LG Neuruppin, Urteil vom 26.11.2015 - 5 O 177/15
Fundstelle
openJur 2016, 2019
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der beklagten Bank im Wesentlichen die Rückzahlung von geleisteten Ratenzahlungen für einen zur Finanzierung eines Pkw aufgenommenen Darlehensvertrag aus dem Gesichtspunkt des Widerrufs ihrer auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung.

Am 29. Oktober 2010 erwarb die Klägerin bei dem Autohaus E. in Oranienburg einen Pkw Vw Golf Team I für einen Kaufpreis von insgesamt 20.183,91 €. Abzüglich einer Anzahlung aus Eigenmitteln in Höhe von 1.600 € finanzierte die Klägerin den restlichen Kaufpreis durch einen am gleichen Tage mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag mit einem Sollzinssatz von 0,74 % jährlich. Dessen Gesamtbetrag belief sich unter Einschluss einer Bearbeitungsgebühr von 650,44 € und Zinsen in Höhe von 436,44 € auf 19.671,27 € und war in 48 monatlichen Raten á 201,55 € sowie mit einer Schlussrate in Höhe von 10.198,42 € zurückzuzahlen. Für den weiteren Inhalt des Vertragsformulars und insbesondere für den Wortlaut der darin abgedruckten „Widerrufsinformation“ wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung verwiesen (Anklage K1, Bl. 9 ff. d.A.). Die Klägerin erfüllte den Darlehensvertrag in der Folgezeit vereinbarungsgemäß. Mit privatschriftlichem Schreiben vom 22. April 2015 erklärte sie gegenüber der Beklagten den Widerruf des Darlehensvertrages und bat um Rücküberweisung ihrer geleisteten Raten, was die Beklagte in einem Antwortschreiben unter Hinweis auf die Vertragsbeendigung ablehnte (Anlagen K2/K3, Bl. 13 ff.d.A.). Mit Anwaltsschreiben vom 10. Juni 2015 wiederholte die Klägerin ohne Erfolg ihr Begehren unter Fristsetzung bis zum 24. Juni 2015 Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw (Anlage K4, Bl. 15 ff. d.A.). Der tatsächliche Sachverhalt ist zwischen den Parteien auch im Übrigen unstreitig.

Die Klägerin meint insbesondere, die in dem Darlehensvertrag enthaltene Widerrufsinformation sei fehlerhaft, weil sie den Gestaltungshinweis Nr. 1 gemäß der Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB (aF) nicht enthalte, wonach bei „entgeltlichen Finanzierungshilfen betreffend die Überlassung von Sachen“ von dem Darlehensgeber auch darauf hinzuweisen sei, dass der Widerruf „durch Rücksendung der Sache“ erklärt werden könne. Sie ist der Auffassung, ein mit einem Pkw-Kaufvertrag im Sinne des § 358 Abs. 3 BGB (aF/nF) verbundener Verbraucherdarlehensvertrag sei begrifflich ein Unterfall einer „entgeltlichen Finanzierungshilfe“. Daneben ist sie der Auffassung, ihr stehe wegen Unwirksamkeit der betreffenden formularmäßigen Vereinbarung die Rückzahlung des von der Beklagten vereinnahmten Bearbeitungsentgeltes nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts. Für ihren weiteren Vortrag wird insbesondere auf den Schriftsatz vom 23. Oktober 2015 (S. 3 ff.; Bl. 57 ff. d.A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von 17.234,49 € nebst Zinsen in von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für das Jahr seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgewähr des Pkw Golf Team I mit der Fahrgestellnummer WVWZZZ1KZBW268165,

sie hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten von der Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.100,51 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist insbesondere der Auffassung, die in dem Vertragsformular enthaltenen Pflichtangaben entsprächen den Anforderungen der Anlage 6 zu Art. 247 EGBGB (aF), insbesondere sei der streitgegenständliche Verbraucherdarlehensvertrag keine „entgeltliche Finanzierungshilfe“ im dort gemeinten Sinne. Was darunter zu verstehen sei, habe der Gesetzgeber gesondert in § 506 BGB legaldefiniert. Sie meint ferner, nach Vertragserfüllung sei ein Widerruf ohnehin nicht mehr möglich. Für die weiteren Einwendungen der Beklagten, insbesondere zur Höhe der geltend gemachten Klageforderung, wird auf den Schriftsatz vom 7. September 2015 verwiesen (S. 2 ff.; Bl. 38 ff. d.A.). Zudem beruft sich die Beklagte gegenüber dem geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des Bearbeitungsentgelts auf die Einrede der Verjährung.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 26. November 2015 ergänzend Bezug genommen.

Die Klageschrift ist der Beklagten ausweislich der Postzustellungsurkunde unter dem 13. August 2015 zugestellt worden (Bl. 26 d.A.). Das Landgericht Berlin hat die ursprünglich dort erhobene Klage mit Beschluss vom 8. September 2015 an das hiesige Gericht verwiesen (Bl. 41 d.A.).

Gründe

1. Die vor dem - aufgrund des bindenden Verweisungsbeschlusses örtlich zuständigen (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO) - Landgericht Neuruppin geltend gemachte und auch sonst zulässige Klage ist unbegründet.

13a) Der Klägerin steht der geltend gemachte Rückabwicklungsanspruch schon deshalb nicht aus §§ 495 Abs. 1 und 2, 355 ff., 346 ff. BGB zu, weil die zweiwöchige Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts zum Zeitpunkt seiner erstmaligen Ausübung lange abgelaufen war. Ein Fortbestand des Widerrufsrechtes mangels richtiger Widergabe der Pflichtangaben zum Widerrufsrecht in dem Vertragsformular (vgl. § 495 Abs. 2 Satz 2 BGB aF) bestand entgegen der Auffassung der Klägerin nicht.

aa) Dass eine Verpflichtung der Beklagten zur Aufklärung darüber, dass ein Widerruf auch durch „Rücksendung der Sache“ innerhalb der Widerrufsfrist erklärt werden könne, sich entgegen der in der Klageschrift vertretenen Auffassung nicht bereits aus § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB (aF) ergeben hat, folgt ohne weiteres aus § 495 Abs. 2 BGB (aF), wonach an die Stelle der in §§ 355 ff. BGB (aF) geregelten „Widerrufsbelehrung“ die Pflichtangaben im Sinne des Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB (aF) treten.

15bb) Die danach mit Rücksicht auf Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB (aF) notwendigen - und gemäß vorgenannten Vorschriften den gesetzlichen Anforderungen jedenfalls genügenden - Pflichtabgaben enthält der Formularvertrag über das streitgegenständliche, mit einem Kaufvertrag verbundene Verbraucherdarlehen. Dies gilt insbesondere, als dies die nach dem damaligen Mustertext notwendigen Gestaltungshinweise zu verbundenen Verträgen im Sinne des § 358 BGB (aF/nF) betrifft (vgl. Anlage K1, Bl. 12 d.A.). Gegenteilige Einwände hat auch die Klägerin nicht erhoben. Der darüber hinaus von der Klägerin verlangte respektive als fehlend gerügte Gestaltungshinweis in Nr. 1 (aF) zu „entgeltlichen Finanzierungshilfen betreffend die Überlassung von Sachen“ war von der Beklagten in dem Formulartext hingegen nicht zu berücksichtigen, weil das streitgegenständliche Vertragsverhältnis gerade keine solche Finanzierungshilfe betrifft.

16(1) Entgeltliche Finanzierungshilfen im dort gemeinten Sinne betreffen ausschließlich Vertragsverhältnisse, in denen typischerweise der Verkäufer oder Leasinggeber einer Sache selbst (als „Unternehmer“) dem Verbraucher einen „entgeltlichen Zahlungsaufschub oder eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe gewährt“, § 506 Abs. 1 BGB i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB (aF/nF). Die vorgenannte Norm erklärt nämlich die für einen Verbraucherdarlehensvertrag geltenden Regeln gerade wegen der begrifflichen Verschiedenheit beider Finanzierungsmittel lediglich für entsprechend anwendbar (und dies auch nur „mit Ausnahmen des § 492 Abs. 4 und vorbehaltlich der Absätze 3 und 4“). Entgegen der Auffassung der Klägerin umfasst das Verbraucherkreditrecht mit dem Begriff des „Kreditvertrages“ schon seit der Schuldrechtsmodernisierungsreform im Jahr 2002 nicht mehr Darlehensverträge und sonstige Finanzierungshilfen gleichermaßen (siehe Palandt/Weidenkaff, 74. Auflage, Vorbem v § 506 Rn. 1 mwN), sondern enthält auch außer den in §§ 491 bis 505 BGB (aF) enthaltenen Regelungen, die nur für einen Verbraucherdarlehensvertrag unmittelbar gelten, zahlreiche Sonderregelungen, aus denen die begriffliche Trennung deutlich hervorgeht. Davon genannt seien exemplarisch einige derjenigen Vorschriften, in denen die unterschiedlichen Vertragstypen differenzierend aufgezählt werden, wie etwa in § 655a Abs. 1 Satz 1 BGB (aF/nF), Art. 247 § 7 Nr. 2 EGBGB (aF/nF) und Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 EGBGB (aF/nF). Das Vorhandensein von gesonderten Regelungen in Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 Satz 2 EGBGB (aF/nF), auf die sich jeweils die Anlage 6 zu Art. 247 EGBGB (aF/nF) mit dem Mustertext bezieht, würde im Übrigen bei einem gemeinsamen Oberbegriff von Verbraucherdarlehensverträgen und sonstigen entgeltlichen Finanzierungsmitteln kaum einen Sinn ergeben.

Soweit sich die Klägerin für ihre gegenteilige Rechtsmeinung auf § 507 BGB (aF) beruft, welcher dem neugeregelten § 512 BGB entspricht, ist dies schon deshalb nicht überzeugend, weil diese Norm eine bereichsspezifische Ausnahme für „Existenzgründer“ statuiert und als Ausnahmevorschrift aus normsystematischen Gründen keine begrifflichen Klarstellungen der allgemeinen Regelungen enthält. Unabhängig davon lässt sich dem Wortlaut dieser Norm das von der Klägerin insinuierte Verständnis nicht entnehmen. Vielmehr werden dort einerseits „Darlehen“ und andererseits der „Zahlungsaufschub oder eine sonstige Finanzierungshilfe“ aufgeführt, womit der Wortlaut ersichtlich nur an denjenigen des - vor der Gesetzesnovellierung unmittelbar vorhergehenden - § 506 BGB (aF/nF) anknüpft, wonach für „Zahlungsaufschub oder sonstige entgeltliche Finanzierungsmittel“ die Regeln zum Verbraucherdarlehen zum größten Teil - aber eben nicht vollständig - entsprechend gelten. Von einer vom Gesetzgeber beabsichtigten begrifflichen Zusammenfassung kann daher keine Rede sein.

Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus dem in der Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 (aF) enthaltenen Mustertext selbst. So wird auch an dessen Systematik und den gegebenen Erläuterungen zu den Gestaltungshinweisen deutlich, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit eines Verbraucherdarlehensvertrages, der nicht nur mit einem anderen Vertrag im Sinne des § 358 BGB (aF/nF) verbunden ist, sondern zugleich eine „entgeltliche Finanzierungshilfe“ im Sinne des Gestaltungshinweises Nr. 1 darstellt, begriffslogisch nicht vorgesehen hat.

19Zum einen wird dort für die Gestaltungshinweise nicht nur zwischen einfachen Verbraucherdarlehen und solchen mit qualifizierenden Merkmalen unterschieden, sondern auch zwischen verbundenen Verbraucherdarlehensverträgen im Sinne des § 358 BGB und den gesondert erfassten entgeltlichen Finanzierungshilfen, und dies, obwohl nach Auffassung der Klägerin jedes mit einem anderen Vertrag verbundene Verbraucherdarlehen zugleich eine entgeltliche Finanzierungshilfe sein müsste (denn nach § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB (aF/nF) ist ein verbundenes Geschäft unter anderem nur dann anzunehmen, wenn „das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrages dient“). Zum anderen wird aber auch unter der Fußnote („*“) zu dem im Musterformular verwendeten Ausgangsbegriff „Darlehensnehmer“ noch ausdrücklich auf Folgendes hingewiesen: „Bei entgeltlichen Finanzierungshilfen sind die Bezeichnungen entsprechend anzupassen, beispielsweise mit Leasinggeber und Leasingnehmer …“. Dieser Formulierungshinweis betrifft ersichtlich die vom Gesetzgeber in § 506 BGB (aF/nF) geregelten entgeltlichen Finanzierungshilfen in geschäftlichen Zweipersonenverhältnissen, namentlich solche von Verkäufern und Erwerbern vgl. (§ 506 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB aF/nF) und Leasinggebern und Leasingnehmern (vgl. § 506 Abs. 2 Nr. 3 BGB aF/nF), naturgemäß aber niemals eine kauffinanzierende Bank wie die Beklagte, denn in dem insoweit gegebenen Dreipersonenverhältnis bleibt diese immer der „Darlehensgeber“.

(2) Am Rande sei angemerkt, dass die vom Wortlaut her vor allem auf entgeltliche Finanzierungshilfen eines Verkäufers gemünzte Pflichtangabe, wonach der Widerruf auch durch „Rücksendung der Sache“ ausgeübt werden könne, bei dem darlehensfinanzierten Erwerb eines Pkw ohnehin eher missverständlich, wenn auch im Falle eines eine entgeltliche Finanzierungshilfe gewährenden Autoverkäufers bzw. Leasinggebers ebenso erforderlich wie rechtlich richtig gewesen wäre.

b) Soweit in der Klageschrift die Rückzahlung des Bearbeitungsentgeltes thematisiert wird, lässt sich ein mit dem Klageantrag zu 1. korrelierendes Zahlungsbegehren nicht entnehmen. Das kann jedoch dahinstehen bleiben, denn die betreffende Forderung ist jedenfalls - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - verjährt. Die kenntnisabhängige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 1 BGB begann für Rückforderungsansprüche wegen formularmäßig unwirksam vereinbarter Bearbeitungsentgelte in Verbraucherdarlehensverträgen zwar aus Zumutbarkeitsgesichtspunkten erst mit dem Schlusse des Jahres 2011 zu laufen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 17/14, juris Rn. 32 ff.). Diese Frist war indes am 1. Januar 2015 und damit bereits vor der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) abgelaufen.

2. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Streitwert: 17.234,49 €; § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO

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