OLG Celle, Beschluss vom 30.10.2013 - 18 UF 208/12
Fundstelle
openJur 2016, 3500
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der am 28. August 2012 verkündete Zwischenbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt a. Rbge. geändert und wie folgt neugefasst:

Das Amtsgericht Neustadt a. Rbge. erklärt sich für international nicht zuständig.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 56.901,85 € (44.901,85 € + 12 x 1.000 €) festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Neustadt a. Rbge. hinsichtlich des vom Antragsteller geltend gemachten Anspruchs auf Nutzungsentschädigung für das von der Antragsgegnerin genutzte und im gemeinsamen Eigentum stehende Haus in C./Spanien.

Die Beteiligten waren verheiratet. Sie hatten 1995 die von der Antragsgegnerin seit der Trennung im August 2002 genutzte Immobilie in C. erworben. Ihre Ehe ist durch Urteil vom 20. Januar 2009 rechtskräftig geschieden.

Mit seinem Antrag begehrt der Antragsteller Nutzungsentschädigung für die Zeit ab Juli 2007 bis einschließlich Dezember 2011 - nach Teilrücknahme des Antrags - von insgesamt 44.901,85 € sowie ab Januar 2012 von monatlich 1.000 €. Dabei legt der Antragsteller einen objektiven Mietwert des - nach seinem Vortrag - nur wenige hundert Meter vom Strand entfernten Bungalows mit Pool, Garage, mehreren Terrassen und Studio von 2.000 € monatlich zugrunde. Die Höhe der Nutzungsentschädigung bis Juni 2011 von insgesamt 36.000 € hat der Antragsgegner aufgrund der von ihm erklärten Aufrechnung im Verfahren vor dem Landgericht A. -  ...  -, in dem die Beteiligten um deliktische Schadensersatzansprüche der hiesigen Antragsgegnerin aus einem Darlehen gestritten hatten, um den Betrag von 5.943,11 € auf insgesamt noch 30.056,89 € sowie um den hälftigen Gesamtschuldnerausgleich für eine Darlehensrückzahlung von monatlich 178,28 € von Juli 2010 bis Dezember 2011 reduziert.

Im schriftlichen Vorverfahren erging am 11. April 2012 gegen die Antragsgegnerin ein Versäumnisbeschluss, in dem sie zur Zahlung von 44.901,85 € nebst Zinsen sowie von monatlich 1.000 € ab Januar 2012 als Nutzungsentschädigung verpflichtet wurde. Gegen den am 14. April 2012 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 16. April 2012 Einspruch eingelegt.

Die Antragsgegnerin bestreitet neben der Höhe des Nutzungs- bzw. Mietwerts der Immobilie die internationale und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Amtsgerichts und behauptet, dass sie seit Jahren in Spanien lebe und sich nur für wenige Tage bzw. urlaubsweise in Deutschland aufhalte. Ihre Eigentumswohnung in G., unter deren Adresse sie weiterhin gemeldet ist, habe nach einem Gutachten des Gutachterausschusses einen Verkehrswert von 70.000 € und sei mit Grundpfandrechten belastet, die in Höhe von insgesamt 76.596,22 € valutieren.

Der Antragsteller vertritt die Auffassung, dass im Hinblick auf das Grundvermögen der Antragsgegnerin sowie ihre Pensionsansprüche der Gerichtsstand nach § 23 ZPO gegeben sei und behauptet darüber hinaus, dass die Antragsgegnerin ihren Wohnsitz auch in G. habe.

Das Amtsgericht hat sich im angefochtenen Zwischenbeschluss für örtlich zuständig erklärt. Dabei hat das Amtsgericht den allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) der Antragsgegnerin in Deutschland verneint, weil sie glaubhaft und nachvollziehbar in der mündliche Verhandlung erklärt habe, dass sie sich durchgehend in Spanien aufhalte. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts für die sonstige Familiensache i.S.v. § 266 FamFG folge aus § 267 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 23 ZPO, weil die Antragsgegnerin aufgrund der ihr gehörenden Eigentumswohnung in G. über Vermögen verfüge, ohne dass es darauf ankomme, ob im Fall einer Zwangsvollstreckung ein Überschuss über die bestehenden Belastungen hinaus zu erzielen sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie geltend macht, dass sie wegen der Belastungen der Eigentumswohnung über kein Inlandsvermögen verfüge. Hieran änderten auch ihre Pensionsansprüche nichts, weil diese zum größten Teil nicht der Pfändung unterliegen und erst in der Zukunft fällig würden.

II.

1. Die Beschwerde ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 267 Abs. 2 FamFG als sofortige Beschwerde zulässig.

Das Amtsgericht hat im angefochtenen Beschluss ein das Verfahren betreffendes Gesuch der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Einem solchen Gesuch steht nicht entgegen, dass die getroffene Entscheidung vom Gericht von Amts wegen zu prüfen ist, wenn dadurch zugleich ein Antrag eines Beteiligten zurückgewiesen wird, sofern es sich nicht um rein verfahrensleitende Maßnahmen handelt (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 567 ZPO Rn. 31). In der auf den Einspruch der Antragsgegnerin gegen den Versäumnisbeschluss vom 11. April 2012 anberaumten mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2012 wurde die zwischen den Beteiligten streitige Frage der örtlichen Zuständigkeit erörtert und hierüber streitig verhandelt.

2. Die Beschwerde ist begründet, weil das Amtsgericht Neustadt international für den geltend gemachten Anspruch nicht zuständig ist.

Das Amtsgericht hat im angefochtenen Beschluss seine örtliche Zuständigkeit und damit konkludent auch seine internationale Zuständigkeit, die von Amts wegen in jedem Verfahrensstadium zu prüfen ist, zu Unrecht angenommen.

a) Bei dem vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch auf Nutzungsentschädigung für dessen von der Antragsgegnerin genutzte Miteigentumshälfte an der Immobilie in C. handelt es sich um eine sonstige Familiensache i.S.v. § 267 Abs. 1 Nr. 3 FamFG (vgl. Prütting/Helms/Heiter, FamFG, 2. Aufl., § 266 Rn. 54 m.w.Nw.; Schulte-Bunert/Weinreich/Rehme, FamFG, 3. Aufl. § 266 Rn. 15; MünchKomm/Erbarth, FamFG, 2. Aufl., § 266 Rn. 112, 113). Für sonstige Familiensachen bestimmt sich die internationale Zuständigkeit nicht nach § 105 FamFG, weil insoweit europäisches Konventionsrecht bzw. Europarecht vorrangig ist (§ 97 FamFG; Prütting/Helms/Hau, FamFG, 2. Aufl., § 105 Rn. 19).

b)  Die nationalen Gerichte haben nach Art. 26 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 200 des Rates über die gerichtlichen Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO bzw. Brüssel I-VO) über ihre internationale Zuständigkeit zu entscheiden und sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn sich der Beklagte, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat und der vor den Gerichten eines anderen Mitgliedsstaates verklagt wird, auf das Verfahren nicht einlässt und eine Zuständigkeit nicht nach dieser Verordnung begründet ist.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend mit der Folge erfüllt, dass sich das Amtsgericht Neustadt a. Rbge. für international unzuständig erklärt.

aa) Nach Art. 1 Abs. 1 EuGVVO findet die Verordnung auf Zivil- und Handelssachen Anwendung. Die Einordnung als Zivilsache erfolgt nach materiell-rechtlichen Maßstäben. Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung bestimmt sich nach §§ 1361b, 745 ff. BGB, sodass es sich um einen zivilrechtlichen Anspruch handelt. Dieser ist nicht vom Ausnahmekatalog in Art. 1 Abs. 2 lit. a EuGVVO erfasst, wonach die Verordnung nicht auf Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht anzuwenden ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2009, 1659 ff. [zur Abgrenzung zwischen Unterhaltspflicht und Ehegüterrecht]) ist für die Abgrenzung der von der Verordnung nicht erfassten Verfahrensgegenständen auf den Zweck der (für vollstreckbar zu erklärenden) Entscheidung abzustellen, der aus ihrer Begründung herzuleiten ist. Sofern durch die erwirkte oder verfolgte Leistung die Aufteilung der Güter zwischen den Ehegatten erstrebt wird, betrifft die Entscheidung die ehelichen Güterstände (vgl. Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., § 3 Rn. 26; ähnlich Rauscher/Mankowski, EuZPR/EuIPR (2011), Art. 1 Brüssel I-VO Rn. 11 ff.). Da vorliegend keine Aufteilung der in Spanien belegenen Immobilie, sondern nur ein Entgelt für deren Nutzung durch die Antragsgegnerin begehrt wird, findet die Verordnung vorliegend Anwendung.

bb) Nach Art. 2 Abs. 1 EuGVVO sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedsstaats zu verklagen. Daher wäre das Amtsgericht Neustadt a. Rbge. international nicht zuständig, wenn die Antragsgegnerin ihren Wohnsitz allein in Spanien und nicht mehrere Wohnsitze begründet bzw. weiterhin innehätte. Auf deren Wohnsitz käme es indes nicht an, wenn die internationale Zuständigkeit auch unabhängig hiervon nach anderen Vorschriften der Verordnung zu bestimmen ist. Insoweit kommt eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVVO sowie eine besondere Zuständigkeit nach Artt. 5 ff. EuGVVO in Betracht.

cc) Eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVVO besteht nicht. Nach der Regelung in Nr. 1 dieser Vorschrift sind unabhängig vom Wohnsitz die Gerichte des Mitgliedsstaats international zuständig, wenn die Klage ein dingliches Recht an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand hat.

Mit seiner Klage macht der Antragsteller keinen Anspruch aus einem dinglichen Recht geltend. Von Art. 22 Nr. 1 EuGVVO werden nur Klagen aus einem dinglichen Recht in dem Sinn erfasst, dass dieses den Klaggrund darstellt, wobei ein nur mittelbarer Bezug nicht ausreichend ist (vgl. Rauscher/Mankowski, a.a.O., Art. 22 Brüssel I-VO Rn. 6a, 11 ff.). Daher fallen persönliche Ansprüche, auch wenn sie unbewegliche Sachen betreffen oder mit einem dinglichen Recht im Zusammenhang stehen, nicht in den Anwendungsbereich dieser Regelung (vgl. Zöller/ Geimer, ZPO, 30. Aufl., Anh I Art. 20 EuGVVO Rn. 3). Vielmehr muss die Klage auf den Umfang oder Bestand eines dinglichen Rechts gerichtet sein (vgl. Nagel/ Gottwald a.a.O., § 3 Rn. 256). So ist für einen Anspruch auf eine Entschädigung für gezogene Nutzungen wegen einer nichtigen Übereignung einer Immobilie keine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 Nr. 1 EuGVVO gegeben, weil die Klage auf ein dingliches Recht und nicht auf ein persönliches Recht gestützt sein muss (vgl. BGH NJW-RR 2005, 72 = FuR 2005, 132; Rauscher/Mankowski, a.a.O., Art. 22 Brüssel I-VO Rn. 21). Auch ein eine ausschließliche Zuständigkeit begründendes Mietverhältnis ist nicht Gegenstand des geltend gemachten Anspruchs, denn diese Regelung gilt wegen der bei Mietverhältnissen weitergehenden Rechte und Pflichten nicht für andere Nutzungsverhältnisse (vgl. EuGH NJW 1995, 37; Nagel/Gottwald, a.a.O., § 3 Rn. 260).

Der Antrag auf Zahlung von Nutzungsentschädigung ist auch nicht auf die Auflösung einer durch das Miteigentum an dem Grundstück bestehenden Gemeinschaft gerichtet, sodass auch keine Klage, welche die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft zum Gegenstand hat, gegeben ist (zum Anwendungsbereich Nagel/Gottwald, a.a.O., § 3 Rn. 268 ff.; Rauscher/Mankowski, a.a.O., Art. 22 Brüssel I-VO Rn. 28 ff.).

dd) Eine besondere Zuständigkeit, die dazu führen würde, dass eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat, auch in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden kann, ist weder nach Art. 5 Nr. 1a EuGVVO mangels vertraglicher Beziehung nach dessen Erfüllungsort (vgl. hierzu BGH NJW 2006, 1808) noch nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO mangels einer geltend gemachten unterhaltsrechtlichen Beziehung, die zur Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz der Antragsgegnerin führen würde, noch nach Art. 6 Nr. 4 EuGVVO gegeben, weil keine auf ein dingliches Recht gerichteten Ansprüche neben der Nutzungsentschädigung Gegenstand des Verfahrens sind.

ee) Danach verbleibt es bei der durch den Wohnsitz der Antragsgegnerin begründeten internationalen Zuständigkeit i.S.v. Art. 2 Abs. 1 und 2 EuGVVO. Die Antragsgegnerin hat ihren Wohnsitz allein in Spanien.

Die Frage, ob eine Person einen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat hat, unterliegt gemäß Art. 59 EuGVVO dem Recht des jeweiligen Mitgliedsstaates. Nach Art. 59 Abs. 1 EuGVVO wendet das Gericht sein (Heimat)Recht an, wenn zu entscheiden ist, ob eine Partei im Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaats, dessen Gerichte angerufen sind, einen Wohnsitz hat. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall, weil von einem deutschen Gericht darüber zu befinden ist, ob die Antragsgegnerin einen Wohnsitz in Spanien hat. Soweit es um die weitere Frage geht, ob die Antragsgegnerin weiterhin einen Wohnsitz in G. hat bzw. diesen ggf. aufgegeben hat, sind gemäß Art. 59 Abs. 1 EuGVVO die deutschen Vorschriften anzuwenden. Ob die Antragsgegnerin einen Wohnsitz in Spanien innehat, ist gemäß Art. 59 Abs. 2 EuGVVO von den deutschen Gerichten nach spanischem Recht zu entscheiden.

(1) Der Wohnsitz einer Person ist in Art. 40 des span. Zivilgesetzbuchs (v. 24. Juli 1889; insoweit abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Spanien, unter B „Die gemein-spanischen gesetzlichen Bestimmungen“) geregelt, der folgenden Wortlaut hat: „Für die Ausübung und Erfüllung der bürgerlichrechtlichen Rechte und Pflichten ist der Wohnsitz der natürlichen Personen der Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts und gegebenenfalls derjenige, welchen die Zivilprozessordnung bestimmt.“ Danach ist für den Wohnsitz der Antragsgegnerin ihr gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.

Die Antragsgegnerin hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien. Der gewöhnliche Aufenthalt bestimmt sich nach dem tatsächlichen Lebensmittelpunkt bzw. dem Ort, an dem eine Person sich überwiegend aufhält, an dem der Schwerpunkt ihrer Bindungen in familiärer und sozialer Hinsicht bestehen, mithin der Daseinsmittelpunkt ist (vgl. EuGH FamRZ 2009, 843, 854 [zu Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO]; BGH FamRZ 2002, 1182). Zwar hat die Antragsgegnerin nicht ausdrücklich vorgetragen, seit wann sie überwiegend in Spanien lebt. Aus dem beiderseitigen Vorbringen der Beteiligten folgt jedoch, dass sie sich seit etwa August 2002 maßgeblich in Spanien in dem im Miteigentum stehenden Haus aufhält. Hiervon geht der Antragsteller in seiner Antragsschrift vom 23. Dezember 2011 selbst aus und stützt gerade auf die dauerhafte alleinige Nutzung des Hauses seinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung. Von der alleinigen Nutzung sind die Beteiligten auch in den Verfahren vor dem Landgericht A. und Oberlandesgericht K. ausgegangen. Nach dessen Urteil vom 20. Juli 2010 - ... - ist die hilfsweise erklärte Aufrechnung des dortigen Beklagten (und hiesigen Antragstellers) mit einem Anspruch gegen die Klägerin auf Nutzungsentschädigung „für die alleinige Nutzung des gemeinsamen Hauses seit August 2007“ als begründet angesehen worden. Schließlich bestätigt der Antragsteller in seinem Schreiben vom 4. April 2012, dass die Antragsgegnerin seit 2002 im Haus in C. wohnt.

Im Schriftsatz vom 23. April 2012 hat die Antragsgegnerin vorgetragen, dass sie „schon seit Jahren in Spanien lebt“, in ihrer Erklärung vom 27. April 2012 an Eides statt versichert, dass sie ihren Wohnsitz in C. hat, und in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2012 erklärt, dass sie sich durchgehend in Spanien aufhalte und nur auf Urlaubsreise in Deutschland sei. Schließlich stand in dem in Spanien von den Beteiligten über zwei Instanzen geführten gerichtlichen Verfahren der ständige Aufenthalt der Antragsgegnerin in C. außer Streit.

28(2) Die Antragsgegnerin hat für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit keinen Wohnsitz mehr in Deutschland.

Ob die Antragsgegnerin einen Wohnsitz in Deutschland hat, bestimmt sich gemäß Art. 59 Abs. 2 EuGVVO nach deutschem Recht, d.h. nach den §§ 7 ff. BGB. Gemäß § 7 Abs. 1 BGB begründet eine Person ihren Wohnsitz an dem Orte, an dem diese sich ständig niederlässt. Wohnsitz i.S.d. Regelung ist der mit einem Domizilwillen gewählte räumliche mit einer Unterkunft verbundene Schwerpunkt der gesamten Lebensverhältnisse einer Person (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 7 Rn. 1, 6 f.; Prütting/Weinreich/Wegen, BGB, 7. Aufl., § 7 Rn. 2; BGH MDR 1962, 380; BAG DB 1985, 2693). Der Senat geht nach dem Vorbringen der Beteiligten davon aus, dass die Antragsgegnerin vor ihrem dauerhaften Aufenthalt in Spanien - jedenfalls auch - ihren Lebensmittelpunkt in G. hatte, wobei es keiner Feststellungen dazu bedarf, ob die Eigentumswohnung in G. oder das Haus in C. zuvor als Ehewohnung diente.

Die Antragsgegnerin hat ihren früheren Wohnsitz in G. aufgegeben. Auch die Aufhebung des Wohnsitzes ist gemäß Art. 59 Abs. 2 EuGVVO nach deutschem Recht zu bestimmen. Der Wohnsitz wird aufgegeben, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, diese aufzugeben (§ 7 Abs. 3 BGB). Die Aufgabe des Wohnsitzes setzt danach voraus, dass die Niederlassung mit dem tatsächlichen Willen aufgegeben wird, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht am bisherigen Wohnsitz zu belassen (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 7 Rn. 12; Prütting/Weinreich/Wegen, a.a.O., § 7 Rn. 8; MünchKomm/Schmitt, BGB, 6. Aufl., § 7 Rn. 38 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1988, 713 f.) setzt die Aufgabe einer Wohnung, die jedoch mit dem Wohnsitz einer Person nicht identisch sein muss, einen vom Willen getragenen Aufgabeakt voraus, der in dem Verhalten des Wohnungsinhabers seinen Ausdruck finden und jedenfalls für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter erkennbar sein muss, ohne dass zugleich alle Merkmale beseitigt werden, die den Anschein erwecken könnten, die Wohnung werde weiter beibehalten.

Im Hinblick darauf, dass die Antragsgegnerin sich nahezu ausschließlich in Spanien aufhält, nach ihren Angaben zuletzt im November 2011 in G. war und sich auch zuvor nur für Besuche bzw. urlaubsweise in Deutschland aufgehalten hatte, kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Antragsgegnerin ihren Wohnsitz in G. aufgegeben und nicht als weiteren Wohnsitz beibehalten hat.

Grundsätzlich kann eine Person mehrere Wohnsitze an verschiedenen Orten haben  (§ 7 Abs. 2 BGB), wenn die Voraussetzungen zu dessen Begründung gegeben sind. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn der Mittelpunkt oder Schwerpunkt ihrer gesamten - und nicht nur ein Teil der - Lebensbeziehungen tatsächlich an mehreren Orten besteht (vgl. BGH MDR 1962, 380; Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 7 Rn. 13), wobei die polizeiliche An- oder Abmeldung nicht maßgeblich ist (vgl. Erman/Saenger, a.a.O., § 7 Rn. 7). Der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse muss bei wechselnden Aufenthaltsorten ungefähr gleichmäßig an den verschiedenen Orten - zeitlich versetzt - bestehen (vgl. Prütting/Weinreich/Wegen, a.a.O., § 7 Rn. 8). Dies ist nicht der Fall, wenn jemand einen Wohnsitz im Ausland begründet hat und sich lediglich für kürzere Zeit an seinem bisherigen Wohnsitz im Inland aufhält und an diesem Ort nur einen eng begrenzten Teil seiner gesamten Lebensverhältnisse wahrnimmt (vgl. BVerwG NJW 1986, 674). Auf der anderen Seite kann ein mehrfacher Wohnsitz anzunehmen sein, wenn eine Person sich einen Teil des Jahres (etwa in den Wintermonaten) an einem Ort und in dem anderen Teil des Jahres an einem anderen Ort aufhält (vgl. Erman/Saenger, BGB, 14. Aufl., § 7 Rn. 9; MünchKomm/Schmitt, BGB, 6. Aufl., § 7 BGB Rn. 36).

So liegen die Dinge hier jedoch nicht, weil die Antragsgegnerin von kurzen Aufenthalten zu Urlaubszwecken in Deutschland abgesehen in Spanien lebt. Damit bestehen die für den räumlichen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse maßgeblichen sozialen Beziehungen der Antragsgegnerin nicht in der erforderlichen gleichen Intensität an beiden Orten. Sie hat im Schriftsatz vom 23. April 2013 nicht nur vorgetragen, dass sie seit Jahren in Spanien lebe, sondern auch, dass sie sich in ihrer Eigentumswohnung in der K.-A. Str. in G. zuletzt im November 2011 aufgehalten habe. Dem ist der Antragsteller in den Schriftsätzen vom 21. Mai und vom 5. Juli 2012 mit dem allgemeinen Hinweis, die Antragsgegnerin habe auch in G. einen Wohnsitz und halte sich dort längere Zeit auf, nicht mit der notwendigen Substanz entgegengetreten. Dabei ist derjenige Beteiligte, der sich auf die Anwendbarkeit der Verordnung und die daraus folgende Zuständigkeit beruft, auch für die Existenz eines Wohnsitzes im Anwendungsbereich der Verordnung darlegungs- und beweispflichtig (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., Anh I Art. 2 EuGVVO Rn. 7b). Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2012 bekundet, dass die Wohnung in G. nicht bewohnbar sei, sich dort auch der aufgelöste Haushalt ihrer Mutter befinde und die Wohnung eher einem Lager gleiche.

Schließlich rechtfertigt der Umstand, dass an der Eigentumswohnung der Antragsgegnerin in G. noch ein Briefkasten mit ihrem Namen angebracht ist, der von einem Nachbarn regelmäßig geleert wird und die Post nach Spanien weiterleitet, sowie die Tatsache, dass sie weiterhin in G. gemeldet ist, keine andere Beurteilung. Beide Aspekte mögen mit den Pensionsansprüchen der Antragsgegnerin in Zusammenhang stehen und Zustellungen in Gerichtsverfahren ermöglichen. Der Senat kann es dahinstehen lassen, ob die Eigentumswohnung in G. eine Wohnung der Antragsgegnerin darstellt, die eine ausreichende Grundlage für eine Ersatzzustellung bietet. Zwar gelangt der Begriff der Wohnung, als Räume, in denen eine Person tatsächlich lebt und schläft (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 178 Rn. 4), auch Bedeutung für die Bestimmung des Wohnsitzes. Dieser geht jedoch in der Weise darüber hinaus, dass der tatsächliche Aufenthalt und die gesamten, tatsächlich gelebten sozialen Beziehungen von vorrangiger und prägender Bedeutung sind. Deswegen könnte die Eigentumswohnung auch bei längerer Abwesenheit der Antragsgegnerin noch als Wohnung i.S.v. § 178 ZPO anzusehen sein, weil weder das Namensschild entfernt noch das Mobiliar aus der Wohnung weggeschafft wurde (vgl. BGH NJW-RR 1994, 564, 565; Zöller/Stöber, a.a.O., § 178 ZPO Rn. 6). Demgegenüber kommt dem tatsächlichen und dauerhaften Aufenthalt sowie dem Lebensmittelpunkt der Antragsgegnerin für die Begründung bzw. Aufhebung eines Wohnsitzes bestimmende Bedeutung zu. Das Eigentum an der Wohnung und die Meldung in G. lassen für sich betrachtet keinen Rückschluss darauf zu, dass die Antragsgegnerin zwar nach Spanien ausgewandert ist, aber zu einem späteren Zeitpunkt nach Deutschland zurückkehren wird (vgl. MünchKomm/Schmitt, § 7 Rn. 41 zur Auswanderung und evtl. Rückkehrwillen).

ff) Da nach der hier maßgeblichen Vorschrift des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO allein der Wohnsitz der Antragsgegnerin maßgeblich ist, andere ausschließliche oder besondere Zuständigkeiten nach der Verordnung nicht bestehen, kommt es auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die nicht unerheblich belastete Eigentumswohnung der Antragsgegnerin in G. Vermögen mit dem daraus folgenden besonderen Gerichtsstand nach § 23 ZPO darstelle, nicht an, weil die internationale Zuständigkeit nach den Art. 2 ff. EuGVVO hieran keine internationale Zuständigkeit knüpft.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Der Verfahrenswert im Zwischenstreit über die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit ist in Höhe des geltend gemachten Anspruchs zu bemessen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 3 ZPO Rn. 16 [Stichwort: Zwischenstreit]).