OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.04.2001 - 1 B 315/01
Fundstelle
openJur 2011, 15658
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 26 L 20/01
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 4.000,00 DM festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde ist nicht begründet.

Zunächst liegt der von der Antragstellerin ausdrücklich geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 146 Abs. 4 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht vor.

"Ernstliche Zweifel" im Sinne der vorgenannten Bestimmungen bestehen (nur) dann, wenn die Gründe, welche gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung angeführt werden, so gewichtig sind, dass sie einen Erfolg in dem angestrebten Rechtsmittelverfahren wahrscheinlicher erscheinen lassen als einen Misserfolg.

Vgl. etwa Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, § 124 RdNrn. 119 ff., m.w.N. zum Streitstand.

Davon kann hier indes nicht ausgegangen werden. Vielmehr vermag das Vorbringen in der Zulassungsschrift die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die Rechtsstellung der Antragstellerin (als Bewerberin) werde durch den von der Antragsgegnerin vorgenommenen Abbruch des Auswahlverfahrens nicht berührt, nicht zu erschüttern.

Die Zulassungsschrift legt schon nicht nachvollziehbar dar, in Bezug auf welches Recht der Antragstellerin die mit Schriftsatz vom 28. Januar 2001 geforderte einstweilige Regelung nötig erscheinen könnte.

Die Antragstellerin ist nicht als stellvertretende Leiterin des Sozialamtes bereits in den Dienst der Antragsgegnerin eingestellt worden.

Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 27. Oktober 2000 enthält nach seinem eindeutigen Wortlaut eine bloße Nachricht über die Absicht der Antragsgegnerin, auf Grund eines entsprechenden Ratsbeschlusses die Antragstellerin u.a. nach erfolgter Zustimmung des Personalrates als stellvertretende Amtsleiterin im Sozialamt - hier im Wege der Versetzung von der Stadt - einstellen zu wollen. Hierin liegt keine Regelung der Rechtsstellung der Antragstellerin. Diese Benachrichtigung enthält insbesondere keine (einschränkungslose) Zusicherung ihrer künftigen Einstellung, weil insoweit ersichtlich noch weitergehende Voraussetzungen (u.a. die bereits erwähnte Zustimmung der Personalvertretung) erfüllt sein sollten und nicht ersichtlich ist, dass sich die Antragsgegnerin über diese Voraussetzung für die Wirksamkeit einer erst noch vorzunehmenden Einstellung der Antragstellerin hinweg setzen sowie sich überhaupt im Außenrechtsverhältnis schon endgültig binden wollte.

Als nach alledem bloßer ehemaliger Bewerberin um den ausgeschrieben gewesenen Dienstposten steht der Antragstellerin kein weitergehendes Recht auf Beachtung ihrer Bewerbung oder gar Fortsetzung des Stellenbesetzungsverfahrens zu. Eine gesetzliche Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Antragstellerin auf Einstellung in den Dienst der Antragsgegnerin fehlt. Ein darüber hinaus in Erwägung zu ziehender Anspruch auf sachgerechte und rechtmäßige Durchführung des einmal eingeleiteten Bewerbungsverfahrens (Bewerbungsverfahrensanspruch) ist ebenfalls nicht ersichtlich. Selbst wenn ein solcher Anspruch auch auf Fallgestaltungen wie hier anwendbar wäre, in denen nicht die Beförderung sondern die erstmalige Einstellung eines Stellenbewerbers in Rede steht, wäre die Rechtsstellung der Antragstellerin durch den Abbruch des Bewerbungsverfahrens nicht berührt, weil die Antragsgegnerin entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin das Bewerbungsverfahren in Wahrnehmung ihres Organisationsrechtes - hier insbesondere ihres Rechtes auf Stellenplanbewirtschaftung - aus sachlichen Gründen abgebrochen hat. Im Einklang mit u.a. der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt insoweit allgemein, dass der Dienstherr rechtlich nicht gehindert ist, ein eingeleitetes Bewerbungs- und Auswahlverfahren kraft des ihm zu kommenden Organisationsrechtes jederzeit aus sachlichen Gründen zu beenden und von der ursprünglich geplanten Stellenbesetzung (evtl. Beförderung) abzusehen; ein derartiger Abbruch des Auswahlverfahrens berührt grundsätzlich nicht die Rechtsstellung von Bewerbern.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 1996 - 2 C 21.95 -, BVerwGE 101, 112 = DÖD 1996, 284 = ZBR 1996, 310 = RiA 1997, 308; ebenso Urteil vom 22. Juli 1999 - 2 C 14.98 -, DVBl. 2000, 485 = ZBR 2000, 40 = DÖD 2000, 87 = PersV 2000, 122.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegt dem vorliegenden Fall kein Sachverhalt zu Grunde, welcher eine Ausnahme von diesen Grundsätzen rechtfertigt.

Es mag dahinstehen, ob ein in Rede stehender sachlicher Grund für den Abbruch des Bewerbungsverfahrens hier schon in der bloßen Zustimmungsverweigerung der Personalvertretung gesehen werden könnte - und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese Zustimmungsverweigerung beachtlich oder erkennbar unbeachtlich war. Immerhin könnten die Nichteinleitung des Einigungsverfahrens und der Abbruch des Bewerbungsverfahrens schon mit Blick auf den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 LPVG NRW) ausreichend legitimiert sein. Erst recht kann dahinstehen, ob der Abbruch eines Bewerbungs- und Auswahlverfahrens schon dann eines sachlichen Grundes entbehrt und zugleich die Bewerber willkürlich betrifft, wenn er vom Dienstherrn allein mit der Verweigerung der Zustimmung des Personalrats zu einer zustimmungsbedürftigen Maßnahme begründet wurde und dem Dienstherrn dabei klar erkennbar war, dass es sich um eine personalvertretungsrechtlich unbeachtliche Zustimmungsverweigerung handelt. Denn selbst wenn man dies zu Gunsten der Antragstellerin unterstellte, läge ein derartiger Fall hier nicht vor. Die von der Antragstellerin angenommene Unbeachtlichkeit der verweigerten Zustimmung des Personalrats liegt im gegebenen Fall nämlich keineswegs klar auf der Hand.

Die Verweigerung der Zustimmung des Personalrats zu einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme ist nur beachtlich, wenn die von der Personalvertretung angegebenen Gründe möglicherweise noch innerhalb der eingeräumten Mitbestimmung liegen, d. h. sich einem von der Maßnahme berührten gesetzlichen Mitbestimmungstatbestand zuordnen lassen. Betrifft die Frage der Beachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung des Personalrats personelle Maßnahmen, die - wie hier die von der Antragstellerin angestrebte Versetzung zum Zwecke nachfolgender Beförderung - auf dem Prinzip der Bestenauslese aufbauen, so ist zusätzlich Folgendes zu berücksichtigen: Hinsichtlich der Beurteilung der Beschäftigten nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung, welche allein dem Dienststellenleiter obliegt, ist diesem von Verfassungs wegen (Art. 33 Abs. 2 GG) ein weiter Ermessens- und Beurteilungsspielraum eingeräumt, der gerichtlich nur beschränkt überprüfbar ist und in den auch die Personalvertretung mit ihren Einwendungen nicht eindringen kann. Der Personalrat kann insoweit die Zustimmung nur dann verweigern, wenn die Dienststelle den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist oder allgemein gültige Maßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat.

Vgl. z. B. Beschlüsse des hiesigen Fachsenats für Landespersonalvertretungssachen vom 28. Februar 2001 - 1 A 55/99.PVL - und vom 22. März 2000 - 1 A 956/98.PVL -, jeweils m.w.N.

Dies hat zur Folge, dass eine - entsprechend begründete - Zustimmungsverweigerung des Personalrats u. a. dann beachtlich ist, wenn ein deutlich weniger geeigneter bzw. leistungsschwächerer Bewerber einem entsprechend besser geeigneten entgegen dem geltenden Recht vorgezogen werden soll.

Vgl. Beschluss des Fachsenats für Landespersonalvertretungssachen vom 22. März 2000 - 1 A 956/98.PVL -.

Hiervon ausgehend spricht im vorliegenden Fall vieles dafür, dass die Verweigerung der Zustimmung durch den Personalrat beachtlich gewesen ist. In seinem Schreiben vom 22. November 2000 hat der Personalrat geltend gemacht, dass bei der Entscheidung über die Einstellung der Antragstellerin die Grundsätze der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung missachtet worden seien. Er hat diese Einschätzung darauf gestützt, dass die zuständigen politischen Entscheidungsgremien der Antragsgegnerin (Haupt- und Finanzausschuss, Rat) - entgegen sonstiger Üblichkeit - in diesem Fall nicht den Empfehlungen der bei der Antragsgegnerin gebildeten, fachkundig besetzten Auswahlkommission gefolgt seien. Diese Kommission habe nach einer Vorstellungsrunde die Antragstellerin nicht nur nicht als die Befähigste ausgewählt, sondern sie nicht einmal in die engere Bewerberliste für die stellvertretende Sozialamtsleiterstelle aufgenommen.

Der Sache nach hat der Personalrat hiermit nicht einfach seine eigene Eignungs- und Befähigungseinschätzung an die Stelle derjenigen der zuständigen Entscheidungsgremien der Antragsgegnerin gesetzt. Er hat vielmehr sinngemäß moniert, dass ihm die Gründe für das Abweichen der am Ende getroffenen Entscheidung von den Vorschlägen der Auswahlkommission,

vgl. allerdings zur Problematik der Beteiligung stimmberechtigter Personalratsmitglieder an derartigen Kommissionen OVG NRW, Beschluss vom 27. Juni 1994 - 12 B 1984/94 -, DVBl. 1995, 205 = ZBR 1995, 152 = DÖD 1995, 142 = NWVBl. 1995, 12,

vor dem Hintergrund des zu beachtenden Prinzips der Bestenauslese nicht hinreichend nachvollziehbar und transparent erschienen.

Vgl. zum Mangel an Transparenz als möglichen beachtlichen Grund für eine Zustimmungsverweigerung des Personalrats den Beschluss des Fachsenats für Landespersonalvertretungsrecht vom 28. Februar 2001 - 1 A 55/99.PVL -; ähnlich zum Fall unzureichender Auswahlbegründung Beschluss des Fachsenats vom 24. November 1999 - 1 A 3563/97.PVL -, PersR 2000, 288 = PersV 2000, 451 = RiA 2000, 105 = ZfPR 2000, 236.

Der Beachtlichkeit der mit diesem Einwand geltend gemachten Zweifel an einer hinreichenden Ausrichtung der maßgeblichen Gründe an den Erfordernissen der Bestenauslese kommt vorliegend ein besonderes Gewicht vor dem Hintergrund zu, dass in der lokalen Presse zuvor heftig darüber spekuliert worden war, ob letztlich nicht parteipolitische Erwägungen den Ausschlag für die Auswahlentscheidung zu Gunsten der Antragstellerin gegeben hatten.

Eine Zulassung der Beschwerde nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kommt hier ebenfalls nicht in Betracht. Zwar ist auf Grund des besonderen systematischen Zusammenhangs gerade dieser beiden Zulassungsgründe eine Beschwerde- bzw. Berufungszulassung auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sich der Rechtsmittelführer allein auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 (und nicht auch Nr. 2) VwGO berufen hat.

Vgl. dazu etwa OVG NRW, Beschluss vom 11. Januar 2000 - 12 A 3470/99 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. September 2000 - 9 S 1607/00 -, DÖV 2001, 44 (nur LS).

Jedoch müssten, um eine Zulassung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten zu rechtfertigen, die Erfolgsaussichten eines Beschwerde- bzw. Berufungsverfahrens bei summarischer Prüfung im Zulassungsverfahren im Ergebnis noch offen erscheinen.

Vgl. Seibert, aaO, § 124 RdNrn. 152, 153 ff.

Daran fehlt es hier, weil auf der Grundlage der vorstehenden Sachausführungen Überwiegendes für die Erfolglosigkeit des Rechtsmittels der Antragstellerin in einem etwaigen Beschwerdeverfahren spricht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.