Lebt das unterhaltsberechtigte Kind in einem Internat, ist kein Elternteil Obhutselternteil i.S.v. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB, wenn die Kontakte des Kindes zu den Eltern außerhalb des Internats im Verhältnis von 53 % zu 47 % liegen. Denn ein leichtes Übergewicht eines Elternteils bei der tatsächlichen Fürsorge für das Kind reicht in einer solchen Konstellation nicht aus.
In der Familiensache
betreffend die Minderjährige G… K…,
geboren am …. März 2000,
weist der Senat darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Beschwerde ohne Durchführung eines Anhörungstermins zurückzuweisen. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme, die auch der Anhörung gemäß § 160 Abs. 2 Satz 1 FamFG dient, binnen drei Wochen.
Im Ergebnis zutreffend dürfte das Amtsgericht dem minderjährigen Kind für das auf Kindesunterhalt gerichtete Verfahren 2.2 F 343/14 des Amtsgerichts Strausberg einen Pfleger bestellt haben.
Nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB kann bei gemeinsamer elterlicher Sorge derjenige Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, dieses bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche gesetzlich vertreten. Der Begriff der Obhut knüpft an die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse an. Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, der mithin die elementaren Lebensbedürfnisse des Kindes nach Pflege, Verköstigung, Kleidung, Ordnung in der Gestaltung des Tagesablaufs und ständig abrufbereiter emotionaler Zuwendung vorrangig befriedigt oder sicherstellt. Leben die Eltern in verschiedenen Wohnungen und regeln sie den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes dergestalt, dass es vorwiegend in der Wohnung eines Elternteils lebt und dies durch regelmäßige Besuche in der Wohnung des anderen Elternteils unterbrochen wird (Eingliederungs- oder Residenzmodell), so ist die Obhut i.S.d. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB dem erstgenannten Elternteil zuzuordnen. Betreuen die Eltern ihr Kind in der Weise, dass es in etwa gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen oder dem anderen Elternteil lebt (Wechselmodell), lässt sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln. Das hat zur Folge, dass kein Elternteil die Obhut i.S.v. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB innehat. Dann muss der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt oder der Elternteil muss beim Familiengericht beantragen, ihm gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen (BGH, NJW 2014, 1958 Rn. 16).
Befindet sich das Kind dauerhaft in der Obhut eines Dritten, z. B. im Rahmen der Familienpflege oder Heimunterbringung, aber auch im Falle eines Internatsaufenthalts, wird teilweise die Auffassung vertreten, es entfalle das Alleinvertretungsrecht aus § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB (vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 2005, 1382; Palandt/Götz, BGB, 74. Aufl., § 1629 Rn. 25). Nach anderer Auffassung kann ein Elternteil auch dann, wenn das Kind bei einem Dritten, z. B. in einem Internat oder bei Verwandten, untergebracht und auf diese Weise der Unterhalt sichergestellt ist, die Obhut über das Kind inne haben, insbesondere wenn er regelmäßig Umgang mit dem Kind und etwaigen Betreuungspersonen pflegt (vgl. OLG Bamberg, NJW-RR 1986, 299; Huber in: MünchKomm zum BGB, 6. Aufl., § 1629 Rn. 76; Kaiser, in: Kaiser/ Schnitzler/Friederici/Schilling, BGB, Bd. IV, Familienrecht, 3. Aufl., § 1629 Rn. 43). Welcher Ansicht zu folgen ist, kann hier offenbleiben. Denn die Voraussetzungen für eine Pflegerbestellung liegen hier, wie noch auszuführen ist, in jedem Fall vor.
Die Vorschrift des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB findet auch bei Passivprozessen Anwendung, also wenn ein Elternteil als Unterhaltsschuldner das Kind auf Abänderung eines Unterhaltstitels, nämlich auf Herabsetzung des titulierten Betrages, in Anspruch nimmt. Denn die Verteidigung gegen das Herabsetzungsbegehren ist inzidenter als eine - weitere - Geltendmachung des bereits titulierten Kindesunterhalts anzusehen (OLG Naumburg, Urteil vom 22.2.2007 - 8 UF 185/06, BeckRS 2007, 13642; Bamberger/Roth/Veit, BeckOK, BGB, Edition 33, § 1629 Rn. 50; Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Aufl., § 1629 BGB Rn. 7; vgl. für die Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB auch Rogner, NJW 1994, 3325). Teilweise wird auch die Auffassung vertreten, dass, weil § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB nur zur "Geltendmachung" von Kindesunterhalt berechtige, immer dann, wenn das minderjährige Kind auf Abänderung des titulierten Unterhalts in Anspruch genommen wird, dem Kind ein Ergänzungspfleger zu bestellen sei (OLG Naumburg, Beschluss vom 16.01.2007 - 8 WF 12/07, BeckRS 2008, 08762). Ob der letztgenannten Auffassung zu folgen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn, wie nachfolgend ausgeführt, ist die vom Amtsgericht vorgenommene Pflegerbestellung selbst dann nicht zu beanstanden, wenn man § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB auch bei Passivprozessen für anwendbar hält.
Im vorliegenden Fall besucht das Kind seit August 2012 eine Sportschule als Internat. Damit ist das Kind überwiegend auswärts untergebracht, so dass es sich tatsächlich überwiegend nicht in der Obhut eines Elternteils befindet. Selbst wenn man der genannten Auffassung folgt, wonach auch in einem solchen Fall unter Umständen in Betracht kommt, die Obhut eines Elternteils i.S.v. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB anzunehmen, ist vorliegend nicht festzustellen, dass gerade der Vater, der gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt hat, alleiniger Obhutselternteil ist. Beide Elternteile haben in den Zeiten, in denen sich das Kind nicht im Internat befindet, regelmäßigen Umgang mit ihm. Das Amtsgericht hat die Bestellung eines Ergänzungspflegers, ohne auf die besondere Situation einzugehen, dass das Kind im Internat lebt, damit begründet, die Eltern praktizierten ein Wechselmodell. Wenn dies allein ausschlaggebend wäre, käme es darauf an, bei welchem Elternteil ein eindeutig feststellbares, aber nicht notwendigerweise großes Übergewicht bei der tatsächlichen Fürsorge für das Kind vorliegt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 17). Wenn aber die tatsächliche Fürsorge für das Kind wegen dessen dauerhafter Unterbringung in einem Internat überwiegend nicht bei den Eltern liegt, kann Obhutselternteil i.S.v. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB nur derjenige Elternteil sein, der in den Zeiten, in denen sich das Kind nicht im Internat aufhält, erheblich größere Fürsorgeleistungen erbringt. Dies lässt sich hier auch in Bezug auf den Vater als Beschwerdeführer nicht feststellen. Die in der Beschwerdebegründung genannten Umstände rechtfertigen eine solche Feststellung nicht. Gleiches gilt für die vorgelegte zeitliche Aufstellung. Soweit dort abschließend als Ergebnis festgehalten ist, in der Zeit ab Beginn der Internatsunterbringung im August 2012 bis Ende 2014 habe sich das Kind an 170 Tagen und 36 Stunden bei der Mutter und an 188 Tagen und 113 Stunden beim Vater befunden, reicht dies für ein wesentliches Überwiegen der Fürsorge durch den Vater nicht aus. Denn in Bezug auf die Gesamtaufenthaltsdauer des Kindes bei den Eltern ergibt sich dann ein Anteil des Vaters von nicht einmal 53 %.