LG Köln, Urteil vom 17.12.2015 - 22 O 274/15
Fundstelle
openJur 2016, 3096
  • Rkr:
Tenor

1.

Es wird festgestellt, dass der Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer ...#1/02 durch den Widerruf der Kläger vom 03.02.2015 beendet worden und rückabzuwickeln ist;

2.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu 1) von der Forderung der Prozessbevollmächtigten auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.723,67 € nebst 5 % Zinsen hieraus über den Basiszinssatz seit Klagezustellung (24.07.2015) freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Kläger und die Beklagte, einen Lebensversicherung, schlossen am 31.08.2010 einen Darlehensvertrag über nominal 130.000,00 € zur Finanzierung einer Immobilie. Aufgrund des Beleihungswertes wurde das Darlehen in einen erstrangigen Darlehensteilbetrag von 108.000,00 € (Darlehen Nr. ...#2) und einen nachrangigen Darlehensteilbetrag von 22.000 € (Darlehen Nr. ...#2) aufgeteilt. Aufgrund der bei Darlehensvertragsabschluss maßgeblichen Darlehenskonditionen ergab gem. Ziffer 1.4 des Vertrages eine voraussichtliche Darlehensgesamtlaufzeit von ca. 16 Jahren.

Mit Telefax vom 03.02.2015 widerriefen die Kläger gegenüber der Beklagten ihre auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen.

Die Beklage wies den Widerruf mit Anwaltsschreiben zurück unter Hinweis darauf, dass dieser verfristet sei. Durch Rechtsanwaltsschreiben vom 03.03.2015 widersprachen die Kläger, die rechtsschutzversichert sind, dieser Rechtsauffassung.

Die Widerrufsbelehrung findet sich mit einem Rahmen versehen und aufgeteilt auf den S. 8 und 9 der Ausfertigung des Darlehensvertrages für den Kunden (Anlage K1) unter Ziffer 25.

Sie lautet:

"25. Widerrufsinformation

Widerrufsrecht

Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrages, Angabe der für den Darlehensgeber zuständig Aufsichtsbehörde) erhalten hat. Der Darlehensnehmer hat alle Pflichtangaben erhalten, wenn sie in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung seines Antrages oder in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für den Darlehensnehmer bestimmten Abschrift seines Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und dem Darlehensnehmer eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben kann der Darlehensnehmer nachträglich in Textform informiert werden; die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Der Darlehensnehmer ist mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:

T Lebensversicherung AG, U-Straße,...#T V

Telefax ...#, E-Mail ...@.../...de

Widerrufsfolgen

Der Darlehensnehmer hat innerhalb von 30 Tagen das Darlehen, soweit es bereits ausbezahlt wurde, zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag i.H.v. 13,04 Euro zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde. Wenn der Darlehensnehmer nachweist, dass der Wert seines Gebrauchsvorteils niedriger war als der Vertragszins, muss er nur den niedrigen Beitrag zahlen. Dies kann z.B. in Betracht kommen, wenn der marktübliche Zins geringer war als der Vertragszins.

Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber auch die Aufwendungen zu ersetzen, die der Darlehensgeber gegenüber öffentlichen Stellen erbracht hat und nicht zurückverlangen kann."

Für weiteren Inhalt des Darlehensvertrages wird auf die Anlage 1 beider Parteien verwiesen.

Die Kläger sind der Auffassung, die Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, da Widerrufsbelehrung inhaltlich falsch, verwirrend und auch nicht deutlich hervorgehoben sei. Die Widerrufsbelehrung verlange für den Fristbeginn die Angabe der für den Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde, wobei im zweiten Satz zum Fristbeginn der Hinweis enthalten sei, dass die Widerrufsfrist erst dann zu laufen beginne, wenn die Pflichtangabe in der Vertragsurkunde genannt sei. In dem vorliegenden Darlehensvertrag sei in den maßgeblichen Ziffern 1-30 die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ausdrücklich jedoch nicht genannt. Der Hinweis auf die zuständige Aufsichtsbehörde in der dem Darlehensvertrag beigefügten Anlage "Europäisches standardisiertes Merkblatt" führe nicht zu einem anderen Ergebnis, da es sich hier um eine vorvertragliche Informationspflicht handele.

Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung entspreche ihrem Wortlaut nach auch nicht in jeder Hinsicht dem der Musterbelehrung der Anl. 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB. Auch entspreche sie nicht den formalen Anforderungen, da sie nicht deutlich im Vertragstext hervorgehoben sei, sondern in diesem untergehe.

Die Kläger sind der Auffassung, dass es gerechtfertigt gewesen sei dass sie im vorgerichtlichen Verfahren anwaltliche Beratung gesucht hätten, nachdem ihnen durch die Beklagte mittels Rechtsanwaltsschreiben ein Anerkenntnis ihres Widerrufsrechts verwehrt worden sei.

Die Kläger beantragen,

1. festzustellen, dass der Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer ...#1/02 durch den Widerruf der Kläger vom 03.02.2015 beendet worden und rückabzuwickeln ist;

2. die Beklagte wird verurteilen, an den Kläger eine Nebenforderung In Höhe von € 2.723,67 nebst 5 % Zinsen hieraus über den Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln unter Hinweis auf den Sitz der Beklagten in V und Z. 22 des Darlehensvertrages, in dem geregelt ist: "Erfüllungsort ist V".

Sie ist der Auffassung, die Klage auf Feststellung sei unzulässig, weil die Kläger den Vorrang der Leistungsklage missachtet hätten.

Auch sei es unzutreffend, dass die Kläger unzureichend belehrt worden seien. Die Kläger hätten alle Pflichtangaben gemäß § 4 92 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 2 47 § 9 EBGB erhalten, die Aufführung weiterer Angaben sei unerheblich, da sich diese nicht zum Nachteil der Kläger auswirkten. Der Gesetzgeber weise im übrigen selbst darauf hin, dass der Darlehensgeber auch bei einem im Mobiliardarlehen die Anl. 5 zum EGBGB verwenden könne. Diese Anlage führe in Z. 8 sind unter anderem auch die zuständige Aufsichtsbehörde auf. Das dem Vertrag als Anlage beigefügte Europäische standardisiertes Merkblatt, welches die Aufsichtsbehörde benenne, sei gemäß Z. 28 des Darlehensvertrages Vertragsbestandteil geworden. Die Kläger hätten mit ihrer Unterschrift auf Seite 11 des Vertrages auch den Erhalt der Merkblattes bestätigt.

Die Beklagte behauptet, die Kläger seien hinsichtlich ihres Widerrufsrechts auch keines Irrtums unterlegen, den Klägern gehe es bei ihrem Widerruf nicht um den Übereilungsschutz, sondern allein um die Ausnutzung wirtschaftlicher Vorteile infolge der gesunkenen Zinssätze. Sie meint, durch den Abruf des Darlehens hätten die Kläger auch zu verstehen gegeben, dass ihnen bekannt sei, dass die Widerrufsfrist abgelaufen sei. Insofern nimmt die Beklagte Bezug auf Z. 3 des Darlehensvertrages

Die Beklagte bestreitet Grund und Höhe der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, sowie wie deren tatsächliche Bezahlung mit Nichtwissen. Die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwaltes sei weder angemessen noch erforderlich gewesen.

Für die weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der Sitzung vom 19.11.2015 verwiesen.

Gründe

I.

Der Klageantrag zu 1) ist zulässig und begründet.

1.

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln ergibt sich aus § 29 ZPO.

Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 29 Abs. 1 ZPO erfasst auch Feststellungsklagen in Zusammenhang mit dem Widerruf von Vertragsverhältnissen. Teilweise wird wegen der Rückabwicklung der beiderseitigen Pflichten davon ausgegangen, dass ein Wahlrecht des Klägers besteht, ob am Erfüllungsort der einen oder der anderen Verpflichtung geklagt wird (vgl. Zöller- Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. § 29 Rn. 24). Nach anderer Ansicht ist der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nur nach der Verpflichtung der Klägers zu bestimmen wie bei einer negativen Feststellungsklage (vgl. Zöller- Vollkommer § 29 Rn. 17). Beim Darlehensvertrag ist Erfüllungsort für die Verpflichtung des Darlehensnehmer dessen Wohnsitz (§ § 269, 270 Abs. 1,4 BGB), also hier die Stadt Hürth im Landgerichtsbezirk des LG Köln. Die im Vertrag vorgesehene Festlegung des Erfüllungsortes auf V steht dem nicht entgegen, denn gemäß § 29 Abs. 2 ZPO ist eine derartige Klausel nur dann wirksam, wenn die Vertragsparteien Kaufleute sind. Dies ist bei den Klägern aber nicht der Fall.

2.

Der Feststellungsantrag ist zulässig nach § 256 ZPO. Ein Feststellungsinteresse ist dem Kläger nicht abzusprechen. Zwar kann von einem Kläger in der Regel erwartet werden, dass er einen bereits fälligen Anspruch mit einer Leistungsklage verfolgt, da dies einer endgültigen Erledigung des Rechtsstreits dient (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 256 ZPO Rn. 7a). Dieser Vorrang der Leistungsklage gilt jedoch dann nicht, wenn ein Zahlungsanspruch mit unverhältnismäßigem Aufwand oder nur unter Hinzuziehung von Sachverständigen berechnet werden kann (BGH, Urt. v. 21.1.2000 - V ZR 387/98, NJW 2000, 1256; OLG Bremen, Urt. v. 11.11.1998 - 5 U 48/97, OLGR Bremen 1999, 101). Dies trifft für die wechselseitigen Ansprüche nach Widerruf des Darlehens zu, weil die zutreffende Berechnung der geschuldeten Zinsen und Nutzungsentschädigungen für den Kläger als Bankkunden kaum möglich ist. Darüber hinaus ist dem Kläger ein Feststellungsinteresse auch deshalb nicht abzusprechen, weil nach dem Widerruf des Darlehensvertrags aus Sicht des Klägers ein Negativsaldo verbleibt. Der Kläger kann daher die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die von ihm ausgesprochene Widerrufserklärung rechtlich wirksam ist, nicht mit einer Leistungsklage einer gerichtlichen Prüfung zuführen (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 26. Januar 2015 - 325 O 299/14 -, Rn. 16, juris).

3.

Den Klägern steht im Hinblick die streitgegenständlichen Darlehensverträge ein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 BGB zu. Die Frist zur Erklärung des Widerrufs war bis zu dessen Absendung durch den Kläger nicht abgelaufen.

Nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung (im Folgenden: BGB a.F.) begann die Widerrufsfrist mit dem Zeitpunkt, zu welchem dem Verbraucher eine Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist. Die Widerrufsbelehrung musste umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher sollte dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren (BGH, Urt. v. 13.1.2009 - XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709; OLG Hamm, Beschluss v. 25.8.2014 - 31 U 79/14, juris).

a)

Die Beklagte kann sich zur Erfüllung dieser Pflicht nicht auf die Fiktion der Gesetzlichkeit der Angaben nach Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F. berufen.

Die Gesetzlichkeitsfiktion greift gem. Art 247 § 6 Abs. 2 Satz 2 nur, wenn der Darlehensgeber in hervorgehobener und deutlicher Form in dem Darlehensvertrag eine Vertragsklausel verwendet, die dem Muster der Anlage 6 zu Art. 247 § 6 EGBGB a.F. entspricht.

Vorliegend kann dahinstehen, ob den Anforderungen an die Hervorhebung und Deutlichkeit durch das Einrahmen der Klausel Genüge getan wird, denn jedenfalls entspricht der Text der Klausel inhaltlich nicht vollständig dem genannten Muster. Ziffer 26 weicht hinsichtlich der Beispiele zu den Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB vom Muster ab.

Während es im Muster heißt: Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat [2]. (Anlage 6 BGBEG in der Fassung ab 30.7.2010), heißt es im Text der Beklagten "Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrages, Angabe der für den Darlehensgeber zuständig Aufsichtsbehörde) erhalten hat."

Unabhängig vom Umfang der Abweichung bei einer textlichen Bearbeitung durch den Darlehensgeber entfällt damit die Gesetzlichkeitsfiktion, da sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2011, XI ZR 349/10, Rn. 39, juris).

b)

Die konkrete Widerrufsbelehrung war ebenfalls nicht geeignet, die Widerrufsfrist in Gang zu setzen.

Nach §§ 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 BGB, 355 Abs. 3 BGB a.F. beginnt die Frist, wenn der Verbraucher die Pflichtangaben zum Widerrufsrecht nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBG a.F., die weiteren Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6-13 EGBGB a.F. und eine Vertragsurkunde, seinen schriftlichen Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags (§§ 355 Abs. 2 S. 3, 492 Abs. 1 BGB a.F.) erhalten hat.

Zu den Pflichtangaben zum Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6-13 EGBGB a.F. gehört gem. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB a.F. die Angabe der für den Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde. Ob diese Angabe auch für Immobiliardarlehensverträge zwingend ist, könnte nach dem Wortlaut Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 EGBGB a.F. fraglich, sein, da hier nur bestimmte Angaben als "zwingend" genannt werden. Vorliegend handelt es sich um einen Immobiliardarlehensvertrag im Sinne des § 503 BGB, da die Zurverfügungstellung des Darlehens von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht wird (vgl. Ziffer 3 des Vertrages). Allerdings erwähnt die Beklagte diese Pflichtangabe in ihrer Widerrufsbelehrung ausdrücklich als Voraussetzung für den Beginn der Frist, so dass sie sich für den Beginn der Widerrufsfrist auch hieran festhalten lassen muss. Sie kann nicht von einem Fristbeginn ausgehen, wenn sie die von ihr selbst angegebenen Voraussetzungen für den Fristbeginn nicht erfüllt. Dies widerspräche dem Gebot der Klarheit der Widerrufsbelehrung in Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBG a.F. Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung, der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Geht man somit davon aus, dass die Pflichtangabe der Aufsichtsbehörde für den Fristbeginn im konkreten Fall erforderlich war, so war die Frist mangels Angabe der Aufsichtsbehörde noch nicht in Gang gesetzt. Aus der Belehrung der Beklagten ergibt sich, wann der Darlehensnehmer die Pflichtangabe erhalten hat:

"Der Darlehensnehmer hat alle Pflichtangaben erhalten, wenn sie in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung seines Antrages oder in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für den Darlehensnehmer bestimmten Abschrift seines Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und dem Darlehensnehmer eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben kann der Darlehensnehmer nachträglich in Textform informiert werden; die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Der Darlehensnehmer ist mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen."

Diese eigenen Anforderungen hat die Beklagte hinsichtlich der Angabe der Aufsichtsbehörde nicht erfüllt. Die Aufsichtsbehörde wird in der Vertragsurkunde, dort in den Ziffer 1 bis Ziffer 32, nicht angegeben. Zwar heißt es in dem Vertrag unter Ziffer 28. Anlage: "Europäisches Standardisiertes Merkblatt" und "Tilgungsplan": "Dem Darlehensvertrag sind als Anlage das "Europäische Standardisierte Merkblatt" sowie ein "Tilgungsplan" beigeheftet" und aus dem - auch unstreitig beigehefteten- Merkblatt ergibt sich die Aufsichtsbehörde, dort auf S. 5. Dass diese Anlage jedoch zum Inhalt der Vertragsurkunde des nach § 494 BGB formbedürftigen Darlehensvertrages gehören soll, wie dies in der Belehrung gefordert wird, ist für den Verbraucher nicht klar und eindeutig. Zwar ist grundsätzlich auch eine Ergänzung des Urkundeninhalts durch andere Schriftstücke gestattet, soweit die Haupturkunde auf die ergänzende Urkunde Bezug nimmt und beide Schriftstücke durch körperliche Verbindung zu einer Urkunde zusammengefügt werden, wenn die Zusammenfassung der Urkunde dabei erkennbar dem Willen der Beteiligten entspricht (Staudinger/Sibylle Kessal-Wulf (2012) BGB § 492, Rn. 13). Zweifel daran, dass "Europäisches Standardisiertes Merkblatt" trotz Beiheftung zum Vertragsbestandteil werden sollte, begründet hier allerdings Ziffer 31 des Vertrages, den die Beklagte als Anlage 1 vorgelegt hat, in der es heißt:

"31. Empfangsbestätigung für erhaltene Unterlagen und Informationen

Vor Unterzeichnung des Darlehensvertrages wurde mir die vorvertragliche Information überlassen und mir ausreichend Zeit zum Lesen und Verstehen der Inhalte gegeben. Sofern einzelne Fragen bestanden, wurden mir diese individuell erläutert.

Das Europäische Standardisiertes Merkblatt inklusive der zusätzlichen Informationen im Fernabsatzgeschäft habe ich vollständig zusammen mit diesem Darlehensvertrag erhalten."

Der Wortlaut dieser Klausel, insbesondere auch die Formulierung "zusammen mit diesem Darlehensvertrag" spricht dafür, dass es sich bei dem Merkblatt lediglich um eine außerhalb des eigentlichen Darlehensvertrages liegende zusätzliche Informationsunterlage handelt. Diese fehlende Eindeutigkeit zur Frage, ob das Merkblatt - und damit die für den Beginn der Widerrufsfrist erforderliche Angabe der Aufsichtsbehörde- Inhalt der Vertragsurkunde geworden ist, muss zu Lasten der Beklagten gehen.

c)

Auch durch die Anforderung des Darlehensbetrages haben die Kläger nicht bestätigt, dass ihnen ein Widerruf nicht mehr zusteht.

Zwar bestimmt Ziffer 3 des Vertrages:

"3. Auszahlung und Auszahlungsvoraussetzungen

Der Darlehensgeber zahlt das Darlehen - nach Ablauf der Widerrufsfrist falls kein Widerruf erfolgt ist (vgl. Ziffer 25.) - auf schriftlichen Abruf aus."

Diese Klausel lässt sich jedoch nicht der Erklärungswert entnehmen, dass der Darlehensnehmer durch Abruf des Darlehens auf ein ihm zustehendes Widerrufsrecht verzichten will.

d)

Die Kläger haben ihr Recht zur Ausübung des Widerrufs auch nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH, Urt. vom 23.1.2014 - VII ZR 177/13, NJW 2014, 1230). Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte und auch nicht von der Möglichkeit einer Nachbelehrung Gebrauch machte (vgl. BGH, Urt. v. 7.5.2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101; OLG Hamm, Beschluss v. 25.8.2014 - 31 U 74/14, juris; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 242 BGB Rn. 107).

Ob und gegebenenfalls unter welchem Umständen die beidseitige Erfüllung aller Vertragspflichten ein Vertrauen begründen kann, dass die Gegenseite nicht mehr von einem Widerrufsrecht Gebrauch machen werde (so OLG Köln, Urt. v. 25.1.2012 - 13 U 30/11, WM 2012, 1532; KG, Urt. v. 16.8.2012 - 8 U 101/12, GuT 2013, 213; OLG Köln, Urt. v. 25.1.2012 - 13 U 30/11, WM 2012, 1532) kann dahinstehen, denn zum Zeitpunkt des Widerrufs durch den Kläger waren die Pflichten der Parteien aus dem Darlehensvertrag noch nicht erfüllt.

Der Widerruf verstößt auch nicht deshalb gegen Treu und Glauben, weil die Kläger von günstigeren Zinskonditionen profitieren wollen. Die Verbraucherwiderrufsrecht bestehen ungeachtet der Motive des Verbrauchers, sich von der eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu lösen. Deshalb kann es keinen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen, wenn ein Verbraucher, in der Absicht nunmehr einen wirtschaftlich günstigeren Vertrag abschließen zu können, einen früheren Vertrag widerruft. Bei Ausübung seines Widerrufsrechts innerhalb der Widerrufsfrist hat der Darlehensnehmer weder ein schutzwürdiges Interesse nachzuweisen, noch darzulegen, aus welchen Gründen er sein Widerrufsrecht ausübt, § 355 Abs.1 S. 4 BGB. Dieses Recht muss ihm auch dann zustehen, wenn er sein Widerrufsrecht mangels eines Fristablaufs zu einem späteren Zeitpunkt ausübt. Würde sich die Beklagte auf eine Treuwidrigkeit der Ausübung des durch ihr Verhalten ausgelösten unbefristeten Widerrufsrechts berufen können, würde die Klägerin im Ergebnis so gestellt werden, als sei die Widerrufsbelehrung wirksam gewesen und ein Widerrufsrecht nicht (mehr) gegeben. So würde die Belehrung gerade jene Wirkung ausüben, die ihr von Rechts wegen versagt ist und der bezweckte Verbraucherschutz hierdurch unterlaufen werden (vgl. hierzu: BGH Urteil v. 15.05.2014, Az. III ZR 368/13).

II. Auch der Klageantrag zu 2) hat im Wesentlichen Erfolg. Die Kläger können allerdings statt Zahlung nur Freistellung verlangen, der weitergehende Antrag war abzuweisen.

Der Anspruch der Kläger folgt aus §§ 286, 257 BGB.

Bei Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerseite befand sich die Beklagte bereits im Verzug. Die Kläger habe in ihrem Widerruf eine Frist bis zum 20.02.2015 zur Bestätigung des Widerrufs gesetzt. Ein Verschulden der Beklagten am Verzug wird vermutet, § 286 Abs. 4 BGB.

Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes durch die Kläger war auch erforderlich. Unerheblich ist, dass die Beklagte die Ansprüche der Klägerseite vorgerichtlich bereits abgelehnt hatte. Denn die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten durch die Klägerin aus exante-Sicht zweckmäßig und nicht schlechterdings aussichtslos, da nach allgemeinen Erfahrungssätzen die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts auch dann erfolgversprechend sein kann, wenn die Gegenseite geltend gemachte Ansprüche bereits abgelehnt hatte.

Der Geltendmachung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten steht auch nicht entgegen, dass die Kläger rechtschutzversichert sind, denn es ergibt sich nicht, dass die Rechtschutzversicherung bereits die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bezahlt hat. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geht erst nach Zahlung durch die Rechtschutzversicherung gem. § 86 VVG auf diese über. Da auch nicht dargetan ist, dass der Kläger den Betrag gezahlt hat, war als Minus die Befreiung von der Verbindlichkeit gem. § 257 BGB zu titulieren.

Die Höhe der Rechtsanwaltskosten beurteilt sich nach dem Streitwert der hier zugesprochenen Klage. Für den Feststellungsantrag bei Darlehenswiderruf errechnet sich der Streitwert danach nach dem noch offenen Nettodarlehensbetrag abzüglich 20 % Feststellungsabschlag (gem. OLG Köln Beschluss vom 18.11.2014 13 W 50/14). Nach den Klägerangaben im Schriftsatz vom 29.7.2015 beträgt dieser 103.000 €, abzüglich 20 % ergibt sich damit ein Streitwert bis 82.000 €. Die Klägervertreter errechnen die geforderten vorgerichtlichen Gebühren zwar nach einem Geschäftswert von 94.090,10 €, aufgrund der Staffelung der Gegenstandswerte nach RVG von bis 80.000 € und dann bis 95.000 € als nächster Stufe wirkt sich dieser Unterschied aber nicht aus.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, 709 ZPO.

Streitwert: bis 82.000 €