LG Bielefeld, Urteil vom 23.11.2015 - 9 O 520/13
Fundstelle
openJur 2016, 3291
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht mit der Klage Ansprüche gegen die Beklagten aufgrund der Verletzung von Pflichten geltend, die diesen als steuerlichen Beratern der T.-Gruppe und des Klägers selbst oblagen.

Der Kläger ist Kommanditist der T. Holding GmbH & Co. KG (HRA xx, AG Gütersloh, vormals B. & C. T. GmbH & Co. KG) und Kommanditist der T. Lebensmittel GmbH & Co. KG (HRA xx, AG Gütersloh, vormals B. & C. T. Fleischwerk GmbH & Co. KG).

Im Gesellschaftsvertrag der T. Holding GmbH & Co. KG (vormals B. & C. T. GmbH & Co. KG) vom 05.06.1990 heißt es unter § 4 Abs. 3 zur Verzinsung der Gesellschafterkonten:

"Auf dem Kapitalkonto wird der Kapitalanteil des Gesellschafters gebucht; es ist unverzinslich. Auf dem Darlehenskonto werden die entnahmefähigen Gewinnanteile, Entnahmen, Zinsen, der Ausgaben und Aufwendungsersatz, die Vorabvergütung sowie der sonstige Zahlungsverkehr zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter gebucht. Die Darlehenskonten sind im Soll und Haben nach der Staffelmethode mit 7 % p.a. zu verzinsen. Die Zinsen gelten im Verhältnis der Gesellschafter zueinander als Aufwand bzw. Ertrag."

Im Gesellschaftsvertrag der T. Lebensmittel GmbH & Co. KG (vormals B. & C. T. Fleischwerk GmbH & Co. KG) vom 22.04.1982 heißt es unter § 14 Abs. 3 zur Verzinsung der Guthaben auf den Darlehenskonten der Gesellschafter:

"Die Guthaben auf den Darlehenskonten sind mit 8 % zu verzinsen. Das Gleiche gilt für etwaige Fehlbeträge auf den Darlehenskonten. Für die Ermittlung der Zinsen gilt der Durchschnittsbestand vor Gewinngutschrift - oder - die Zinsstaffelmethode."

Die Darlehenskonten der Gesellschafter der T. Holding GmbH & Co. KG und der T. Lebensmittel GmbH & Co. KG werden seit 2001 bzw. 2003 hiervon abweichend mit nur 6 % statt der gesellschaftsvertraglich vereinbarten 7 % bzw. 8 % p.a. verzinst. Zudem erfolgt die Verzinsung weder nach der Staffelmethode noch auf der Grundlage des Durchschnittsbestandes vor Gewinngutschrift, sondern jeweils aufgrund des Jahresanfangsbestandes. Grundlage hierfür waren die Berechnungen der mit der Vorbereitung der Jahresabschlüsse für den geschäftsführenden Gesellschafter von der jeweiligen Gesellschaft beauftragten Beklagten zu 1, welche die niedrigeren Zinssätze und die von den Gesellschaftsverträgen abweichende Zinsberechnungsmethode zur Anwendung brachte. Der Kläger rügte gegenüber der Geschäftsführung der Gesellschaften die fehlerhafte Verzinsung der Gesellschafterdarlehenskonten. Diese weigerte sich indes, die Gesellschafterdarlehenskonten hinsichtlich des angewandten Zinssatzes und der Zinsberechnungsmethode rückwirkend zu korrigieren.

Die Beklagte zu 1 erstellte zudem für den Kläger für die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2010 dessen Einkommensteuererklärungen. Hinsichtlich aller drei Veranlagungszeiträume stellte die Beklagte zu 1 für den Kläger keinen Antrag gemäß § 34a Abs. 1 S. 2 EStG auf Begünstigung nicht entnommener Gewinne (Thesaurierung). Ebenso wenig beriet sie den Kläger im Hinblick auf die Möglichkeit, einen solchen Antrag zu stellen.

Für den Veranlagungszeitraum 2008 setzte das Finanzamt V. die Einkommensteuer mit Bescheid vom 09.03.2010 zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Unter dem 18.11.2011 erließ das Finanzamt sodann einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008, in dem es den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob. Der Bescheid wurde der Beklagten zu 1 zugestellt.

Mitte 2012 erfuhr der Kläger durch seine derzeitigen Steuerberater von der Möglichkeit des Antrags auf Thesaurierungsbegünstigung und davon, dass dieser für das Jahr 2008 hätte gestellt werden können und noch nicht gestellt worden war.

Unter dem 28.11.2013 erließ das Finanzamt aufgrund nachgemeldeter Einkünfte aus Kapitalvermögen einen geänderten Einkommensteuerbescheid, mit dem es die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2008 neu festsetzte. Der Kläger ließ gegen diesen Bescheid Einspruch einlegen. Am 21.02.2014 erließ das Finanzamt einen weiteren geänderten Einkommensteuerbescheid, der gemäß § 365 Abs. 3 AO Gegenstand des durch den Kläger eingelegten Einspruchs wurde. Der Einspruch wurde am 16.06.2014 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klageerwiderung vom 24.06.2014 haben die Beklagten den Kläger darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Thesaurierungsbegünstigung noch bis zur Bestandskraft der entsprechenden Einkommensteuerbescheide gestellt werden könne.

Zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt zwischen dem 13.10.2014 und Anfang 2015 stellte der Kläger bei dem Finanzamt V. für die Jahre 2009 bis 2012 den Antrag gemäß § 34a EStG im höchstmöglichen Umfang für die Gewinnanteile des Klägers aus der T. Holding GmbH & Co. KG, der T. Lebensmittel GmbH & Co. KG und der T. Grundbesitz GmbH & Co. KG.

Nachdem der Einkommensteuerbescheid des Klägers für das Jahr 2008 am 17.06.2015 aufgrund geringfügiger Änderungen der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb erneut geändert wurde, hat der Kläger gegen diesen Bescheid am 18.06.2015 Einspruch eingelegt und den Antrag auf Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG für das Jahr 2008 gestellt, den das Finanzamt V. mit Einspruchsentscheidung vom 22.12.2015 zurückgewiesen hat.

Der Kläger meint, die Beklagte zu 1 sei ihm gegenüber verpflichtet gewesen, bei der Vorbereitung der Jahresabschlüsse der T. Holding GmbH & Co. KG und der T. Lebensmittel GmbH & Co. KG die im jeweiligen Gesellschaftsvertrag festgelegten höheren Zinssätze für die Gesellschafterdarlehenskonten sowie die dort festgelegten Zinsberechnungsmethoden zur Anwendung zu bringen. Er behauptet, aufgrund der abweichenden Berechnung der Zinsen auf den Darlehenskonten gegenüber seinem Mitgesellschafter C. T. senior einseitig benachteiligt worden zu sein, da er im Vergleich zu diesem erheblich niedrigere Entnahmen getätigt habe, so dass ihm höhere Zinserträge zugestanden hätten.

Der Kläger meint weiter, die Beklagten seien ihm gegenüber aufgrund eines zwischen den Parteien bestehenden Steuerberatungsvertrags verpflichtet gewesen, ihn im Hinblick auf die Möglichkeit der Antragstellung nach § 34a EStG zu beraten. Im Rahmen dieser Beratung hätten sie ihm für den Veranlagungszeitraum 2008 anraten müssen, einen solchen Antrag zu stellen. Dazu behauptet der Kläger, dass er bei entsprechender Beratung von der Möglichkeit der Antragstellung auch Gebrauch gemacht hätte. Angesichts seiner hohen Thesaurierungsquote habe sich eine Inanspruchnahme der Begünstigungsmöglichkeit des § 34a EStG seit deren Einführung im Jahr 2008 mehr als aufgedrängt, insbesondere weil sie eine Steuerentlastung in Millionenhöhe zur Folge gehabt hätte. Die Gefahr einer späteren Nachversteuerung der zunächst nicht entnommenen Gewinne im Zuge späterer Entnahmen hätte nicht bestanden.

Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass der Antrag auf Thesaurierungsbegünstigung seit Dezember 2011 aufgrund eingetretener Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids nicht mehr gestellt werden könne. Nach entsprechender Beratung durch seine derzeitigen Prozessbevollmächtigten habe er aber für die Jahre 2009 bis 2011 stets vorgehabt, einen entsprechenden Antrag nach § 34a EStG zu stellen. Dies sei zunächst nur deshalb nicht erfolgt, weil erst nach abgeschlossener Betriebsprüfung die Besteuerungsgrundlage endgültig festgestanden habe und mit der Antragstellung bis zu diesem Zeitpunkt habe abgewartet werden sollen. Der Kläger behauptet, ihm sei durch die fehlerhafte Beratung ein Schaden in Höhe von 1.870.632 € entstanden.

Der Kläger beantragt nach teilweiser Rücknahme des Antrags zu II, der die Beklagten zugestimmt haben,

I. festzustellen, dass die Beklagten wie Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Schaden zu ersetzen, der dem Kläger entstanden ist und/oder noch entstehen wird, weil die Beklagte zu 1 sowie die Beklagten zu 2 und zu 3 als Gesellschafter der Beklagten zu 1 und in ihrer Eigenschaft als steuerliche Berater der T.-Gruppe

1. zum Nachteil des Klägers daran mitgewirkt haben, dass die Darlehenskonten der Gesellschafter bei der T. Holding GmbH & Co. KG (vormals B. & C. T. Holding GmbH & Co. KG) und bei der T. Lebensmittel GmbH & Co. KG (vormals B. & C. T. Fleischwerk GmbH & Co. KG), jeweils mit Sitz in R.,

a) spätestens seit 2003 abweichend von der in § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der T. Holding GmbH & Co. KG (vormals B. &C. T. GmbH & Co. KG) vom 05.06.1990 getroffenen Regelung mit 6 % statt mit 7 % p.a.

b) und spätestens seit 2001 abweichend von der in § 14 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags der T. Lebensmittel GmbH & Co, KG (vormals B. & C. T. Fleischwerk GmbH & Co. KG vom 22.04.1982 getroffenen Regelung mit 6 % statt mit 8 % p.a. verzinst werden und

2. zum Nachteil des Klägers daran mitgewirkt haben, dass die Darlehenskonten der Gesellschafter bei der T. Holding GmbH & Co. KG (vormals B. & C. T. Holding GmbH & Co. KG) und bei der T. Lebensmittel GmbH & Co. KG (vormals B. & C. T. Fleischwerk GmbH & Co. KG), jeweils mit Sitz in R.,

a) spätestens seit 2003 abweichend von der in § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der T. Holding GmbH & Co. KG (vormals B. & C. T. GmbH & Co. KG) vom 05.06.1990 vereinbarten Berechnungsmethode

b) und spätestens seit 2001 abweichend von der in § 14 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags der T. Lebensmittel GmbH & Co. KG (vormals B. & C. T. Fleischwerk GmbH & Co. KG vom 22.04.1982 vereinbarten Berechnungsmethode

verzinst werden,

hilfsweise zum Antrag zu I

festzustellen, dass die Beklagten wie Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Schaden zu ersetzen, der dem Kläger entstanden ist und/oder noch entstehen wird, weil die Beklagte zu 1 sowie die Beklagten zu 2 und 3 als Gesellschafter der Beklagten zu 1 und in ihrer Eigenschaft als steuerliche Berater der T. Gruppe

1. zum Nachteil des Klägers daran mitgewirkt haben, dass die Darlehenskonten der Gesellschafter bei der T. Holding GmbH & Co. KG (vormals B. & C. T. Holding GmbH & Co. KG) und bei der T. Lebensmittel GmbH & Co. KG (vormals B. & C. T. Fleischwerk GmbH & Co. KG), jeweils mit Sitz in R., seit 2003

a) abweichend von der in § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der T. Holding GmbH & Co. KG (vormals B. &C. T. GmbH & Co. KG) vom 05.06. 1990 getroffenen Regelung mit 6 % statt mit 7 % p.a. und

b) abweichend von der in § 14 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags der T. Lebensmittel GmbH & Co. KG (vormals B. & C. T. Fleischwerk GmbH & Co. KG) vom 22.04.1982 getroffenen Regelung mit 6 % statt mit 8 % p.a. verzinst werden und

2. zum Nachteil des Klägers daran mitgewirkt haben, dass die Darlehenskonten der Gesellschafter bei der T. Holding GmbH & Co. KG (vormals B. & C. T. Holding GmbH und Co. KG) und bei der T. Lebensmittel GmbH & Co. KG (vormals B. & C. T. Fleischwerk GmbH & Co. KG), jeweils mit Sitz in R., seit 2003

a) abweichend von der in § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der T. Holding GmbH & Co. KG (vormals B. & C. T. GmbH & Co. KG) vom 05.06.1990 vereinbarten Berechnungsmethode und

b) abweichend von der in § 14 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags der T. Lebensmittel GmbH & Co. KG (vormals B. & C. T. Fleischwerk GmbH & Co. KG vom 22.04.1982 vereinbarten Berechnungsmethode

verzinst werden;

II. die Beklagten wie Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.753.225 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen,

hilfsweise zum Antrag zu II

festzustellen, dass die Beklagten wie Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Schaden zu ersetzen, der dem Kläger durch den unterbliebenen Antrag auf Anwendung von § 34a EStG für den Veranlagungszeitraum 2008 entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie meinen, die mit Antrag zu I 1 geltend gemachten Ansprüche stünden dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil dieser nicht Vertragspartner der mit den Gesellschaften geschlossenen Steuerberatungsverträge gewesen sei. Der Kläger habe zudem den von ihm behaupteten Schaden nicht schlüssig dargetan, da ihm sowohl im Hinblick auf die Absenkung des Zinssatzes als auch die Anwendung einer anderen Zinsberechnungsmethode nach seinem eigenen Vortrag ein Anspruch auf Neuberechnung gegen die jeweiligen Gesellschaften zustehe. Im Hinblick auf die Inanspruchnahme des Beklagten zu 2 stehe der Zulässigkeit der Klage zudem entgegen, dass der Beklagte zu 2 insoweit bereits mit anderer rechtshängiger Klage in Anspruch genommen werde (9 O 520/12 LG Bielefeld).

Die Beklagten behaupten, der Änderung des Zinssatzes bei den Gesellschafterdarlehenskonten liege eine Vereinbarung zwischen dem Beklagten zu 2 in seiner Eigenschaft als Verwalter des dem Kläger und dessen Bruder zugedachten Vermächtnisses sowie deren Onkel C. T. senior zu Grunde. Anfang Juni 2002 sei die Änderung des Zinssatzes im Rahmen einer Besprechung während der Erstellung des Jahresabschlusses von C. T. senior in seiner Eigenschaft als Kommanditist und als Geschäftsführer der jeweiligen persönlich haftenden Gesellschafterin und dem Beklagten zu 2 in seiner Eigenschaft als Vermächtnisverwalter und damit als Vertreter des Klägers und seines Bruders als der jeweils weiteren Kommanditisten geschlossen worden. Sie meinen, diese gesellschaftsvertraglichen Änderungen seien bei der jeweils erfolgten Erstellung der Jahresabschlüsse von ihnen als Steuerberater zu beachten gewesen. Für die Aufstellung der Jahresabschlüsse und für die Verteilung des Ergebnisses unter den Gesellschaftern sei C. T. senior als Geschäftsführer und Vertreter der persönlich haftenden Gesellschafter der jeweiligen Gesellschaften verantwortlich gewesen. Der Beklagte zu 2 und später die Beklagte zu 1 hätten diese Jahresabschlüsse lediglich vorbereitet.

Die Beklagten erheben hinsichtlich der Ansprüche des Klägers, die dieser mit dem Anträgen zu I geltend macht, die Einrede der Verjährung.

Im Hinblick auf die mit dem Antrag zu II geltend gemachten Ansprüche des Klägers meinen die Beklagten, dem Kläger stehe schon deshalb kein Schadensersatzanspruch zu, weil zwischen ihnen und dem Kläger zu keinem Zeitpunkt ein Steuerberatungsvertrag bestanden habe. Die Erbringung der Steuerberatungstätigkeit im Rahmen der Erstellung der Einkommensteuererklärung sei als bloße Gefälligkeit erfolgt. Im Rahmen dieser Gefälligkeitsleistung sei eine Beratung im Hinblick auf die Thesaurierungsbegünstigungsmöglichkeit nicht geschuldet gewesen.

Die Beklagten behaupten weiter, dass der Kläger auch dann, wenn er durch die Beklagten im Hinblick auf die Möglichkeit der Antragstellung nach § 34a EStG beraten worden wäre, den Antrag für die streitgegenständlichen Veranlagungszeiträume nicht gestellt hätte. Dies folge zum einen daraus, dass eine etwaige Steuerersparnis nicht dem Kläger persönlich, sondern nur seinem Gesellschafterdarlehenskonto zugutegekommen wäre. Der Kläger habe kein Interesse daran gehabt, der Unternehmensgruppe für von ihm im Jahr 2008 nicht entnommene Gewinne weitere Liquidität zuzuführen und zugleich eine ihn persönlich treffende latente Nachversteuerungspflicht in Kauf zu nehmen. Auch ein beabsichtigter Anteilskauf durch den Kläger und die in diesem Zusammenhang bevorstehende Entnahme von 1.000.000,00 € von dem Gesellschafterdarlehenskonto des Klägers sowie eine geplante gesellschaftliche Umstrukturierung hätten zu einer Nachversteuerungspflicht geführt.

Zum anderen lasse das Verhalten des Klägers, der auch nach entsprechender Aufklärung durch seine derzeitigen Prozessbevollmächtigten für die Jahre 2009 und 2010 zunächst keinen Antrag gestellt gehabt habe, obwohl bis zur Klageerhebung noch keine Bestandskraft der diese Veranlagungszeiträume betreffenden Einkommensteuerbescheide eingetreten gewesen sei, den Schluss zu, dass er dies bei einer Beratung durch die Beklagte zu 1 für den Veranlagungszeitraum 2008 bis Dezember 2011 ebenfalls nicht getan hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen den Beklagten nicht zu.

A. Die Feststellungsklage zu Ziff. I ist zulässig aber unbegründet.

I. Die Feststellungsanträge zu Ziff. I sind zulässig.

1. Insbesondere steht der Zulässigkeit nicht entgegen, dass der Kläger die Klage insoweit beziffern könnte und es aufgrund der Möglichkeit der Erhebung der Leistungsklage an einem Feststellungsinteresse fehlt. Zwar fehlt dann, wenn ein Anspruch bezifferbar und eine Leistungsklage möglich ist, im Interesse der endgültigen Klärung des Streitstoffs in einem Prozess regelmäßig das Feststellungsinteresse für eine Feststellungsklage (Zöller, 30. Aufl., § 256 ZPO Rn. 7a). Dies ist indes dann nicht der Fall, wenn der Kläger seinen Anspruch auf Schadensersatz zumindest nicht ohne Durchführung einer aufwändigen Begutachtung beziffern kann (BGH, Urteil vom 21.01.2000 - V ZR 387/98). Damit soll die klagende Partei davon entlastet werden, möglicherweise umfangreiche Privatgutachten vor Klageerhebung einholen zu müssen, um ihren Anspruch zu beziffern (BGH, Urteil vom 12.07.2005 - VI ZR 83/04). Der dem Kläger tatsächlich durch die von ihm behauptete, jeweils vom Gesellschaftsvertrag abweichende Berechnung der Zinsen der Darlehenskonten entstandene Schaden bedarf zu seiner Bezifferung voraussichtlich einer umfangreichen Begutachtung. Aus diesem Grund erscheint es sachgerecht, die Schadensersatzpflicht zunächst feststellen zu lassen, so dass ein Interesse daran dem Kläger nicht abgesprochen werden kann.

2. Auch steht der Zulässigkeit der Anträge zu Ziff. I - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht das Verbot doppelter Rechtshängigkeit entgegen, § 261 Abs. 3 Ziff. 1 ZPO, da mit dem Verfahren 9 O 520/12 LG Bielefeld gegen den Beklagten zu 2 kein identischer Streitgegenstand besteht. In objektiver Hinsicht setzt die Rechtshängigkeitssperre Identität der Streitgegenstände des ersten und zweiten Prozesses voraus (MüKoZPO/Becker-Eberhard ZPO § 261 Rn. 50-72, beckonline). Daran fehlt es vorliegend. Während der Kläger in dem Verfahren 9 O 520/12 LG Bielefeld Ansprüche gegen den Beklagten zu 2 aufgrund einer Verletzung von Pflichten als Testamentsvollstrecker geltend macht, stützt er die in dem vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche gegen den Beklagten zu 2 ausdrücklich und ausschließlich auf die Verletzung von Pflichten, die diesen als Steuerberater trafen, und damit auf einen anderen Lebenssachverhalt. Aufgrund des unterschiedlichen Klagegrunds liegt ein anderer Streitgegenstand vor.

3. Schließlich steht der Zulässigkeit der Anträge zu Ziff. I - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch nicht entgegen, dass dem Kläger möglicherweise ein Anspruch gegen die jeweilige Gesellschaft auf Korrektur der fehlerhaften Zinsberechnungen bzw. Ersatz des ihm entstandenen Schadens zustehen könnte, der mit einer Leistungsklage durchsetzbar sein könnte, da die Möglichkeit einer Leistungsklage gegen Dritte das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse nicht entfallen lässt.

II. Die Anträge zu Ziff. I sind indes unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Ersatz des Schadens zu, der ihm als Gesellschafter möglicherweise durch die Anwendung eines vom jeweiligen Gesellschaftsvertrag abweichenden Zinssatzes für Guthaben auf dem jeweiligen Gesellschafterdarlehenskonto bzw. einer vom jeweiligen Gesellschaftsvertrag abweichenden Zinsberechnungsmethode entstanden ist.

1. Zwischen den Parteien bestand im Hinblick auf die Berechnung der Zinsen auf den Gesellschafterdarlehenskonten kein Vertragsverhältnis, aus dem die Beklagten dem Kläger gegenüber zur Anwendung eines bestimmten Zinssatzes bzw. einer bestimmten Zinsberechnungsmethode verpflichtet war.

2. Vertragliche Verpflichtungen der Beklagten als Steuerberater zur Erstellung des Entwurfs der Jahresabschlüsse und damit zur Vorabberechnung der Verzinsung der Gesellschafterdarlehenskonten bestanden vielmehr nur gegenüber der T. Holding GmbH & Co. KG und der T. Lebensmittel GmbH & Co. KG als Vertragspartner der Beklagten und nicht gegenüber dem Kläger als deren Gesellschafter. Dem Kläger steht aus diesem Vertragsverhältnis auch kein Anspruch nach § 280 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu, da er nicht schutzbedürftig ist.

Eine Haftung nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter setzt - unter anderem - voraus, dass der geschädigte Dritte im konkreten Einzelfall schutzbedürftig ist (vgl. BGH, Urteil vom 20.03.1995, II ZR 205/94; OLG Köln, Urteil vom 21.06.2002, 19 U 166/01). Daran fehlt es aber regelmäßig dann, wenn der Dritte eigene vertragliche Ansprüche gegen andere Schuldner hat, die denselben oder einen gleichwertigen Inhalt wie diejenigen haben, die er auf dem Weg über seine Einbeziehung in den Schutzbereich eines zwischen anderen Parteien geschlossenen Vertrags durchsetzen will (BGH, Urteil vom 22.07.2004, IX ZR 132/03 und Urteil vom 15-02-1978, VIII ZR 47/77; Palandt, 74. Aufl., § 328 Rn. 18 m.w.N.).

Dem Kläger als Kommanditisten der jeweiligen Gesellschaft gegenüber würde indes im Fall einer schuldhaft falsch aufgestellten Bilanz als derartiger Schuldner der jeweils zur Aufstellung der Bilanz verpflichtete, geschäftsführende Gesellschafter wegen schuldhafter Verletzung des Gesellschaftsvertrages auf Schadensersatz haften, so dass der Kläger insoweit nicht schutzbedürftig ist.

Die Vorbereitung bis zur Beschlussreife des Jahresabschlusses fällt in die alleinige Kompetenz der geschäftsführenden Gesellschafter (vgl. BGH, Urteil vom 29.03.1996, II ZR 263/94). Gegen diese kann sich damit ein Anspruch der Gesellschafter richten. Die Arbeiten der Beklagten im Rahmen der Vorarbeiten für den Jahresabschluss erfolgten - für den Kläger erkennbar - ausschließlich im Rahmen ihrer vertraglichen Beziehung zur jeweiligen Gesellschaft als sachkundige Berater (als "verlängerter Arm") des geschäftsführenden Gesellschafters. Von den Vorarbeiten des Beklagten sollte weder der Kläger als Gesellschafter bestimmungsgemäßen Gebrauch machen noch sollte von ihnen - anders als in dem durch den Bundesgerichtshof mit Urteil vom 02.04.1998 entschiedenen Fall (III ZR 245/96) - mit Blick auf die besondere Sachkunde der Beklagten gegenüber dem Kläger Gebrauch gemacht werden. Ebenso wenig hatten sie - anders als in dem durch den Bundesgerichtshof mit Urteil vom 19.12.1996 entschiedenen Fall (IX ZR 327/95) - den Zweck, Vertrauen des Klägers zu erwecken und für ihn Grundlage einer Entscheidung mit wirtschaftlichen Folgen zu werden. Im Rahmen der hier streitgegenständlichen Tätigkeiten für die Gesellschaft kam den Beklagten damit keine, die Haftung gegenüber den Gesellschaftern begründende Expertenstellung zu, die es zu rechtfertigen vermöchte, auf die Schutzbedürftigkeit als Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu verzichten (vgl. dazu Staudinger/Steffen Klumpp, 2015, BGB § 328, Rn. 124b, juris). Die so genannte Expertenhaftung betrifft Fälle, in denen Personen, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen (z.B. öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige aber auch Steuerberater), eine gutachterliche Stellungnahme verfassen, die erkennbar zum Gebrauch gegenüber Dritten (z.B. Banken oder Grundstückskäufern) bestimmt ist und diesen als Entscheidungsgrundlage für eine Vermögensdisposition dienen soll, weswegen sie nach dem Willen des Bestellers mit einer besonderen aus der Sachkunde und der Neutralität des Experten hergeleiteten Aussage- und Beweiskraft ausgestattet sein soll (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.1994, III ZR 50/94, Rn. 22 ff., juris; Urteil vom 13.11.1997, X ZR 144/94, Rn. 17 ff., juris). Mit einer solchen Konstellation sind die Aufgaben des Steuerberaters bei der Vorbereitung des Jahresabschlusses einer Personenhandelsgesellschaft im Verhältnis zu den einzelnen Gesellschaftern in aller Regel nicht vergleichbar. Aus welchem Grund vorliegend etwas anderes gelten sollte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

3. Dem Kläger steht gegen die Beklagten schließlich auch kein Anspruch aus Deliktrecht, § 823 Abs. 2 BGB iVm § 266 StGB bzw. § 826 BGB zu. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat einen entsprechenden Schädigungsvorsatz bzw. den Vorsatz der Nachteilzufügung der Beklagten weder ausreichend dargetan noch unter Beweis gestellt.

4. Aus den oben genannten Gründen kann der Kläger auch mit den hilfsweise gestellten Anträgen keinen Erfolg haben.

B. Dem Kläger steht gegen die Beklagten auch kein Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung aus einem Steuerberatungsvertrag zu (Antrag zu Ziff. II).

I. Die Beklagte zu 1 hatte gegenüber dem Kläger die Pflicht, diesen im Hinblick auf die Möglichkeit eines Antrags auf Thesaurierungsbegünstigung für den Veranlagungszeitraum 2008 zu beraten. Zwar bestand zwischen den Parteien kein schriftlicher Steuerberatungsvertrag. Ein Steuerberatungsvertrag kann aber auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten der Vertragsparteien, geschlossen werden. Eine solche Annahme setzt voraus, dass auf Grund einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls das Verhalten des Auftraggebers vom Steuerberater nach Treu und Glauben als entsprechendes Vertragsangebot und sein eigenes nachfolgendes Verhalten als dessen Annahme zu werten ist. Dies war vorliegend der Fall.

Der Beklagte zu 2 und später die Beklagte zu 1 haben über Jahre die Einkommensteuererklärungen des Klägers und seiner Ehefrau erstellt. Dies stellte sich aus der maßgeblichen Sicht des Klägers nicht als reine Gefälligkeit dar, sondern ließ unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen Rechtsbindungswillen der Beklagten zu 1 schließen. Dass die Beklagte zu 1, die für die gesamte Unternehmensgruppe als Steuerberaterin tätig war, hierfür nicht vom Kläger gesondert vergütet wurde, steht einer vertraglichen Verpflichtung nicht entgegen. Für den konkludenten Abschluss eines Steuerberatungsvertrages spricht zudem, dass die Auskunft oder die Beratung für den Kläger - auch angesichts der Komplexität seiner Einkommensverhältnisse - erkennbar von erheblicher Bedeutung war. Auch aufgrund des Ineinandergreifens der Steuererklärungen der Personengesellschaften und der Einkommensteuererklärung des Klägers, die entsprechende Kenntnisse der Beklagten aus ihrer Steuerberatertätigkeit für die Gesellschaften voraussetzte, war für die Beklagte zu 1 ersichtlich, dass ihre Leistung gegenüber dem Kläger für diesen von erheblicher Bedeutung war. Zudem lag bei der Beklagten zu 1 - angesichts des Steuerberatungsmandats für die Unternehmensgruppe - auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse vor (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2008, IX ZR 12/05 m.w.N.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.07.1994, 6 U 263/93, Rn. 25, juris.). Aber selbst wenn das konkludente Zustandekommen eines Steuerberatungsvertrages abgelehnt würde, wäre zumindest von einem Gefälligkeitsverhältnis mit rechtsgeschäftsähnlichem Charakter auszugehen (vgl. dazu OLG Hamm, Urteil vom 23.08.2011, 21 U 11/10).

Soweit die Beklagten zu 1 und 2 die Aufgaben eines Steuerberaters gegenüber dem Kläger wahrnahmen, durfte der Kläger in jedem Fall im Ergebnis darauf vertrauen, dass sie dieser Aufgabe ordnungsgemäß und mit der geschuldeten Gründlichkeit nachkommen. Die Beklagte zu 1 war infolgedessen verpflichtet, den Kläger ungefragt über alle für die von ihr erstellten Einkommensteuererklärungen relevanten steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen sowie insbesondere die Möglichkeit einer Steuerersparnis erschöpfend zu belehren (vgl. MüKo BGB, Müller-Glöge BGB § 611 BGB Rn. 128, beckonline). Die Beklagte zu 1 war verpflichtet, den Kläger ordnungsgemäß zu beraten und - auch in Anbetracht der Tatsache, dass sie über die erforderlichen Kenntnisse über die vom Kläger in den Gesellschaften belassenen Gewinne verfügte - auch auf die mit der Einführung des § 34a EStG verbundene Möglichkeit der Thesaurierungsbegünstigung hinzuweisen.

II. Diese Pflicht hat die Beklagte zu 1 in Bezug auf den streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum 2008 verletzt, da sie den Kläger nicht auf die Möglichkeit eines Antrags auf Thesaurierungsbegünstigung hingewiesen und hierüber beraten hat.

III. Die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 war indes nicht kausal für den vom Kläger geltend gemachten Schaden.

1. Für den Ursachenzusammenhang zwischen der pflichtwidrig unterlassenen Beratung durch die Beklagte zu 1 und dem Schadenseintritt ist der Kläger darlegungs- und beweisbelastet. Zu seinen Gunsten greift nicht die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Grundsätzlich muss derjenige den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden beweisen, der den Schadensersatzanspruch geltend macht. Dabei kann ihm der Beweis des ersten Anscheins zustattenkommen. In Verträgen mit rechtlichen Beratern gilt die Vermutung, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, wenn nach der Lebenserfahrung bei vertragsgemäßer Leistung des Beraters lediglich ein bestimmtes Verhalten nahe gelegen hätte. Kommen als Reaktion auf eine zutreffende Beratung hingegen mehrere objektiv gleich vernünftige Verhaltensmöglichkeiten in Betracht, hat der Kläger den Weg zu bezeichnen, für den er sich entschieden hätte. Ihn trifft in einem solchen Fall die volle Beweislast, weil der Anscheinsbeweis bei der Möglichkeit alternativer Verhaltensweisen nicht durchgreift (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2012, IX ZR 145/11, Rn. 39, juris).

Es steht indes nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise für den Kläger als einzige vernünftige Verhaltensmöglichkeit die der Antragstellung nach § 34a EStG bestand. Die erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 anwendbare Möglichkeit der Thesaurierungsbegünstigung führt nämlich nicht einfach zu einer Ermäßigung des Steuersatzes für nicht entnommenen Gewinn. § 34a EStG gewährt vielmehr auf Antrag für den vom Unternehmer nicht entnommenen Gewinn eine Tarifermäßigung, die bei späterer Entnahme entfällt, so dass auf den nachsteuerpflichtigen Betrag eine gleichfalls proportionale Nachsteuer i.H.v. 25% zuzüglich 5,5% Solidaritätszuschlag erhoben wird und die Gesamtbelastung höher ausfällt, als ohne die Thesaurierungsbegünstigung.

Bei der Frage, ob ein Antrag sinnvollerweise gestellt wird, ist damit dem Vorteil des Sondertarifs der Nachteil der proportionalen Nachversteuerung bei späterer Entnahme gegenüberzustellen. Dabei ist unter Vornahme einer Prognose abzuwägen, ob wohl der Zinsvorteil aus der vorübergehend ersparten Steuer die Nachversteuerungsmehrbelastung kompensiert. Dazu bedarf es stets einer sorgfältigen Einzelfallprüfung, bei der auch Investitionsbedarf, Dauer des Thesaurierungszeitraums und die Tatsache, dass die Bescheide nach § 34a EStG nicht selten unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen (§ 164 AO), zu berücksichtigen sind (Wacker in: Schmidt, EStG-Kommentar, 34. Aufl., 2015, § 34a Rn 4 ff.).

So wurde die vom Gesetzgeber im Jahr 2008 neu geschaffene Möglichkeit der Thesaurierungsbegünstigung gerade in den ersten Jahren von der Literatur aus verschiedenen Gründen skeptisch gewürdigt und dem Steuerpflichtigen zu einem vorausschauenden Umgang mit der Thesaurierungsbegünstigung und zur Wachsamkeit aufgrund der Abkoppelung von Einkommensteuerfestsetzung und Nachversteuerungsfeststellungsbescheid geraten (vgl. Bäumer in: DStR 2007, 2089). Vor allem die hohe Komplexität und mögliche lange Planungszeiträume erzeugten große Unsicherheiten bei den Praktikern, die die derzeitige Gestaltung von § 34a EStG als unpraktikabel eingeschätzten (Brähler, Guttzeit, Scholz, StuW 2012, 119). Dass die erforderliche Prognose und Abwägung im entscheidungserheblichen Zeitraum bis zum Ende des Steuerberatungsmandats der Beklagten zu 1 allein zu dem Ergebnis führen konnte, dass ein Antrag auf Thesaurierungsbegünstigung zu stellen war, steht daher nicht zur Überzeugung des Gerichts fest.

2. Dem somit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger ist der Beweis dafür, dass er bei entsprechender Beratung durch die Beklagte zu 1 einen Antrag auf Thesaurierungsbegünstigung gestellt hätte, nicht gelungen. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger bei zutreffender Beratung durch die Beklagte zu 1, den Antrag auf Thesaurierungsbegünstigung gestellt hätte.

Zwar hat der Kläger, persönlich gehört, in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2015 (vgl. Bl. 601 d.A.) erklärt, dass er, wenn er für den Veranlagungszeitraum 2008 auf die Möglichkeit eines Antrags auf Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG hingewiesen worden wäre, hiervon Gebrauch gemacht hätte, da er seine Gewinne stets weit überwiegend im Unternehmen belassen habe. Wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, diese Gewinne zu einem niedrigeren Steuersatz zu versteuern, hätte er hiervon Gebrauch gemacht.

Indes spricht das weitere Verhalten des Klägers gegen die Annahme, dass er, wäre er von der Beklagten zu 1 entsprechend beraten worden, den Antrag auf Thesaurierungsbegünstigung gestellt hätte. So hat der Kläger, anwaltlich und steuerlich beraten durch seine derzeitigen Prozessbevollmächtigten, trotz der unstreitig noch bestehenden Möglichkeit der Antragstellung für die Jahre 2009- 2012 auch nach Erhebung der Klage hiervon zunächst keinen Gebrauch gemacht, obwohl er bereits Mitte des Jahres 2012 durch seinen derzeitigen Steuerberater auf die Möglichkeit der Antragstellung hingewiesen worden war (vgl. Bl. 951 d.A.). Dies begründete der Kläger damit, es sei vor der Entscheidung über die Antragstellung der Abschluss der Betriebsprüfung abzuwarten, damit die Besteuerungsgrundlagen endgültig feststehen (Bl. 194 d.A.). Diese Begründung vermag indessen nicht zu überzeugen, da die Antragstellung während des laufenden Rechtstreits zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt nach dem 13.10.2014 (vgl. Bl. 263 d.A.) nachgeholt wurde, obwohl auch zu diesem Zeitpunkt nach dem klägerischen Vorbringen die Besteuerungsgrundlagen für die betroffenen Zeiträume nur teilweise festgestellt waren und im Übrigen "noch durch steuerliche Betriebsprüfung ermittelt" wurden (vgl. Bl. 263 d.A.).

Auch für das Jahr 2008 stellte der Kläger den Antrag erst am 18.06.2015, nachdem der Einkommensteuerbescheid des Klägers für das Jahr 2008 am 17.06.2015 erneut aufgrund geringfügiger Änderungen der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb geändert wurde und nachdem die Kammer auf die Kausalitätsproblematik im Beschluss vom 23.02.2015 (Bl. 604 d.A.) hingewiesen hatte. Vorherige Änderungen des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2008 nahm der Kläger indes nicht zum Anlass, den Antrag auf Thesaurierungsbegünstigung zu stellen, obwohl er Kenntnis von der Möglichkeit der Antragstellung nach § 34a EStG hatte.

Obwohl die Beklagten in ihrer Klageerwiderung vom 24.06.2014 auf die Möglichkeit der Antragstellung bis zur Bestandskraft auch des jeweiligen geänderten Einkommensteuerbescheids hingewiesen hatten, nahm der Kläger dies nicht zum Anlass noch im Juli 2014, während der laufenden Klagefrist gegen die Einspruchsentscheidung vom 16.06.2014 über den Einspruch gegen die Änderungen des Einkommensteuerbescheids vom 28.11.2013 und 21.02.2014 einen entsprechenden Antrag zu stellen.

Dies erscheint zwar angesichts der von ihm vertretenen Auffassung, eine Antragstellung sei zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Anfechtungsbeschränkung des § 351 AO nicht mehr möglich gewesen, konsequent. Angesichts der Tatsache, dass diese Rechtsfrage äußerst streitig ist - wobei das FG Düsseldorf (Urteil vom 19.11.2013, 13 K 3624/11 E ) erstinstanzlich die der Antragstellung nach § 34a EStG vergleichbare Antragstellung nach § 34 EStG nicht für nach § 351 AO ausgeschlossen hält und eine höchstrichterliche Klärung noch aussteht - und angesichts der bei erfolgreicher Antragstellung erwarteten steuerlichen Erstattung in Millionenhöhe erscheint das Verhalten dennoch nicht nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, als sich die kostenlose Einspruchs- und Antragsmöglichkeit für den Kläger möglichweise als Weg größtmöglicher Sicherheit darstellte.

Eine Erklärung für die späte Antragstellung hatte der Kläger, in der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2015 nicht. Auch die schriftsätzlich vorgetragene Begründung, es habe zunächst die Betriebsprüfung abgewartet werden sollen, überzeugt nicht. Zum einen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Betriebsprüfung eine signifikante Änderung der Besteuerungsgrundlagen erwarten ließ und zum anderen wurde der Antrag für die Jahre 2009 bis 2012 zu einem Zeitpunkt gestellt, als die entsprechenden Betriebsprüfungen nach dem Klägervortrag noch nicht abgeschlossen waren. Die späte Antragstellung des Klägers deutet vor diesem Hintergrund eher auf prozesstaktische Erwägungen hin.

III. Angesichts dieses Ergebnisses kam die durch die Klägerseite beantragte Aussetzung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den im Juni 2015 gestellten Antrag auf Thesaurierungsbegünstigung nicht in Betracht. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist von der Entscheidung über den Antrag nach § 34a EStG unabhängig.

C. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 91, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.