VG Köln, Urteil vom 09.07.2015 - 16 K 4377/14.A
Fundstelle
openJur 2016, 3023
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Kläger.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist am 00. Juli 0000 in Ansali/Iran geboren und iranischer Staatsangehöriger mit persischer Volkszugehörigkeit. Er ist ledig und hat keine Kinder.

Der Kläger beantragte bereits Anfang 2012 die Anerkennung als Asylberechtigter. Der Antrag wurde mit Bescheid der Beklagten vom 12. März 2012 abgelehnt; die hiergegen erhobene Klage blieb mit Urteil der angerufenen Kammer vom 15. Juli 2013 erfolglos (vgl. Verfahren zum Aktenzeichen 16 K 2280/12.A). Auch der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2013 - 13 A 2041/13.A).

Am 15. Juli 2014 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag. Zur Begründung verwies er eine mittlerweile vorliegende Bescheinigung über die Zugehörigkeit des Klägers zur Evangelischen Freikirche L. -P. vom 15. Mai 2014. Getauft worden sei der Klägerin bereits am 4. Juni 2012 in der Evangelischen Kirchengemeinde F. in L. . Er sei gläubiger Christ und sehr engagiert im Gemeindeleben.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge - im Folgenden: Bundesamt - vom 22. Juli 2014, dem Kläger nach eigenen Angaben zugestellt am 28. Juli 2014, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 12. März 2012 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 Aufenthaltsgesetz - AufenthG ab.

Der Kläger hat am 11. August 2014 Klage erhoben. Sein zugleich eingelegtes Eilrechtsschutzbegehren blieb ohne Erfolg (vgl. Az. 16 L 1500/14.A). Zur Begründung seiner Klage verweist der Kläger auf neue Gründe, aus denen sich die Möglichkeit einer positiven Sachentscheidung ergebe. Der Kläger habe neue Unterlagen vorgelegt, so dass hätte geprüft werden müssen, ob diese eine religiöse Verfolgung auslösten. Gerade die Frage der Konversion sei zudem in den früheren Gerichtsentscheidungen nicht abschließend entschieden worden. Nunmehr könne der Kläger belegen, dass seine Konversion nicht asyltaktisch motiviert war. Jedenfalls müsse ein weiteres Asylverfahren durchgeführt werden, da die Gesinnung des Klägers - eine frühere asyltaktische Motivation unterstellt - nun tatsächlich echt sei. Dem Kläger drohe daher bei einer Abschiebung in den Iran das Todesurteil. Er bezieht sich des Weiteren auf Bescheinigungen des Pastors Shahram Adimi der Evangelischen Freikirche L. e.V. (L. -P. ) vom 1. Juli 2015 sowie des Pfarrers E. .-Q. . L1. -I. J. der Evangelischen Kirchengemeinde F. vom 24. Juni 2015.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Juli 2014 zu verpflichten,

1. den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen,

2. festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG - (Flüchtlingseigenschaft) vorliegen,

hilfsweise

3. unter Abänderung des Bescheids vom 12. März 2012 festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylVfG (subsidiärer Schutz) vorliegen,

hilfsweise

4. unter Abänderung des Bescheids vom 12. März 2012 festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid.

Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung informatorisch persönlich angehört. Wegen der Ergebnisse wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens, des Verfahrens mit dem Az. 16 L 1500/14.A und des Verfahrens mit dem Az. 16 K 2280/12.A sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Entscheidung ergeht durch den gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG zuständigen Einzelrichter trotz des Ausbleibens der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung, da diese in der ordnungsgemäßen Ladung darauf hingewiesen wurde, dass gemäß § 102 Abs. 2 VwGO beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weder einen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG noch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Zuerkennung gemeinschaftsrechtlichen subsidiären Schutzes gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylVfG sowie auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 51 VwVfG. Der Bescheid des Bundesamts vom 22. Juli 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

1.

Wird - wie hier - nach Abschluss eines Asylverfahrens ein erneuter Asylantrag gestellt, so ist ein weiteres Asylverfahren gemäß § 71 Abs. 1 AsylVfG nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn (1.) sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat, (2.) neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden oder (3.) Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung - ZPO gegeben sind. Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund

für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens dürften nicht erfüllt sein. Der Kläger berief sich bei der Begründung seines Asylantrags sowohl auf eine Änderung der Sachlage (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) durch den nunmehr eingetretenen Glaubenswechsel als auch auf neue Beweismittel (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) durch Vorlage einer Bescheinigung über die Zugehörigkeit des Klägers zur Evangelischen Freikirche L. -P. vom 15. Mai 2014. Auf die Prüfung dieser Wiederaufgreifensgründe ist das Gericht beschränkt. Denn weder das Bundesamt noch die Verwaltungsgerichte sind befugt, ihrer Entscheidung über die Wiederaufnahme andere als vom Antragsteller geltend gemachte Gründe zugrunde zu legen.

BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 10 C 13.09, BVerwGE 138, 289 Rn. 28 = NVwZ 2011, 629.

Bei der im Asylantragsverfahren vorlegten Bescheinigung vom 15. Mai 2014 handelt es sich nicht um ein taugliches neues Beweismittel. Die auf die äußeren Umstände des Gemeindelebens des Klägers in der Evangelischen Freikirche L. -P. bezogene Bescheinigung vermag zwar Anhaltspunkte und Indizien darzulegen, dass sich der Kläger persönlich in der Gemeinde engagiert und seine Glaubensüberzeugung durch den Besuch von Kursen zu vertiefen sucht. Damit ist jedoch noch kein Beweis für die inneren Beweggründe des Klägers für den geltend gemachten Glaubenswechsel dargetan. Dies jedoch war Kern des Urteils der Kammer vom 15. Juli 2013, mit dem das Gericht die Berufung auf die Konversion als nicht überzeugend zurückgewiesen hat.

Vgl. VG L. , Urteil vom 15. Juli 2013 - 16 K 2280/12.A; OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2013 - 13 A 2041/13.A.

Allein eine derartige Bescheinigung kann die innere Glaubensüberzeugung nicht beweisen. Die innere Tatsache der ernsthaften, die Persönlichkeit des Asylbewerbers prägenden Glaubensüberzeugung ist vielmehr durch eine persönliche Anhörung des Asylbewerbers im Wege der "informatorischen Befragung" (§ 103 Abs. 3, § 104 Abs. 1 VwGO) zu überprüfen. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an, so dass seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung maßgebliche Bedeutung zuzumessen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 10 C 13.09, BVerwGE 138, 289 Rn. 19 = NVwZ 2011, 629.

Auch eine nachträgliche Änderung der Sachlage dürfte nicht eingetreten sein. Der Kläger führt insoweit aus, dass jedenfalls mittlerweile, d.h. nach Abschluss des Asylerstverfahrens, ein ernsthafter Glaubenswechsel zu bejahen sei. Zwar kann eine Änderung der Sachlage vorliegen, wenn eine sog. innere Tatsache hinzutritt, die im Ausgangsverfahren noch nicht existierte. Dazu kann auch die Glaubensüberzeugung zählen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 10 C 13.09, BVerwGE 138, 289 Rn. 19 = NVwZ 2011, 629.

Zu beachten ist hier, dass der Kläger sich in erster Linie darauf beruft, seit Juli 2013 regelmäßig die genannte Freikirche zu besuchen. Dies datiert somit noch vor rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens im Nachgang zum Asylerstantrag des Klägers. Im Raum steht danach nur ein Wechsel der Gemeinde, der die (frühere) Konversionsentscheidung zum evangelischen Christentum unberührt lässt. Nur soweit man das Begehren des Klägers dahingehend versteht, dass sich seine Überzeugung auch danach weiter verfestigt und damit erstmals die Schwelle der wirklichen inneren Glaubensüberzeugung überschritten habe, erscheint offen, ob damit nicht doch eine asylrelevante Tatsachenänderung aufgezeigt ist. Dies wurde jedoch höchstgerichtlich in einer vergleichbaren Konstellation verneint;

vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 10 C 13.09, BVerwGE 138, 289 Rn. 28 = NVwZ 2011, 629.

Dann würde sich für den Kläger auch die weitere Frage stellen, ob er die Voraussetzungen der § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG eingehalten hat.

2.

Letztlich kann hier jedoch offen bleiben, ob die Voraussetzungen von § 71 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 VwVfG vorliegen. Denn auch einen Anspruch auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens unterstellt hat der angefochtene Bescheid im Ergebnis deshalb - selbstständig entscheidungstragend - Bestand, weil der Kläger jedenfalls in der Sache,

vgl. zur Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Streitsache BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97, BVerwGE 106, 171 = NVwZ 1998, 861; OVG NRW, Beschluss vom 15. Juni 2015 - 13 A 220/15.A, juris-Rn. 9; VG L. , Urteil vom 13. März 2014 - 16 K 5798/12.A, juris-Rn. 29,

keinen Anspruch auf die begehrten Feststellungen hat.

a.

Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG noch ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 1 AsylVfG zu. Nach Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch Verfolgter im Sinne der genannten Vorschrift ist, wer durch seinen Heimatstaat gezielte Rechtsverletzungen erleidet, die allein an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an unverfügbare, sein Anderssein prägende Merkmale anknüpfen und ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen.

BVerfG, Beschlüsse vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a., BVerfGE 80, 315 = NVwZ 1990, 151, und 20. Dezember 1989 - 2 BvR 958/86, BVerfGE 81,142 = NVwZ 1990, 453.

Nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention - wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Weitere Einzelheiten zum Begriff der Verfolgung, den maßgeblichen Verfolgungsgründen sowie zu den in Betracht kommenden Verfolgungs- bzw. Schutzakteuren ergeben sich aus den Vorschriften der §§ 3a bis d AsylVfG.

Hinsichtlich der dabei stets notwendigen Verfolgungsprognose ist nach wie vor - weitgehend deckungsgleich mit den Anforderungen an die Verfolgungsprognose bei der Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG - darauf abzustellen, ob jemand in absehbarer Zeit mit gegen ihn gerichteten Maßnahmen ernsthaft rechnen muss;

vgl. BVerwG, Urteile vom 31. März 1981 - 9 C 237.80, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27, und vom 27. April 1982 - 9 C 308.81, BVerwGE 65, 250 = NVwZ 1983, 160.

Erfolgte die Ausreise wegen bestehender oder unmittelbar drohender Verfolgung, kann der internationale Schutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 1 AsylVfG ebenso wie der Schutz des Asylrechts grundsätzlich nur versagt werden, wenn im Rahmen der zu treffenden Prognose eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist. Bestand noch keine derartige Vorverfolgung, hängt die Schutzgewährung davon ab, ob bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände des Falles die befürchtete Verfolgung mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit droht;

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 u.a., BVerfGE 54, 341 (361 f.) = NJW 1980, 2641, und 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85 u.a., BVerfGE 83, 216 (230) = NVwZ 1991, 768; BVerwG, Urteile vom 18. Februar 1992 - 9 C 59.91, Buchholz 402.25 § 7 AsylVfG Nr. 1 = NVwZ 1992, 892, vom 3. November 1992 - 9 C 21.92, BVerwGE 91, 150 = NVwZ 1993, 486, und vom 5. Juli 1994 - 9 C 1.94, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfg Nr. 173 = NVwZ 1995, 391.

Anders als der Asylanspruch setzt der internationale Schutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 1 AsylVfG keinen Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus. Die Zuerkennung dieses Flüchtlingsschutzes erfordert bei selbstgeschaffenen Nachfluchtgründen keine Verknüpfung mit entsprechenden Betätigungen im Herkunftsland (§ 28 Abs. 1a AsylVfG);

vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 - 10 C 25.08, BVerwGE 135, 49 = NVwZ 2010, 383.

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter und für die Feststellung der Voraussetzungen internationalen Schutzes nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 1 AsylVfG für den Kläger nicht vor. Der Kläger konnte das Gericht nicht von der Ernsthaftigkeit seines Glaubenswechsels zum Christentum überzeugen.

Zwar ist nach heutiger Sach- und Rechtslage davon auszugehen, dass für einfache Konvertiten, die ihren neu angenommenen Glauben nach außen zeigen wollen, für den Fall einer Rückkehr in den Iran eine beachtliche Verfolgungsgefahr besteht.

Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 7. November 2012 - 13 A 1999/07.A, NVwZ-RR 2013, 575 (Ls.), und Beschluss vom 10. Februar 2015 - 13 A 2569/14.A.

Die Anerkennung als Asylberechtigter bzw. die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus setzt nach der insoweit inzwischen gefestigten Rechtsprechung auch der Kammer allerdings voraus, dass verlässlich festgestellt werden kann, dass die Konversion auf einem ernst gemeinten religiös motivierten Einstellungswandel und nicht lediglich auf bloßen Opportunitätsgründen beruht.

Vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 27. April 2015 - 13 A 440/15.A.

Nur dann kann nämlich davon ausgegangen werden, dass der schutzsuchende Ausländer bei einer Rückkehr in sein islamisches Heimatland von seiner neuen christlichen Glaubensüberzeugung nicht ablassen könnte und diese damit dort auch im öffentlichen Bereich praktizieren würde und deshalb in eine ihm nicht zumutbare ausweglose Lage geriete, auch wenn es keiner unausweichlichen Gewissensentscheidung bedarf.

Das Gericht hat bei der gebotenen freien richterlichen Beweiswürdigung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens,

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 7. November 1973 - VI C 5.73, BVerwGE 44, 152,

nicht die notwendige Überzeugung davon gewinnen können, dass der durch die Taufe bereits am 4. Juni 2012 formal vollzogene Glaubenswechsel des Klägers zum (evangelischen) Christentum in dem dargelegten Sinn Ausdruck einer echten religiösen Überzeugung ist, die ihn in seiner religiösen Identität geprägt hat, und er deshalb im Falle einer Rückkehr in den Iran seinen christlichen Glauben insbesondere auch durch den Besuch öffentlicher Gottesdienste leben wird.

Der Kläger hat bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung nicht überzeugend vermitteln können, welche persönlichen Beweggründe ihn zur Hinwendung zum Christentum veranlasst haben, noch welche Bedeutung und Auswirkung der neue Glauben für bzw. auf sein Leben hat. Das Gericht hat seinen Ausführungen unter Berücksichtigung des dabei gewonnenen persönlichen Eindrucks nicht mit der notwendigen Überzeugung entnehmen können, dass die formale Konversion eine religiöse, identitätsprägende Grundüberzeugung widerspiegelt. So hat der - wenigstens äußerlich - im muslimischen Glauben groß gewordene Kläger nicht etwa einen nachvollziehbaren inneren Prozess der Auseinandersetzung mit seinen Glaubensvorstellungen und der schlussendlichen Hinwendung zur christlichen Glaubenslehre dargetan, sondern sich als Grund für die Taufe lediglich allgemein und weitgehend inhaltsleer darauf bezogen, dass er sich von seinen Sünden befreien lassen wollte. Zu beachten ist, dass der Kläger selbst äußert, sich erst seit dem erstmaligen Betreten der Kirche in L. -P. als Christ zu betrachten. Erst dann, nämlich im Juli 2013, habe er die Liebe auch durch die anderen Christen gespürt. Daraus erhellt sich in keiner Weise, warum der Kläger dann bereits im Juni 2012 eine - nach seinem eigenen Vortrag - nicht religiös motivierte Taufe vollzogen hat. Hinsichtlich seiner Christwerdung im Rahmen des Besuchs der freikirchlichen Gemeinde in L. -P. beruft sich der Kläger vor allem auf die Vaterrolle, die Gott und Jesus nun einnehmen würden. Er habe seine Angst verloren, da er sich von Jesus geliebt wisse. Die damit von dem Kläger angeführten Gründe für eine Hinwendung zum Christentum geraten floskelhaft und plakativ. Zu seinen Glaubensinhalten befragt, kann der Kläger auch nur weitgehend oberflächlich auf die Grundsätze der Liebe und Vergebung verweisen. Sinngemäß fällt die Antwort des Klägers auf die Nachfrage des Gerichts aus, wie denn das Gemeindeleben in der genannten Freikirche aussehe und wie er seinen Glauben im Alltag lebe. Die Einlassungen des Klägers lassen insgesamt zwar auf ein Gefühl des Geborgenseins und der inneren Stabilität schließen, im engeren Sinne religiöse Motive für eine Teilnahme des Klägers am Gemeindeleben der Evangelischen Freikirche L. -P. im Sinne einer religiösen, identitätsprägenden Grundüberzeugung werden jedoch nicht erkennbar. Nicht zuletzt ist bei der anzustellenden Gesamtwürdigung aufgrund des persönlichen Eindrucks des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu konstatieren, dass auch die Antworten des Klägers bezogen auf konkrete Fragen zu Glaubensinhalten des Christentums keine hinreichende innere Hinwendung zur Glaubenslehre erkennen lassen. So konnte er zwar den Text des "Vater unser" inhaltlich im Wesentlichen richtig wiedergeben; gleichwohl sind die Kenntnisse des Klägers von der Bibel doch zu oberflächlich, um angesichts der - ihre Richtigkeit unterstellt - Tatsache, dass er seit 2013 und auch aktuell wieder mehrmonatige Glaubenskurse besucht und die Bibel studiert haben will, aus seinen Antworten und seinem dabei gegebenen persönlichen Eindruck eine echte innere Konversionsentscheidung zu folgern. So konnte er neben dem Evangelisten Johannes keine weiteren überlieferten biblischen Evangelien nennen. Auch konnte der Kläger das Pfingstereignis nicht zuordnen oder nähere Angaben zur Bedeutung von Simon Petrus machen. Die Äußerungen des Klägers blieben in der gesamten Anhörung eher unklar und wenig konkret. Für jemanden, der - die Richtigkeit seiner tatsächlichen Angaben unterstellt - jedenfalls seit Juli 2013 regelmäßig die Kirche besucht und mehrere mehrmonatige Glaubenskurse besucht haben will, ist diese Detailarmut ein hinreichendes Indiz, dass sich das Interesse des Klägers an der Teilnahme am freikirchlichen Gemeindeleben auf allgemein soziale Zwecke beschränkt, was zwar per se respektabel und gut nachvollziehbar, jedoch kein Ausweis der inneren Hinwendung gerade zur christlichen Glaubenswelt ist.

b.

Dem Kläger steht schließlich auch nicht der - hilfsweise - geltend gemachte Anspruch auf die Gewährung internationalen Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylVfG (subsidiärer Schutz) und auf die Feststellung nationaler Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Auf die vorstehenden Gründe wird insoweit Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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