SG Aurich, Urteil vom 10.07.2013 - S 55 AS 756/11
Fundstelle
openJur 2016, 3472
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid vom 23.08.2011, geändert mit Bescheid vom 25.09.2011, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2011 wird insoweit abgeändert, als dem Kläger weitere 1.906,80 € an Leistungen nach dem SGB II für Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit von Juni bis November 2011 nachzuzahlen sind.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Ansprüche des Klägers für Bedarfe an Leistungen der Unterkunft und Heizung gegen den Beklagten in den ersten 6 Monaten eines Bezuges von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Der am G. 1973 geborene Kläger lebte zumindest in der Zeit von Anfang bis Ende 2011 im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten in H.. In dieser Zeit bezog er Leistungen nach dem SGB II. Bis zum 30.08.2011 bezog er die Leistungen gemeinsam mit seiner damaligen Partnerin und deren Tochter. Zum 01.09.2011 zog die Partnerin mit ihrer Tochter aus der bis zu diesem Zeitpunkt gemeinsam bewohnten Wohnung aus.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides vom 23.08.2011, mit dem für die Zeit vom 01.06.2011 bis 30.11.2011 durch den Beklagten Leistungen nach dem SGB II auf Erstantrag vom 11.06.2011 bewilligt wurden. In diesem Bescheid wurden Unterkunftskosten von 297,19 € zzgl. 50,-- € Nebenkosten zzgl. Heizkosten von 125,25 € monatlich zugrunde gelegt. Diese Bewilligungsentscheidung wurde mit Bescheid vom 05.09.2011 dahingehend abgeändert, dass anlässlich des Auszugs der vormaligen Partnerin und ihrer Tochter der Kläger ab dem 01.09.2011 als alleinstehender Leistungsbezieher behandelt wurde. Ab September 2011 wurden nur noch 70,83 € an Heizkosten zzgl. der oben aufgeführten Unterkunftskosten bewilligt, dies alleine für den Kläger. Mit streitigem Widerspruchsbescheid vom 21.11.2011 wurde die Bewilligung dieser Höhe der Leistungen durch den Beklagten bestätigt.

Der Kläger hatte im gesamten streitigen Zeitraum für das von ihm bewohnte Haus eine Kaltmiete von 700,-- € zzgl. 50,-- € Nebenkosten zu zahlen. Ab Juli 2011 waren hinzu 189,-- € an Abschlägen für die Belieferung mit Gas an den Energieversorger zu leisten. Im Juni 2011 war nach Aktenlage aufgrund der Rechnung des Energieversorgers vom 27.06.2011 kein Abschlag zu zahlen, sondern ein Nachzahlungsbetrag von insgesamt 1.351,59 €. Im Verwaltungsverfahren legte der Kläger betreffs dieser Immobilie einen Mietvertrag vom 10.03.2011 vor. Im Gerichtsverfahren legte er eine Rechnung der Maklerin I. Immobilien J. vom 21.09.2010 vor. Ausweislich dieser Rechnung wurde für die Vermittlung des in der Folge vom Kläger bewohnten Mietobjektes eine Maklercourtage basierend auf einer Miete von 780,00 € in Höhe von brutto 1.856,40 € berechnet. Des Weiteren legte er einen Kontoauszug vor, aus dem ersichtlich ist, dass am 24.09.2010 an die Maklerin dieser Rechnungsbetrag überwiesen worden war.

Der Kläger war bis zum 28.02.2011 Geschäftsführer der K. GmbH. Hierbei handelte es sich um ein größeres L. unternehmen. Bezüglich der GmbH war am 28.12.2010 eine Insolvenz durch ein Rechtsgutachten festgestellt worden und zum 01.01.2011 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dies aufgrund Insolvenzantragstellung durch die M. vom 08.10.2010. Dieser Antrag wurde ausweislich des Antragsschreibens vom 08.10.2010 gestellt, da die K. GmbH der Krankenkasse Gesamtsozialversicherungsbeiträge, Mahngebühren, Versäumniszuschläge und Vollstreckungskosten von 70.165,59 € schuldete.

Der Beklagte stützte die Übernahme nur der gegenüber den tatsächlich anfallenden gekürzten sog. angemessenen Unterkunftskosten darauf, dass der Kläger in Kenntnis seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und in Kenntnis des anstehenden Bezugs von Leistungen nach dem SGB II eine überteuerte Luxuswohnung angemietet habe. Im Zeitpunkt des Mietvertrages im März 2011 sei ihm zwingend erkennbar gewesen, dass er die von ihm angemietete Immobilie nur auf Kosten des Steuerzahlers finanzieren könne.

Der Kläger legt dar, dass aufgrund von Streitigkeiten innerhalb seiner Familie bereits im März 2010 sein vorheriges Mietverhältnis durch seine Mutter wegen Eigenbedarfes gekündigt worden sei. In der Folge habe er länger eine in der Nähe gelegene, seinen Wünsche entsprechende größere Immobilie gesucht. Im September 2010 habe er den Mietvertrag bzgl. desjenigen Objektes unterzeichnet bzgl. dessen der Beklagte die Unterkunftskosten nicht anerkennen wolle. Der vorgelegte Mietvertrag von März 2011 stelle eine geänderte Fassung des Mietvertrages dar. Der Mietvertrag sei geändert worden, weil er erst zu einem späteren Zeitpunkt habe einziehen können, weil in der Immobilie bzw. an den Außenanlagen zahlreiche Umbaumaßnahmen noch durchgeführt wurden. Im Übrigen sei infolge dessen auch die Miete von 780,-- € Kaltmiete auf 700,-- € abgesenkt worden. Der Kläger ist des Weiteren der Auffassung, dass er bei Abschluss des Mietvertrages von einer Fortführung des Unternehmens ausgehen konnte. Dieser Einschätzung könne auch nicht die Insolvenzantragstellung durch die Krankenkasse entgegen gehalten werden. Die dort aufgeführten Rückstände seien in der Rückführung begriffen gewesen und auch tatsächlich bis Anfang 2011 auf einen Betrag von ca. 20.000,--€ reduziert worden. Die wirtschaftliche Schieflage des L. -unternehmens resultiere vor allem aus Streitigkeiten innerhalb seiner Familie mit seinen Eltern. Er habe den Betrieb seines Vaters nach einer bereits durchgeführten Insolvenz Anfang 2003/2004 erworben und die Nachfolge angetreten. Dies habe zu Streitigkeiten innerhalb der Familie geführt, da auch seine Schwester im Unternehmen beschäftig gewesen sei. Der Kläger legt dar, dass er die Differenz zwischen den vom Beklagten bewilligten Leistungen nach dem SGB II und den geforderten Mieten mit privaten Darlehen von Bekannten/Freundes ausgeglichen habe. Diese Darlehen seien aber zurückzuzahlen. Eine (weitere) Kürzung der Miete habe nicht stattgefunden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 23.08.2011, geändert mit Bescheid vom 05.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2011 abzuändern, und den Beklagten zu verurteilen, in der Zeit von Juni 2011 bis November 2011 die tatsächlich nachgewiesenermaßen entstandenen Kosten für Unterkunft und Heizung in voller Höhe zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses auch bei Annahme des Vertragsschlusses im September 2010 Kenntnis von seinen wirtschaftlichen Problemen, seinen Einkünften und vom anstehenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II gehabt habe. Dementsprechend hätte er keine Luxuswohnung auf Kosten des Steuerzahlers anmieten dürfen.

Die Kammer führte in diese Angelegenheit eine mündliche Verhandlung am 02.07.2013 durch. In der mündlichen Verhandlung wurde der Kläger umfassend informatorisch angehört. Des Weiteren wurde die Maklerin I. als Zeugin gehört. Zum Inhalt der Zeugenaussage und zum Inhalt der informatorischen Befragung des Klägers wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Gegenstand der Entscheidungsfindung war neben dem Inhalt der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2013 der Inhalt der Gerichtsakten und der Inhalt der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die streitigen Bescheide sind rechtswidrig ergangen und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat im Zeitraum Juni 2011 bis November 2011 einen Anspruch gegen den Beklagten auf Bewilligung höherer Leistungen der Unterkunft und Heizung.

Dem Kläger stehen nach § 22 Abs. 1 S. 1 u. 3 SGB II in der Zeit vom 01.06.2011 bis 30.11.2011 Bedarfe der Unterkunft und Heizung basierend auf seinen tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 700,-- € Kaltmiete zzgl. 50,-- € Nebenkosten und 189,-- € an Abschlägen für die Belieferung mit Gas zu.

17Diese Regelungen besagen: Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. […] Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder durch andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für 6 Monate.

18Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu dieser Frage (BSG vom 30.08.2010 AZ: B 4 AS 10/10 R zitiert nach juris). lautet: Die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II findet Anwendung, wenn ein Leistungsberechtigter kurz vor Beginn des Leistungsbezuges eine Wohnung anmietet, deren Kosten unangemessen hoch sind. Auch dann setzt eine Begrenzung der Leistungserbringung auf die angemessenen Kosten regelmäßig voraus, dass eine Aufforderung zur Kostensenkung vorliegt, die dem Hilfebedürftigen Klarheit über die aus der Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft verschafft (BSG vom 30.08.2010 AZ: B 4 AS 10/10 R; BSG vom 17.12.2009 AZ: B 4 AS 19/09 R jeweils zitiert nach juris). Nur im Ausnahmefall, dass jemand bösgläubig, also zurechenbar sowohl in Kenntnis des zu erwartenden SGB II Leistungsbezuges als auch unangemessener tatsächlicher Kosten der Unterkunft einen Mietvertrag über eine „Luxuswohnung“ abschließt, brauchen die unangemessenen Kosten je nach Lage des Einzelfalls nicht oder jedenfalls nicht für 6 Monate vom Grundsicherungsträger übernommen zu werden.

Der Anwendung dieser Rechtsprechung stehen nach eigener Einschätzung der Kammer in diesem Verfahren keine entscheidenden Aspekte entgegen. Ausweislich dieser Einschätzung des Bundessozialgerichtes ist also nur in seltenen Ausnahmefällen von der Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II für 6 Monate abzusehen. Es muss die Kenntnis sowohl von der überhöhten Unterkunftskostenlage als auch vom zu erwartenden Leistungsbezug vorgelegen haben.

Die Kammer erkennt, dass der Kläger den Mietvertrag betreffs dieser Wohnung im September 2010 abgeschlossen hat. Es ist also auf diesen Zeitpunkt bzgl. der Frage der Bösgläubigkeit im obigen Sinne abzustellen.

Dieser Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses ergibt sich zum einen daraus, dass die als Zeugin gehörte Maklerin im September 2010 eine Rechnung bzgl. des Abschlusses des Mietvertrages erstellt hat und diese Rechnung auch vom Kläger beglichen wurde. Eine Maklerrechnung kann erst dann wirksam erstellt werden, wenn aufgrund der Vermittlung des Maklers der Vertragsschluss zustande gekommen ist, § 652 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Bei Annahme rechtmäßigen Verhaltens der Maklerin ist bereits aus der Rechnungslegung ersichtlich, dass der entsprechende Maklervertrag geschlossen wurde. Die als Zeugin gehörte Maklerin bekundete in der mündlichen Verhandlung zwar, dass sie selbst diesen Vertrag gar nicht vermittelt habe, aber sie bekundete in glaubhafter und nachvollziehbarer Weise, dass eine Rechnungslegung erst dann erfolgt, wenn der Vertragsschluss auch ihr gegenüber bekundet und nachgewiesen ist.

Im Übrigen stellt sich der Vortrag des Klägers, der in Details durch die Aussage der Zeugen bestätigt werden konnte (dies bzgl. der Umbaumaßnahmen der Immobilie) in Bezug auf den Grund für einen Neuabschluss des Mietvertrages im März 2011 als nachvollziehbar und überzeugend dar. Dies auch in Anbetracht der Tatsache, dass zunächst ausweislich der Maklerrechnung eine noch höhere Kaltmiete gefordert war ausweislich des Vertrages von März 2011 dann eine um mehr als 10% vereinbarte Miete vereinbart wurde.

In diesem Zeitpunkt September 2010 nun kann man entgegen der Ansicht des Beklagten nicht davon ausgehen, dass eine Bösgläubigkeit im obigen Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes vorlag. Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis davon, dass ein Bezug von Leistungen nach dem SGB II ihm drohen könnte.

Diese Einschätzung ergibt sich daraus, dass die persönliche wirtschaftliche Situation des Klägers im September 2010 sich nicht so darstellte, dass ein Bezug von Grundsicherungsleistungen drohte. Der Kläger war nicht von einer privaten Insolvenz bedroht. Dies ergibt sich daraus, dass zumindest ausweislich der Akten und dem Vorbringen der Beteiligten keine private Insolvenz des Klägers eingetreten ist. Des Weiteren bekundete die Zeugin glaubhaft und in nachvollziehbarer Weise, dass anlässlich des Abschlusses des Mietvertrages des Klägers betreffs der im Jahre 2011 von ihm bewohnten Immobilie sie eine Auskunft bei der Wirtschaftsauskunft Creditreform zu der Solvenz des Klägers eingeholt habe. Sie konnte sich zwar nicht genau an den Inhalt der Auskunft bzgl. des Klägers erinnern, konnte aber bekunden, dass bei einer Immobilie mit so hohen Mietzahlungen eine Vermittlung nur bei problemloser entsprechender Auskunft durchgeführt werde. Besondere Gründe, die eine Vermittlung bei schlechter persönlicher Solvenz bedingt hätten, waren ihr nicht erinnerlich. Solche Sondergründe wären in Anbetracht der besonderen Situation wohl erinnerlich gewesen.

Des Weiteren ist zu erkennen, dass der Kläger bis zum Februar 2011 weiterhin als Geschäftsführer der zunächst nicht insolventen und dann in die Insolvenz gegangenen GmbH tätig war. Bis zu diesem Zeitpunkt erhielt er ein Gehalt als Geschäftsführer.

Außerdem wurde der Antrag auf den Bezug der Leistungen nach dem SGB II erst im Juni 2011, also 4 Monate nach Beendigung der Geschäftsführertätigkeit, gestellt. In der Zwischenzeit bestritt der Kläger seinen Lebensunterhalt sowie den Lebensunterhalt der damals mit ihm zusammen lebenden Partnerin und deren Kind ohne Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Allein dies zeigt schon, dass eine wirtschaftliche Situation vorhanden gewesen sein muss, die die Anmietung einer teureren Immobilie wirtschaftlich zumindest für den Kläger und seine Partnerin ermöglichte.

Die fehlende Kenntnis vom drohenden SGB II Bezug des Klägers wird im übrigen auch dadurch bestätigt, dass der Kläger Anfang des Jahres 2011 zunächst einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen des Arbeitslosengeldes I stellte. Wenn er Anfang 2011 von einem solchen Leistungsbezug ausging, wäre die Annahme einer Kenntnis von den Leistungen nach dem SGB II kaum zu rechtfertigen.

Die von dem Beklagten angeführte Insolvenzantragstellung der Krankenkasse im Oktober 2010, also zeitnah zum Vertragsabschluss im September 2010, steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Zunächst einmal ist festzustellen, dass schon formal die Insolvenz der vom Kläger geführten GmbH keine zwingenden Auswirkungen auf seine privaten Einkünfte und Vermögenssituationen hat. Bei einer GmbH handelt es sich um eine andere (juristische) Person als den Kläger. Auch von einer insolventen Gesellschaft konnte der Kläger weiterhin ein Geschäftsführergehalt beziehen. Im Übrigen führte die Antragstellung im Oktober 2010 durch die Krankenkasse gerade nicht dazu, dass unmittelbar eine Insolvenz festgestellt wurde und ein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde. Es wurde erst über 2 Monate lang geprüft, ob die wirtschaftliche Lage eine Insolvenz bedinge. Das Insolvenzverfahren wurde erst zum 01.01.2011 eröffnet. Von daher erscheint es auch fraglich, ob bereits im September 2010 eine dermaßen schlechte wirtschaftliche Lage der GmbH vorlag und dies dem Kläger auch noch bekannt war.

Diese Einschätzung der Kammer ist im Übrigen auch unabhängig davon, ob der Vortrag des Klägers bzgl. der Einschätzungen der Unternehmensberater in der Zeit Ende 2010 zutrifft oder nicht. Ebenso ist nicht entscheidungserheblich für die Kammer, ob tatsächlich die Schulden bei der Krankenkasse aufgrund der Gesamtsozialversicherungsbeiträge bis Januar 2011 um 50.000,-- € zurückgeführt werden konnten. Entscheidend ist die Tatsache, dass selbst eine evtl. wirtschaftliche Schieflage der GmbH nicht zwingend und unmittelbar auf die wirtschaftliche Lage des Klägers durchschlagen musste.

Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage spielte es im Übrigen auch keine Rolle, dass der Kläger die Unterlagen bzgl. des Vertragsschlusses im September 2010 nicht bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegt hatte, sondern erst im Gerichtsverfahren vorlegte. Für das Gericht ist die Situation im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilen und entscheidungserheblich.

Bzgl. der Höhe der nach zu bewilligenden Leistungen für Bedarfe der Kosten der Unterkunft und Heizung ist zu beachten, dass in den Monaten Juni bis August 2011 diese Bedarfe nicht alleine beim Kläger zu berücksichtigen waren, sondern eine dreiköpfige Bedarfsgemeinschaft bestand. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist bei einer Bedarfsgemeinschaft im Regelfall das Kopfanteiligkeitsprinzip anzuwenden. (vgl. bereits BSG vom 07.11.2006 B 11b AS 1/06 R; BSG vom 18.02.2010 B 14 AS 73/08 R m.w.N. jew. zit. nach juris) Daher stand dem Kläger im obigen Zeitraum nur ein Bedarf in Höhe von 1/3 des gesamten Bedarfes an Unterkunftskosten (Miete und Heizung) anrechenbar zu. Der gesamte Unterkunftskostenbedarf erreichte im streitigen Zeitraum einen Betrag von 939,-- € (700 € Kaltmiete, 50 € Vorauszahlung Nebenkosten, 189 € Abschlag für die Belieferung mit Gas). 1/3 hiervon sind 313,-- €. Ausweislich des streitigen Bescheides waren durch den Beklagten für den Kläger in der Zeit Juni bis August 2011 Bedarfe in Höhe von 162,94 € anerkannt, so dass es zu einer Differenz von 150,06 € pro Monat kommt.

Bzgl. des Heizkostenbedarfes für den Monat Juni 2011 setzt die Kammer dabei einen Bedarf in Höhe von 189,--€ an. Zwar bestand in diesem Monat ausweislich der Schlussabrechnung des Energieversorgers vom 27.06.2011 tatsächlich ein Heizkostennachzahlungsbedarf von 1.351,59 € und keine Abschlagsverpflichtung. Dieser Bedarf wäre im Grundsatz als Einzelbedarf dieses Monats anzusetzen. (Vergleiche BSG vom 22.03.2010 AZ: B 4 AS 62/09 R; BSG vom 20.12.2011 AZ: B 4 AS 9/11 R m.w.N. zitiert nach juris). Dieser Bedarf war jedoch nicht durch den Beklagten in voller Höhe zu übernehmen. Es handelt sich hierbei, da es sich um einen Erstantrag auf Leistungen nach dem SGB II handelte, in der Hauptsache um Energiekosten aus Zeiten, die vor dem Leistungsbezug nach dem SGB II lagen. Maßgeblich für die Übernahme ist jedoch, dass der Leistungsberechtigte sowohl zu dem Zeitpunkt, in dem die Aufwendungen tatsächlich entstanden sind als auch zu dem Zeitpunkt, in dem der Bedarf für die Nachforderung entstanden ist, im Leistungsbezug nach dem SGB II stand. (vgl. BSG vom 20.12.2011 AZ: B 4 AS 9/11 R zitiert nach juris). Die Nachzahlung bezieht sich auf den Abrechnungszeitraum Juli 2010 bis Juni 2011. Es ist nach Auffassung der Kammer gerechtfertigt, von dem Nachzahlungsbetrag einen Betrag von 189,-- € dem Monat Juni 2011 zuzuordnen und damit als Bedarf im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II anzusetzen. Die restlichen Beträge sind den Vorzeiten zuzuordnen und nicht zu erstatten. Die Annahme dieses Betrages gründet darauf, dass die Berechnung der Abschlagshöhe durch die Energieversorger basierend auf dem Verbrauch in der Vergangenheit im Monatsdurchschnitt erstellt wurde. Im Ergebnis geht die Kammer davon aus, dass dieser Anteil des Nachforderungsbetrages in Höhe der später zu zahlenden Abschläge dem Juni 2011 zuzuordnen ist und dementsprechend im Einklang mit der oben zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes als einmaliger Bedarf zu übernehmen ist.

Bzgl. der Zeit September bis November 2011 waren von dem nunmehr in voller Höhe dem Kläger zuzurechnenden Bedarf von 939,--€, 453,46€ durch den Beklagten anerkannt, so dass es zu einer monatlichen Differenz von 485,54 € kommt.

Insgesamt ergibt sich somit der Nachzahlungsbetrag für den streitigen Zeitraum in Höhe von 1.906,80 €.

Der Ansatz eines Mehrbedarfes gem. § 21 Abs. 7 SGB II beim Kläger scheidet aus. Ausweislich der Vermieterbescheinigung und des Vorbringens des Klägers in der mündlichen Verhandlung erfolgte die Warmwasserbereitung in der vom Kläger Immobilie durch die Zentralheizung und nicht durch dezentrale Versorgungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Der Kläger ist mit seinem Begehren der Bewilligung individueller höherer Kosten der Unterkunft und Heizung basierend auf der tatsächlichen Höhe von der von ihnen zu tragenden Kosten der Kosten der Unterkunft und Heizung durchgedrungen.

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