handgelenk in den Kleinfingerballen der rechten Hand. Das Geschoss durchschlug die rechte Hand diagonal und blieb in Höhe der Falte zwischen Zeige- und Mittelfinger stecken. Der Nervus digitalis communis und der Nervus ulnaris wurden zerstört, es kam zu einer schweren Prellung der Weichteile von Kleinfingerballen und Mittelhand. Der zweite Schuss traf die Kuppe des Ringfingers der rechten Hand, die mit samt dem Fingernagel wegklappte. Hierdurch wurde das Geschoss abgelenkt und verfehlte den Kopf des Nebenklägers. Die Schusswunden begannen augenblicklich stark zu bluten, das Blut spritzte und lief dem Nebenkläger P. übers Gesicht. Der Angeklagte erkannte, dass er sein Opfer getroffen hatte und ging davon aus, es tödlich verletzt zu haben.

Der Angeklagte schaute sich nun nach weiteren Opfern um. Der Nebenkläger G. hatte sich hinter dem PKW des Angeklagten versteckt, aber der Angeklagte bemerkte die Nebenklägerin G., die drei bis vier Meter vom blutüberströmt am Boden liegenden Nebenkläger P. entfernt stand und vor Schreck wie erstarrt war. Der Angeklagte entschloss sich nunmehr, auch sie zu töten. Er ging ruhigen Schritts auf sie zu und hielt ihr die Pistole vor das Gesicht, wobei die Mündung der Waffe rund einen Meter vom Kopf der Nebenklägerin entfernt war. Dann drückte er zweimal ab. Es löste sich jedoch kein Schuss, weil sich aufgrund eines nach dem letzten Schuss auf den Nebenkläger P. eingetretenen Defekts am Auszieher der Pistole eine abgeschossene Patronenhülse in der Waffe verklemmt hatte. Der Angeklagte nahm die Waffe herunter und sah sie sich einen Moment lang an. Dann schlug er der Nebenklägerin mit der Faust gegen den Kopf, wodurch sie eine Platzwunde erlitt. Ob der  Angeklagte die Pistole dabei in der Hand hielt und ob die Pistole den Kopf der Nebenklägerin traf, konnte nicht aufgeklärt werden. Die Nebenklägerin wehrte sich, indem sie mit einer Bügelsäge, die zuvor zum Beschneiden der Kiefern verwendet worden war, nach dem Angeklagten schlug und ihm dabei eine Schnittverletzung am Daumen der rechten Hand zufügte. Nachdem sie mehrfach nach dem Angeklagten geschlagen hatte, warf sie die Bügelsäge nach ihm und rannte davon. Dabei löste sich das Sägeblatt vom Bügel und fiel heraus. Der Nebenkläger G. trat hinter dem PKW hervor und nahm das Sägeblatt an sich, um zu verhindern, dass es der Angeklagte als Waffe verwenden könne. Anschließend rannten die Nebenkläger G. gemeinsam zu ihrem Grundstück. Dort riefen sie einem hinter ihnen wohnenden Nachbarn, dem Zeugen K.-H. P., zu: „Kalle komm her! Wir brauchen Dich!“. Dann schlossen sie das Tor der Grundstückszufahrt zu und riefen die Polizei an.

Während sich die Nebenkläger G. in Sicherheit gebracht hatten, hatte der Angeklagte die Funktionsstörung an seiner Pistole behoben, indem er die verklemmte Hülse entfernt hatte. Mit der nunmehr wieder schussbereiten Waffe machte er sich auf den Weg zum Haus der Nebenkläger G., um diese erneut in Tötungsabsicht anzugreifen. Als der Angeklagte vor der verschlossenen Grundstückszufahrt der G.s eintraf und versuchte, mit der Pistole in der Hand dass brusthohe Tor zu überklettern, begegnete er dort dem durch die Hilferufe der Nebenkläger G. alarmierten Zeugen P.. Der Zeuge sprach den Angeklagten an und sagte sinngemäß, er habe ihn - den Angeklagten - und auch die Pistole gesehen, der Angeklagte brauche nicht zu versuchen, die Pistole zu verstecken. Der Angeklagte reagierte mit den Worten: „Was willst Du denn Du Arschloch?“. Er erkannte, dass er den Zeugen P. zwar niederschießen und das Tor überklettern könnte, sich dies jedoch später schwerlich als Notwehr würde darstellen lassen. Denn mit dem Zeugen P. hatte er keinen Streit gehabt, weshalb kaum zu erklären gewesen wäre, warum dieser den - obendrein mit einer Pistole bewaffneten - Angeklagten hätte angreifen sollen. Weil der Angeklagte noch immer den Plan verfolgte, nicht selbst als Angreifer in Erscheinung zu treten, sondern sich vielmehr als vermeintliches Opfer auf Notwehr zu berufen, und sich die Eheleute G. überdies in ihrem Haus in Sicherheit gebracht hatten und er sie somit nicht mehr erreichen konnte, sah er von einem erneuten Angriff auf die Nebenkläger G. ab und lief eine Weile unschlüssig auf dem R. K. auf und ab. Anschließend machte er sich auf den Weg zurück zu seinem Grundstück.

Als er an der Stelle ankam, an der er zuvor die Nebenkläger beschossen hatte, stellte er zu seiner Überraschung fest, dass der Nebenkläger P. nicht wie von ihm erwartet tot auf der Straße lag, sondern verschwunden war. Der Nebenkläger hatte die Abwesenheit des Angeklagten nämlich dazu genutzt, sich stark blutend auf sein Grundstück und in sein Haus in Sicherheit zu bringen. Der Angeklagte erkannte, dass der Nebenkläger überlebt hatte und befürchtet, dass seine Rache - nachdem ihm bereits die Nebenkläger G. entkommen waren - vollständig misslingen würde. Er entschloss sich, den Nebenklägers P. um jeden Preis zu töten, um wenigstens an ihm seine Rache zu vollenden. Zu diesem Zweck begab er sich trotz der dort installierten Überwachungskamera auf dessen Grundstück und spähte zunächst in den an der Gebäuderückseite befindlichen Wintergarten, konnte sein Opfer dort jedoch nicht entdecken. Weil er auch die Haustür verschlossen vorfand, verließ er P.s Grundstück wieder und lief einige Sekunden lang auf dem R. Kamp hin und her. Spätestens jetzt entdeckte er den Bügel der Säge, mit der die Nebenklägerin G. Minuten zuvor nach ihm geworfen hatte. Er nahm den Bügel an sich und legte ihn links neben seiner Haustür ab, weil er die Absicht hatte, diesen später der Polizei als „Beweismittel“ zu präsentieren, um zu belegen, dass er Opfer eines Angriffs geworden sei und sich nur verteidigt habe. Anschließend holte er aus seinem Haus einen großen Vorschlaghammer und ging mit der Pistole in der einen und dem Vorschlaghammer in der anderen Hand zurück auf das Grundstück des Nebenklägers P.. Dort versuchte er, die Haustür durch heftige Schläge mit dem Vorschlaghammer gewaltsam zu öffnen, was ihm jedoch nicht gelang. Die Zeugin P. beobachtete unmittelbar nach dem letzten Schlag durch ein Dachfenster, dass sich aus Richtung des Grundstücks der Nebenkläger G. Polizeifahrzeuge dem Tatort näherten. Auch der Angeklagte bemerkte diese und erkannte, dass er den Nebenkläger P. nicht mehr würde töten können, weil es ihm nicht gelang, in dessen Haus einzudringen und er zeitnah von der Polizei zumindest vorläufig festgenommen werden würde. Er ging zu seinem Haus, stellte den Vorschlaghammer hinter der Haustür im Flur auf den Fußboden und trat - noch immer mit der Pistole in der Hand - wieder vor die Haustür. Dort ließ er sich von den Polizeibeamten POK K. und POK R. widerstandlos festnehmen. Seinem Tatplan weiter folgend erklärte er den Polizeibeamten ungefragt, er habe sich nur verteidigt,  „die anderen“ seien mit einer Eisenstange auf ihn „losgegangen“. Er wies die Polizeibeamten auf den Bügel der Säge hin, die er selbst zuvor neben seiner Hauseingangstür abgelegt hatte und erklärte, er habe seine Pistole aus dem Haus geholt, als „die“ auf ihn „losgegangen“ seien. Schließlich müsse man sich „ja wehren“.

Der Nebenkläger G. wurde wegen der Schussverletzung zwei Tage lang stationär im Klinikum L. behandelt. Eine längere stationäre Krankenhausbehandlung und eine Krankschreibung unterblieben auf Wunsch des Nebenklägers, weil er als Transportunternehmer selbständig tätig war und sich um sein laufendes Geschäft kümmern musste. Er konnte jedoch einige Wochen lang nur Bürotätigkeiten erledigen.

Die Nebenklägerin G. wurde ins Klinikum D. verbracht. Dort wurde die Kopfplatzwunde medizinisch versorgt, die sie durch den Faustschlag des Angeklagten erlitten hatte. Sie war vom 18.09.2014 bis einschließlich 05.10.2014 infolge der bei der Tat erlittenen Verletzungen arbeitsunfähig krank.

Der Nebenkläger P. wurde unmittelbar nach der Tat mit dem Rettungshubschrauber ins Universitätsklinikum H.- E. verbracht, dort an der rechten Hand operiert und neun Tage stationär behandelt. Er ist seit der Tat wegen der Tatfolgen durchgehend arbeitsunfähig krank und bezieht derzeit Krankengeld. Trotz der sofortigen handchirurgischen Versorgung einschließlich Nervennaht ist seine rechte Hand bis heute nicht vollständig wiederhergestellt. Neben Einschränkungen der Sensibilität der Hand (kleiner Finger, Ringfinger, Handinnenfläche) bestehen auch Probleme beim Faustschluss. Während letztere auf anhaltende Gewebsschwellungen zurückzuführen sind, beruht die eingeschränkte Sensibilität darauf, dass die durch die Schussverletzung zerstörten Nerven zwar operativ zusammengefügt, aber bislang noch nicht vollständig miteinander verwachsen sind. Der Nebenkläger muss weiterhin Krankengymnastik und Ergotherapie machen, der Heilungsprozess wird noch mindestens ein Jahr in Anspruch nehmen. Ob eine vollständige Wiederherstellung der Hand erreicht werden kann, ist derzeit ungewiss. Ferner leidet der herzkranke Nebenkläger, der drei Bypässe hat, infolge der Tat unter Einschlafstörungen und unter Ängsten beim Verlassen seines Hauses.

Bei Begehung der Taten hatte der Angeklagte die Einsicht, Unrecht zu tun. Seine Steuerungsfähigkeit war weder aufgehoben noch erheblich vermindert.

III.

1. Die oben unter I. getroffenen Feststellungen zur Person beruhen auf den Angaben des Angeklagten gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. med. D., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, die von diesem in der Hauptverhandlung referiert und vom Angeklagten bestätigt wurden, sowie dem in der Hauptverhandlung verlesenen Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 15.01.2013.

2. Die Feststellungen zur Sache beruhen auf den Angaben des Angeklagten, soweit sie den Feststellungen nicht widersprechen, sowie den sonstigen in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismitteln. Soweit im Folgenden Abbildungen (Lichtbilder, Skizzen) erwähnt werden, wird wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf diese verwiesen.

a) Die Feststellungen zu den räumlichen Verhältnissen im R. Kamp beruhen auf den insoweit übereinstimmenden Angaben des Angeklagten und der Nebenkläger, die durch die in Augenschein genommene Skizze (Bd. I, Bl. 4 d.A.) bestätigt werden.

b) Zur Tatvorgeschichte hat sich der Angeklagte dahingehend eingelassen, seine Nachbarn hätten von Anfang an „rumgelabert“ und mit Blick auf seine Eigenleistungen beim Hausbau abfällige Bemerkungen gemacht. Eines Tages habe er dann den Nebenkläger P. mit seinen Hunden auf seinem Grundstück gesehen. Daraus habe er geschlossen, dass der Nebenkläger P. „der Täter“ gewesen, d.h. für die Verschmutzung des Grundstücks mit Hundekot verantwortlich, sei. Er habe daraufhin gedroht, „ihm den Hund um die Ohren zu hauen“. Die Ankündigung, sich einen scharfen Hund und eine Pistole zu besorgen, sei von ihm als Warnung gemeint gewesen, weil er „Handgreiflichkeiten“ befürchtet habe. Als am 15.09.2014 sein Außenspiegel beschädigt gewesen sei, sei für ihn völlig klar gewesen, dass dies nur das Werk der Nebenkläger G. oder P. gewesen sein könne. Am 16.09.2014 sei er morgens von der Zeugin P. als „Arschloch“ bezeichnet worden, daraufhin zu ihr gegangen und von ihr gegen das Schienbein getreten worden. Daraufhin habe er ihr eine „Ohrfeige“ versetzt. Diese Einlassung ist, soweit sie von den Feststellungen abweicht, widerlegt. Die unter II. 1. getroffenen Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf den Angaben der als Zeugen vernommenen Nebenkläger K. und R. G. und R. P. sowie der Zeugin I. P., die die Entwicklung des Verhältnisses zum Angeklagten übereinstimmend wie festgestellt geschildert haben. Die Beweisaufnahme hat hingegen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte von seinen Nachbarn „angelabert“ worden wäre. Der Nebenkläger P. hat vielmehr erklärt, er habe sich anfänglich für den Fortgang der Bauarbeiten interessiert und sich vom Angeklagten den Rohbau zeigen lassen. Man habe den Angeklagten auch zum Grillen eingeladen, dies habe dieser jedoch rundweg abgelehnt. Auch bei der vom Angeklagten geltend gemachten Furcht vor „Handgreiflichkeiten“ handelt es sich um eine Schutzbehauptung. Dies folgt für die Kammer bereits daraus, dass es sich bei dem Nachbarn Herrn R. um eine älteren Herrn und bei dem Nebenkläger P. um einen 1952 geborenen, herzkranken Verwaltungsangestellten handelt. Dass von diesen Personen irgendeine Gefahr tätlicher Angriffe ausginge oder dass der Angeklagte dies irrtümlich angenommen hätte, schließt die Kammer aus. Gegen eine solche Gefahr spricht auch, dass sich G. R. und der Nebenkläger P. über Jahre hinweg vom Angeklagten immer wieder beleidigen ließen, ohne diesem Gewalt auch nur anzudrohen. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Ankündigung, sich eine scharf Pistole zu besorgen, vom Angeklagten als Drohung gemeint war, mit der er seine Nachbarn davon abhalten wollte, ihn weiterhin bei der Polizei anzuzeigen und/oder vor Gericht als Zeugen gegen ihn auszusagen.

c) Der Angeklagte hat - in Übereinstimmung mit dem Zeugen KHK T. - selbst eingeräumt, nicht im Besitz der für die Pistole erforderlichen waffenrechtlichen Erlaubnis gewesen zu sein und dies auch gewusst zu haben. Zur Herkunft der Pistole hat sich der Angeklagte dahingehend eingelassen, er habe diese vor vielen Jahren an einem See in B. gefunden, als er sich beim Joggen wegen „Verdauungsproblemen“ habe „in die Büsche schlagen müssen“. Er habe sich seinerzeit nicht getraut, die Waffe bei der Polizei abzugeben, weil er befürchtet habe, dann seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Andererseits habe er sie jedoch auch nicht einfach liegenlassen wollen, weil „man ja nie weiß, wer sie dann findet“. Er habe sie daher letztlich behalten und auch ausprobiert. Dabei habe er festgestellt, dass die Waffe „keine dolle Schusskraft mehr“ gehabt habe und es bereits nach dem ersten Schuss zu einer „Ladehemmung“ gekommen sei. Die Pistole sei „zusammengebastelt“ gewesen, er habe gedacht, sie würde „auseinanderfliegen“. Das Treffen sei mit der Waffe für ihn dennoch kein Problem gewesen, er sei zwei Jahre lang bei der Bundeswehr Waffenausbilder gewesen, er kenne sich aus. Auch insoweit ist die Einlassung durch das Ergebnis der Beweisaufnahme in weiten Teilen widerlegt.

Die Kammer geht zunächst, ohne dass es hierauf entscheidend ankäme, davon aus, dass sich der Angeklagte die Pistole im Anschluss an die Gerichtsverhandlung vor dem Amtsgericht Lüneburg in Br. besorgt hat. Das zufällige Auffinden einer Pistole nebst Munition beim Joggen ist allenfalls theoretisch vorstellbar, konkrete Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptung bestehen nicht. Die angebliche Furcht um den Verlust des Arbeitsplatzes im Falles des Abgebens der Pistole bei der Polizei ist nicht ansatzweise nachvollziehbar und vom Angeklagten auch auf Nachfrage nicht plausibel gemacht worden. Hinzu kommt, dass der Angeklagte selbst gegenüber POK K. anlässlich seiner Festnahme geäußert hatte, die Waffe stamme „aus Br.“ und nicht etwa aus B.. Schließlich wäre der Hinweis auf eine bereits vorhandene Pistole als „Warnung“ deutlich effektiver gewesen als die Ankündigung, sich eine Pistole zu besorgen. Warum der Angeklagte sich auf diese weniger effektive „Warnung“ hätte beschränken sollen, obwohl er die Waffe bereits besessen haben will, ist nicht ersichtlich.

Ebenfalls widerlegt ist die Einlassung hinsichtlich der angeblich unzureichenden „Schusskraft“ der Pistole. Dies folgt aus dem Gutachten des Sachverständigen T. F., Sachverständiger für Waffen und Munition beim Landeskriminalamt Niedersachsen, der im Wesentlichen ausgeführt hat: Bei der Pistole handele es sich um ein halbautomatisches Modell, das u.a. von der Wehrmacht verwendet worden sei. Die vom Angeklagten verwendete Waffe sei, wie sich anhand der verschiedenen Seriennummern auf unterschiedlichen Teilen erkennen lasse, aus mehreren verschiedenen Waffen zusammengesetzt worden, was die Funktionsfähigkeit grundsätzlich nicht beinträchtige. Allerdings funktioniere der Auszieher, der die abgeschossene Hülse aus dem Patronenlager entferne und so das automatische Nachladen der Waffe ermögliche, nicht richtig. Bei seinen Untersuchungen habe sich nach jedem Schuss eine Funktionsstörung eingestellt. Dies stehe der festgestellten störungsfreien Abgabe von drei Schüssen hintereinander indes nicht entgegen. Er gehe davon aus, dass sich der Defekt erstmals nach dem letzten Schuss auf den Nebenkläger P. eingestellt habe. Angesichts des Alters und des nicht optimalen Pflegezustands der Waffe sei durchaus wahrscheinlich, dass vom einen auf den anderen Schuss ein solcher Defekt auftrete. Der Defekt als solcher sei nur durch den Austausch des Ausziehers zu beheben. Einer im Umgang mit Pistolen sachkundigen Person wie dem Angeklagten sei es jedoch möglich, die abgeschossene Patrone „herauszufummeln“ und die Waffe von Hand zu repetieren, also wieder schussbereit zu machen. Hinsichtlich der „Schusskraft“ sei zu berücksichtigen, dass der Lauf innen korrodiert sei, was das Geschoss bremse und dementsprechend die Geschossenergie verringere. Die „Schusskraft“ sei gleichwohl weniger vom Zustand der Pistole, als vielmehr von der verwendeten Munition abhängig. Er habe drei der beim Angeklagten nach der Tat sichergestellten Patronen des Herstellers F. testweise abgefeuert und deren Energie gemessen. Diese habe zwischen 206,87 und 222,4 Joule gelegen, was einen Mittelwert von 214,65 Joule ergebe. Bei der Verwendung eines 9 mm Vollmantelgeschosses eines anderen Herstellers (H.) seien mit der vom Angeklagten verwendeten Pistole Energiewerte zwischen 348,10 und 381,31 Joule gemessen worden, entsprechend einem Mittelwert von 369,83 Joule. Diese Abweichung sei in erster Linie darauf zurückzuführen, dass bei der vom Angeklagten verwendeten Munition ein 10,25 g schweres Geschoss verladen gewesen sei, während die Vergleichsmunition (H.) mit einem nur 8 g schweren Geschoss bestückt sei. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass die vom Angeklagten verwendete Munition mit einem weniger energiereichen Treibmittel verladen worden sei. Die Verwendung eines schweren Geschosses und einer etwas schwächeren Treibladung sei bei Sportschützen nicht unüblich, vor allem aber würden derartige Geschosse in Waffen verwendet, die mit einem Schalldämpfer ausgestattet seien. Dafür, dass die vom Angeklagten verwendete Pistole zeitweise mit einem Schalldämpfer versehen worden sei, spreche das an der Mündung eingefräste Gewinde, zu erkennen auf den Lichtbildern Bd. 1, Bl. 75 und 76. Anhaltspunkte dafür, dass die Munition infolge zu langer oder unsachgemäßer Lagerung nicht mehr richtig funktioniert habe, bestünden nicht. Die mit der vom Angeklagten verwendeten Munition erreichte Geschossenergie sei etwa halb so groß wie die, die mit einer Standardmunition aus einem blank geputzten Lauf erreicht werde. Dies bedeute jedoch keineswegs, dass man mit der Pistole und der Munition nicht habe töten können. Die festgestellte durchschnittliche Geschossenergie von rund 215 Joule entspreche dem Kaliber 7,65 mm Browning und übertreffe das Kaliber 6,35 mm Browning um mehr als das Doppelte, wobei, so der Sachverständige, mit Waffen dieser Kaliber jedes Jahr in Deutschland Dutzende von Menschen getötet werden. Aus seiner Sachverständigensicht bestehe kein Zweifel daran, dass es hier nur aufgrund besonders ungewöhnlicher Umstände nicht zu einem tödlichen Ausgang gekommen sei. Dies hat der rechtsmedizinische Sachverständige P. J., Assistenzarzt am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums H.- E., bestätigt. Den Nebenkläger G. habe gerettet, dass er sich im Moment des Auftreffens des Projektils auf sein linkes Schulterblatt in einer Drehbewegung befunden und es daher nur zu einem Streifschuss gekommen sei. Wenn das Geschoss das Schulterblatt in einem Winkel von annähernd 90 Grad getroffen hätte, so sei davon auszugehen, dass das Schulterblatt durchschlagen und das Projektil in die Lunge eingedrungen wäre, möglicherweise auch große Blutgefäße oder das Herz verletzt hätte. Dies wäre in jedem Fall lebensgefährlich gewesen. Dass der Nebenkläger P. nicht tödlich verletzt worden sei, sei aus medizinischer Sicht fast schon als Wunder zu bezeichnen. Der erste Schuss habe ihn nur deshalb nicht am Kopf getroffen, weil  das Geschoss auf dem langen diagonalen Weg quer durch die rechte Hand des Nebenklägers seine Energie abgebaut habe und dementsprechend nicht wieder aus der Hand ausgetreten sei. Die bis heute nicht ausgeheilten Weichteilverletzungen seien die Folge dieses Energieabbaus. Wenn das Geschoss die Hand nicht auf genau an dieser Stelle und in diesem Winkel getroffen hätte und in die Hand eingedrungen wäre, sondern die Hand entweder nur gestreift oder verfehlt hätte, wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von tödlichen Verletzungen auszugehen gewesen. Dies gelte auch für den zweiten Schuss, bei dem das Geschoss durch das Auftreffen auf den rechten Ringfinger vom Kopf weggelenkt worden sei. Wenn die beiden Geschosse nicht abgefangen bzw. abgelenkt worden wären, sondern das Gesicht bzw. den Kopf des Nebenklägers P. getroffen hätten, so sei auch bei einer Geschossenergie von „nur“ rund 215 Joule davon auszugehen, dass dieser entweder sofort tödlich getroffen worden wäre oder er jedenfalls zu einem späteren Zeitpunkt tödlich wirkende Hirnverletzungen erlitten hätte. Die Kammer schließt sich den sachverständigen Ausführungen nach eigener kritischer Würdigung an. Vor allem unter Berücksichtigung des Umstand, dass der Kläger seine Opfer aus Abständen zwischen einem und maximal vier Metern beschoss, besteht keine Zweifel an der Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs.

d) Zum eigentlichen Tatgeschehen hat der Angeklagte unterschiedliche Angaben gemacht. In seiner Einlassung gab er an, er sei kurz vor der Tat mit dem PKW unterwegs gewesen und habe eine Flasche Sekt „gegen seine Kopfschmerzen“ gekauft. Als er wieder zu Hause gewesen sei, sei der Nebenkläger G. mit einer „Eisenstange“ auf sein - des Angeklagten - Grundstück gekommen und habe mit weiteren Sachbeschädigungen gedroht. Dadurch sei er „in Panik“ geraten und völlig „weggetreten“ gewesen. An das Holen der Pistole und die Abgabe der Schüsse habe er keine Erinnerung mehr. Er könne sich aber noch daran erinnern, auf P.s Grundstück gewesen zu sein, um dort seinen Hund zu suchen. Auch gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. med. D., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, behauptete er zunächst Erinnerungslosigkeit („Dann war mir blackout!“). Davon abweichend teilte er dem Sachverständigen in einem von ihm - dem Angeklagten - selbst verfassten in der Hauptverhandlung verlesenen sog. „Tatablauf“ nach der Exploration schriftlich mit, er habe „in völliger Panik“ auf den Nebenkläger G. geschossen. Dem Nebenkläger P. habe er absichtlich nur in die Hand geschossen, weil er gedacht habe, dieser wolle ihn angreifen. Wörtlich schrieb der Angeklagte: „Ich hätte ihn in dieser Position auf jeden Fall töten können. Grund genug habe ich. Ich tat es nicht.“ Die Nebenklägerin G. habe mit einer Eisenstange auf ihn eingeschlagen und ihn verletzt. Gleichwohl habe er „davon abgesehen, auf sie zu schießen“. Auf die Frage des Vorsitzenden, warum er sich nach der Exploration noch einmal schriftlich an den Sachverständigen gewandt habe, erklärte der Angeklagte, er habe dies „zur Untermauerung seiner Panik“ getan.

Die Einlassung des Angeklagten ist, soweit sie von den Feststellungen abweicht, durch die glaubhaften Angaben der Nebenkläger, die den Ablauf von der Rückkehr des Angeklagten bis zu seiner Festnahme wie festgestellt geschildert haben, widerlegt. Die Nebenkläger haben übereinstimmend geschildert, dass und warum die Eheleute G. die Kiefern auf dem unbebauten Grundstück zurückschnitten, wie der Nebenkläger P. sich zu ihnen stellte und man sich unterhielt. Die zurückgeschnittenen Kiefern sind auf den Lichtbildern Bd. I Bl. 82 und 83 d. A. zu erkennen. Auch die Rückkehr des Angeklagten und den kurzen Wortwechsel mit dem Angeklagten („Danke Ihr Idioten, das hätte ich auch noch gemacht!“ „Die einen machen‘s und die anderen können‘s nicht!“), haben die Nebenkläger übereinstimmend bekundet. Der Nebenkläger G. hat angegeben, nachdem er vom Angeklagten mehrfach als Stricherjunge bezeichnet worden sei, sei er auf dessen Grundstück gegangen, um mit ihm zu sprechen. Er habe den PKW des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt noch nicht beschädigt, dem Angeklagten aber gesagt, so wie dieser sich verhalte, dürfe er sich über Sachbeschädigungen nicht wundern. Der Angeklagte habe mit dem Handy Fotos von ihm gemacht (Lichtbilder Bd. II Bl. 220 und 221. d. A.) und sei plötzlich in sein Haus gerannt, woraufhin er das Grundstück verlassen habe und zu seiner Frau und dem Nebenkläger zurückgegangen sei. Als er sich bereits auf dem R. Kamp befunden habe, habe der Angeklagte plötzlich - wie festgestellt - zunächst auf ihn und dann auf den Nebenkläger P. geschossen. Diese Angaben lassen sich zwanglos mit der auf dem Lichtbild Bd. I Bl. 101 d.A. dokumentierten Lage der drei am Tatort gefundenen Patronenhülsen in Einklang bringen. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die hinter dem PKW des Angeklagten liegende Hülse (vgl. hierzu auch Lichtbild Bd. II Bl. 82 oben) vom Schuss auf den Nebenkläger G. stammt und die weiter oberhalb links und rechts des Sandwegs liegenden Hülsen von den Schüssen auf P. herrühren. Weder hat es zuvor einen Angriff des Nebenklägers P. gegeben, noch eine Situation, die der Angeklagte so hätte deuten können. Nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen des Geschehens ist der Nebenkläger P. erschrocken über den Schuss auf den Nebenkläger G. in Richtung seiner Gartenpforte geflohen und gestürzt. Erst dann habe der Angeklagte sich breitbeinig über den am Boden Liegenden gestellt, die Waffe auf dessen Kopf gerichtet und zweimal geschossen. Es erscheint zudem völlig lebensfremd, dass der Nebenkläger P., der die Waffe, den ersten Schuss und die Verletzung des Nebenklägers G. bemerkt hatte, unbewaffnet einen lebensgefährlichen „Gegenangriff“ auf den Angeklagten unternommen haben sollte - unabhängig davon, dass er zur Hilfeleistung für den Nebenkläger G. berechtigt gewesen wäre und dem Angeklagten gerade kein Notwehrrecht zugestanden hätte.

Dass der Angeklagte davon ausging, den Nebenkläger P. tödlich verletzt zu haben, schließt die Kammer daraus, dass dieser infolge der aus kurzer Distanz abgefeuerten Schüssen sofort stark zu bluten begann und ihm das Blut über das Gesicht lief, er also offensichtlich getroffen war. Dies kann dem Angeklagten nicht entgangen sein. Dass das Blut „nur“ aus den Händen austrat, hat der Angeklagte offenbar nicht erkannt, denn anderenfalls hätte er keinen Grund gehabt, sich vom Nebenkläger ab- und der Nebenklägerin zuzuwenden, ohne zuvor noch einmal auf den Nebenkläger zu schießen. Er habe, so der Nebenkläger G. weiter, auch gesehen, wie der Angeklagte der Nebenklägerin die Pistole vor das Gesicht gehalten und zweimal den Abzug betätigt habe. Die Angaben des Nebenklägers G. werden durch die Angaben der beiden anderen Nebenkläger bestätigt. Den sich an die Schüsse anschließenden Geschehensablauf - Flucht unter Mitnahme des Sägeblatts, Anruf bei der Polizei, Rufen nach dem Zeugen P. - haben die Nebenkläger G. wie festgestellt bekundet. Dass der Angeklagte noch am Tatort die verklemmte Patronenhülse auf der Pistole entfernt hat, folgt daraus, dass dort drei Hülsen gefunden wurden, korrespondierend mit den drei abgegebenen Schüssen. Hätte der Angeklagte die Hülse nicht am Tatort entfernt, wären dort nur zwei Hülsen sichergestellt worden. Hieraus schließt die Kammer, dass der Angeklagte - wie vom Waffensachverständigen geschildert - die Waffe manuell repetiert und wieder schussbereit gemacht hat. Hierfür spricht auch die Mitnahme der Waffe im weiteren Verlauf, denn es ist nicht ersichtlich, warum der Angeklagte bis zu seiner Festnahme eine nicht mehr funktionsfähige Pistole mit sich hätte herumtragen sollen.

Der Nebenkläger P. hat glaubhaft und in Übereinstimmung mit der Zeugin P. geschildert, wie er sich blutüberströmt in sein Haus retten konnte, während der Angeklagte die Nebenkläger G. verfolgte. Seine Angaben - auch zur Intensität des Blutaustritts - werden betätigt durch die Lichtbilder Bd. I Bl. 103 ff., auf denen zahlreiche Blutflecken auf dem Fußboden im Esszimmer, in der Küche, im Wohnzimmer, im Hauseingangsbereich und im Bad festgehalten sind. Die Begegnung mit dem Zeuge P. hat dieser glaubhaft geschildert. Den Versuch, mit Hilfe des Vorschlaghammers gewaltsam in P.s Haus einzudringen, haben der Nebenkläger und die Zeugin P. geschildert. Dass es dem Angeklagten, wie von ihm behauptet, dabei darum ging, seinen Hund zu finden, schließt die Kammer aus. Der Angeklagte war auch auf Nachfrage nicht in der Lage, nachvollziehbar zu erklären, warum er bei dieser angeblichen Suche statt einer Hundeleine einen Vorschlaghammer und eine Pistole bei sich hatte. Der durch die Schläge mit dem Vorschlaghammer beschädigte Knauf der Haustür ist auf dem Lichtbild Bd. II Bl. 94 unten dokumentiert. Die Angaben werden ferner bestätigt durch die Lichtbilder, die von P.s Überwachungskamera gefertigt wurden. Diese sind im Bildbericht „Fotos der Überwachungskamera zur tatrelevanten Zeit“ (Bd. I Bl. 113 ff. d. A.) zusammengefasst. Die Bilder 1-3 zeigen den Angeklagten, wie er mit der Pistole in der Hand zu P.s Haustür geht, die Bilder 4-6 zeigen ihn beim - vorläufigen - Verlassen des Grundstücks und die Bilder 11 und 13 zeigen ihn beim endgültigen Verlassen des Grundstücks nach den Schlägen gegen die Haustür, wobei der Vorschlaghammer in der linken Hand des Angeklagten auf beiden Bilder deutlich zu erkennen ist, die Pistole in der rechten Hand hingegen nur auf Bild 13. Die vorgenannten Bilder bestätigen auch die Schilderung der Nebenkläger, der Angeklagte habe während aller drei Taten einen ruhigen und besonnen Eindruck gemacht und dabei den Eindruck vermittelt, sich seiner überlegenen Bewaffnung und seiner Rache absolut sicher zu sein. Auf den Bildern wirkt der Angeklagte alles andere als „panisch“, sondern vielmehr entschlossen und zielstrebig. Für diese Deutung spricht auch das von POK K. geschilderte Nachtatverhalten des Angeklagten. POK K. hat den Angeklagten als bei der Festnahme ruhig und in jeder Hinsicht orientiert beschrieben. Der Angeklagte habe adäquat reagiert und seinem Eindruck nach genau gewusst, was er zuvor getan habe. Einen emotionalen Zusammenbruch (etwa im Sinne von „Oh Gott, was habe ich getan?!“) habe es nicht gegeben. Stattdessen habe der Angeklagte den Polizeibeamten - wie festgestellt - unaufgefordert erklärt, in „Notwehr“ gehandelt zu haben, wobei seine Angaben insoweit eher vage gewesen seien (die anderen seien „mit einer Eisenstange auf ihn losgegangen“, da „müsse man sich ja verteidigen“). Der Angeklagte habe die Beamten auf den in einem Blumenbeet liegenden Bügel der Säge (Lichtbild Bd. II Bl. 88 d. A. oben) hingewiesen und erklärt, mit diesem angegriffen worden zu sein. Auch hierbei handelt es sich um eine Schutzbehauptung, jedenfalls soweit der Angeklagte damit behaupten will, er sei mit dem Bügel rechtswidrig angegriffen worden. Die Nebenklägerin G. hat glaubhaft bekundet, mit der Säge nach dem Angeklagten geschlagen und geworfen zu haben, nachdem dieser versucht habe, sie zu erschießen und er sie geschlagen habe. Daraus folgt, dass die Säge nicht als Angriffs-, sondern als Verteidigungsmittel eingesetzt wurde. Dass der Bügel der Säge am Tatort zurückblieb, als die Nebenkläger G. flohen, folgt aus deren glaubhaften Angaben, die bestätigt werden durch die Angaben des Zeugen PK Weinhold und die Lichtbilder Bd. II Bl. 95 d. A. Auf diesen ist das auf einem Gartentisch liegende Sägeblatt - ohne Bügel - abgebildet. Aus dem Umstand, dass der Bügel später neben der Haustür des Angeklagten sichergestellt wurde, schließt die Kammer, dass er vom Angeklagten dort hingelegt wurde. Außer dem Angeklagten und dem schwer verletzten Nebenkläger P. war nämlich niemand mehr am Tatort, und der Nebenkläger hatte - anders als der Angeklagte, der für seine Rechtfertigung ein vermeintliches Angriffsmittel gut gebrauchen konnte - ersichtlich keinen Grund, den Bügel neben die Haustür zu legen.

e) Bereits aus der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlungen des Angeklagten folgt für die Kammer, dass er die Nebenkläger töten wollte. Hierfür spricht auch die vom Nebenkläger P. geschilderte Äußerung des Angeklagten kurz vor der Tat („Aber vorher bist Du tot!“). Die Kammer ist ferner davon überzeugt, dass der Angeklagte - entgegen seiner Einlassung - genau wusste, dass mit der von ihm verwendeten Pistole und Munition die Abgabe tödlicher Schüsse möglich war. Der Angeklagte kannte sich nach eigenen Angaben als ehemaliger Waffenausbilder der Bundeswehr mit Handfeuerwaffen aus. Es erscheint vollkommen lebensfremd, anzunehmen, der Angeklagte hätte die Nebenkläger - vor denen er panische Angst gehabt haben will - mit einer Pistole attackiert, von der er geglaubt hätte, sie würde „auseinanderfliegen“ und habe ohnehin nur eine geringe „Schusskraft“. Eine Waffe, durch deren Benutzung sich nur der Schütze der Gefahr schwerer Verletzungen aussetzt, würde niemand freiwillig abfeuern. Eine solche Waffe ließe sich vernünftigerweise allenfalls als Drohmittel verwenden, was der Angeklagte hier indes nicht getan hat. Vielmehr hat er mit den Worten: „Ich knall Dich jetzt ab!“ sofort das Feuer auf den Nebenkläger G. eröffnet, was ebenfalls dafür spricht, dass er ein „Abknallen“, also ein Erschießen des Nebenklägers, für möglich hielt und auch wollte. Auch die Schussabgabe auf den Kopf des Nebenklägers P. und die versuchte Schussabgabe auf den Kopf der Nebenklägerin G., lässt für die Kammer nur den Schluss zu, dass der Angeklagte seine Opfer töten wollte. Dass der Angeklagte gezielt nur auf die Hand des Nebenklägers P. geschossen hätte, schließt die Kammer mit Blick auf den „Hinrichtungscharakter“ seines Handels aus. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte die objektive Gefährlichkeit seines Handelns aufgrund eines psychischen Ausnahmezustandes verkannt haben könnte, bestehen nicht. Eine Einschränkung seiner kognitiven Fähigkeiten zum Tatzeitpunkt ist nach den überzeugenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. med. D., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, auszuschließen.

f) Dass der Angeklagte die Nebenkläger jahrelang gezielt beleidigte, um sie zu einem Angriff zu provozieren und sie sodann in „Notwehr“ töten zu können, folgt aus folgenden Erwägungen: Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, sich den Nebenklägern hilflos ausgeliefert gefühlt zu haben („Ich war ja immer allein, die konnten ja alles behaupten!“). Er hoffe, dass die Nebenkläger „endlich ein Geständnis ablegen, dass Herr G. mich dazu gebracht hat, dass ich zur Pistole greifen musste“. Er wolle von den Nebenklägern „in Ruhe gelassen werden und fertig!“. Diese vom Angeklagten selbst dargestellte Sichtweise in Kombination mit den festgestellten objektiven Umständen lässt für die Kammer nur den Schluss zu, dass es sich bei den vom Angeklagten ausgestoßenen Beleidigungen nicht um spontane Unmutsäußerungen, sondern um gezielte Provokationen handelte, mit denen er die Nebenkläger solange reizen wollte, bis diese die Nerven verlieren und ihn angreifen würden. Denn nur durch einen solchen Angriff und das anschließende Töten der Nebenkläger in „Notwehr“ hätte der Angeklagte sein selbst formuliertes Ziel, von denen Nebenklägern „in Ruhe gelassen zu werden“, endgültig erreichen können. Dies war ihm durch die Verurteilung durch das Amtsgericht Lüneburg und die von ihm selbst vergeblich gestellten Anzeigen gegen seine Nachbarn deutlich geworden. Dass der Angeklagte um der Erreichung dieses Ziels willen auch billigend in Kauf nahm, zumindest vorübergehend ins Gefängnis zu müssen, hat er selbst gegenüber seinen Nachbarn geäußert. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, so die Nebenklägerin G., habe der Angeklagte zu dem ca. 70jährigen Nachbarn Herrn R. gesagt: „Dann geh ich halt in den Knast, ich komm ja auch wieder raus!“ Auch kurz vor den Taten reagierte er auf den Hinweis des Nebenklägers P., für die Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin P. werde er „in den Knast“ gehen, eher gleichgültig („Aber vorher bist Du tot!“). Daraus folgt, dass dem Angeklagten durchaus bewusst war, dass auch in einer von ihm angestrebten Notwehrsituation nicht jede (insbesondere tödliche) Verteidigung erlaubt sein würde. Er ging jedoch davon aus, glimpflich davon zu kommen, wenn er sich - wie in der Hauptverhandlung tatsächlich geschehen - auf eine Kombination aus „Notwehr“ und „Panik“ berufen würde, zumal nach seiner Vorstellung von der Tat die Nachbarn getötet werden sollten und somit nicht mehr als Zeugen gegen ihn hätten aussagen können. Dass ihm unter diesen Umständen jemand würde nachweisen können, nicht in „Notwehr“ und „Panik“ gehandelt zu haben, hielt er für ausgeschlossen. Auch für das Vorhandensein von „Panik“ - für das es hier keinerlei Anhaltspunkte gibt - hatte sich der Angeklagte eine Begründung zurechtgelegt, die er in der Hauptverhandlung präsentierte. Der Angeklagte erklärte, aufgrund eines Verkehrsunfalls, den er vor Jahren erlitten habe, besonders ausgeprägte Angst vor Verletzungen zu haben. Überdies sei es auch in einer Kneipe schon mal zu „einer komischen Situation“ gekommen, bei der er sich bedroht gefühlt habe. Außerdem, so der Angeklagte, „liest man ja ständig in der Zeitung, was alles passieren kann! Da kriegt man einen über den Kopf und ist hin!“. Auch insoweit handelt es sich nach der Überzeugung der Kammer um - erfolglose - Versuche, das offensichtliche Überschreiten der selbst herbeigeführten vermeintlichen „Notwehr“ durch Panik zu erklären, oder wie es der Angeklagte in der Hauptverhandlung selbst ausdrückte, die Panik zu „untermauern“.

g) Dass der Angeklagte bei Begehung der hier in Rede stehenden Taten im vollen Umfang schuldfähig war, seine Schuldfähigkeit also weder aufgehoben noch erheblich vermindert war, folgt aus den überzeugenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. med. D.. Bei dem Angeklagten, so der Sachverständige, liege eine schizoide Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F 60.1) vor. Diese sei dadurch gekennzeichnet, dass der Angeklagte sozial vereinsamt sei, keine Bekannten oder gar Freunde habe, keinen Kontakt zur Herkunftsfamilie und auch keine eigene Familie. Es sei ihm auch - mit einer Ausnahme als junger Mann - nie gelungen, eine Partnerschaft einzugehen. Aufgrund der seit 2009 durchgängig bestehenden Arbeitslosigkeit eröffne auch der Beruf keine Möglichkeit zum sozialen Austausch mehr, was den Angeklagten allerdings nicht belaste, weil dieser die meisten Menschen ohnehin für „Idioten“ halte. Die schizoide Persönlichkeitsstörung erfülle die Voraussetzungen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB. Diese habe jedoch weder die Unrechtseinsicht des Angeklagten beseitigt noch seine Steuerungsfähigkeit in rechtlich erheblicher Weise beeinflusst. Der Angeklagte sei auch durchgängig in der Lage gewesen, sich an der vorhandenen Unrechtseinsicht zu orientieren und nach ihr zu handeln. Diese Fähigkeit sei auch durch die Persönlichkeitsstörung nicht nennenswert beeinträchtigt worden. Die Persönlichkeitsstörung habe allenfalls mittelbar die Tatplanung beeinflusst, weil der Angeklagte infolge seiner sozialen Insolation sehr viel Zeit darauf verwendet habe, über die Tötung seiner Nachbarn nachzudenken und diese zu planen, was dieser selbst unmittelbar im Anschluss an das Gutachten mit den Worten bestätigte: „Ich beschäftige mich von morgens bis abends mit dem Krimskrams!“. Ausgehend von einer vom Angeklagten geplanten, durch das Streben nach Rache und Selbstjustiz motivierten Tat sei eine rechtlich relevante Beeinträchtigung seiner Steuerungsfähigkeit sicher auszuschließen. Der Angeklagte habe ruhig, besonnen und zielstrebig versucht, die Nebenkläger zu töten und sich dabei gezielt das jeweils „leichteste“ Opfer ausgesucht. Auf sich verändernde Umstände habe er schnell und adäquat reagiert, u.a. auch durch Ergreifen des Vorschlaghammers, um gewaltsam bei P.s einzudringen und den Nebenkläger endgültig zu töten. Anhaltspunkte für einen die Schuldfähigkeit beeinträchtigenden Affekt bestünden nicht. Gegen einen Affekt sprächen die Vorbereitung der Konstellation der Tat durch den Angeklagten, das komplexe, sich über einen längeren Zeitraum hinziehende, etappenweise Tatgeschehen sowie das aggressive Verhalten einschließlich Tatankündigungen im Vorfeld der Tat. Dem schließt sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung mit der Maßgabe an, dass die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB allein dem Gericht obliegt. Dass der Angeklagte durchgängig wusste, dass man andere Menschen nicht töten darf, ergibt sich zwangslos daraus, dass er sich bereits vor Begehung der Tat Gedanken darüber gemacht hat, wie er diese später gegenüber Polizei und Gericht rechtfertigen könne („Notwehr“, „Panik“).

h) Die Feststellungen zu den Verletzungen, die die Nebenkläger bei den Taten des Angeklagten erlitten, beruhen auf deren glaubhaften Bekundungen sowie den Angaben des rechtsmedizinischen Sachverständigen P. J., der die Nebenkläger G. und P. kurz nach der Tat körperlich untersucht und die Verletzungen wie festgestellt vorgefunden hatte. Seine Ausführungen zu den vom Nebenkläger P. erlittenen Handverletzungen werden bestätigt durch die Lichtbilder Bd. I, Bl. 173 und 174 d. A. Auf diesen ist der operativ versorgte Schusskanal ebenso deutlich zu erkennen wie die wieder angenähte Kuppe des Ringfingers.

i) Die Kammer hat keine Bedenken, die Angaben der Nebenkläger ihren Feststellungen zugrunde zu legen. Die Nebenkläger waren - nach Überzeugung der Kammer erfolgreich - bemüht, ihre Erinnerungen vollständig und wahrheitsgemäß wiederzugeben. Obwohl sie ersichtlich noch unter dem Eindruck des Erlebten standen, waren weder Übertreibungs- noch sonstige Belastungstendenzen erkennbar.

IV.

Nach den Feststellungen ist der Angeklagte schuldig des versuchten Mordes in drei Fällen, in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition, davon in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit dem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition.

1. Der Angeklagte hat zur Tötung der Nebenkläger P. und G. jeweils unmittelbar angesetzt. Es handelt sich hier um drei rechtlich selbständige Taten, die zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit stehen. Die Kammer hat insoweit geprüft, ob hier - ausnahmsweise - unter dem Gesichtspunkt einer sog. natürlichen Handlungseinheit nur eine Tat im sachlich-rechtlichen Sinne vorliegt, dies im Ergebnis jedoch verneint. Von einer natürlichen Handlungseinheit ist auszugehen, wenn mehrere, im Wesentlichen gleichartige, Handlungen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs so miteinander verbunden sind, dass sich das gesamte Tätigwerden (auch objektiv) auch für einen Dritten bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches Geschehen darstellt. Richten sich die Handlungen des Täters gegen höchstpersönliche Rechtsgüter der Opfer, wird die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sie liegt jedoch bereits nicht nahe. Denn höchstpersönliche Rechtsgüter sind einer additiven Betrachtungsweise allenfalls in Ausnahmefällen zugänglich. Deshalb können solche Handlungen, die sich nacheinander gegen mehrere Personen richten, grundsätzlich weder durch ihre enge Aufeinanderfolge noch durch einen einheitlichen Plan oder Vorsatz zu einer natürlichen Handlungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden. Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn ein einheitlicher Tatentschluss gegeben ist und die Aufspaltung des Tatgeschehens in Einzelhandlungen wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen oder Schüssen ohne jegliche zeitliche Zäsur, willkürlich und gekünstelt erschiene (BGH, 21.08.2012, 2 StR 199/12, zitiert nach Juris). Diese - sehr engen - Voraussetzungen einer natürlichen Handlungseinheit liegen hier nicht vor. Zwar hatte der Angeklagte bereits lange vor der Tat grundsätzlich den Entschluss gefasst, seine Nachbarn zu einem „Angriff“ zu provozieren, um sie sodann in „Notwehr“ zu töten. Dieser Plan als solcher reicht jedoch nicht, um die Handlungen des Angeklagten zu einer natürlichen Handlungseinheit zu verbinden, weil das Tatgeschehen am 16.09.2014 sowohl durch räumliche als auch durch zeitliche Zäsuren gekennzeichnet ist. Der Angeklagte wandte sich zunächst nur dem Nebenkläger G. zu in der Absicht, diesen zu töten („Ich knall Dich jetzt ab!“). Zwischen den Schüssen auf den Nebenkläger G. und den Schüssen auf den Nebenkläger P. lässt sich sowohl in subjektiver wie in objektiver Hinsicht eine Zäsur feststellen, die der Annahme einer natürlichen Handlungseinheit entgegensteht. Der Entschluss, zumindest vorläufig vom Nebenkläger G. abzulassen und sich zunächst dem Nebenkläger P. zuzuwenden, bildet die Zäsur in subjektiver Hinsicht. Denn der Angeklagte traf diese Entscheidung erst, als der Nebenkläger P. strauchelte und ihm gleichsam „vor die Füße fiel“. In objektiver Hinsicht sind sowohl die räumliche Veränderung - der Angeklagte begab sich von seinem PKW-Stellplatz zu der Stelle, an der der Nebenkläger P. auf dem Rücken auf der Straße lag - als auch die zeitliche Unterbrechung der Schussabgabe - der Angeklagte zielte zunächst auf den Nebenkläger P., dann den Nebenkläger G. und schließlich wieder auf den Nebenkläger P. - zu berücksichtigen. Unter diesen Umständen kann von einer willkürlich oder gekünstelt erscheinenden Aufspaltung des Tatgeschehens in Einzelhandlungen keine Rede sein, vielmehr handelt es sich um subjektiv und objektiv klar voneinander abgrenzbare Angriffe. Dies gilt auch für die Tat zum Nachteil der Nebenklägerin K. G.. Auch diese war sowohl von einem neuen Tatentschluss als auch von einer zeitlichen und räumlichen Zäsur geprägt.

2. In allen drei Fällen handelte der Angeklagte aus sonst niedrigen Beweggründen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB. Die gebotene Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Angeklagten maßgeblichen Faktoren ergibt, dass die für den Angeklagten handlungsleitenden Motive nach allgemeiner Anschauung verachtenswert sind und auf tiefster Stufe stehen. Der Angeklagte hat versucht, die Nebenkläger zu töten, weil sich für die vermeintliche Verschmutzung seines Grundstücks mit Hundekot rächen und mit Blick auf die gegen ihn verhängte Verwarnung mit Strafvorbehalt wegen Beleidigung zum Nachteil des G. R. im Wege der Selbstjustiz gegen diejenigen vorgehen wollte, die ihn - mit seinem Worten ausgedrückt - „in Ruhe lassen“ sollten. Beide Motive - das Streben nach Rache und das Streben nach Selbstjustiz - stellen niedrige Beweggründe dar, weil sie jeglichen nachvollziehbaren Grund entbehren. Weder die Verschmutzung eines Grundstücks mit Hundekot noch Strafanzeigen und nachfolgend die Verhängung einer Verwarnung mit Strafvorbehalt - selbst wenn diese aus Sicht des Täters zu Unrecht erfolgt sein sollte - lassen die versuchte Tötung eines Menschen auch nur ansatzweise nachvollziehbar erscheinen. Es handelt sich insoweit um eine versuchte Vernichtung menschlichen Lebens aus absolut nichtigem Anlass. Hinzu kommt, dass der Angeklagte den Konflikt mit seinen Nachbarn über einen langen Zeitraum hinweg gezielt immer weiter eskaliert hatte und er sein vermeintliches Recht, von diesen „in Ruhe gelassen zu werden“, deutlich über das Lebensrecht seiner Opfer stellte.

Dass der Angeklagte auch heimtückisch gehandelt hätte, konnte nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Der Faustschlag gegen den Kopf der Zeugin P. am Morgen des Tattages spricht dafür, dass der Angeklagte seine Opfer nicht mehr für arglos hielt, weil diese aus seiner Sicht mit weiteren körperlichen Angriffen rechnen mussten. Dass er die Absicht hatte, diese Angriffe nicht nur mit Fäusten, sondern unter Verwendung einer Pistole durchzuführen, begründet für sich genommen keine Heimtücke.

3. Bei der Tat zum Nachteil des Nebenklägers G. steht der versuchte Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, weil der Angeklagte den Nebenkläger mittels einer Waffe (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 1. Altern. StGB) und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) verletzte. Auch der Verstoß gegen das Waffengesetz (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG) steht in Tateinheit zu dem versuchten Mord. Insoweit war der Angeklagte nur wegen des unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition zu verurteilen, weil er den Schuss auf den Nebenkläger G. nach den Feststellungen der Kammer von seinem Grundstück aus abfeuerte und ein Führen der Pistole somit ausscheidet.

4. Der versuchte Mord zum Nachteil des Nebenklägers P. steht ebenfalls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 1. Altern., 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) und einem vorsätzlichen Verstoß gegen § 52 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG, wobei hier die Waffe sowohl besessen als auch geführt wurde im Sinne der Vorschrift, weil die Schüsse auf den Nebenkläger P. auf der Straße R. K. abgegeben wurden.

5. Der versuchte Mord zum Nachteil der Nebenklägerin K. G. steht in Tateinheit mit einer Körperverletzung gem. § 223 StGB, weil die Kammer nicht festzustellen vermochte, dass die Nebenklägerin mit der Pistole geschlagen wurde. Zugunsten des Angeklagten ist somit davon auszugehen, dass sie ausschließlich mit der Faust geschlagen wurde und somit eine Qualifikation der Tat gem. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ausscheidet. Auch insoweit steht der Verstoß gegen § 52 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG (Besitz und Führen) in Tateinheit.

6. Die Taten des Angeklagten sind nicht gemäß § 32 StGB durch Notwehr gerechtfertigt, weil ihn die Nebenkläger zu keinem Zeitpunkt rechtswidrig angegriffen haben. Selbst wenn der Nebenkläger G. gegen das Hausrecht des Angeklagten verstoßen haben sollte, indem er dessen Grundstück betrat, wäre dieser Angriff zum Zeitpunkt der Schüsse, die der Angeklagte auf den Nebenkläger abfeuerte, längst beendet gewesen, denn der Nebenkläger hatte das Grundstück des Angeklagten bereits verlassen und befand sich auf dem R. Kamp auf dem Weg zu seiner Frau und dem Nebenkläger P., als er vom Angeklagten in den Rücken geschossen wurde. Anhaltspunkte dafür, dass der Nebenkläger P. bzw. die Nebenklägerin G. den Angeklagten angegriffen hätten und dieser sich verteidigt hätte, hat die Hauptverhandlung nicht ergeben. Ein solcher Angriff der unbewaffneten Nebenkläger auf den mit einer Pistole bewaffneten Angeklagten liegt schon wegen der damit verbundenen offensichtlichen Lebensgefahr, der sich die Nebenkläger ausgesetzt hätten, außerhalb jeder Lebenserfahrung.

7. Der Angeklagte ist auch nicht gemäß § 24 Abs. 1 StGB von den Taten zurückgetreten. Ein Rücktritt von den Mordversuchen zum Nachteil der Nebenkläger G. war dem Angeklagten nicht möglich, weil es sich in beiden Fällen um fehlgeschlagene Versuche handelte. Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv, sei es auch nur wegen aufkommender innerer Hemmungen, die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Hält er dagegen die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsvorgang noch für erreichbar, wenn auch mit anderen Mitteln, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten. Nach diesen Grundsätzen ist von einem fehlgeschlagenen Versuch auszugehen, weil sich die Nebenkläger vom Tatort entfernt und auf ihrem Grundstück in Sicherheit gebracht hatten, während der Angeklagte damit beschäftigt war, die Funktionsstörung an seiner Pistole zu beheben. Nachdem ihm dies gelungen und ihm die Abgabe weiterer Schüsse wieder möglich war, war aus seiner Sicht eine Tatvollendung im unmittelbaren Handlungsfortgang nicht mehr möglich. Vielmehr bedurfte es aus seiner Sicht eines neuen Ansetzens zur Tötung, wobei er zuvor herausfinden musste, wo sich seine Opfer aufhielten, ob diese zwischenzeitlich andere Personen zur Hilfe geholt hatten und ob/wie er mit der Pistole noch einmal auf Schussweite an sie herankommen würde. Aus seiner Sicht war somit höchst ungewiss, ob er seine Opfer zeitnah würde töten können. Sein Versuch, das Gartentor zu G.s Grundstück zu überklettern, stellt eine (straflose) Vorbereitungshandlung zu einem weiteren Tötungsversuch dar, von dem der Angeklagte jedoch Abstand nahm, bevor er die Versuchsschwelle überschritt. Dieses Abstandnehmen ändert indes nichts daran, dass seine ursprünglichen Mordversuche fehlgeschlagen waren.

Ein Rücktritt vom versuchten Mord zum Nachteil des Nebenklägers P. scheidet ebenfalls aus. Als der Angeklagte vom Nebenkläger abließ, war der Versuch aus seiner Sicht beendet, weil er davon ausging, den Nebenkläger durch die beiden aus kurzer Distanz auf den Kopf abgefeuerten Schüsse tödlich verletzt zu haben. Ein Rücktritt von einem beendeten Versuch setzt voraus, dass der Täter die Vollendung verhindert oder sich zumindest freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern. Beides hat der Angeklagte hier nicht ansatzweise getan.

Auch die Berücksichtigung der Möglichkeit einer sog. Korrektur des Rücktrittshorizonts führt zu keinem anderen Ergebnis. Einer solchen Korrektur steht bereits entgegen, dass sie nur in engen Grenzen möglich ist, der Täter seinen Irrtum also alsbald erkennen muss, was hier nicht der Fall ist. Vielmehr erkannte der Angeklagte seinen Irrtum erst, nachdem er seine Pistole wieder funktionsfähig gemacht hatte, zum Grundstück der Nebenkläger G. gegangen war, dort versuchte hatte, das Gartentor zu überklettern, vom Zeugen P. angesprochen worden und wieder zum Tatort zurückgegangen war. Angesichts dieser sowohl räumlichen wie auch zeitlichen Distanz zwischen der letzten Schussabgabe und der Erkenntnis des Irrtums kann von einer alsbaldigen Korrektur keinen Rede sein. Im Übrigen käme ein strafbefreiender Rücktritt selbst bei Annahme einer Korrektur des Rücktrittshorizonts des Angeklagten nicht in Betracht, weil er - nachdem er erkannt hatte, dass der Nebenkläger nicht tot war - realisierte, dass sein Versuch fehlgeschlagen war. Weil er sich hiermit nicht abfinden wollte, versuchte er, mit Hilfe des Vorschlaghammers in dessen Haus einzudringen, um ihn endgültig zu töten. Ein endgültiges Aufgeben erfolgte erst, als der Angeklagte erkannt hatte, dass ihm die Tötung des Nebenklägers nicht mehr gelingen würde, weil er die Haustür mit dem Vorschlaghammer nicht öffnen konnte und er die sich nähernden Polizeifahrzeuge bemerkte. Zu diesem Zeitpunkt war die Tötung - eine Korrektur des Rücktrittshorizonts unterstellt - aus Sicht des Angeklagten endgültig gescheitert.

V.

Die Strafen waren dem Rahmen des § 211 StGB zu entnehmen, den die Kammer bei den Taten zum Nachteil der Nebenkläger G. gem. §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemindert hat, so dass insoweit von einem Strafrahmen von 3 bis 15 Jahren auszugehen war. Strafschärfend wirkten sich in beiden Fällen die tateinheitlich begangenen Körperverletzungs- und Waffendelikte aus. Ferner war zum Nachteil des Angeklagten die besondere Gefährlichkeit seines Vorgehens zu berücksichtigen. Dass die Nebenkläger die Taten überlebt haben, verdanken sie ausschließlich glücklichen Umständen (Drehbewegung des Nebenklägers R. G. im Moment der Schussabgabe, unerwartete Funktionsstörung beim Tötungsversuch zum Nachteil der Nebenklägerin K. G.). Ferner war zu bedenken, dass der Angeklagte - wenn auch nicht einschlägig - vorbestraft war und dass sowohl die über einen langen Zeitraum intensiv betriebene Tatvorbereitung als auch die Taten selbst ein außergewöhnlich hohes Maß an krimineller Energie erkennen lassen. Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände ist für die Taten zum Nachteil des Nebenklägers R. G. und der Nebenklägerin K. G. jeweils eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren tat- und schuldangemessen.

Bei der Tat zum Nachteil des Nebenklägers P. hat die Kammer von der Milderungsmöglichkeit gem. §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB hingegen keinen Gebrauch gemacht. Dabei ist der Kammer bewusst gewesen, dass im Falle eines Versagens einer Strafrahmenverschiebung bei der Androhung lebenslanger Freiheitstrafe besonders sorgfältig unter Berücksichtigung der tat- und täterbezogenen Merkmale abgewogen werden muss. Es lassen sich jedoch insoweit keine Umstände feststellen, die ein Abweichen von der ungeminderten Strafandrohung zuließen. Für eine Strafrahmenverschiebung hätte ein Geständnis sprechen können, welches der Angeklagte jedoch nicht abgelegt hat. Der Angeklagte hat auch sonst weder Einsicht noch Reue, ja nicht einmal Bedauern gezeigt. Bis zum Schluss der Hauptverhandlung hat er darauf beharrt, dass der Nebenkläger G. die Schuld für die Taten, auch die zum Nachteil von K. G. und R. P., trage. Wörtlich erklärte er: „In erster Linie denke ich an mich. Ich bin nur froh, dass mir nichts passiert ist.“ Gegen den Angeklagten - und damit gegen eine Strafrahmenverschiebung - sprechen die langfristige Tatplanung und -vorbereitung sowie extreme Gefährlichkeit seines Handelns. Nur durch eine an ein Wunder grenzende glückliche Fügung traf keiner der zwei aus nächster Nähe abgegebenen Schüsse den hilflos am Boden liegenden Nebenkläger P. tödlich in den Kopf. Der Angeklagte hat kaltblütig und ohne menschliche Regung versucht, sein Opfer auf offener Straße hinzurichten. Hinzu kommen die tateinheitlich begangenen Körperverletzungs- und Waffendelikte, die Vorstrafe und - anders als bei den Nebenklägern G. - die erheblichen Verletzungen, die der Angeklagte dem Nebenkläger zufügte. Zwar bestand keine akute Lebensgefahr, aber die Folgen der Tat sind so schwer, dass der Nebenkläger bis heute unter ihnen leidet und aller Voraussicht nach noch mindestens ein weiteres Jahr leiden wird. Auch das Nachtatverhalten des Angeklagten, der sich unmittelbar nach den vermeintlich tödlichen Schüssen auf den Nebenkläger P. dem nächsten wehrlosen Opfer, nämlich der Nebenklägerin G. zuwandte, ist strafschärfend zu berücksichtigen, so das auch unter Berücksichtigung der besonders einschneidenden Wirkung einer lebenslangen Freiheitsstrafe in der Gesamtschau eine Milderung des Strafrahmens und eine Verurteilung des Angeklagten zu einer zeitigen Freiheitsstrafe aus Sicht der Kammer unvertretbar erscheint, weshalb für diese Tat eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen war.

Gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 StGB war als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

VI.

Auf die Adhäsionsanträge war der Angeklagte wie erkannt zu verurteilen. Die Ansprüche der Adhäsionskläger setzen sich wie folgt zusammen:

1. Die Adhäsionsklägerin K. G. hat Anspruch auf die Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von € 2.000,- sowie pauschalierten Aufwendungsersatz in Höhe von € 25,- und die Erstattung von anteiligen Krankentransportkosten in Höhe von € 10,-. Im Übrigen hat die Kammer gemäß § 406 Abs. 1 S. 3 StPO von einer Entscheidung abgesehen. Das von der Adhäsionsklägerin in das Ermessen des Gerichts gestellte Schmerzensgeld in Höhe von mindestens € 7.000,- ist deutlich übersetzt. Unter Berücksichtigung der verhältnismäßig geringen Tatfolgen (Kopfplatzwunde) und den wirtschaftlichen Verhältnisses der Beteiligten - der Angeklagte lebt von Sozialleistungen, der Adhäsionskläger R. G. betreibt derzeit mit wirtschaftlichem Verlust eine Spedition, bei der sein Ehefrau angestellt ist - ist auch unter Berücksichtigung der Genugtuungsfunktion ein Schmerzensgeld von € 2.000,- angemessen. Die geltend gemachten Kosten für Fahrten zu verschiedenen Krankenhäusern, Ärzten etc. sind nicht schlüssig dargelegt. Die Adhäsionsklägerin hat insoweit vorgetragen, sie habe „tatbedingt eine Vielzahl von Fahrten unternehmen“ müssen und sei insgesamt 799 km gefahren, wobei sich unter den aufgelisteten Fahrten auch solche ins Klinikum L. befinden, obwohl sie wegen der Tatfolgen nicht in L., sondern in D. behandelt wurde. Auch die Höhe des Ansatzes von € 0,30 pro Kilometer ist nicht nachvollziehbar begründet. Es ist nicht einmal dargelegt, mit welchem Verkehrsmittel die Adhäsionsklägerin die Fahrten unternommen hat.

2. Der Adhäsionskläger R. G. hat ebenfalls Anspruch auf die Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von € 2.000,- sowie pauschalierten Aufwendungsersatz in Höhe von € 25,-. Im Übrigen hat die Kammer auch in seinem Fall gemäß § 406 Abs. 1 S. 3 StPO von einer Entscheidung abgesehen. Der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch von mindestens € 7.500 ist deutlich zu hoch, angemessen und ausreichend ist auch in diesem Fall ein Schmerzensgeld in Höhe von € 2.000,-, wobei die Ausführungen unter VI. 1) hier sinngemäß gelten. Die geltend gemachten Entgeltfortzahlungskosten, betreffend die bei ihm angestellte K. G., resultieren nicht aus der Straftat zu seinem Nachteil, sondern aus der Straftat zum ihrem Nachteil, so dass einer Geltendmachung im Adhäsionsverfahren gemäß § 403 StPO nicht statthaft ist. Zu den geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von € 134,40 fehlt jeder Vortrag. Belegt sind hingegen Krankentransportkosten in Höhe von € 524,-, hinsichtlich derer der Adhäsionskläger jedoch keinen Antrag gestellt hat.

3. Der Adhäsionskläger R. P. hat Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von € 10.000,- und Schadensersatz in Höhe von € 3.933,97. Ausschlaggebend für die Höhe des Schmerzensgeldes sind die erheblichen Verletzungen und die schweren Tatfolgen, unter denen der Adhäsionskläger bis heute leidet und die - auch unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisses der Beteiligten und der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes - ein Schmerzensgeld in dieser Höhe angemessen erscheinen lassen. Der Schadensersatzanspruch setzt sich aus folgenden Positionen zusammen:

Zuzahlung für Krankentransport€10,00Zuzahlung für Krankenhausbehandlung€80,00Zuzahlung Krankengymnastik€41,72Zuzahlung Heilmittel (Schiene)€7,27Zuzahlung Heilmittel (Narbensalbe)€18,98Zuzahlung Heilmittel (Kompressen)€3,80Zuzahlung Taxifahrt (H.- B.)€10,00PKW-Fahrten zur Krankengymnastik (N D.)14 x 8 km x € 0,30€33,60PKW-Fahrten zum Arzt (Dr. P.  - N.)17 x 40 km x € 0,30€204,00PKW-Fahrten zum Arzt (Dr. V. - L.)3 x 80 km x € 0,30€72,00PKW-Fahrten zur Polizei (L.)80 km x € 0,30€24,00PKW-Fahrten zum Arzt (Radiologie - L.)82 km x € 0,30€24,60PKW-Fahrten zum Arzt (Psychiatrisches Klinikum L.)   4 x 82 km x € 0,30€98,40PKW-Besuchsfahrten der Ehefrau6 x 210 km x € 0,30€378,00Parkgebühren (6 x € 5,00)€30,00Reinigungskosten€75,00Reparatur Haustür€150,00Differenz zwischen Arbeitsentgelt und Krankengeldvom 29.10.2014 bis 31.01.2015€2672,60Summe€3933,97Die vorstehenden Aufwendungen sind durch die vom Adhäsionskläger vorgelegten Quittungen und Abrechnungen bewiesen. Hinsichtlich der Fahrtkosten hat der Adhäsionskläger € 0,30 pro Kilometer in Ansatz gebracht, was die Kammer ihrer Schätzung gemäß § 287 ZPO zugrunde gelegt.

4. Die Kammer hat auch die Feststellungsanträge wegen aus dem festgestellten Sachverhalt künftig noch entstehender materiellen und immateriellen Schäden für begründet erachtet, ebenso die Anträge gerichtet auf Feststellung, dass die Ansprüche der Adhäsionskläger aus vorsätzlicher, unerlaubter Handlung herrühren.

VII.

Den Wert der Adhäsionsanträge hat die Kammer wie aus dem Tenor ersichtlich festgesetzt. Sie berechnen sich wie folgt:

1) Antrag K. G.

Schmerzensgeld€7000,00Zuzahlung Krankentransport€10,00Fahrtkosten€239,70Aufwendungspauschale€25,00Feststellungsantrag zukünftige Schäden    €1000,00Feststellungsantrag Schäden ausvorsätzl. unerlaubter Handlung€100,00Summe€8374,702) Antrag R. G.

Schmerzensgeld€7500,00Entgeltfortzahlung€420,00Fahrtkosten€134,40Aufwendungspauschale€25,00Feststellungsantrag zukünftige Schäden    €1000,00Feststellungsantrag Schäden ausvorsätzl. unerlaubter Handlung€100,00Summe€9179,403) Antrag R. P.

Schmerzensgeld€10000,00Schadensersatz (s.o.)€3933,97Feststellungsantrag zukünftige Schäden    €1000,00Feststellungsantrag Schäden ausvorsätzl. unerlaubter Handlung€100,00Summe€15033,97VIII.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 Satz 2, 472a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO.

1. Hinsichtlich der Anspruchs des Adhäsionsklägers P. fallen die insoweit entstanden Kosten und Auslagen des vollständig obsiegenden Klägers dem Angeklagten gem. § 472a Abs. 1 StPO zu Last.

2. Im Hinblick auf die Entscheidung über die Anträge der Adhäsionskläger G. hat die Kammer Ermessensentscheidungen gem. § 472a Abs. 2 Satz 1 getroffen und die Kosten und Auslagen verteilt. Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass den Nebenklägern - einschließlich der mit insgesamt € 1.100,- bewerteten Feststellungsanträge - jeweils rund 1/3 der geltend gemachten Ansprüche zuzusprechen waren, weshalb dem Angeklagten auch 1/3 der besonderen Kosten der Adhäsionsverfahren aufzuerlegen waren. Die übrigen 2/3 tragen die Adhäsionskläger jeweils selbst.

IX.

Die Entscheidung zu vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 1 ZPO.

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