VG Braunschweig, Urteil vom 16.12.2015 - 5 A 17/14
Fundstelle
openJur 2016, 2405
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.200,- € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung seiner erkennungsdienstlichen Behandlung sowie gegen ein in diesem Zusammenhang gegen ihn festgesetztes Zwangsgeld.

Der im Jahr E. geborene Kläger ist ledig und bezieht Leistungen nach dem SGB II. Er wurde zuletzt im Jahr 1989 erkennungsdienstlich behandelt.

Im Bundeszentralregister waren zu Ende des Jahres 2012 insgesamt die nachfolgend aufgeführten 12 strafrechtlichen Verurteilungen für den Kläger eingetragen:

1. Amtsgericht Salzgitter vom 27. Juli 1989 (F.):

Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen wegen einer fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB,

2. Amtsgericht Braunschweig vom 3. Oktober 1989 (G.):

Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis,

3. Amtsgericht Gifhorn vom 14. November 1989 (H.):

Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr,

4. Amtsgericht Gifhorn vom 17. Januar 1990 (I.):

6 Monate Freiheitsstrafe, Vollstreckung ausgesetzt zur Bewährung, wegen gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung und fortgesetzter Sachbeschädigung,

5. Amtsgericht Salzgitter vom 8. Januar 1991 (J.):

Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis,

6. Amtsgericht Salzgitter vom 16. April 1992 (K.):

2 Jahre Freiheitsstrafe, Vollstreckung ausgesetzt zur Bewährung, wegen Zuhälterei in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, fortgesetzter Freiheitsberaubung in 3 Fällen, Diebstahl,

7. Landgericht Braunschweig vom 20. Dezember 1995 (L.):

2 Jahre und 3 Monate Freiheitsstrafe wegen Geldfälschung in 2 Fällen,

8. Amtsgericht Braunschweig vom 19. August 1997 (M.):

Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis,

9. Amtsgericht Salzgitter vom 22. Juli 1999 (N.):

Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen wegen Betrugs,

10. Amtsgericht Salzgitter vom 26. April 2000 (O.):

Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen wegen falscher Versicherung an Eides statt,

11. Amtsgericht Hannover vom 10. Februar 2003 (P.):

2 Jahre Freiheitsstrafe, Vollstreckung ausgesetzt zur Bewährung, wegen Zuhälterei, räuberischer Erpressung und falscher unendlicher Aussage,

12. Amtsgericht Salzgitter vom 1. Juli 2004 (Q.):

4 Monate Freiheitsstrafe, Vollstreckung ausgesetzt zur Bewährung, wegen Verletzung der Unterhaltspflicht.

Wegen eines Vorfalls am R. Dezember 2012 ermittelte die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen des Verdachts der Beleidigung und Bedrohung gegen den Kläger (Aktenzeichen: S.). Ein Hundehalter hatte bei der Polizei in Salzgitter angezeigt, ein anderer, ihm namentlich nicht bekannter Hundehalter habe ihn, nachdem dessen Hund seinen Hund angegriffen und schwer verletzt habe, massiv beleidigt und mit dem Tode gedroht. Aufgrund der Angaben des Anzeigeerstatters zum Aussehen und zum Kraftfahrzeugkennzeichen konnte der Kläger als Beschuldigter ermittelt werden. Die Staatsanwaltschaft verwies den Anzeigeerstatter auf den Weg der Privatklage und stellte das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger ein.

Seit dem T. September 2013 ermittelte die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen des Verdachts einer Beleidigung, Bedrohung  und Körperverletzung gegen den Kläger (Aktenzeichen: U.). Der Kläger war von mehreren Personen angezeigt worden, am T. September 2013, als er seinen eigenen Hund ausgeführt habe und hierbei in einen Streit mit einem anderen Hundehalter geraten sei, diesen in den Schwitzkasten genommen und ihn am Hals verletzt sowie weiteren Personen mit Schlägen gedroht und sie beleidigt zu haben. Der Kläger ließ sich im Wesentlichen dahingehend ein, die Aggression sei von dem fremden Hund, der nicht angeleint gewesen sei, ausgegangen; er selbst und sein Hund seien verletzt worden. Er habe den anderen Hundehalter wohl leicht zur Seite gedrückt, mehr aber nicht. Insbesondere habe er ihn nicht in Schwitzkasten genommen oder geschlagen. Es könne sein, dass ihm in der Aufregung ein Schimpfwort rausgerutscht sei. Auch insoweit verwies die Staatsanwaltschaft Braunschweig nach Abschluss der Ermittlungen die Anzeigeerstatter auf den Weg der Privatklage und stellte das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger ein.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 31. Oktober 2013 ordnete die Beklagte die erkennungsdienstliche Behandlung (Abnahme von Fingerabdrücken, Handflächen-, Handkanten-und Fingerkuppenabdrücken, Aufnahme von Lichtbildern bzw. Portraitaufnahmen, Feststellung äußerer körperlicher Merkmale sowie Messungen) des Klägers unter Bezugnahme auf den Vorfall vom T. September 2013 an. Als Termin für die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung setzte sie den V. Januar 2014, 11:00 Uhr fest. Sie drohte die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 200 € an, falls der Kläger der Vorladung ohne ausreichenden Grund nicht Folge leisten würde. Die Beklagte begründete die Anordnung im Wesentlichen wie folgt: Der Kläger sei aktuell im Hinblick auf den Vorfall am T. September 2013 Beschuldigter einer strafrechtlichen Ermittlung. Er werde durch die Angaben verschiedener Zeugen belastet. In der Vergangenheit sei wegen zahlreicher Straftaten gegen ihn ermittelt worden, unter anderem wegen Betrugs, räuberischer Erpressung, Freiheitsberaubung, Bedrohung, Beleidigung, Zuhälterei, gefährlicher Körperverletzung und weiterer Taten. Seine erkennungsdienstliche Behandlung sei notwendig, weil er wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten und es aus kriminalpolizeilicher Sicht wahrscheinlich sei, dass auch zukünftig polizeiliche Ermittlungen gegen ihn geführt werden müssten. Seine letzte erkennungsdienstliche Behandlung sei im Jahr 1989 erfolgt; eine Aktualisierung der Unterlagen sei erforderlich. Die Rechtsbehelfsbelehrung enthielt den Hinweis, dass es möglich sei, eine Klage schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts Braunschweig zu erheben. Sie enthielt jedoch keinen Hinweis auf die seit dem 1. November 2013 auch bestehende Möglichkeit, die Klage im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs zum Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) zu erheben. Der Bescheid wurde dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 13. November 2013 zugestellt.

Mit weiterem Bescheid vom 8. Januar 2014 setzte die Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 200 € gegen den Kläger fest und begründete dies im Wesentlichen wie folgt: Er sei der Vorladung vom 31. Oktober 2013 zu seiner erkennungsdienstlichen Behandlung am V. Januar 2014 nicht nachgekommen; deswegen werde das dort angedrohte Zwangsgeld festgesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid (Blatt 6 f. der Beiakte A) verwiesen.

Mit Schreiben vom 18. Januar 2014, bei Gericht am 24. Januar 2014 eingegangen, hat der Kläger die vorliegende Klage gegen die Bescheide vom 31. Oktober 2013 und vom 8. Januar 2014 erhoben. Er begründet diese im Wesentlichen wie folgt: Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung sei rechtswidrig, weil er keine Straftaten begangen habe, die diese Anordnung rechtfertigen könnten. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig habe das Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Körperverletzung und Beleidigung am T. September 2013 eingestellt. Nach Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens könne die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht aufrechterhalten werden. Aus dem gleichen Grund sei es rechtswidrig gewesen, mit dem Bescheid vom 8. Januar 2014 das Zwangsgeld gegen ihn festzusetzen.

Unter dem 8. Mai 2014 hat die Beklagte den Zwangsgeldbescheid vom 8. Januar 2014 aufgehoben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Bescheide der Beklagten vom 31. Oktober 2013 und vom 8. Januar 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erwidert im Wesentlichen wie folgt:

Die Klage sei hinsichtlich des Zwangsgeldbescheides vom 8. Januar 2014 unzulässig geworden, nachdem sie diesen Bescheid aufgehoben habe.

Auch hinsichtlich des Bescheides über die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung vom 31. Oktober 2013 sei die Klage unzulässig. Der Bescheid sei dem Kläger am 13. November 2013 zugestellt worden. Die Klagefrist betrage einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheids und sei im Zeitpunkt der Klageerhebung im Januar 2014 deswegen bereits verstrichen gewesen.

Unabhängig hiervon sei die Klage auch unbegründet; der Bescheid vom 31. Oktober 2013 sei rechtmäßig. Insbesondere sei eine hinreichende Wiederholungsgefahr gegeben. Der Kläger sei in der Vergangenheit häufig wegen zum Teil auch schwerwiegender Delikte strafrechtlich verurteilt worden. Auch in der jüngeren Vergangenheit sowie während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hätten strafrechtliche Ermittlungen, unter anderem wegen des Verdachts der Körperverletzung, Bedrohung und Beleidigung, gegen ihn geführt werden müssen. In der Gesamtbetrachtung sei darauf zu schließen, dass der Kläger ein hohes Aggressionspotenzial sowie eine nicht geringe Gewaltbereitschaft habe; deswegen sei davon auszugehen, dass es auch zukünftig zu strafrechtlichen Vorwürfen gegen den Kläger kommen werde, zu deren Aufklärung erkennungsdienstliche Unterlagen beitragen können.

Der Kläger ist während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strafrechtlich auffällig geworden: Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom W. August 2014 hat das Amtsgericht Salzgitter ihn zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen wegen Sachbeschädigung in 6 Fällen verurteilt (Aktenzeichen: X.). Dem lag zugrunde, dass der Kläger am Nachmittag des 4. April 2014 mit dem Fahrrad durch Salzgitter gefahren war und während des Fahrens mit dem Fuß gegen mehrere Außenspiegel parkender Autos getreten hatte, wodurch diese beschädigt wurden und jeweils ein geschätzter Schaden in Höhe von 100 € entstanden war. Der Kläger war von mehreren Zeugen bei einer Wahllichtbildvorlage identifiziert worden; er selbst hatte die Tat bestritten. Aktuell ist ein weiteres Strafverfahren anhängig. Das Amtsgericht Salzgitter hat mit Beschluss vom Y. Februar 2015 das Hauptverfahren wegen des Vorwurfs einer gefährlichen Körperverletzung zugelassen. Dem Kläger wird mit der Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig vorgeworfen, am Vormittag des R. Oktober 2014 einem anderen Hundehalter zweimal mit dem Maulkorb seines Hundes in das Gesicht geschlagen zu haben, sodass dieser eine Nasenbeinfraktur sowie eine Mittelfingerprellung erlitt. Zuvor habe der Hund des Klägers den anderen Hundehalter umgeworfen, daraufhin sei es zu einem Wortgefecht zwischen dem Kläger und dem anderen Hundehalter gekommen. Der Kläger bestreitet, einen Maulkorb verwendet zu haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie die beigezogenen strafrechtlichen Ermittlungsakten verwiesen.

Gründe

Die Klage, über die die Kammer in Abwesenheit des Klägers am 16. Dezember 2015 verhandeln und entscheiden durfte, weil der Kläger in der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO hierauf hingewiesen wurde, hat keinen Erfolg. Sie ist insgesamt unzulässig. Soweit sich der Kläger gegen die Anordnung seiner erkennungsdienstlichen Behandlung wendet, ist die Klage - im Sinne einer selbstständig tragenden Begründung - auch unbegründet.

Die Klage ist nicht fristgerecht erhoben und deswegen unzulässig, soweit sich der Kläger gegen den Bescheid vom 31. Oktober 2014 wendet, mit dem die Beklagte seine erkennungsdienstliche Behandlung angeordnet hat.

Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO muss eine Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben werden, wenn ein Widerspruchsbescheid im Sinne von § 68 VwGO  nicht erforderlich ist. Vorliegend ist ein Widerspruchsverfahren nach § 8a Abs. 1 Niedersächsisches Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung in der zum Zeitpunkt der Klageerhebung geltenden Fassung entbehrlich gewesen. Der Lauf der Klagefrist hat mit Bekanntgabe des Bescheids vom 31. Oktober 2013 begonnen, weil der Kläger in der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids über den Rechtsbehelf, das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, dessen Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist, § 58 Abs. 1 VwGO. Der Kläger hat nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids Klage gegen diesen erhoben: Bekanntgegeben ist ihm der Bescheid vom 31. Oktober 2013 mit dessen Zustellung - ausweislich der Postzustellungsurkunde - am 13. November 2013; Klage erhoben hat er erst am 24. Januar 2014.

47Die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO von einem Monat hat sich nicht gemäß § 58 Abs. 2 VwGO verlängert. Nach § 58 Abs. 2 VwGO verlängert sich die Frist auf die Dauer eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt wurde. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids vom 31. Oktober 2013 ist nicht im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO unrichtig gewesen. Zwar hat die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids darauf hingewiesen, dass eine Klageerhebung schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts möglich sei, und hat insoweit nicht auch auf die seit dem 1. November 2013 bestehende Möglichkeit, im Sinne von § 55a VwGO mittels eines Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (im Folgenden: EGVP) Klage zu erheben, hingewiesen. In der Rechtsprechung ist umstritten, ob eine derartige Rechtsbehelfsbelehrung unvollständig bzw. irreführend und deswegen unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO ist (vgl. dies bejahend bspw.: Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, U. v. 5.11.2015 – 1 A 24/15 –; OVG des Landes Sachsen-Anhalt, U. v. 14.10.2014 – 1 L 99/13 –; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 3.5.2010 – OVG 2 S 106.09 –; vgl. dies ablehnend bspw.: Bundesfinanzhof; U. v. 18.6.2015 – IV R 18/13 –; Bundessozialgericht, U. v. 14.03.2013 - B 13 19/12 R; jeweils nach juris).

Die erkennende Kammer schließt sich dem Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen an, das in seinem Beschluss 25. August 2015 (– 2 LB 283/14 –, juris Rn. 32 ff.) dargelegt und ausführlich begründet hat, weshalb eine solche Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO ist. Für die erkennende Kammer ist insoweit maßgeblich, dass das Fehlen eines Hinweises auf die Möglichkeit der Klageerhebung per EGVP im Hinblick auf dessen derzeitige Ausgestaltung generell nicht geeignet ist, das Einlegen eines Rechtsmittels zu beeinträchtigen. Die Teilnahme am EGVP hat besondere, technisch aufwändige Zugangsvoraussetzungen, die sich von den jedermann leicht zugänglichen Möglichkeiten der schriftlichen Klageerhebung oder der Klageerhebung zur Niederschrift gravierend unterscheiden. Es liegt vielmehr nahe, dass ein Hinweis auf die Möglichkeit der Klageerhebung per EGVP, mit dem nicht zugleich die aufwändigen technischen Einzelheiten erläutert werden, einen Rechtsschutzsuchenden, der nicht bereits in das Verfahren nach dem EGVP eingebunden ist, womöglich sogar dazu verleiten kann, eine Klage rechtlich unwirksam auf elektronischem Wege - beispielsweise durch einfache E-Mail -  zu erheben und ihn hierdurch davon abhalten kann, rechtzeitig schriftlich oder zur Niederschrift Klage einzureichen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung nimmt die Kammer auf die Ausführungen im genannten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen (a.a.O., juris Rn. 32 ff.) Bezug, denen sie folgt.

Unabhängig hiervon – im Sinne einer selbstständig tragenden Begründung – ist die Klage hinsichtlich des Bescheids vom 31. Oktober 2013 unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers angeordnet; der Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung zu präventiv-polizeilichen Zwecken ist § 81b 2. Alternative StPO. Danach dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke eines Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend erfüllt.

Der Kläger war zum - insoweit maßgeblichen - Zeitpunkt des Bescheiderlasses Beschuldigter i. S. v. § 81b 2. Alternative StPO, da die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen des Verdachts einer Körperverletzung am T. September 2013 gegen ihn Ermittlungen führte.

Die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers ist notwendig im Sinne des § 81b 2. Alternative StPO. Die Notwendigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen bemisst sich danach, ob der Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, währenddessen er nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potenzieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte (Stichwort: Wiederholungsgefahr) und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern können (Stichwort: Eignung). Denn § 81 b 2. Alternative StPO dient der vorsorgenden Bereitstellung von Hilfsmitteln für die künftige Erforschung und Aufklärung von Straftaten. Wegen der Begrenzung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen auf das notwendige Maß darf im konkreten Einzelfall die Schwere des mit der erkennungsdienstlichen Maßnahme verbundenen Grundrechtseingriffs nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interesses namentlich an der Aufklärung künftiger Straftaten stehen (Stichwort: Angemessenheit) (vgl. zu Nds. OVG, U. v. 20.11.2014 - 11 LC 232/13 -, juris Rn. 20 ff.). Bei der Überprüfung von Anordnungen zur erkennungsdienstlichen Behandlung berücksichtigt das Gericht, dass mit diesen (auch wegen der sich anschließenden Speicherung der Unterlagen) ein schwerwiegender Grundrechtseingriff insbesondere in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen, das sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergibt, verbunden ist.

Eine für die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers hinreichende Wiederholungsgefahr ist gegeben. Es ist mit hinreichender Sicherheit zu prognostizieren, dass der Kläger zukünftig erneut Anlass zu strafrechtlichen Ermittlungen geben wird. Die Kammer nimmt insoweit zunächst gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf die Begründung des Bescheids vom 31. Oktober 2013, der sie folgt.

Ergänzend weist sie darauf hin, dass sich diese negative Prognose im Wesentlichen darauf stützt, dass der Kläger seit mehr als 25 Jahren regelmäßig wegen unterschiedlicher - zum Teil sehr schwerwiegender - Straftaten verurteilt worden ist. Zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses im Herbst des Jahres 2012 waren im Bundeszentralregister insgesamt 12 strafrechtliche Verurteilungen für den Kläger eingetragen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelte - wie bereits circa ein Jahr zuvor - erneut wegen des Vorwurfs einer Körperverletzung sowie von Beleidigungen und Bedrohungen gegen den Kläger. Der Kläger ist im Jahr 2014 erneut zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen verurteilt worden. Aktuell ist ein strafrechtliches Hauptverfahren gegen ihn wegen des Vorwurfs einer gefährlichen Körperverletzung beim Amtsgericht Salzgitter anhängig. In der Gesamtbetrachtung rechtfertigt dies die Prognose, dass der Kläger auch zukünftig Anlass zu strafrechtlichen Ermittlungen geben kann.

Dass und inwiefern der Kläger während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erneut wiederholt strafrechtlich auffällig geworden ist, kann die erkennende Kammer bei ihrer Entscheidung zur Wiederholungsgefahr berücksichtigen (vgl. Nds. OVG, U. v. 20.11.2014 - 11 LC 232/13 -, juris Rn. 20 m.w.N.). Entsprechendes gilt für die teilweise lange Zeit zurückliegenden strafrechtlichen Verurteilungen seit dem Jahr 1989. Zwar ist der Kläger im Zeitraum von November 2004 bis zum August 2014 nicht strafrechtlich verurteilt worden. Es ist aber nicht ersichtlich, dass dies Ausdruck eines grundlegenden und fortwirkenden Wandel seiner Persönlichkeit gewesen ist und insofern eine Zäsur zu seinem früherem strafrechtlich relevanten Verhalten anzunehmen wäre, die es verhindert oder jedenfalls erschwert, die früheren Verurteilungen in die Prognose zu einer Wiederholungsgefahr einzubeziehen. Denn der Kläger ist seit dem Jahr 2012 wiederum in häufiger Frequenz strafrechtlich auffällig geworden und zuletzt nicht unerheblich strafrechtlich verurteilt worden. Eine nachhaltige Abkehr von strafrechtlich relevanten Verhaltensmustern ist deswegen nicht erkennbar. Dies kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass die strafrechtlichen Verurteilungen seit dem Jahr 1989 immer noch im Bundeszentralregister eingetragen und nicht wegen eines hinreichend langen Zeitraums ohne strafrechtliche Verurteilung in der Zwischenzeit getilgt worden sind.

Der Kläger dringt schließlich auch nicht mit seinem zentralen Einwand durch, seine erkennungsdienstlichen Behandlung sei rechtswidrig, weil das Verfahren wegen der Anlasstat am T. September 2013 von der Staatsanwaltschaft Braunschweig eingestellt worden sei. Bei der Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt, kann ein Tatvorwurf - auch hinsichtlich der Anlasstat - nämlich selbst dann berücksichtigt werden, wenn das Strafverfahren nach §§ 153 ff. StPO oder § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Die Einstellung des Verfahrens bringt nämlich nicht zum Ausdruck, dass der Tatverdacht gegen den Betroffenen ausgeräumt wäre. Vielmehr wird darauf abgestellt, ob die Schuld des Täters als gering anzusehen ist (§ 153 Abs. 1 S. 1 StPO), ob von der Anklage unter Auflagen und Weisungen abgesehen werden kann, weil die Schwere der Schuld nicht entgegen steht (§ 153a Abs. 1 S. 1 StPO) bzw. ob die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten (§ 170 Abs. 1 StPO), weil der Tatvorwurf wahrscheinlich bewiesen werden kann und die Überführung des Beschuldigten zu erwarten ist. Derartige Einschätzungen der Strafverfolgungsbehörde stehen einer Bewertung des zugrunde liegenden „Anfangsverdachts“ sowie des Ermittlungsergebnisses nach den Maßstäben kriminalistischer Erfahrung nicht entgegen. Vielmehr ist unter Würdigung der gesamten Umstände des Falles die Frage zu beantworten, ob mit der Einstellung eines Strafverfahrens der Tatverdacht gegen den Beteiligten vollständig entfallen ist oder ob ein „Restverdacht“ gegeben ist, weshalb begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beteiligte auch zukünftig Anlass zu polizeilichen Ermittlungen geben könne (vgl. Nds. OVG, U. v. 26.02.2009 - 11 LB 431/08 -, juris Rn. 45, m.w.N.). Ein derartiger Restverdacht ist hinsichtlich des Geschehens vom T. September 2013 gegeben. Zwar hat der Kläger den Vorwurf teilweise bestritten. Es ist aber schon deshalb nicht ersichtlich, dass dies den strafrechtlichen Verdacht vollständig entkräftet hat (vgl. insoweit Nds. OVG, U. v. 20.11.2014 - 11 LC 232/13 -, juris Rn. 22), weil mehrere Zeugen den Kläger in ihren schriftlichen Zeugenaussagen belastet hatten. Dass deren Angaben widerlegt sind, ist nicht ersichtlich.

Hinsichtlich der Eignung der angeordneten erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers, zukünftige mögliche Ermittlungen zu fördern, bestehen keine Bedenken, zumal die letzte erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers im Jahr 1989 erfolgt ist und eine Aktualisierung der Unterlagen sachgerecht ist (vgl. insoweit auch Nds. OVG, U. v. 21.02.2008  - 11 LB 417/07-, juris Rn. 31). Entsprechendes gilt für die Angemessenheit der erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers.

Die Klage ist unzulässig, soweit sich der Kläger gegen den Zwangsgeldbescheid der Beklagten vom 8. Januar 2014 wendet. Das Verfahren hat sich insoweit in der Hauptsache erledigt, weil die Beklagte den Zwangsgeldbescheid vom 8. Januar 2014 aufgehoben hat. Eine Hauptsacheerledigungserklärung hat der Kläger nicht abgegeben, obwohl ihm mit den Beschlüssen des erkennenden Gerichts vom 26. August 2014 und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. September 2014 (11 PA 220/14) im Prozesskostenhilfeverfahren dargelegt worden war, dass sich die Klage durch die Aufhebung des Zwangsgeldbescheids erledigt hat und unzulässig geworden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG und orientiert sich an der Empfehlung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NVwZ 2013, Beilage Heft 2, 57 ff., Nr. 35.5), soweit sich der Kläger gegen die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung wendet. Hinsichtlich des Zwangsgeldbescheids vom 8. Januar 2014 beruht die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 3 GKG. Die Einzelstreitwerte waren nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren.