OLG Köln, Urteil vom 17.03.2015 - 9 U 152/14
Fundstelle
openJur 2016, 3292
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24.09.2014 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 20 O 425/13 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die Klägerin zum Erhalt ihrer Ansprüche aus dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag für den hier betroffenen Gebäudeschadenfall vom 02./03.06.2013 im Rahmen des Rechtsschutzversicherungsvertrages einschließlich der ARB 2012 verpflichtet ist, die B Versicherung AG als Gebäudeversicherer beider von dem oben genannten Schadensfall betroffenen Doppelhaushälften unter der Adresse G 17, M (Schadennummern 5x x3 1x 0xxx84 und 5x x3 1x 0xxx22) außergerichtlich mit nur einem Mandat und gerichtlich in nur einem Prozess in Anspruch zu nehmen und ihren Prozessbevollmächtigten nur ein einheitliches statt zwei getrennter Mandate zu erteilen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die formell unbedenkliche Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

1. Die Klage ist unbegründet.

a.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte über die von dieser erteilte Deckungszusage vom 07.11.2013 hinaus keinen Anspruch auf weitere Deckung nach § 5 ARB 2012.

Durch die vorgenannte Deckungszusage, mit der die Beklagte der Klägerin Deckungsschutz für die außergerichtliche und gerichtliche Interessenwahrnehmung gegenüber der B-Versicherung bezüglich zweier Gebäudeversicherungsverträge für die im Zusammenhang mit dem Hochwasserereignis vom 02./03.06.2013 beschädigten, im Eigentum der Klägerin stehenden beiden Doppelhaushälften lediglich mit der Einschränkung gewährt hat, dass diese Interessenwahrnehmung in einem einheitlichen Verfahren erfolgt, hat die Beklagte ihre Leistungspflicht gemäß § 5 ARB 2012 vollständig erfüllt. Die Beklagte ist nach § 5 ARB 2012 nicht verpflichtet, weitergehende Gebühren für die getrennte (mehrfache) Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die Klägerin zu übernehmen.

Gemäß § 5 Abs. 1 a) S. 1 ARB 2012 trägt der Rechtsschutzversicherer die Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung. Auch § 1 ARB 2012 beschränkt den Rechtsschutz auf die zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers erforderlichen Leistungen.

Auf Grund beider Regelungen bestimmt sich der Leistungsumfang des Rechtsschutzversicherers für die rechtsanwaltliche Interessenwahrnehmung und gerichtliche Prozessführung nach den allgemeinen Grundsätzen des gesetzlichen Gebühren- und Kostenrechts.

Zum einen stellt nämlich die in § 5 ARB enthaltene Formulierung "bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung" eine Bezugnahme auf das gesetzliche Gebührenrecht dar; erstattungsfähig soll nur dasjenige sein, was auch nach den gesetzlichen Bestimmungen im Prozessrechtsverhältnis einen Erstattungsanspruch begründet; hierdurch wird eine Verbindung zu den gesetzlichen Regelungen nicht nur des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes, sondern auch der Zivilprozessordnung über die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren hergestellt (BGH NJW 2011, 232). Zum anderen ist die "Erforderlichkeit" im Sinne des § 1 ARB dahingehend zu verstehen, dass der Rechtsschutzversicherer nur die für die Interessenwahrnehmung objektiv notwendigen Kosten trägt, nicht also Kosten, die sinnlos, unverhältnismäßig oder vermeidbar sind (vergleiche Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2. Aufl., Rn. 1 zu § 1 ARB).

Das (allgemeine) Kostenrecht wiederum erlegt der Klägerin die Verpflichtung zur kostenschonenden Prozessführung auf, gegen die eine doppelte Beauftragung ihres Rechtsanwalts zur Führung zweier Prozesse gegen die B-Versicherung verstoßen würde, so dass die Beklagte insoweit nicht zur Deckung verpflichtet ist.

Das gesamte Kostenrecht wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von dem aus Treu und Glauben fließenden Grundsatz beherrscht, dass jede Prozesspartei verpflichtet ist, die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt; obwohl Rechtsanwaltsgebühren nach § 91 Abs. 2 Satz 1, 1. Hs. ZPO stets als zweckentsprechend verursachte Kosten gelten, sind diese der Partei daher gleichwohl dann nicht zu erstatten, wenn eine gegen Treu und Glauben verstoßende rechtsmissbräuchliche Prozessführung der Partei vorliegt; eine solche wiederum ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Partei einen oder mehrere gleichartige, aus einem einheitlichen Lebensvorgang erwachsene Ansprüche ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen verfolgt; die Partei muss sich in einem solchen Fall kostenrechtlich so behandeln lassen, als wäre nur ein einziges Verfahren geführt worden (BGH NJW 2007, 2257; NJW-RR 2011, 230; AnwBl 2012, 1008; NJW 2013, 66).

Entgegen der vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Ansicht sind vorliegend keine zureichenden Gründe für die Führung zweier Prozesse ersichtlich. Vielmehr lassen sich die berechtigten Belange der Klägerin auch bei Geltendmachung ihrer Ansprüche wegen der Schäden an den beiden Doppelhaushälften im Rahmen eines einheitlichen Verfahrens wahren.

Der Auffassung der Klägerin, ansonsten könnten die auf die einzelnen Versicherungsverträge entfallenden Pflichten und Leistungen nicht auseinandergehalten werden, vermag den Senat nicht zu überzeugen. Es ist allgemein üblich, in Rechtsstreitigkeiten nicht nur Einzelansprüche geltend zu machen, sondern auch Mehrheiten von Ansprüchen. Wieso im vorliegenden Fall keine eindeutige Zuordnung zu dem einen oder dem anderen geschädigten Objekt möglich sein soll, erschließt sich nicht. Auch der Umstand, dass beiden Gebäudeversicherungsverträgen unterschiedliche Allgemeine Versicherungsbedingungen zugrunde liegen (zum einen die VGB 1988 zum anderen die VGB 2002), gebietet keine abweichende Beurteilung. Zwar mag bei der rechtlichen Prüfung der Ansprüche bezüglich der einzelnen Doppelhaushälften insoweit zu differenzieren sein, doch ist auch dies kein ungewöhnliches Erfordernis; nicht selten werden im Rahmen eines Rechtsstreits mehrere Ansprüche mit unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen geltend gemacht, ohne dass dies unüberwindliche Probleme aufwirft. Soweit die Klägerin auf mögliche umfangreiche Unterschiede im Verteidigungsverhalten der B hinsichtlich der einzelnen Doppelhaushälften verweist, handelt es sich lediglich um Mutmaßungen; dafür, dass die B sich tatsächlich entsprechend verteidigen wird, gibt es bislang keine Anhaltspunkte. Die Frage eventueller Vorschäden bei einer der beiden Doppelhaushälften betrifft lediglich die Anspruchshöhe. Dass die Klägerin bei einer getrennten prozessualen Geltendmachung gegebenenfalls schneller einen Titel hinsichtlich einer der beiden Doppelhaushälften erlangen könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Ein Verstoß der Bestimmung des § 5 Abs. 1 a) S. 1 ARB 2012 gegen § 307 BGB ist nicht gegeben. Nach dem Vorgesagten ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei der kostenrechtlich gebotenen einheitlichen prozessualen Geltendmachung ihrer Ansprüche in der Verfolgung ihrer Rechte unbillig beeinträchtigt wäre.

b.

Ein Anspruch der Klägerin auf weitere Deckung nach § 5 ARB 2012 scheidet darüber hinaus auch deswegen aus, weil eine Obliegenheitsverletzung der Klägerin nach § 17 Abs. 1 c) bb) erster Spiegelstrich ARB 2012 zu bejahen ist mit der Folge, dass die Beklagte gemäß § 17 Abs. 6 S. 1 ARB 2012 insoweit leistungsfrei geworden ist.

Nach § 17 Abs. 1 c) bb) erster Spiegelstrich ARB 2012 hat der Versicherungsnehmer zum Zwecke der Schadensminderung nicht zwei Prozesse zu führen, wenn das Ziel kostengünstiger mit einem Prozess erreicht werden kann, sofern hierdurch die Interessen des Versicherungsnehmers nicht unbillig beeinträchtigt werden.

Diese Obliegenheit hat die Klägerin durch die von ihr vorgenommene Mandatierung ihres Rechtsanwalts zur Geltendmachung von zwei Forderungen gegen denselben Schuldner (die B) auf Grund desselben Schadensereignisses (Hochwasser) in zwei getrennten Prozessen verletzt.

Bedenken gegen die Wirksamkeit von § 17 Abs. 1 c) bb) erster Spiegelstrich ARB 2012 bestehen nicht. Soweit der Senat in seiner Entscheidung VersR 2012, 1385 die frühere Regelung des § 17 Abs. 5 c cc ARB 1994 für intransparent und daher nach § 307 BGB unwirksam erachtet hat, hält er bezüglich der hier streitigen, vorgenannten Neufassung an dieser Einschätzung nicht fest; während die frühere Fassung dem Versicherungsnehmer lediglich aufgab, "alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte", enthält die Neufassung des § 17 Abs. 1 c) ARB 2012 umfangreiche Regelbeispiele für ein zu unterlassendes kostenerhöhendes Verhalten des Versicherungsnehmers; jedenfalls sofern - wie hier - eine der dort ausdrücklich umschriebenen Verhaltensweisen in Rede steht, ist die genannte Vorschrift für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer hinreichend transparent.

Die Klägerin war vorliegend auch nicht von der Erfüllung ihrer Obliegenheit dadurch befreit, dass sie ansonsten in der Verfolgung ihrer Interessen unbillig beeinträchtigt wäre (§ 17 Abs. 1 c) 1. Hs. ARB 2012). Hierfür ist - wie oben bereits ausgeführt - nichts Überzeugendes vorgetragen und auch aus dem Akteninhalt nichts für die Klägerin Streitendes ersichtlich.

Auch der in diesem Zusammenhang erfolgte Hinweis der Klägerin auf einen angeblichen Verstoß gegen die freie Anwaltswahl rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin trägt vor, er sei zur Vertretung der Klägerin von vorneherein nur unter der Bedingung bereit gewesen, dass der Schadensfall bezüglich beider Doppelhaushälften gebührenrechtlich als zwei getrennte Angelegenheiten behandelt werde. Die Klägerin ist dennoch an einer Beauftragung des Rechtsanwalts ihres Vertrauens nicht gehindert, doch erhält sie u.U. nicht sämtliche Kosten erstattet, die aus dem von diesem Rechtsanwalt bevorzugten prozessualen Vorgehen resultieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dies im Hinblick auf § 127 Abs. 1 VVG unbedenklich, wenn nicht der Versicherer im Wege der Vertragsgestaltung einen unzulässigen psychischen Druck zur Mandatierung des vom Versicherer vorgeschlagenen Anwalts ausübt (vergleiche BGH NJW 2014, 630). Da die Beklagte vorliegend der Klägerin keinen konkreten Rechtsanwalt zur Beauftragung benannt hat, ist hier schon deshalb die Grenze zum unzulässigen psychischen Druck nicht überschritten.

Der Obliegenheitsverstoß der Klägerin erfolgte auch vorsätzlich, da die Klägerin von der Beklagten mit dem an sie persönlich gerichteten Schreiben vom 07.11.2013 über die kostenmäßige Problematik mehrerer Parallelverfahren aufgeklärt worden ist.

2. Die Widerklage ist als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig und begründet.

Das streitige Rechtsverhältnis besteht in der Verpflichtung der Klägerin, Ansprüche wegen der Schäden an ihren beiden Doppelhaushälften außergerichtlich mit nur einem Mandat und gerichtlich in nur einem Prozess zu verfolgen. Dieses Rechtsverhältnis ist nach § 322 Abs. 1 ZPO im vorliegenden Verfahren nicht in vollem Umfang der Rechtskraft fähig, da es hier lediglich um die Frage geht, ob die Beklagte der Klägerin für die Geltendmachung ihrer Ansprüche bezüglich der einen Doppelhaushälfte zusätzlichen Deckungsschutz für die separate Rechtsverfolgung zu gewähren hat. Die andere Doppelhaushälfte ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Zugleich berühmt sich die Klägerin eines Anspruchs auf separaten Deckungsschutz auch hinsichtlich der anderen Doppelhaushälfte. Die Rechtskraft des vorliegenden Verfahrens stünde einem weiteren, von der Klägerin wegen der anderen Doppelhaushälfte angestrengten Verfahren nicht entgegen.

Die Widerklage ist auch begründet, da die Klägerin nach den obigen Ausführungen auch bezüglich der anderen Doppelhaushälfte gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitergehenden, separaten Deckungsschutz hat.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 12.071,70 €