VG Düsseldorf, Urteil vom 18.11.2015 - 14 K 4226/15
Fundstelle
openJur 2016, 3006
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Wiedererteilung der ihm entzogenen Fahrerlaubnis.

Dem am 0.0.1973 geborenen Kläger wurde vom Amtsgericht N. (Strafbefehl vom 20.01.2014, rechtskräftig seit 19.03.2014) wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung, § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB, zu eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40,00 Euro verurteilt. Zudem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, dem Kläger vor Ablauf von 13 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Nach den Feststellungen des Strafbefehls hatte der Kläger am 00.00.2013 in F. gegen 21.45 Uhr ein Fahrzeug im alkoholbedingt fahruntüchtigen Zustand geführt. Die Untersuchung der dem Kläger am 00.00.2013 gegen 22.50 Uhr entnommene Blutprobe habe eine Blutalkoholkonzentration von 1,55 Promille ergeben. Der Kläger habe einen Verkehrsunfall mit einem Fremdschaden in Höhe von 500,00 Euro verursacht und den Zeugen I. gefährdet.

Ausweislich des Polizeiprotokolls über den Vorfall am 00.00.2013 habe der Kläger angegeben, er habe am Tattag seit 16.00 ca. 200 ml Rum getrunken. Er fahre die kurze Strecke zwischen seiner Wohnanschrift und einer nahe gelegenen Bude nicht zum ersten Mal unter Alkoholeinfluss. Es sei jedoch bisher immer gut gegangen.

Aus dem ärztlichen Protokoll anlässlich der Blutentnahme ergibt sich, dass der Kläger einen schwankenden Gang gehabt habe, bei einer plötzlichen Kehrtwendung sei er unsicher gewesen. Sein Drehnstagmus sei grobschlächtig, seine Finger-Finger-Prüfung unsicher, seine Finger-Nasen-Prüfung sicher, seine Sprache verwaschen, seine Pupillen unauffällig, seine Pupillenlichtreaktion prompt und sein Bewusstsein klar gewesen sei. Sein Denkablauf sei geordnet, sein Verhalten beherrscht und seine Stimmung unauffällig gewesen. Der äußerliche Anschein des Einflusses von Alkohol sei deutlich gewesen.

Am 03.02.2015 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B. Daraufhin forderte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 07.04.2015 gemäß § 11 Nr. 2 e Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zur Vorlage eines medizinischpsychologischen Gutachtens bis zum 08.07.2015 auf. Der Promillewert, der bei dem Kläger festgestellt worden sei, zeige, dass er die Kontrolle über seinen Alkoholkonsum verloren habe. Auch sei davon auszugehen, dass es, komme es im Zusammenhang mit der Verkehrsteilnahme zu einem Kontrollverlust des Alkoholkonsums, ein Alkoholmissbrauch vorliegen würde. Angesichts der festgestellten BAK von 1,55 Promille seien die Angaben des Klägers, er habe seit 16.00 Uhr 200 ml Rum getrunken, zweifelhaft. Es müsse davon ausgegangen werden, dass er erheblich mehr Alkohol konsumiert habe. Die Fahrtüchtigkeit werde durch das Blutentnahme-Protokoll belegt. Es lägen daher Zweifel an der Kraftfahreignung vor. Er werde daher zur Vorlage eines medizinischpsychologischen Gutachtens aufgefordert, in dem zu klären sei, ob bei ihm aktuell noch Alkoholmissbrauch vorliegen würde und es insbesondere zu erwarten sei, dass er auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde oder als Folge eine unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vorlägen, die das sichere Fahren eines Fahrzeuges in Frage stellten? Der Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass bei Nichtvorlage des Gutachtens auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden dürfe und der Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis abgelehnt werden würde.

Mit Schreiben vom 05.05.2015 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Beklagten mit, dass der Kläger keine medizinischpsychologische Untersuchung durchführen lassen werde. Es sei nichts Ungewöhnliches, Freitagnachmittag, also am Beginn des Wochenendes, Rum zu trinken.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 02.06.2015 ab und setzte Verwaltungskosten in Höhe von 180,00 Euro fest und forderte Ersatz für die Zustellungskosten in Höhe von 2,63 Euro. Zur Begründung trug er vor, dass er gemäß § 11 Abs. 8 FeV von der Nichteignung des Klägers ausgehe, da er erklärt habe, dass er das angeforderte medizinischpsychologischen Gutachten nicht vorlegen werde.

Der Kläger hat am 10.06.2015 Klage gegen den Bescheid erhoben und begehrt die Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis ohne Vorlage eines Gutachtens. Zur Begründung trägt er vor, dass die Regelung in § 13 S. 1 Nr. 2 c FeV die anderen Regelungen in § 13 FeV verdränge. Danach werde eine BAK von 1,6 Promille bei einer Trunkenheitsfahrt verlangt. Er habe bei der Tat am 25.10.2013 nur eine BAK von 1,55 Promille gehabt, so dass die Voraussetzungen des § 13 S. 1 Nr. 2 c FeV nicht vorliegen würden. Es sei bei ihm auch nie festgestellt worden, dass bei ihm Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit bestehe. Allein wegen der einmaligen Trunkenheitsfahrt unter 1,6 Promille könne nicht von einem Alkoholmissbrauch ausgegangen werden. Auch seien keine Tatsachen gegeben, die die Annahme einer Fortdauer eines Alkoholmissbrauchs begründen würden. Er sei weder vor dem hier maßgeblichen Vorfall noch später alkoholmäßig in Erscheinung getreten. Eine einzelne Trunkenheitsfahr reiche eben nicht aus. Ansonsten würde der § 13 S.1 Nr. 2 c FeV, der 1,6 Promille fordere, umgangen werden. Auch ansonsten sei keine Rechtsgrundlage für die Anordnung eines Gutachtens gegeben. Insbesondere könne - aus den besagten Gründen - hier die Gutachtenanordnung nicht auf die § 13 S. 1 Nr. 2a-.d FeV gestützt werden. Darüber hinaus sei für die Annahme eines Alkoholmissbrauchs auch keine zusätzlichen konkreten Anzeichen gegeben. Er habe lediglich am Beginn des arbeitsfreien Wochenendes, an dem ein Fahrzeug (sonst) nicht geführt werde, Alkohol konsumiert. Auch der Umstand, dass bei der Blutentnahme am Tattag nur leichte Anzeichen der Alkoholisierung feststellbar gewesen seien, rechtfertigte nicht, hier besondere Umstände anzunehmen. Er habe schließlich eine verwaschene Sprache und bei Herausgabe des Führerscheins und Fahrzeugscheins koordinative Probleme gehabt. Es habe auch der Schreckschock gewirkt, von der Polizei aufgegriffen worden zu sein. Ein Rückgriff auf § 11 Abs. 3 S.1 Nr. 9 FeV scheide ebenfalls aus, da § 13 FeV bei Alkoholproblematik die spezielles Vorschrift sei.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 02.06.2015 zu verpflichten, ihm seine Fahrerlaubnis neu zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen das Vorbringen aus dem angefochtenen Bescheid und trägt darüber hinaus vor, dass die Gutachtenanordnung rechtmäßig gewesen sei. Es habe Alkoholmissbrauch vorgelegen. Er habe im Jahre 2013 ein Kraftfahrzeug mit einer BAK von 1,55 Promille gesteuert. Diese Fahrt genüge, um einen fahreignungsrelevanten Alkoholmissbrauch anzunehmen. Weiterhin bestünden auch Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger auch gegenwärtig noch Alkoholmissbrauch bestehe. Diese würde sich aus seiner Giftfestigkeit bzw. Alkoholtoleranz ergeben. Der Kläger habe angegeben, 200 ml Rum ab 16 Uhr getrunken zu haben. Rum habe einen Mindestalkoholgehalt von 37,5 Prozent Alkohol. Dennoch sei der Kläger ausweislich des ärztlichen Berichts vom 25.10.2013 bei der Finger-Nasen-Übung "sicher", sein Bewusstsein "klar", sein Denkablauf "geordnet", sein Verhalten "beherrscht", seine Stimmung "unauffällig" und der äußere Anschein des Einflusses von Alkohol zwar "deutlich bemerkbar", aber nicht "stark" oder gar "sehr stark" wahrnehmbar gewesen. Ein derartiges Verhalten sei nach hiesiger Auffassung nur bei erheblicher Gewöhnung an Alkohol möglich, die aus einem regelmäßigen Alkoholkonsum resultieren müsse. Eine Person ohne entsprechendes Alkoholtoleranz wäre bei einem BAK von 1,55 Promille nicht mehr in der Lage gewesen, ein Kraftfahrzeug zu steuern. Sie hätte gravierende alkoholbedingte Ausfallerscheinungen aufgewiesen. Dass dies beim Kläger nicht der Fall gewesen sei, lasse nur den Rückschluss einer erheblichen Alkoholtoleranz bzw. einer hohen Giftfestigkeit zu. Nach der Begründung zu Abschnitt 3.13.2, der ab 01.05.2014 gültigen "Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung" sei die Annahme eines chronischen Alkoholkonsums mit besonderer Gewöhnung und Verlust der kritischen Einschätzung des Verkehrsrisikos anzunehmen, wenn Werte um oder über 1,5 Promille bei Kraftfahrern im Straßenverkehr angetroffen würden. Bei solchen Menschen liege in der Regel ein Alkoholproblem vor, die die Gefahr weiterer Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr in sich berge. Dies gelte vorliegend um so mehr, da eine BAK von 1,55 Promille hier noch nicht einmal zu größeren Einschränkungen in den kognitiven Fähigkeiten des Klägers geführt hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- uns Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Fahrerlaubnis. Der angefochtene Bescheid vom 02.06.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Aussichten der hier vorliegenden Verpflichtungsklage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG), der gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 FeV auch bei der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung Anwendung findet, setzt die Erteilung einer Fahrerlaubnis für die jeweilige Klasse unter anderem voraus, dass der Bewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Dies ist gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG und § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV der Fall, wenn er die körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen hat. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV sind die Anforderungen insbesondere dann nicht erfüllt, wenn ein Mangel oder eine Erkrankung im Sinne von Anlage 4 oder 5 zur FeV vorliegt. Gibt es hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Mangel vorliegen könnte, ist die Fahrerlaubnisbehörde nach Maßgabe der §§ 11 bis 14 FeV dazu berechtigt oder sogar verpflichtet, Maßnahmen zur Aufklärung bestehender Fahreignungszweifel zu ergreifen. Geht es - wie hier - um eine Alkoholproblematik und somit um Anhaltspunkte für einen Mangel im Sinne von Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV, richten sich die von der Fahrerlaubnisbehörde zu treffenden Maßnahmen zur Klärung von Eignungszweifeln wegen des Alkoholverhaltens des Fahrerlaubnisbewerbers in erster Linie nach der Bestimmung des § 13 FeV.

Bei der (Neu-)Erteilung der Fahrerlaubnis ist es Sache des Fahrerlaubnisbewerbers, seine Kraftfahreignung darzulegen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 6 StVG). Dieser trägt daher den Nachteil der Unerweislichkeit der Eignungsvoraussetzungen. Es besteht keine Eignungsvermutung, das heißt die Fahrerlaubnis ist zu versagen, wenn die Eignung nicht positiv festgestellt werden kann. Ein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis besteht nicht, solange Eignungszweifel vorliegen, welche die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens rechtfertigen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 16 E 513/12 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Juli 2015 - 10 S 116/15 -, juris Rn. 19; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 2 StVG Rn. 41 mit weiteren Nachweisen.

Weigert sich der Bewerber um eine Fahrerlaubnis, einer Gutachtenanordnung der Fahrerlaubnisbehörde nachzukommen, oder bringt er das von ihm geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.

Aus der Nichtbeibringung eines von der Fahrerlaubnisbehörde verlangten Gutachtens darf aber nur dann auf die Fahrungeeignetheit des Betroffenen geschlossen werden, wenn die Anordnung, ein solches Gutachten beizubringen, in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig war.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 C 21/04 -, juris Rn. 22; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2014 - 16 E 886/14 -, juris Rn. 5 und vom 5. Januar 2011 - 16 B 1695/10 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 10. Februar 2012 - 6 K 5127/10 -, juris Rn. 17.

Dies zugrunde gelegt, ist nach derzeitigem Sachstand von der Kraftfahrungeeignetheit des Klägers auszugehen. Die Anordnung vom 07.04.2015 genügt den dargelegten Anforderungen. Sie war sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.

Die Beibringungsanordnung war in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Beklagter hat die Vorgaben des § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2, Abs. 8 Satz 2 FeV beachtet. Er hat eine Frage zur Begutachtung gestellt, die geeignet war, eine Klärung der Kraftfahreignung des Klägers im Hinblick auf das mögliche Vorliegen eines Alkoholmissbrauchs herbeizuführen. Der Gegenstand der Untersuchung ist in der Anordnung hinreichend genau festgelegt worden. Der Beklagte hat ausgeführt, dass aufgrund des Vorfalls vom 25.10.2013 Bedenken an der Kraftfahreignung des Klägers bestünden. Die für die Vorlage des Gutachtens gesetzte Frist bis zum 08.07.2015 ist als angemessen anzusehen. Schließlich hat er ihn auf die Rechtsfolge der Fahrerlaubnisentziehung im Fall der Nichtvorlage des Gutachtens hingewiesen. Die Anordnung war damit - wie von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung verlangt - aus sich heraus verständlich, sodass der Kläger den konkreten Anlass für die Begutachtung ohne Weiteres entnehmen konnte.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2001 - 3 C 13/01 -, juris Rn. 24 ff.; OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Februar 2013 - 16 E 1257/12 -, juris Rn. 4 f. und vom 22. Oktober 2003 - 19 A 2549/99 -, juris Rn. 16 f.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. Dezember 2013 - 10 S 1491/13 -.

Die Gutachtenanordnung war auch materiell rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 13 Abs. 1 Nr. 2 e FeV. Nach dieser Vorschrift ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinischpsychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch nicht mehr besteht.

Der Anwendbarkeit von § 13 Satz 1 Nr. 2 e steht nicht entgegen, dass nach den Regelungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV ein medizinischpsychologisches Gutachten erst dann beizubringen ist, wenn ein Fahrerlaubnisbewerber entweder einmalig bei einer BAK von 1,6 Promille oder mehr am Straßenverkehr teilgenommen hat oder wiederholt alkoholbedingte Zuwiderhandlungen mit einer BAK von mindestens 0,5 Promille begangen hat. Diese Differenzierung basiert auf der den aktuellen Stand der Alkoholforschung reflektierenden Wertung des Verordnungsgebers, dass Blutalkoholwerte ab 1,6 Promille auf eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hindeuten, die regelmäßig zur Unfähigkeit einer realistischen Einschätzung der eigenen Alkoholisierung und des dadurch ausgelösten Verkehrsrisikos führt, so dass jedenfalls im Zusammenhang mit einer erfolgten Straßenverkehrsteilnahme ohne Weiteres die Kraftfahrereignung des betreffenden Fahrzeugführers in Frage steht. Umgekehrt lässt danach eine lediglich einmalige Alkoholfahrt mit einer niedrigeren Blutalkoholkonzentration für sich betrachtet noch Raum für die Annahme, dass es sich um eine Ausnahme handelt, der Betroffene also nicht grundsätzlich unwillig oder unfähig ist, den Konsum von Alkohol in unzulässig hoher Menge und das Führen von Kraftfahrzeugen zu trennen. Anders verhält es sich jedoch, wenn über die Teilnahme am Straßenverkehr unter solchen Umständen hinaus zusätzliche Gesichtspunkte die ernsthafte Besorgnis eines straßenverkehrsrechtlich relevanten Kontrollverlusts beim Alkoholkonsum begründen. Dass auch unter dieser Voraussetzung keine Obliegenheit des Betroffenen bestehen soll, sich zur Sachverhaltsaufklärung einer medizinischpsychologischen Untersuchung zu unterziehen, kann weder der Systematik noch Sinn und Zweck des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV entnommen werden. Denn hiernach ist der Rückgriff auf § 13 Satz 1 Nr. 2 e FeV nur insoweit ausgeschlossen, als er auf eine Umgehung der spezielleren Regelungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV hinausliefe, nicht aber bei Vorliegen weiterer konkreter Hinweise für einen Alkoholmissbrauch.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Januar 2015 - 16 B 1374/14 -, juris Rn. 5 f. und vom 17. Mai 2010 - 16 B 1825/09 -.

Für eine Gutachtensanforderung nach § 13 Nr. 2 e FeV muss daher ein früherer Alkoholmissbrauch nachgewiesen sein und Tatsachen müssen die Annahme seiner Fortdauer begründen.

Vgl. BayVGH, Beschluss vom 12.04.2006 - 11 ZB 05.3395 -.

Ein die Fahreignung ausschließender Alkoholmissbrauch liegt gemäß Ziffer 8.1 der Anlage 4 zur FeV vor, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht sicher getrennt werden können. Einem Fahrerlaubnisinhaber kann die Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens zur Klärung der von ihm durch Alkoholmissbrauch ausgehenden Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer nur aufgegeben werden, wenn aufgrund bestimmter Umstände der begründete Verdacht besteht, dass er künftig ein Fahrzeug führen könnte, obwohl er hierzu wegen alkoholbedingter Beeinträchtigungen nicht mehr uneingeschränkt in der Lage ist.

Vgl. (BayVGH, Beschluss vom 29.07.2008 - 11 CS 08.683 - und die dort zitierte Rechtsprechung).

Die Voraussetzungen der zitierten Vorschriften liegen vor.

Ein die Fahreignung ausschließender Alkoholmissbrauch i.S.d. Ziffer 8.1 der Anlage 4 zur FeV stand aufgrund der Feststellungen im Strafbefehl des Amtsgerichts N. vom 20.01.2014 (rechtskräftig seit 19.03.2014) fest.

So auch VG Würzburg, Urteil vom 29. April 2009 - W 6 K 08.608 -, juris.

Danach hat der Kläger am 25.10.2013 ein Fahrzeug mit der BAK von 1,55 Promille geführt. Es steht somit fest, dass der Kläger das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt hat.

Weiterhin bestehen auch ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Alkoholmissbrauch weiter besteht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass allein die Feststellung, dass bei einem Fahrerlaubnisinhaber oder -bewerber in der Vergangenheit einmal oder wiederholt eine Alkoholkonzentration festgestellt wurde, die auf ein deutlich normabweichendes Trinkverhalten und eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung schließen lässt, in der Regel nicht ausreicht, um den Verdacht zu begründen, dass der Betroffene zukünftig ein Fahrzeug führen könnte, obwohl er hierzu aufgrund alkoholbedingter Beeinträchtigungen nicht mehr uneingeschränkt in der Lage ist. Denn hohe Alkoholgewöhnung sagt für sich genommen noch nichts Hinreichendes über die Gefahr zukünftiger Trunkenheitsfahrten aus. Vielmehr müssen weitere tatsächliche Umstände hinzukommen, die in der Gesamtschau mit der vermuteten Alkoholproblematik bei realistischer Betrachtung die Annahme rechtfertigen, dass das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Juli 2015 - 16 B 584/15 -, juris Rn. 9 f. und vom 14. November 2013 - 16 B 1146/13 -, juris Rn. 7 f. jeweils mit weiteren Nachweisen.

Vor diesem Hintergrund bestehen bei dem Kläger nach derzeitiger Sachlage erhebliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer fortbestehenden Alkoholmissbrauchsproblematik. Dies ergibt sich zum einen aus dem Vorfall am 25.10.2013 selbst, aber auch aus den sonstigen Angaben des Klägers.

Der Kläger hat am 25.10.2013 nicht nur mit einer BAK von 1,55 Promille einen Pkw im Straßenverkehr geführt, sondern im Zusammenhang mit dieser Trunkenheitsfahrt allgemein ein Verhalten gezeigt, dass auf eine Alkoholmissbrauchsproblematik hindeutet.

Bereits der Umstand, dass bei dem Kläger im Rahmen der Blutprobenentnahme um 22.50 Uhr eine BAK von 1,55 Promille festgestellt worden ist, weist deutlich auf das Bestehen einer Alkoholproblematik hin. Nach Erkenntnissen der Alkoholforschung kann in der Regel schon ab dem Erreichen einer BAK von 1,3 Promille auf eine besondere Trinkfestigkeit geschlossen werden, die ihrerseits ein gesellschaftlich unübliches Trinkverhalten voraussetzt. Je weiter die festgestellte BAK die 1,3-Promillegrenze überschreitet, desto näher liegt der begründete Verdacht einer Alkoholproblematik. Die Annahme eines chronischen Alkoholkonsums mit besonderer Gewöhnung und Verlust der kritischen Einschätzung des Verkehrsrisikos ist anzunehmen, wenn Werte um oder über 1,5 bei Kraftfahren im Straßenverkehr angetroffen werden. Bei diesen Menschen liegt in der Regel ein Alkoholproblem vor, das die Gefahr weiterer Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr in sich birgt.

Vgl.: Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 2. Aufl. 2005, Abschnitt 3.13.2.

Daher rechtfertigt bereits die festgestellte BAK von über 1,5 Promille schon die Annahme, das jedenfalls ein Alkoholproblem beim Kläger vorliegt. Ein Fahrerlaubnisinhaber, der nachgewiesenermaßen mit hoher Alkoholisierung außerhalb des Straßenverkehrs auffällig geworden ist, stellt in der Regel bereits aufgrund dieser Tatsache ein deutlich über dem Durchschnitt liegendes Sicherheitsrisiko dar. Wegen der hohen Giftfestigkeit steht ihm die körperliche Befindlichkeit als Maßstab der aktuellen Alkoholisierung nicht mehr zur Verfügung. Für ihn ist daher die Verhaltenskontrolle im Sinne des Trennens von unzulässiger Blutalkoholkonzentration und dem Führen eines Kraftfahrzeuges weit mehr erschwert als für den Durchschnitt der Kraftfahrer, die lediglich eine "normale" Giftfestigkeit aufweisen.

Vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Juli 2015 - 10 S 116/15 -, juris.

Das durch die hohe Alkoholgewöhnung begründete Verkehrsrisiko hat sich hier bereits in der Trunkenheitsfahrt, bei der der Kläger auch einen Verkehrsunfall - mit Sachschaden und Gefährdung einer Person - verursacht hat, realisiert.

Hinzukommt, dass der Kläger trotz der festgestellten erheblichen Alkoholisierung vergleichsweise geringe alkoholbedingte Auffälligkeiten gezeigt hat. Auf Grund gesicherter wissenschaftlicher Kenntnisse ist davon auszugehen, dass der sogenannte "Geselligkeitstrinker" alkoholische Getränke allenfalls bis zu einer bestimmen Alkoholkonzentration von 1 bis maximal 1,3 Promille verträgt und zu sich nehmen kann.

Vgl. Schubert, Schneider, Eisenmenger, Stephan, Kommentar zu den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung, 2. Aufl., zu Kapitel 3.11.1 Ziffer 1.2.

Demnach führen die gesellschaftsüblichen Trinkmengen nur selten zu einer Alkoholkonzentration über 0,8 Promille. Solche Trinkmengen werden im Regelfall bereits als so beeinträchtigend erlebt, dass die Betroffenen aufhören zu trinken. Die soziale Interaktion ist bei weiterem Alkoholkonsum im Regelfall deutlich gestört, die Ausfallerscheinungen nehmen zu.

Vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 09. Februar 2009 - AN 10 E 08.02224 -, juris.

Nach den Feststellungen des die Blutentnahme durchgeführten Arztes hatte der Kläger aber nur relativ geringe Ausfallerscheinungen. Zwar wurden einige Ausfallerscheinungen bei dem Kläger festgestellt, wie z.B. schwankender Gang, unsicherer plötzliche Kehrtwendung unsichere Finger-Finger-Prüfung, verwaschene Sprache usw. Allerdings hielten sich die festgestellten Ausfallfallerscheinungen oft noch im mittleren Bereich (z.B. Sprache war zwar verwaschen, aber nicht lallend oder der Gang war zwar schwankend, aber nicht torkelnd). Teilweise wurden gar keine Ausfallerscheinungen festgestellt, so war das Bewusstsein des Klägers klar, der Denkablauf war geordnet, das Verhalten war beherrscht und die Stimmung unauffällig. Letztlich hat auch der Arzt als Ergebnis festgestellt, dass der äußere Anschein des Einflusses von Alkohol zwar deutlich bemerkbar gewesen sei, allerdings nicht stark oder sehr stark. Dies lässt darauf schließen, dass der Kläger in der Vergangenheit noch weitaus höhere als die am fraglichen Tag festgestellten Promillewerte erreicht haben muss, weil jeder, der die für ihn persönlich maximal mögliche, aus freien Stücken aufnehmbare Trinkmenge erreicht, in diesem Zustand schwere Ausfallerscheinungen zeigt.

Vgl. zu diesem Gesichtspunkt OVG NRW, Beschluss vom 15. August 2008 - 16 B 939/08 - unter Bezugnahme auf Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 2. Aufl. 2005, S. 136.

Diese bei einer festgestellten BAK von 1,55 Promille relativ geringen Ausfallerscheinungen und die Tatsache, dass der Kläger noch in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen, spricht bereits für eine erhebliche Alkoholtoleranz.

Die durch das Erreichen von 1,55 Promille bei der Fahrt und das Fehlen von merklichen Ausfallerscheinungen belegte hohe Alkoholgewöhnung spricht daher bereits für sich gesehen für eine Wiederholungsgefahr. Hinzukommt, dass der Kläger nach eigenen Angaben bereits am Nachmittag Alkohol zu sich genommen hat und zwar hochprozentigen Alkohol, nämlich Rum. Das jemand am Nachmittag derart starken Alkohol konsumiert ist jedenfalls nicht üblich, sondern spricht auch für eine erhebliche Alkoholtoleranz- und gewöhnung. Hinzukommt, dass der Kläger den Polizeibeamten gegenüber weiterhin angegeben hat, dass er die kurze Strecke zwischen seiner Wohnanschrift und einer nahe gelegenen Bude nicht zum ersten Mal unter Alkoholeinfluss fahre. Es sei jedoch bisher immer gut gegangen. Dies bedeutet, dass der Kläger auch in der Vergangenheit bereits des Öfteren nicht zwischen Alkoholkonsum und Fahren eines Kraftfahrzeuges trennen konnte.

Nach alledem ist davon auszugehen, dass hier ausreichend Tatsachen vorliegen, die den Verdacht einer Fortdauer des Alkoholmissbrauchs beim Kläger begründen.

Rechtliche Bedenken gegen die Gebührenfestsetzung und die Auferlegung der Zustellungskosten in der Ordnungsverfügung bestehen nicht. Sie entsprechen den gesetzlichen Vorschriften. Der Beklagte hat die vom Kläger für den Antrag auf Neuerteilung bereits entrichteten Gebühren zutreffend von der für die Ablehnung anzusetzenden Gebühren abgezogen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO).

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