ArbG Ulm, Urteil vom 13.01.2015 - 9 Ca 19/14
Fundstelle
openJur 2016, 2873
  • Rkr:

1. Schließt ein Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Gewährung von Aktienoptionen nicht mit seinem Arbeitgeber, sondern mit einem anderen Konzernunternehmen ab, so können Ansprüche aus dieser Vereinbarung grundsätzlich nur gegenüber dem vertragsschließenden Konzernunternehmen geltend gemacht werden und werden nicht Bestandteil des Arbeitsverhältnisses mit einer Tochtergesellschaft dieses Konzernunternehmens. Der Vertrag über die Gewährung von Aktienoptionen steht rechtlich selbständig neben dem Vertrag des Arbeitnehmers mit der Tochtergesellschaft, der regelmäßig nur das Motiv für den Abschluss eines Optionsgewährungsvertrags darstellt (BAG 16.01.2008 - 7 AZR 887/06, NZA 2008, 836, 837 f. m. w. N.).

2. Diese Grundsätze gelten ohne weiteres auch für Vereinbarungen über andere Formen von Bonusleistungen als für Bezugsrechte von Aktien(optionen).

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 21.900,00 festgesetzt.

IV. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Der klagende Arbeitnehmer fordert von der beklagten Arbeitgeberin im Rahmen einer Stufenklage Auskunft über im Kalenderjahr 2013 erdiente Boni, einen die Bonusansprüche belegenden Buchauszug sowie eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit der Bonusabrechnung und schließlich Zahlung der Boni.

Die Kläger war vom 01.09.2010 bis zum Ablauf des 28.02.2014 als Sales Manager Europa bei der Beklagten auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 04.05.2010 beschäftigt. Neben einem festen Monatsentgelt sollte der Kläger gemäß Nr. 5 des Arbeitsvertrags die Möglichkeit haben, Bonusansprüche zu erwerben. Nr. 5 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrags vom 04.05.2010 (Abl. 5) lautet wörtlich:

„5. Als weiteren Leistungsanreiz hat der Arbeitgeber erfolgsabhängige Bonusprogramme geschaffen. Hierzu zählt der Management Incentive Plan der W. Inc., an dem der Arbeitnehmer nach den jeweils geltenden Regelungen, teilnimmt.

Aus der Teilnahme am Management Incentive Plan der W. Inc. entstehen keinerlei Ansprüche gegen die Gesellschaft, sondern ausschließlich solche gegenüber der W. Inc., die auch ausschließlich nach den Regeln des jeweils gültigen Management Incentive Plan der W. Inc. zu behandeln sind. Alleiniger Ansprech- und/oder Vertragspartner hinsichtlich des Management Incentive Plan ist die W. Inc..

Beginnt das Anstellungsverhältnis während des Geschäftsjahres, wird der Mitarbeiter der Bonus anteilig pro rata temporis ausgezahlt bzw. angerechnet.

Endet das Anstellungsverhältnis während des Geschäftsjahres durch die Kündigung seitens des Arbeitnehmers, hat er erst ab dem siebenten Monat des Beschäftigungsverhältnisses in dem jeweiligen Geschäftsjahr Anspruch auf die Auszahlung des Bonus; dieses erfolgt anteilig pro rata temporis. Löst der Arbeitgeber ohne Verschulden des Arbeitnehmers des Anstellungsverhältnis auf, wird der Bonus anteilig pro rata temporis ausgezahlt bzw. abgerechnet."

Mit Vereinbarung vom 18.03.2013 bzw. vom 08.04.2013 legten zwei Vertreter der W. Inc. und der Kläger im Rahmen eines sog. "Bonus Opportunity Statement" (Abl. 10) für das Jahr 2013 Ziele und entsprechend der jeweiligen Zielerreichung mögliche Bonuszahlungen fest.

Mit Schreiben vom 06.01.2014 (Abl. 98) kündigte der Kläger das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 30.09.2014. Daraufhin schlossen die Parteien am 30.01.2014 eine Aufhebungsvereinbarung (Abl. 73-75) und beendeten das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 28.02.2014. Nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis verlangte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 09.04.2014 Abrechnung und Auszahlung seiner im Jahr 2013 erdienten Boni. Nachdem die Beklagte seine Ansprüche nicht erfüllte, erhob der Kläger über seine Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 11.06.2014, bei Gericht eingegangen am 17.06.2014, Klage.

Der Kläger trägt vor, er habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Bonuszahlungen für das Jahr 2013. Da die Beklagte den mit der US-amerikanischen Konzernobergesellschaft bestehenden Bonusplan im Arbeitsvertrag in Bezug genommen habe, werde dieser in den zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrag mit einbezogen. Auch aus der Formulierung, dass "der Arbeitgeber erfolgsabhängige Bonusprogramme geschaffen hat", an denen der "Arbeitnehmer nach den jeweils geltenden Regelungen" teilnehme, ergebe sich eine unmittelbare Verpflichtung der Beklagten. Zudem bilde die Beklagte jährlich Rückstellungen für die Bonuszahlungen. Ferner sei das Bonusprogramm so gestaltet, dass auch ein persönlicher Bonus für die Leistung des Klägers und die Erreichung der persönlichen Ziele gewährt werde. Die Zieleerreichung sei auch jeweils nicht mit der Konzernmutter, sondern mit der Beklagten besprochen worden. Nach der Ansicht des Klägers ergibt daher eine Auslegung des Arbeitsvertrags in Verbindung mit dem Management Incentive Plan unter weiterer Berücksichtigung des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch unmittelbar gegen die Beklagte.

Der Kläger beantragt zuletzt:

1.Die beklagte Partei wird verurteilt, über die in der Zeit vom 01.01. bis 31.12.2013 verdienten Boni des Klägers Auskunft zu erteilen.

2.Die beklagte Partei wird verurteilt, über die in der Zeit vom 01.01. bis 31.12.2013 verdienten Boni des Klägers einen Buchauszug zu erteilen.

3.Die beklagte Partei wird verurteilt, die Richtigkeit ihrer Abrechnung und des Buchauszuges an Eides statt zu versichern.

4.Die beklagte Partei wird verurteilt, den sich aus dem Buchauszug zu Gunsten des Klägers ergebenden Bruttobetrag nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5.Die beklagte Partei wird zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung, die 8.000,00 EUR nicht unterschreiten sollte, für den Fall verurteilt, dass sie den unter Ziff. 1 eingeklagten Auskunftsanspruch nicht binnen eines Monats nach Verkündung der Entscheidung des Arbeitsgerichts vollumfänglich erfüllt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, es werde aus dem mit dem Kläger vereinbarten Management Incentive Plan allein die W. Inc. verpflichtet. Sie selbst sei nicht passivlegitimiert, wie sich eindeutig aus Nr. 5 des Arbeitsvertrags ergebe. Die Verpflichtung allein der W. Inc. im Rahmen des Bonusprogramms sei weder überraschend noch intransparent und rechtlich ohne weiteres zulässig, wie das BAG bereits in seiner Nokia-Entscheidung vom 12.12.2003 – 10 AZR 299/02, entschieden habe. Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass die Beklagte Rückstellungen für die Bonuszahlungen gebildet habe. Sie habe insofern nur einer – rechtlich nicht erforderlichen – konzerninternen Anordnung Folge geleistet.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Akte, namentlich auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie auf den Inhalt der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.I.

Die Klage ist insgesamt unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Auskunft über im Kalenderjahr 2013 erdiente Boni, einen die Bonusansprüche belegenden Buchauszug sowie eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit der Bonusabrechnung und auf Zahlung der Boni. Sämtliche im Rahmen der Stufenklage geltend gemachten Ansprüche bestehen nicht, weil ein eventueller Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Bonusleistungen für das Jahr 2013 mangels Passivlegitimation ausgeschlossen ist.

1. Ein eventueller Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Bonuszahlungen ergibt sich insbesondere nicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag. Denn in Bezug auf die Gewährung von Bonusleistungen fehlt es an einer vertraglichen Bindung der Beklagten.

a. Nach der – auch vorliegend einschlägigen – Rechtsprechung des BAG zur Gestaltung von Aktienoptionsprogrammen stehen Ansprüche aus einer Aktienoptionsgewährung nicht immer in demselben synallagmatischen Verhältnis zur Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wie die vertraglich vom Arbeitgeber geschuldete Vergütung (BAG 16.01.2008 – 7 AZR 887/06, NZA 2008, 836, 837 f.; BAG 12.02.2003 – 10 AZR 299/02, NZA 2003, 487, 489; s. auch LAG München 12.02.2009 – 3 Sa 833/08, juris Rn. 30 f. und LAG Hessen 14.08.2008, 20 Sa 1172/07, juris Rn. 34 sowie instruktiv Annuß/Lembke, BB 2003, 2230 ff.). Schließt ein Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Gewährung von Aktienoptionen nicht mit seinem Arbeitgeber, sondern mit einem anderen Konzernunternehmen ab, so können Ansprüche aus dieser Vereinbarung grundsätzlich nur gegenüber dem vertragsschließenden Konzernunternehmen geltend gemacht werden und werden nicht Bestandteil des Arbeitsverhältnisses mit einer Tochtergesellschaft dieses Konzernunternehmens. Der Vertrag über die Gewährung von Aktienoptionen steht rechtlich selbständig neben dem Vertrag des Arbeitnehmers mit der Tochtergesellschaft, der regelmäßig nur das Motiv für den Abschluss eines Optionsgewährungsvertrags darstellt (BAG 16.01.2008 – 7 AZR 887/06, NZA 2008, 836, 837 f. m. w. N.).

Es sind zwar Fallkonstellationen denkbar, in denen Aktienoptionen arbeitsvertraglich als Teil der geschuldeten Vergütung vereinbart werden; eine rechtliche Verpflichtung oder eine tatsächliche Vermutung für eine solche Vertragsgestaltung besteht aber nicht. Maßgeblich sind stets die konkreten vertraglichen Vereinbarungen. Die Frage, wer aus einem Aktienoptionplan verpflichtet wird, lässt sich daher nicht einheitlich beantworten. Die Beantwortung dieser Frage hängt von den jeweiligen rechtsgeschäftlichen Beziehungen im Rahmen von Optionsprogrammen ab (BAG 16.01.2008 – 7 AZR 887/06, NZA 2008, 836, 837 f.; LAG München 12.02.2009 – 3 Sa 833/08, juris Rn. 30).

Diese Grundsätze, die ohne weiteres auch für Vereinbarungen über andere Formen von Bonusleistungen als für Bezugsrechte von Aktien(optionen) gelten (s. nur Annuß/Lembke, BB 2003, 2230, 2234), schließen daher nicht aus, dass eine eigene Verpflichtung des konzernangehörigen Arbeitgebers gegen seinen Vertragsarbeitgeber auch bei der Gewährung von Bonusleistungen eines anderen Konzernunternehmens begründet werden kann. Ein solcher Anspruch gegen den Vertragsarbeitgeber bedarf jedoch der ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung. Fehlt eine solche Vereinbarung, steht der Vertrag über die Gewährung von Bonusleistungen gegen ein anderes Konzernunternehmen rechtlich selbständig neben dem Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers mit seinem Vertragsarbeitgeber.

b. Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen ist ein Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Bonus für das Jahr 2013 gegen die Beklagte ausgeschlossen, denn es gibt keine ausdrückliche oder konkludente Bonusvereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten. Ein Anspruch des Klägers folgt insbesondere nicht aus Nr. 5 des zwischen den Parteien vereinbarten Arbeitsvertrags in Verbindung mit dem zwischen dem Kläger und Vertretern der W. Inc. abgeschlossenen Bonus Opportunity Statement für das Jahr 2013. Nr. 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrags schließt unmissverständlich jegliche Ansprüche aus dem Bonusprogramm gegen die Beklagte aus und stellt – ebenso unmissverständlich – klar, dass alleiniger Vertragspartner eines Bonusprogramms die W. Inc. ist.

Nach der Überzeugung der Kammer ist diese Regelung auch unter Berücksichtigung der weiteren Absätze von Nr. 5 des Arbeitsvertrags nicht anders zu verstehen. Soweit der Kläger meint, bereits aus Nr. 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrags, nach dem "der Arbeitgeber", also die Beklagte, als weiteren Leistungsanreiz ein Bonusprogramm geschaffen hat, ergebe sich eine vertragliche Bindung der Beklagten, folgt dem die Kammer nicht. Mit diesem Eingangssatz wird lediglich der Hintergrund des Bonusprogramms beschrieben. Der Wille der Beklagten zu einer (eigenen) vertraglichen Bindung ist in diesem Absatz nicht zu erkennen.

Auch Abs. 3 von Nr. 5 des Arbeitsvertrags führt nicht zu einer abweichenden Bewertung. Selbst auf der Grundlage der klägerischen Ansicht, Nr. 5 Abs. 3 des Arbeitsvertrags begründe unmittelbar Ansprüche zwischen dem Kläger und der Beklagten, würden Ansprüche nach Nr. 5 Abs. 3 des Arbeitsvertrags doch nur für das jeweilige Geschäftsjahr eines unterjährigen Ein- oder Austritts begründet. Ein Wille der Parteien zu einer weitergehenden Begründung von Ansprüchen der Beklagten aus einem Bonusprogramm ist – insbesondere unter Berücksichtigung von Nr. 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrags – nicht erkennbar. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hat, dass er bei diesem Verständnis der rechtlichen Bindungen zwar für das Jahr 2014 einen Bonusanspruch gegen die Beklagte haben könnte, Ansprüche für das Jahr 2013 aber aufgrund der Bonusregelungen (sowohl gegen die Beklagte als auch gegen die W. Inc.) ausgeschlossen seien, spricht das nicht gegen die Wirksamkeit der getroffenen Vertragsabreden. Dieses Ergebnis wäre lediglich das mögliche Resultat der zulässigen rechtlichen Gestaltung des Bonusprogramms.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass Nr. 5 des Arbeitsvertrags auch einer rechtlichen Prüfung anhand der §§ 305 ff. BGB standhält. Nach vorstehender Auslegung der Regelung ist sie weder unklar noch intransparent, sondern enthält eindeutige Regelungen zu den vertraglichen Beziehungen im Rahmen des Bonusprogramms. Auch soweit der Kläger unter Bezugnahme der Rechtsprechung des BAG zur Zulässigkeit der Vereinbarung von variablen Entgeltbestandteilen darauf hingewiesen hat, bei voller Zielerreichung betrage der Anteil seiner variablen Vergütung mehr als 40 % des Gesamteinkommens, kann dieser Vortrag höchstens im Rahmen einer AGB-Kontrolle des mit der W. Inc. vereinbarten Bonusprogramms berücksichtigt werden. Eine rechtliche Bindung der Beklagten ergibt sich daraus keinesfalls.

2. Sonstige Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte auf Bonuszahlungen werden vom Kläger nicht geltend gemacht und sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Die Klage war vor diesem Hintergrund insgesamt abzuweisen. Die sonstigen zwischen den Parteien diskutierten Fragen können daher dahinstehen.II.

1. Die Kostentragungspflicht des in der Sache voll unterlegenen Klägers ergibt sich aus § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 91 Abs. 1, 495 ZPO.

2. Die Festsetzung des Rechtsmittelstreitwerts folgt dem Grunde nach aus § 61 Abs. 1 ArbGG und entspricht in der Höhe dem Bonus des Klägers für das Jahr 2013 auf der Grundlage der wahrscheinlichen Zielerreichung gemäß den Angaben des Klägers (Abl. 56).

3. Die Entscheidung darüber, die Berufung nicht gesondert zuzulassen, beruht auf § 64 Abs. 3a ArbGG. Gründe für die gesonderte Zulassung der Berufung nach § 64 Abs. 3 ArbGG liegen nicht vor.

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