Schleswig-Holsteinisches VG, Urteil vom 08.07.2015 - 9 A 300/14
Fundstelle
openJur 2016, 1509
  • Rkr:

Ein Kreis (oder eine kreisfreie Stadt) als Träger eines Förderzentrums hat keinen Anspruch auf Schulkostenbeiträge gegenüber der Wohnsitzgemeinde aus § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG SH 2007. Dies entspricht der Vorgängernorm § 76 ABs. 1 S. 1 SchulG SH 1990, die ebenfalls nur einen Ausgleich auf gemeindlicher Ebene vorsah.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Schulkostenbeiträge für den Besuch eines Förderzentrums „Geistige Entwicklung“ in Trägerschaft des Kreises.

Der klagende Kreis ist Träger der Schule Steinfeld in Mölln und der Hechede-Schule in Geesthacht, beides Förderzentren mit dem Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“.

Förderzentren mit dem Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“ stehen anders als allgemeinbildende Schulen oder Förderzentren mit dem Schwerpunkt „Lernen“ in der originären Trägerschaft der Kreise. Diese haben bislang von den Wohnsitzgemeinden der Schülerinnen und Schüler keine Schulkostenbeiträge gefordert, sondern die Kosten dafür aus eigenen Mitteln bestritten. Nachdem das Ministerium für Bildung und Wissenschaft anders als zuvor im Jahr 2012 erstmalig die Auffassung vertreten hatte, den Kreisen stehe für diese Förderzentren nach der seit 2007 bestehenden gesetzlichen Regelung ein Schulkostenbeitrag zu, entstanden Streitigkeiten zwischen den Kreisen und den Gemeinden über diese Frage. Das vorliegende Verfahren gilt nach Vereinbarung zwischen dem Kläger und den jeweiligen kreisangehörigen Städten und Gemeinden als Musterverfahren.

Mit Schreiben vom 13.01.2014 machte der Kläger gegenüber der beklagten Gemeinde für eine in ihrem Gebiet wohnhafte Schülerin der Schule Steinfeld einen Schulkostenbeitrag in Höhe von 6.410,60 € für das Haushaltsjahr 2013 geltend, welchen die Beklagte nicht anerkannte.

Der Kläger hat am 02.01.2015 Klage erhoben, mit der er einen Anspruch auf Schulkostenbeiträge gemäß § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG gegenüber der Beklagten geltend macht. Die Voraussetzungen der Norm seien erfüllt.

Sie laute seit dem 01.01.2008:

„Eine Gemeinde hat für eine Schülerin oder einen Schüler, die oder der in ihrem Gebiet wohnt und eine Grundschule, eine weiterführende allgemein bildende Schule oder ein Förderzentrum besucht, an deren oder dessen Trägerschaft die Gemeinde nicht beteiligt ist, an den Schulträger einen Schulkostenbeitrag zu zahlen."

Bereits der Wortlaut sei eindeutig und nicht auslegungsbedürftig. Der Begriff des „Förderzentrums" könne nur so verstanden werden, dass dieser alle in § 45 Abs. 2 SchulG aufgezählten Förderzentren umfasse. Nach dem Wortlaut des § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG werde nicht zwischen den Förderzentren nach ihrem jeweiligen Förderschwerpunkt unterschieden. § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG unterscheide hinsichtlich der anspruchsberechtigten Partei auch nicht zwischen Gemeinde und Kreis. Dass der Gesetzgeber sich sehr wohl der unterschiedlichen Trägerschaften bewusst sei, zeige die ausdrückliche Differenzierung in § 111 Abs. 4 SchulG zwischen den Förderzentren mit dem Förderschwerpunkt „Lernen" und „Geistige Entwicklung". Auch in § 54 SchulG habe der Gesetzgeber in Anknüpfung an die in § 45 Abs. 2 SchulG genannten Förderschwerpunkte differenzierte Regelungen zur Schulträgerschaft getroffen, so dass er sich derer sehr wohl bewusst gewesen sei.

Im Rahmen der systematischen Auslegung erfordere auch die Vorschrift des § 111 Abs. 2 S. 3 SchulG keine einschränkende Auslegung des § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG. Sie stünden nicht im Widerspruch zueinander, sondern ergänzten sich. § 111 Abs. 2 S. 3 SchulG betreffe ausschließlich Fälle, in denen die Wohnsitzgemeinden der im kreiseigenen Förderzentrum beschulten Schülerinnen und Schüler außerhalb des Kreisgebietes lägen. Da die Gebietshoheit des Kreises als Gemeindeverband an den Grenzen der ihm angehörigen Städte und Gemeinden ende, sei es nur folgerichtig und systemgerecht, dass der Gesetzgeber keinen direkten Zugriff auf die Wohnsitzgemeinden außerhalb seines Kreisgebietes erlaube.

Auch Sinn und Zweck des § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG rechtfertigen kein Abweichen von dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Norm. Da die Schulträgerschaft zu den aufwendigsten und kostenträchtigsten kommunalen Aufgaben gehöre, habe sich Ende der 80er Jahre der Grundgedanke einer gerechteren Lastenverteilung zwischen den Schulträgern durchgesetzt. Während der Schullastenausgleich bis 1990 nur den ehemaligen „Pflichtschulbereich“ (Grund- und Hauptschulen, Schulen für Lernbehinderte) erfasst habe, sei der Schullastenausgleich mit Gesetz vom 12.12.1990 (GVOBl. Schl.-H., S. 615) auf das „Verursacherprinzip“ umgestellt worden. Der Anspruch bestehe unabhängig davon, ob die Wohnortgemeinde eine eigene Schule der gleichen Schulart unterhalte. Der Schulkostenausgleich beruhe auf dem Grundgedanken, dass dem anspruchsberechtigten Schulträger durch die bereitzustellende sachliche und personelle Ausstattung zusätzliche Kosten entstünden, wodurch die primär für die Beschulung verantwortliche Wohnsitzgemeinde spürbar entlastet werde. Dieser Gedanke sei vom Gesetzgeber keinesfalls auf die gemeindliche Ebene beschränkt worden. So könnten auch Kreise als Träger von Gymnasien von den Wohnsitzgemeinden Schulkostenbeiträge erheben. Ebenso zahlten nach § 111 Abs. 5 SchulG die Kreise Schulkostenbeiträge an das Land für Schülerinnen und Schüler, die Förderzentren in der Trägerschaft des Landes besuchten.

Da ein sachlich rechtfertigender Grund für den Ausschluss kreiseigener Förderzentren vom Anwendungsbereich des § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG nicht ersichtlich sei, sei ihre Einbeziehung nach Art. 3 GG geboten. § 48 SchulG belege, dass der Umfang der Aufgaben des Kreises als Schulträger eines Gymnasiums und eines Förderzentrums grundsätzlich vergleichbar seien. Hinzu komme, dass die Schüler im Rahmen der Inklusion ebenso gut eine allgemeinbildende Schule besuchen könnten und dann unstreitig ein Schulkostenbei- trag von der Wohnsitzgemeinde zu zahlen sei. Eine Befreiung der Wohnsitzgemeinde von Schulkostenbeiträgen im Falle der Beschulung in einem kreiseigenen Förderzentrum würde dem gesetzlichen Ziel der Ausweitung der inklusiven Beschulung entgegenlaufen.

Durch die historische Auslegung werde das gefundene Ergebnis nicht in Frage gestellt, auch wenn bereits fraglich sei, ob neben dem eindeutigen Wortlaut überhaupt eine historische Auslegung Platz habe. § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG habe die Vorgängernorm des § 76 Abs. 1 SchulG 1990 ersetzt. Dabei sei der verwendete Begriff „Förderschule“ durch den Begriff „Förderzentrum“ ersetzt worden. In der Gesetzesbegründung dazu finde sich lediglich der Satz, dass die Bestimmung dem § 76 Abs. 1 S. 1 geltender Rechtslage entspreche. Das Schweigen über die Änderung der Begrifflichkeiten und der Beschreibung der Folgen könne nicht als Beleg für den gesetzgeberischen Willen gelten, dass § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG nur Förderzentren in Trägerschaft der Gemeinden umfassen solle. Es könne auch nicht bloß als redaktionelle Änderung aufgefasst werden, da dies der Intention des Gesetzgebers nicht gerecht würde, die er mit dem Instrument des Förderzentrums verfolge. Hinter beiden Begriffen würden sich grundlegend verschiedene pädagogische Konzepte mit unterschiedlichen Zielrichtungen verbergen, weshalb der Begriff des Förderzentrums sehr viel weiter sei als der der Förderschule.

Insgesamt sei aufgrund der vorstehenden Ausführungen die Ansicht des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft gemäß seinem Schreiben vom 20.08.2012, dass auch Kreise einen Anspruch auf Schulkostenbeiträge hätten, nicht überraschend. Dieser Meinung seien der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag sowie der Städteverband Schleswig-Holstein im Rahmen der Anhörung zum Gesetzesentwurf zur Änderung des Schulgesetzes vom 11.09.2013 entgegengetreten und hätten um eine gesetzgeberische Klarstellung gebeten. Trotz dieser massiven Intervention sei der Landtag den Vorschlägen nicht gefolgt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.410,60 € nebst Zinsen in Höhe von 8%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Klagzustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, es bestehe kein Anspruch des Klägers aus § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG. Diese Vorschrift regele einen Schulkostenbeitrag für Förderzentren in Trägerschaft einer Gemeinde, nicht aber einen Schulkostenbeitrag für Förderzentren „Geistige Entwicklung“, die in der Trägerschaft eines Kreises stünden.

Der Wortlaut der Norm sei nicht eindeutig. Unter dem Begriff „Förderzentrum“ könne nach dem Wortsinn auch ein „Förderzentrum in Trägerschaft einer Gemeinde“ verstanden werden. Die Wortlautgrenze führe nicht dazu, dass zwingend alle in § 45 SchulG vorgesehenen Förderzentren in den Anwendungsbereich des § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG fielen, auch nicht im Wege des Umkehrschlusses aus einer mangelnden Differenzierung des Begriffs Förderzentrum.

Die historische Auslegung ergebe, dass die Regelung zum Schulkostenausgleich auf der Vorgängernorm des § 76 Abs. 1 SchulG 1990 basiere. Der Gesetzgeber habe diese Regelung ohne inhaltliche Änderungen in den § 111 Abs. 1 SchulG überführt. Alle in § 76 Abs. 1 SchulG 1990 genannten Schulformen - Grundschulen, allgemein bildende Schulen und Förderschulen - hätten nach §§ 67 bis 71 SchulG 1990 grundsätzlich in der Regelträgerschaft der Gemeinden gestanden, so dass § 76 Abs. 1 SchulG 1990 einen Schulkostenausgleich zwischen Gemeinden geregelt habe.

Durch die Neufassung des Schulgesetzes im Jahr 2007 sei keine inhaltliche Änderung erfolgt. Die einzige Änderung im Vergleich zur Vorgängernorm sei die Ersetzung des Begriffs „Förderschule" durch den Begriff „Förderzentrum", auch wenn es zu einer Weiterentwicklung der sonderpädagogischen Lehre gekommen sei. Dies sei aufgrund einer grundsätzlichen Änderung der Terminologie im Gesetz notwendig geworden. In dem Gesetzentwurf der Landesregierung sei ausgeführt, dass die neue Bestimmung dem § 76 Abs. 1 S. 1 SchulG 1990 entspreche und dass für den Begriff ,Sonderschulen‘ entsprechend der KMK-Terminologie der Begriff ,Förderzentren‘ in das Schulgesetz eingeführt worden sei. Dass der Gesetzesentwurf es bei dieser knappen und klaren Aussage belasse, sei ein weiteres Indiz gegen die Annahme des Klägers einer inhaltlichen Änderung der Regelung des Schulkostenausgleichs.

Auch die Auslegungspraxis des für die Schulgesetznovelle 2007 federführenden Ministeriums für Bildung und Wissenschaft belege, dass die Vorgängerregelung des SchulG 1990 ohne materiell-rechtliche Änderungen in § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG überführt worden sei. Ausweislich eines Vermerks vom 15.03.2007 ist nämlich auch das Ministerium ursprünglich davon ausgegangen, dass § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG hinsichtlich des Schullastenausgleichs inhaltlich § 76 SchulG 1990 entspreche. Soweit der Kläger auf ein Schreiben des Staatssekretärs des Ministeriums aus dem Jahre 2012 abstelle, lasse dieses Schreiben jede rechtliche Argumentation vermissen, die zur Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage beitragen könne. Hintergrund der geänderten Auffassung des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft gemäß Schreiben vom 20.08.2012 sei das Gesetzgebungsverfahren zur Konsolidierung kommunaler Haushalte gewesen, in dessen Rahmen die Kreise konkrete Konsolidierungsmaßnahmen hätten darlegen sollen und das Erreichen bestimmter Konsolidierungsziele hätten vertraglich vereinbaren sollen. Das Verschaffen dieser Einnahmequelle unter Beibehaltung des Kreisumlagesatzes habe einige Kreise erst in die Lage versetzt, den von ihnen geforderten Konsolidierungsbeitrag zu erbringen. Dies werde desweiteren durch die Handreichung für Schulträger von öffentlichen und allgemein bildenden Schulen und Förderzentren „Lernen" zu den Bestimmungen des neuen Schulgesetzes vom 27.03.2007 bestätigt, die keinen Hinweis auf einen Anspruch der Kreise enthalte, was bei einer Gesetzesänderung hätte der Fall sein müssen.

Soweit der Kläger den Willen des Gesetzgebers aus einem Nichttätigwerden bezüglich einer vom Schleswig-Holsteinischen Gemeindetag und dem Städteverband Schleswig-Holstein angeregten Gesetzespräzisierung abzuleiten versuche, könne dieser Vortrag nicht durchgreifen, da keine Stellungnahme des Landesgesetzgebers hierzu vorliege, so dass ohne entsprechende Nachweise ein Nichttätigwerden nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Auffassung gewertet werden könne.

Mit der Neufassung des SchulG 2007 sei auch die Regelschulträgerschaft der Gemeinden für Gymnasien geregelt und die Trägerschaft der Förderzentren „Lernen“ durch die redaktionelle Änderung des Gesetzestextes beibehalten worden. Hätte der Gesetzgeber Veränderungen im Bereich der (übrigen) Förderzentren beabsichtigt, hätte er dies ausdrücklich regeln können.

Die systematische Auslegung stütze ebenfalls das im Rahmen der historischen Auslegung ermittelte Ergebnis. Dass die in § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG genannte Schulart Förderzentrum lediglich Förderzentren in grundsätzlicher Trägerschaft der Gemeinde und damit keine Förderzentren „Geistige Entwicklung“ umfasse, ergebe sich aus der Systematik der aufgezählten Schularten. Die neben den Förderzentren aufgezählten Schularten stünden grundsätzlich in der Trägerschaft der Gemeinden. Der Schulkostenausgleich basiere auf dem Grundgedanken, dass die Wohnsitzgemeinde sich durch die Beschulung an einer anderen Schule Aufwendungen erspare, welche sie aufbringen müsste, wenn der betreffende Schüler in einer in ihrer Trägerschaft stehenden Schule unterrichtet werden würde. Die Wohnsitzgemeinden müssten folglich dann einen Ausgleich leisten, wenn sie selbst Träger der betroffenen Schulart sein könnten. Dieser Systematik würde der vom Kläger begehrte Lastenausgleich zugunsten des Kreises widersprechen. Die Förderzentren „Geistige Entwicklung“ stünden nach § 54 Abs. 3 SchulG in der Trägerschaft der Kreise. Mithin müssten die Wohnsitzgemeinden keine Aufwendungen zur Beschulung der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf im Bereich „Geistige Entwicklung“ aufbringen und ein Förderzentrum „Geistige Entwicklung“ unterhalten. Es liege somit keine Verschiebung der Kostenlast vor, die ausgeglichen werden müsste. Soweit der Kläger anführe, es sei gängige Praxis, dass auch Kreise Träger von allgemein bildenden Schulen seien, verkenne er, dass es entscheidend auf den gesetzlich geregelten Grundfall ankäme, nämlich § 53 Abs. 1 SchulG, wonach die Gemeinden Träger seien.

§ 111 Abs. 2 S. 3 SchulG sehe als Sonderfall zu der Grundregelung des § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG eine Ausgleichsmöglichkeit von Kostenlasten vor, allerdings nur gegenüber anderen Kreisen, nicht gegenüber Gemeinden. Ein zusätzlicher Anspruch der Kreise gegen Wohnsitzgemeinden auf Zahlung von Schulkostenbeiträgen für Förderzentren „Geistige Entwicklung“ nach § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG würde dieser Systematik widersprechen und einen zusätzlichen Anspruch der Kreise gegen Wohnsitzgemeinden nach § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG zu einer doppelten Finanzierungsmöglichkeit dieser Förderzentren führen. Der Kreis könne sowohl die Wohnsitzgemeinde nach § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG als auch den Kreis (dem die Wohnsitzgemeinde angehöre) nach § 111 Abs. 2 S. 3 SchulG in Anspruch nehmen. Diese doppelte Finanzierungsmöglichkeit würde ausdrücklich und unzweideutig Kollisionsregelungen des Gesetzgebers als wesentlicher Teil des Lastenausgleichs, z. B. hinsichtlich einer eventuellen Gesamtschuldnerschaft oder einem Wahlrecht erfordern, die aber gerade nicht existierten. Dass ein Anspruch an der Kreisgrenze ende, finde im Gesetz keine Stütze.

Hinsichtlich des § 111 Abs. 4 SchulG sei zu berücksichtigen, dass diese Norm erst in einem späteren Gesetzgebungsverfahren (2011) entstanden sei und die Gesetzesmaterialien zudem bestätigten, dass § 111 Abs. 4 SchulG eine Spezialregelung des in § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG geregelten Schullastenausgleichs zwischen Gemeinden darstelle. Die Gemeinden, die ein die allgemein bildenden Schulen im Rahmen der Inklusion unterstützendes Förderzentrum unterhielten, sollten ebenfalls einen Schullastenausgleich geltend machen können. In der Gesetzesbegründung sei ausdrücklich von „Trägergemeinden“ die Rede. Wenn aber ein Anspruch der Kreise nach § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG bestünde, hätten sie gleichermaßen in § 111 Abs. 4 SchulG aufgenommen werden müssen.

Letztlich führe ebenso die teleologische Auslegung zu dem Ergebnis, dass Kreise als Träger von Förderzentren „Geistige Entwicklung“ keinen Anspruch gegenüber Gemeinden auf Schulkostenausgleich hätten. Im Rahmen der teleologischen Auslegung seien auch allgemeine Grundsätze der Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit zu berücksichtigen. Ein Anspruch des Kreises würde eine erhebliche finanzielle Belastung der Gemeinden zur Folge haben, ohne dass im Gegenzug die Kreisumlage abgesenkt würde. Nach ersten Schätzungen könne es bei jährlich ca. 7.000,00 € Schulkostenbeitrag bei landesweit ca. 2.350 Schülern an Förderzentren „Geistige Entwicklung“ zu einer finanziellen Verschiebung in Höhe von 16,5 Mio. € kommen.

Ein Anspruch der Kreise würde daneben auch eine soziale und gesellschaftliche Belastung für die Kommunen und zudem eine soziale Ausgrenzung der einzelnen betroffenen Familien wegen der fehlenden Anonymisierung darstellen. In Anbetracht des Umstandes, dass die Förderzentren „Geistige Entwicklung" nach § 54 Abs. 3 SchulG in Trägerschaft der Kreise stünden und damit vom Gesetzgeber dem Bereich der übergemeindlichen Selbstverwaltungsaufgabe zugeordnet worden seien, erscheine eine Finanzierung der Förderzentren durch das Mittel der solidarischen Kreisumlage geeigneter und zweckmäßiger. Im Übrigen stelle § 54 Abs. 3 SchulG den Rechtsgrund für die Vermögensmehrung dar. Zudem könne der Kläger für die Herleitung eines Anspruchs mangels Vergleichbarkeit nicht auf § 111 Abs. 5 SchulG verweisen. Denn das SchulG weise den Kommunen - also Gemeinden und Kreisen - originäre Schulträgeraufgaben zu, nicht hingegen dem Land.

Die Einbeziehung der Förderzentren „Geistige Entwicklung" sei zudem nicht verfassungsrechtlich geboten. Schulkostenbeiträge für Gymnasien stellten den Ausnahmefall dar, wie sich aus § 2 KrO ergebe, wonach Kreise die Trägerschaft bestimmter Schulen nur wahrnähmen, wenn diese Aufgaben durch einzelne Gemeinden nicht erfüllt werden könnten. Diese Aufgaben würden im „Normalfall" solidarisch über die Kreisumlage und die Schlüsselzuweisung finanziert. Die Finanzierung der Kreisgymnasien über Schulkostenbeiträge weiche somit vom „Normalfall" ab und sei gerechtfertigt durch den Umstand, dass die Kreisgymnasien in der Regel einen sehr begrenzten Einzugsbereich hätten und nur ein sehr kleiner Teil der kreisangehörigen Kommunen ihre Schüler auf das jeweilige Kreisgymnasium schickten. Zudem betrage der Schulkostenbeitrag für ein Förderzentrum „Geistige Entwicklung" etwa das Siebenfache des üblichen Schulkostenbeitrags einer Schule.

§ 111 Abs. 4 SchulG regele einen Sachverhalt, der nicht vergleichbar sei mit der Beschulung von Schülern in einem Förderzentrum „Geistige Entwicklung" in Trägerschaft des Kreises als eine für ihn pflichtige übergemeindliche Selbstverwaltungsaufgabe. Einer individualisierten, auf das Verursacherprinzip abstellenden Kostenzuordnung stehe somit die Funktion des lastenverteilenden Effekts entgegen. Aus lernpädagogischen Gründen sei es gerade im Bereich des Schwerpunktes „geistige Entwicklung" trotz des politischen Willens der inklusiven Beschulung angezeigt, die betreffenden Schüler in einem speziellen Förderzentrum zu beschulen.

Hilfsweise werde die Höhe des Anspruchs bestritten. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Positionen sich die vom Kläger aufgeführten Kostenarten konkret zusammensetzten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die Leistungsklage ist zulässig. Insbesondere verbietet das zwischen den Beteiligten bestehende Gleichordnungsverhältnis eine Durchsetzung des Anspruchs durch den Kläger per Verwaltungsakt gegenüber der Beklagten. Die Beklagte hat vor Erhebung der Klage den vom Kläger mit Schreiben vom 13.01.2014 geltend gemachten Schulkostenbeitrag in Höhe von 6.410,60 € sinngemäß durch Abschluss der Musterstreitvereinbarung nicht anerkannt, so dass auch das Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf den begehrten Schulkostenbeitrag für den Besuch der Förderzentren Schule Steinfeld und Hachede-Schule mit dem Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“ für die in dem Gebiet der Beklagten wohnhaften Schülerinnen und Schüler. Die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage § 111 Abs. 1 S. 1 des Schleswig-Holsteinischen Schulgesetzes - SchulG - vom 24. Januar 2007 (GVOBl. 2007, 39, ber. S. 276), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2014 (GVOBl. S. 464) sind nicht erfüllt, da das hier in Streit stehende Förderzentrum mit dem Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“ (FZ GE) - aber auch alle anderen, mit Ausnahme der Förderzentren mit dem Schwerpunkt Lernen - nicht unter diese Norm fällt.

Dies ergibt sich nach Auffassung der Kammer aus Folgendem:

Nach § 111 Abs. 1 SchulG hat eine Gemeinde für eine Schülerin oder einen Schüler, die oder der in ihrem Gebiet wohnt und eine Grundschule, eine weiterführende allgemein bildende Schule oder ein Förderzentrum besucht, an deren oder dessen Trägerschaft die Gemeinde nicht beteiligt ist, an den Schulträger einen Schulkostenbeitrag zu zahlen.

1.

a) Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm zunächst, dass dort allgemein das „Förderzentrum“ als Schulart benannt wird. Anders als z. B. in § 111 Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 1,

Abs. 5 S. 1 SchulG findet keine weitere Unterscheidung im Hinblick auf den Förderschwerpunkt oder Differenzierung nach der Trägerschaft statt. Nach § 45 Abs. 2 SchulG bieten Förderzentren folgende Förderschwerpunkte: 1. Lernen, 2. Sprache, 3. emotionale und soziale Entwicklung, 4. geistige Entwicklung, 5. körperliche und motorische Entwicklung, 6. Hören, 7. Sehen, 8. autistisches Verhalten, 9. dauerhaft kranke Schülerinnen und Schüler. Die Bezeichnung des Förderzentrums richtet sich nach dem sonderpädagogischen Schwerpunkt, in dem es vorrangig fördert. In der Zusammenschau mit der Aufgabenzuweisungsnorm § 54 SchulG hat der Gesetzgeber kenntlich gemacht, dass es je nach Schwerpunkt der Förderung unterschiedliche Trägerschaften gibt. So sind nach § 54 Abs. 1 S. 1,2 SchulG die Gemeinden Träger der Förderzentren mit dem Schwerpunkt Lernen (§ 45 Abs. 2 Nr. 1). Die Trägerschaft kann auch andere Förderschwerpunkte umfassen. Gemäß § 54 Abs. 2 S. 1 SchulG ist Träger von Förderzentren das Land, wenn die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf nur einzelne Förderzentren erfordert und die Schülerinnen und Schüler deshalb in einem Heim wohnen oder von den Förderzentren im Rahmen einer integrativen Maßnahme unterstützt werden. Letztlich sieht § 54 Abs. 3 SchulG vor, dass Träger der übrigen Förderzentren die Kreise und kreisfreien Städte sind.

Danach würde unter Berücksichtigung des reinen Wortlauts der Norm grundsätzlich auch der Träger eines FZ GE ein Anspruch auf Schulkostenbeiträge gegenüber der Wohnsitzgemeinde zustehen.

b) Hieran bestehen jedoch aufgrund des zu berücksichtigenden Sinnzusammenhangs der Gesetzesbestimmung Zweifel, so dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Vorschrift § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG der Auslegung zugänglich ist. Denn ausgehend von dem vom Bundesverfassungsgericht zugrunde zu legenden objektivierten Willen des Gesetzgebers für die Auslegung einer Norm ist zunächst maßgeblich, wie sich der Wille des Gesetzgebers im Gesetz objektiviert hat. Das Bundesverfassungsgericht führt seit einer Entscheidung aus dem ersten Band der Entscheidungssammlung hierzu aus (BVerfG, Urt. v. 21.05.1952 - 2 BvH 2/52 -, BVerfGE 1, 299 (312), zitiert nach juris):

„Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können.“

In einer neueren Entscheidung (Beschl. v. 11.06.1980 - 1 PBvU 1/79 -, BVerfGE 54, 297 ff., zitiert nach juris) heißt es:

„Zumal bei zeitlich neuen und sachlich neuartigen Regelungen kommt den anhand des Gesetzgebungsverfahrens deutlich werdenden Regelungsabsichten des Gesetzgebers erhebliches Gewicht bei der Auslegung zu, sofern Wortlaut und Sinnzusammenhang der Norm Zweifel offenlassen. Über die erkennbare Regelungsabsicht darf die Auslegung in solcher Lage nicht hinweggehen. Dies gilt allerdings nur für die in dieser Regelung erkennbar ausgeprägten und in ihr angelegten Grundentscheidungen, Wertsetzungen und Regelungszwecke; konkrete Vorstellungen, die von Ausschüssen oder einzelnen Mitgliedern der gesetzgebenden Körperschaften über die nähere Bedeutung oder Reichweite einer einzelnen Bestimmung, eines Normbestandteils oder eines Begriffs und ihrer Handhabung wie Wirkung geäußert werden, stellen für die Gerichte jedenfalls nicht eine bindende Anleitung dar, so erhellend sie im Einzelfall für die Sinnermittlung auch sein mögen (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl, S 316f). Sie sind als solche nicht schon Inhalt des Gesetzes."

45Danach bestehen aufgrund des zu berücksichtigenden Wortsinns „Förderzentrum" bzw. aufgrund des Sinnzusammenhang der Norm Zweifel, dass auch Förderzentren in Trägerschaft der Kreise (bzw. kreisfreien Städte) hiervon erfasst sind. Denn § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG benennt - neben den Förderzentren - die Schularten „Grundschule" und „weiterführende allgemein bildende Schule". Diese stehen in der Regelträgerschaft der Gemeinden (§ 53 Abs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SchulG). Dies legt es nahe, auch im Rahmen der Schulart „Förderzentrum" nur dasjenige einzubeziehen, das in Trägerschaft der Gemeinde steht. Dies ist das Förderzentrum mit dem Schwerpunkt „Lernen" (und ggf. weiterer Schwerpunkte (§ 54 Abs. 1 S. 1,2 SchulG)). Dieser Sinnzusammenhang entspricht demjenigen der Vorgängervorschrift § 76 Abs. 1 S. 1 SchulG in der Fassung vom 2. August 1990 - SchulG 1990 - (GVOBl. 1990, 451), wonach eine Gemeinde für eine Schülerin oder einen Schüler, die oder der in ihrem Gebiet wohnt und eine Grundschule, eine weiterführende allgemeinbildende Schule oder eine Förderschule besuchte, an deren Trägerschaft die Gemeinde nicht beteiligt war, an den Schulträger einen Schulkostenbei- trag zu zahlen hatte. Nach § 71 Abs. 1 S. 1 SchulG 1990 waren Träger der Förderschulen regelmäßig die Gemeinden (ebenso wie bei Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen, vgl. §§ 67 bis 69 SchulG 1990).

Soweit der Kläger anführt, dass auch Kreise Träger allgemein bildender Schulen seien, stellt dies nicht den zu berücksichtigenden aufgezeigten gesetzlichen Regelfall (Gemeindeträgerschaft) dar, sondern eine Ausnahme hiervon. Dies liegt in Folgendem begründet: Nach der Rechtslage des SchulG 1990 waren Träger der Gymnasien und Gesamtschulen die Gemeinden (§ 69 Abs. 1 S. 1 SchulG 1990). Der Kreis konnte mit Zustimmung des Schulträgers die Trägerschaft eines Gymnasiums oder einer Gesamtschule in seinem Gebiet übernehmen (§ 69 Abs. 1 S. 2 SchulG 1990). Hiervon wurde durch die Kreise teilweise Gebrauch gemacht. Durch die Gesetzesnovelle 2007 wurde die Trägerschaft an allgemein bildenden Schulen auf die Gemeinden übertragen (§ 53 SchulG). Allerdings sieht die Überleitungsnorm § 146 Abs. 3 S. 1,2 SchulG vor, dass abweichend von § 53 Kreise Träger einer allgemein bindenden Schule sein können, wenn sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 148 Abs. 6 dieses Gesetzes bereits Träger der Schule waren und sie die Beibehaltung der Trägerschaft gegenüber dem für Bildung zuständigen Ministerium bis zum 31. Juli 2008 erklärt sowie das Einvernehmen der Gemeinde, in der die Schule belegen ist, nachgewiesen haben. Verbleibt die Trägerschaft danach nicht beim Kreis, geht sie zum 1. August 2009 auf die in S. 1 genannte Gemeinde über. Selbst wenn aufgrund der tatsächlichen Existenz von nur noch wenigen (- acht -, vgl. Verzeichnis der allgemein bildenden Schulen in Schleswig-Holstein 2014/2015, S. 27/28, 62/63, 95/96) Kreisgymnasien diese dem Schulkostenbeitrag nach § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG unterfallen, ändert dies nichts daran, dass es sich um einen Ausnahmefall handelt. Aufgrund der Unterschiede zwischen den Kreisgymnasien einerseits und den FZ GE andererseits ist es auch nicht geboten, den Normsinn dahingehend zu fassen, dass dann die FZ GE gleichermaßen als Ausnahmefall zu berücksichtigen wären. Denn wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei der Kreisträgerschaft von Gymnasien um den gesetzlichen Ausnahmefall, bei der Kreisträgerschaft von FZ GE hingegen um eine den Kreisen originär obliegende übergemeindliche Selbstverwaltungsaufgabe (§ 53 Abs. 3 SchulG). Zudem werden die - neben weiteren Gymnasien oder Gemeinschaftsschulen mit gymnasialer Oberstufe in gemeindlicher Trägerschaft - noch existierenden (wenigen) Kreisgymnasien von einer überschaubaren Schülerschaft aus einem engeren Einzugsgebiet um die Liegenschaft der Schule herum besucht, wohingegen es wesentlich weniger FZ GE pro Kreisgebiet gibt (durchschnittlich ein bis zwei, vgl. Verzeichnis der allgemein bildenden Schulen in Schleswig-Holstein 2014/2015), die somit über einen wesentlich größeren Einzugsbereich, nämlich das gesamte Kreisgebiet, verfügen. Des Weiteren liegen die Kosten pro Schüler/in an einem FZ GE ca. sieben Mal höher als an einem Gymnasium, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

47Danach verbleibt es bei der grundlegenden Systematik des Schulgesetzes seit 2007, dass die Gemeinden Träger der allgemein bildenden Schulen sind und dies - wie ausgeführt - dafür spricht, dass § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG auch genau diesen Grundfall normiert.

Dieses Ergebnis wird gestützt durch die weitere systematische Auslegung, bei der die Stellung der Norm im Gesetz und in der gesamten Rechtsordnung als Erkenntnisquelle für Inhalt und Bedeutung der Vorschrift zu betrachten sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bei der systematischen Auslegung darauf abzustellen, dass einzelne Rechtssätze, die der Gesetzgeber in einen sachlichen Zusammenhang gestellt hat, grundsätzlich so zu interpretieren sind, dass sie logisch miteinander vereinbar sind. Denn es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber sachlich Zusammenhängendes so geregelt hat, dass die gesamte Regelung einen durchgehenden, verständlichen Sinn ergibt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.05.1978 - 2 BvR 952/75 -, zitiert nach juris). Zunächst ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber beim Aufbau des Gesetzes streng logisch und rational vorgeht. Das bedeutet etwa, dass der erste Absatz einer Norm die allgemeine Regel aufstellt, die in den folgenden Absätzen entweder eingeschränkt, ausgedehnt oder konkretisiert wird. In einem zweiten Schritt ist die Stellung, die Funktion, der Sinn der Norm in dem betreffenden Kapitel, dann im gesamten Gesetz zu untersuchen (vgl. Bleckmann: Zu den Methoden der Gesetzesauslegung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, JuS, 2002, 942 (943)).

Die Stellung der Vorschrift innerhalb des § 111 SchulG als Abs. 1 lässt danach den Schluss zu, dass es sich hierbei um den „Grundfall“ eines Ausgleichs zwischen den Gemeinden handelt. Dieser wird durch die in den nachfolgenden Absätzen enthaltenen weiteren Anspruchsgrundlagen widerspruchsfrei modifiziert.

§111 Abs. 2 S. 3 SchulG lautet:

„Satz 1 und 2 und Absatz 1 Satz 1 gelten entsprechend für einen Kreis oder eine kreisfreie Stadt beim Besuch eines Förderzentrums oder einer Förderzentrumsklasse der Schulart, deren Trägerschaft in § 54 Abs. 3 geregelt ist. “

Hiernach soll zwischen zwei Kreisen ein Lastenausgleich erfolgen, soweit diese gem. § 54 Abs. 3 SchulG Träger von Förderzentren sind. Die Vorschrift normiert also den Fall, dass ein Kreis kein Förderzentrum GE vorhält oder im Kreisgebiet wohnhafte Schülerinnen und Schüler ein vorhandenes Förderzentrum GE des Kreises nicht besuchen und deshalb bzw. stattdessen diese Schülerinnen und Schüler in einem Förderzentrum GE in Trägerschaft eines anderen Kreises beschult werden. Da diese Konstellation nicht unter § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG fallen kann, weil dort nur die Wohnsitzgemeinden als Anspruchsgegner genannt sind, handelt es sich um einen Sonderfall des Lastenausgleichs zwischen Kreisen.

53Diese Systematik schließt es nach Auffassung der Kammer aus, dass ein Kreis im Bereich seiner originären Aufgabe aus § 54 Abs. 3 SchulG zugleich einen Anspruch gegen die (kreisfremde) Wohnsitzgemeinde aus § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG haben kann, da es ansonsten zu einer doppelten Finanzierungsmöglichkeit käme. Denn der Trägerkreis könnte dann zum Einen gegenüber der Wohnsitzgemeinde einen Schulkostenbeitrag aus §111 Abs. 1 S. 1 SchulG geltend machen und zum Anderen gegenüber dem „Wohnsitzkreis" aus § 111 Abs. 2 S. 3 SchulG. Bei einer solchen doppelten Finanzierungsmöglichkeit hätte es im Sinne der Wesentlichkeitstheorie einer gesetzlichen Kollisionsregelung bedurft, z. B. in Gestalt eines Wahlrechts oder einer Gesamtschuldnerschaft, welche tatsächlich nicht existiert. Das Gegenargument des Klägers, dass nämlich ein Anspruch gegenüber der Wohnsitzgemeinde quasi an der Kreisgrenze ende und damit kreisfremde Wohnsitzgemeinden nicht von § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG umfasst seien, findet im Gesetz keine Stütze.

Für den Fall der vorliegenden Konstellation, also der Geltendmachung eines Schulkostenbeitrages gegenüber der kreiseigenen Wohnsitzgemeinde, besteht keine systemwidrige Regelungslücke, die es gebieten würde, einen Anspruch der Kreise gegenüber den kreiseigenen Wohnsitzgemeinden aus § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG herzuleiten. Denn Sinn des Lastenausgleichs ist es, dass eigene Aufwendungen erspart werden, die ein anderer Schulträger für die Beschulung in dieser Schulart aufbringt. Das setzt aber denklogisch voraus, dass Aufwendungen überhaupt entstehen können. Dies wiederum setzt voraus, dass es sich um einen eigenen (originären) Aufgabenkreis handelt. Denn nur bei der Erfüllung einer eigenen pflichtigen Aufgabe können Kosten entstehen, die eingespart werden, wenn stattdessen ein anderer Träger diese Aufgabe übernimmt. Da die FZ GE jedoch nicht in gemeindlicher Trägerschaft stehen, es sich mithin nicht um eine gemeindliche Aufgabe handelt, entstehen den Gemeinden hierfür auch keinerlei Kosten; diese liegen vielmehr beim gem. § 54 Abs. 3 SchulG zuständigen Schulträger „Kreis", vgl. § 48 Abs. 1 S. 1, 2 SchulG. Somit erspart die Gemeinde auch keine Aufwendungen durch die „Nicht"-Beschulung einer Schülerin oder eines Schülers mit dem sonderpädagogischem Förderbedarf im Schwerpunkt GE. Aufwendungen werden bei FZ GE vielmehr allein auf Ebene der Kreise untereinander eingespart, weshalb § 111 Abs. 2 S. 3 SchulG eine systematisch stringente Erweiterung zu § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG darstellt.

Die bisher aufgezeigte Systematik des § 111 SchulG findet eine weitere Ergänzung in § 111 Abs. 4 S. 1 SchulG. Die Vorschrift schreibt vor:

„Wird eine Schülerin oder ein Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf nach § 5 Abs. 2 gemeinsam unterrichtet und wirkt hieran ein Förderzentrum in Trägerschaft einer Gemeinde mit, hat die Gemeinde, in der die Schülerin oder der Schüler wohnt, unabhängig von der Zahlungspflicht nach Absatz 1 Satz 1 auch an den Träger des Förderzentrums einen Schulkostenbeitrag zu zahlen. “

Hierbei handelt es sich um eine weitere Anspruchsgrundlage für einen Schullastenaus- gleich zwischen zwei Gemeinden. Sie behandelt aber den von § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG nicht umfassten Fall der Inklusion. Danach soll die Wohnsitzgemeinde nicht nur einen Schulkostenbeitrag an die „beschulende“ allgemein bildende Schule entrichten (das allein wäre ein Fall des § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG), sondern auch an die Trägergemeinde des Förderzentrums, welches an dem gemeinsamen Unterricht nach § 5 Abs. 2 SchulG mitwirkt. Die gleiche Konstellation würde sich aber auch für den Fall ergeben, dass ein Förderzentrum in Trägerschaft eines Kreises an dem gemeinsamen Unterricht nach § 5 Abs. 2 SchulG mitwirkt. Abs. 4 S. 1 SchulG führt jedoch allein die Förderzentren in Trägerschaft der Gemeinden auf und nicht solche in Trägerschaft der Kreise. Der Gesetzgeber hat durch diesen differenzierten Wortlaut zu erkennen gegeben, dass er sich über die verschiedenen Trägerschaften bei den Förderzentren bewusst gewesen ist, so dass die Nichtaufnahme der Kreisförderzentren in § 111 Abs. 4 S. 1 SchulG ausdrücklich einen Ausgleich zwischen Kreis und Gemeinde nicht zulässt. Dies stellt eine logische Weiterführung des Regelungsinhalts von § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG dar, dass ein Ausgleich zwischen Kreis und Wohnsitzgemeinde nicht stattfindet, sondern nur auf gemeindlicher Ebene. Anders gewendet ist kein sachlich rechtfertigender Grund ersichtlich, dass die FZ GE zwar von § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG umfasst sein sollen, nicht dann aber auch von § 111 Abs. 4 S. 1 SchulG. Das Argument des Klägers zur geringen Inklusionsquote von nur ca. 10 % bei Kindern mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft des Landes Schleswig-Holstein, Staatssekretär ..., vom 20.08.2012 überzeugt hierfür nicht, zumal sich die Stellungnahme nur mit den FZ GE auseinandersetzt und nicht mit allen anderen Förderzentren, die ebenfalls nach § 54 Abs. 3 SchulG in Trägerschaft der Kreise stehen könnten (für die die vorliegende Entscheidung gleichermaßen Geltung beansprucht).

§111 Abs. 4 S. 1 SchulG setzt den bereits genannten Sinn des Kostenausgleichs - ersparte Aufwendungen - konsequent fort, da in dem Falle, dass die Gemeinde originär nach § 54 Abs. 1 S. 1 SchulG Träger eines Förderzentrums mit Schwerpunkt Lernen ist, von ihr Kosten gem. § 48 Abs. 1 S. 1, 2 SchulG zu tragen sind, die sie nicht hat, wenn das Kind in einem entsprechenden Förderzentrum in Trägerschaft einer anderen Gemeinde beschult wird bzw. dieses Förderzentrum an der gemeinsamen Beschulung nach § 5 Abs. 2 SchulG mitwirkt.

Letztlich wird diese Systematik durch § 111 Abs. 5 S. 1 SchulG als weitere Anspruchsgrundlage für einen Lastenausgleich bestätigt. Danach ist ein Schulkostenbeitrag zu Lasten eines Kreises auch für den Fall vorgesehen, dass eine Schülerin oder ein Schüler ein Förderzentrum in Trägerschaft des Landes besucht. Das Land ist kein originärer Aufgabenträger im Bereich der Förderzentren. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, obliegt diese Aufgabe gem. § 53 Abs. 1 und 3 SchulG den Gemeinden einerseits und den Kreisen und kreisfreien Städte andererseits. Nach § 54 Abs. 2 S. 1 SchulG ist Träger von Förderzentren das Land nur dann, wenn die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf nur einzelne Förderzentren erfordert und die Schülerinnen und Schüler deshalb in einem Heim wohnen oder von den Förderzentren im Rahmen einer integrativen Maßnahme unterstützt werden. Landesförderzentren gibt es mit den Schwerpunkten geistige Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung, Hören und Sprache, dauerhaft kranke Schüler/-innen sowie Sehen (vgl. Verzeichnis der allgemein bildenden Schulen in Schleswig-Holstein 2014/2015). Es handelt sich dabei ausnahmslos um Förderzentren mit Schwerpunkten, die in die Regelzuständigkeit der Kreise und kreisfreien Städte fallen. Durch die Zuweisung in § 54 Abs. 2 SchulG wird es nicht zu einer originären Aufgabe des Landes, sondern es handelt sich um eine Auffangzuständigkeit aufgrund der geringen Schülerzahl in den schwerwiegenderen Förderbereichen und der damit verbundenen Konzentration in einem Landesförderzentrum.

Somit findet auch in dieser weiteren Anspruchsgrundlage zum Lastenausgleich der Gedanke der ersparten Aufwendungen Platz, die gerade nicht bei den originär zuständigen Kreisen mangels Vorhaltens eines entsprechenden Förderzentrums mit den benannten Schwerpunkten anfallen. Bei dem Land wiederum entstehen diese Kosten, obwohl es sich nur um eine nachgeordnete Zuständigkeit handelt.

Zudem würde eine Durchbrechung der aufgezeigten Systematik des § 111 SchulG zu dem systemwidrigen Ergebnis führen, dass sich die Kreise, sollte ihnen gegenüber der Wohnsitzgemeinde ein Anspruch aus § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG zugesprochen werden, immer zu 100 % bei den Wohnsitzgemeinden der Schülerinnen und Schüler refinanzieren könnten. Damit hätten die Kreise entgegen des gesetzlichen Grundgedankens in § 48 Abs. 1 S. 1, 2 SchulG, dass jeder Schulträger für die eigene Aufgabenwahrnehmung die Kosten zu tragen hat, nicht nur keine eigenen Kosten mehr für ihre Trägerschaft an den FZ GE, sondern darüber hinaus würde ihnen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs noch die von den Gemeinden solidarisch getragene Kreisumlage sowie die Schlüsselzuweisungen zufließen.

3.

Das zum Wortsinn und der Systematik gefundene Ergebnis wird durch die historische Auslegung gestützt.

In der Gesetzesbegründung zu § 113 SchulG (im späteren endgültigen Gesetz § 111) heißt es (LT-Drs. 16/1000, S. 220ff.):

„(1) Die Bestimmung entspricht § 76 Abs. 1 Satz 1 geltender Rechtslage.“

(jetzt: § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG)

„(2) [...] Die Regelung des bisherigen § 76 Abs. 3 übernimmt der Entwurf als neuen Satz 3 in den §113 Abs. 2. Dadurch wird erreicht, dass auch die Kreise und kreisfreien Städte einen Anspruch nach §113 Abs. 2 Satz 2 gegenüber den Trägern der Einrichtungen geltend machen können. Das Argument für die geltende Rechtslage - höhere Wirtschaftskraft dieser Gebietskörperschaften - ist angesichts der Situation der kommunalen Haushalte nicht stichhaltig. “

(jetzt: § 111 Abs. 2 S. 3 SchulG)

„(6) Die Neuregelung des §113 Abs. 6 begründet nunmehr im Rahmen des Schullastenausgleichs auch einen Anspruch des Landes. Das Land übernimmt hier bei bestimmten Förderzentren (z. B. mit den Förderschwerpunkten „Hören“, „Sehen“) originär den Kommunen obliegende Schulträgeraufgaben. Träger dieser Förderzentren wären ansonsten die Kreise und kreisfreien Städte (§ 71 Abs. 3 geltende Fassung und § 56 Abs. 3 des Entwurfs). “

(jetzt: § 111 Abs. 5 S. 1 SchulG)

In der Gesetzesbegründung zur Änderung des Absatz 4 in der heute geltenden Fassung (seit 1.1.2012) lautet (LT-Drs 17/858, S. 58):

„zu c) Der neu gefasste Absatz 4 trägt der Mitwirkung der Förderzentren bei der Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemein bildenden Schulen Rechnung. Der Änderungsbedarf ergibt sich daraus, dass die Förderzentren zunehmend zu Unterstützungseinrichtungen werden, an denen die Schülerinnen und Schüler nicht mehr beschult werden. Auf die Ausführungen zu Nr. 2 wird verwiesen. Die geförderten Schülerinnen und Schüler haben ihr Schulverhältnis zu einer allgemein bildenden Schule. Nur deren Schulträger kann nach geltender Rechtslage einen Schullastenausgleich geltend machen. Das ist unbillig, da die Trägergemeinden der Förderzentren damit eine Unterrichtseinrichtung auch zum Vorteil anderer Gemeinden vorhalten, die ihnen dadurch entstehenden Kosten aber alleine tragen müssen. §111 Abs. 4 n.F. ist so formuliert, dass die Träger eines Förderzentrums auch dann einen Anspruch auf Zahlung eines Schulkostenbeitrages für sog. „I-Kinder“ haben, wenn an ihnen selbst auch noch Schülerinnen und Schüler beschult werden. Für diese Schülerinnen und Schüler hat der Träger zwar einen Anspruch auf Schulkostenbeitrag nach § 111 Abs. 1 SchulG. Es erscheint aber nicht sachgerecht, dass dieser Schulkostenbeitrag durch die immer kleiner werdende Schülerzahl bei gleichzeitigem Anstieg der Sachkosten immer größer wird. “

Danach ist zunächst festzuhalten, dass der Gesetzgeber als Begründung zu § 111 Abs. 1 SchulG angeführt hat, dass die Bestimmung der geltenden Rechtslage entspricht. Daraus ist der gesetzgeberische Wille zu entnehmen, dass er keine inhaltliche Änderung normieren wollte, also keine neue Anspruchsgrundlage, die nicht bereits zuvor schon in § 76 SchulG 1990 bestanden hat, hinzufügen wollte. Zudem ergibt sich nach der Begründung der gesetzgeberische Wille hinsichtlich der Systematik, dass es sich bei den Anspruchsgrundlagen in Abs. 2 S. 3 und Abs. 4 S. 1 sowie Abs. 5 S. 1 um Sonderfälle handelt.

Dieses Ergebnis wird bestätigt durch eine Erläuterung des für die Gesetzesänderung federführenden Ministeriums für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein, Stellungnahme vom 15.03.2007. Darin wird ausgeführt, dass Absatz 1 sich aufgrund der Systematik allein mit dem Thema Schullastenausgleich zwischen den Gemeinden befasse. Absatz 2 beschreibe die Sonderfälle. (...) Ein gegenüber dem alten Schulgesetz neues Rechtsverhältnis, bei dem es zu Ausgleichszahlungen zwischen Kreis und einer einzelnen Gemeinde kommen würde, sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. (...) Als Förderzentren im Sinne dieser Bestimmung seien eben nur die anzusehen, die sich in Trägerschaft der Gemeinden befänden. Soweit es um Förderzentren gehe, die gemäß § 54 Abs. 3 in der Trägerschaft des Kreises bzw. der kreisfreien Städte stünden, richte sich ein Anspruch allein nach § 111 Abs. 2 S. 3. Hierbei handele es sich um eine Verweisungsvorschrift.

Auch wenn der Gesetzgeber an anderer Stelle des § 111 SchulG hinsichtlich der Schulträgerschaft unterschieden hat (vgl. Abs. 2. S. 3, Abs. 4 S. 1, Abs. 5, S. 1) und dadurch deutlich gemacht hat, dass er sich sehr wohl der verschiedenen Trägerschaften bewusst gewesen ist und dennoch in Abs. 1 S. 1 SchulG nur allgemein das „Förderzentrum“ ohne Differenzierung aufgenommen hat, handelt es sich bei der fehlenden Konkretisierung „Förderzentrum mit dem Schwerpunkt Lernen“ oder „Förderzentrum in Trägerschaft der Gemeinden“ nach Auffassung der Kammer um ein Redaktionsversehen. Dies zeigt bereits die Gesetzesbegründung, die von einer Entsprechung zur geltenden Rechtslage zum Schullastenausgleich, die eindeutig nur die „Förderschulen“ und damit diejenigen in Trägerschaft der Gemeinden umfasste, spricht. Wegen des mit der Einführung einer neuen Anspruchsgrundlage zu Gunsten der Kreise gegenüber den Wohnsitzgemeinden einhergehenden Systembruchs und der finanziellen Tragweite für die Gemeinden (die Beteiligten gehen übereinstimmend auf der Grundlage von ca. 2.350 Schüler/-innen a ca. 7.000 Euro von Kosten in Höhe von ca. 15 - 20 Millionen Euro pro Haushaltsjahr aus), hätte dies einer ausdrücklichen Begründung bedurft. Dieser bedarf es hingegen dann nicht, wenn - wie vorliegend - eine Rechtslage beibehalten werden soll.

Dementsprechend ist es entgegen der Ansicht des Klägers auch ohne Relevanz und kein Ausdruck einer besonderen politischen Auffassung, dass der Gesetzgeber auf die Intervention des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages und des Städteverbandes Schleswig-Holstein im Rahmen der Anhörung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes vom 11.09.2013 (LT-Drs. 18/1124) nicht den geforderten Satz 2 „Diese Pflicht gilt nicht gegenüber Schulträgern nach § 54 Abs. 3 SchulG“ in § 111 Abs. 1 SchulG eingefügt hat. Aus dem Nichttätigwerden des Gesetzgebers sind keine tragfähigen, ausschließlich in eine Richtung zielenden Schlüsse zu ziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - hierzu keinerlei aussagekräftige Unterlagen zu dem dahinterstehenden Willensbildungsprozess existieren. Die Intervention der Verbände stand im Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Konsolidierung kommunaler Haushalte, in deren Rahmen die Kreise konkrete Konsolidierungsmaßnahmen darlegen und das Erreichen bestimmter Konsolidierungsziele vertraglich vereinbaren sollten.

In diesem Kontext steht auch die Stellungnahme des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft des Landes Schleswig-Holstein, Staatssekretär ..., vom 20.08.2012, auf den sich der Kläger für den historischen Willen des Gesetzgebers beruft und die Grundlage der eben genannten Intervention des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages und des Städteverbandes Schleswig-Holstein war. Dieses Schreiben enthält keine rechtliche Auseinandersetzung mit dem hier fraglichen Punkt der Einbeziehung der Förderzentren in Trägerschaft der Kreise in den Schullastenausgleich nach § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG, so dass die Kammer ihm wenig Aussagewert im Rahmen der historischen Auslegung beimisst. In dem Schreiben wird lediglich feststellend die Rechtsauffassung vertreten, dass die Kreise ebenso wie andere kommunale Träger nach § 111 Abs. 1 SchulG einen Anspruch auf Schulkostenbeiträge für Schülerinnen und Schüler hätten, die ein Förderzentrum in Trägerschaft des Kreises besuchten, also in einem Schulverhältnis zu einem Förderzentrum stünde. Dies habe bereits nach der bis zum 31.12.2011 bestehenden Gesetzeslage gegolten. Das Schreiben lässt jede Auseinandersetzung mit der bisher gelebten - nämlich kein Ausgleich - Rechtslage und der ausdrücklich gegenteiligen Auffassung des für die Schulgesetznovelle 2007 federführenden Ministeriums für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein in seiner ausführlich dargestellten Position zu der vorliegenden Fragestellung vermissen (Schreiben vom 15.03.2007). In jenem Schreiben wird ausgeführt, dass trotz des Wortlautes der Vorschrift durch Verwendung des Begriffs „Förderzentrum", der zunächst alle umfassen könne, eine solche Schlussfolgerung die Systematik des § 111 SchulG vernachlässige und der Gesetzgeber kein neues Rechtsverhältnis zwischen Kreis und Gemeinden habe schaffen wollen. Dieses wird im Weiteren näher dargestellt, ebenso die dazu ergangene Regierungsbegründung. Aufgrund der zeitlichen Nähe des Schreibens zur Entstehung des Gesetzes und der Abfassung durch das federführende Ministerium sowie der weiteren inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Rechtslage, lässt dieses Schreiben nach Ansicht der Kammer Rückschlüsse auf den gesetzgeberischen Willen zu.

77Hinter den soeben genannten Aspekten, die für den gesetzgeberischen Willen zur Beibehaltung der bisherigen Rechtslage sprechen, tritt der vom Kläger aufgeführte Gesichtspunkt zur Änderung der Terminologie „Förderschule" in „Förderzentrum" und der dahinterstehenden Erneuerung und Weiterentwicklung der sonderpädagogischen Lehre zurück. Dass nunmehr der individuelle Förderbedarf in den Mittelpunkt gestellt wird, wird durch einen fehlenden Ausgleichsanspruch der Kreise gegen die Gemeinden in § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG nicht in Frage gestellt. In der Gesetzesbegründung zu § 9 heißt es dazu, dass für den Begriff „Sonderschulen" entsprechend der KMK-Terminologie der Begriff „Förderzentren" in das Schulgesetz eingeführt werde. Zu § 47 (später als § 45 Gesetz geworden) ist ausgeführt, dass gegenüber dem § 25 Abs. 4 der alten Rechtslage die Förderschwerpunkte künftig entsprechend dem KMK-Beschluss zur sonderpädagogischen Förderung erfasst würden (LT-Drs. 16/1000, S. 162, 185). Förderschulen waren nach § 25 Abs. 4 SchulG 1990 Sonderschulen für Lernbehinderte, die in Trägerschaft der Gemeinden standen (§ 71 Abs. 1 S. 1 SchulG 1990). Es ist zwar zutreffend, dass der Begriff „Förderzentrum" an die Stelle des Begriffs „Sonderschule" - und nicht an die Stelle „Förderschule" - getreten ist. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass es sich bei beiden Begrifflichkei- ten „Förderzentrum“ und „Sonderschule“ um Oberbegriffe handelt und die „Förderschule“ einen von mehreren Unterfällen der Sonderschule darstellt. Die KMK verwendete lediglich die Begriffe „Sonderschule“ und „Förderzentrum“ und nicht den Begriff Förderschule (vgl. Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung in den Schulen in der Bundesrepublik Deutschland, Beschluss der KMK vom 06.05.1994, http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/1994/1994_05_06- Empfehl-Sonderpaedagogische-Foerderung.pdf). Auch die nach Schleswig-Holsteinischem Recht benannten Schulen für Lernbehinderte (Förderschulen) wurden gemäß der Anlage zu dem genannten Beschluss der KMK (Auszug aus der „Empfehlung zur Ordnung des Sonderschulwesens“ (KMK-Beschluss vom 16.03.1972)) als „2.6 Schule für Lernbehinderte (Sonderschule)“ bezeichnet. Damit stellt sich aber die Gesetzesbegründung im Hinblick auf den Austausch der Oberbegriffe in seiner Pauschalität als zutreffend dar. Ein zweifelsfreier Rückschluss darauf, dass nach seinem Willen damit auch alle übrigen Förderzentren - neben dem mit Schwerpunkt „Lernen“ - in den Ausgleich nach § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG aufgenommen werden sollten, ergibt sich nicht. Es stellt auch keinen Widerspruch zu der Begründung zu § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG dar. Dass er sich der unterschiedlichen Trägerschaften und Schwerpunkte sehr wohl bewusst war, wurde bereits an anderer Stelle ausgeführt.

Soweit sich die Beteiligten für ihre jeweilige Position im Rahmen der historischen Auslegung auf die Handreichung des zur Durchführung des Schullastenausgleichs in der Fassung vom 05.05.2014 (Kläger) bzw. Handreichung für Schulträger von öffentlichen allgemein bildenden Schulen und Förderzentren “Lernen“ zu den Bestimmungen des neuen Schulgesetzes vom 27.03.2007 (Beklagte) beziehen, kann daraus kein historischer Wille des Gesetzgebers hergeleitet werden. Aus der allgemeinen Erläuterung auf Seite 15 der Handreichung vom 27.03.2007 „Der Schullastenausgleich außerhalb einer gemeinsamen Schulträgerschaft wird sich weiterhin hauptsächlich auf Schulkostenbeiträge (§ 111) stützen.“ enthält keinerlei Aussage im Hinblick auf die vorliegende Problemstellung; wie bereits ausgeführt kann aus dem „Schweigen“ zur ggf. neuen Rechtslage in materieller Hinsicht keine eindeutige Schlussfolgerung auf einen politischen Willen gezogen werden. Gleiches gilt hinsichtlich der Erläuterungen auf Seite 14 f. der Handreichung vom 05.05.2014, die keine Differenzierung vornehmen und lediglich den Gesetzeswortlaut wiedergeben. Näheres zum historischen Willen des Gesetzgebers - als das bisher zum Wortlaut und der daran anknüpfenden Auslegung Gesagte - ist daraus nicht zu entnehmen.

Auch das Argument, dass eine fehlende Aufnahme der FZ GE in den Kostenlastausgleich dem gesetzlichen Willen zur Ausweitung und Förderung der Inklusion (vgl. § 4 Abs. 13, § 5 Abs. 2 SchulG) zuwider liefe, trägt nach Auffassung der Kammer nicht. Denn dem politischen Willen steht es nicht entgegen, dass in bestimmten Bereichen des sonderpädagogischen Förderbedarfs, wie zum Beispiel im Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“, eine Beschulung in einem Förderzentrum für die individuelle Förderung der Schülerin oder des Schülers angezeigter ist als im Rahmen einer inklusiven Beschulung.

4.

Abschließend wird das gefundene Ergebnis auch durch die teleologische Auslegung getragen. Die Frage nach dem Sinn und Zweck der Norm („ratio legis“) hat bereits in den zuvor angestellten Überlegungen teilweise Berücksichtigung gefunden.

Sinn und Zweck der Vorschrift ist der Ausgleich der Ersparnis eigener Aufwendungen, die dadurch entsteht, dass eine Gemeinde eine Schulart nicht vorhält, in dieser Gemeinde wohnhafte Schüler aber eine gleiche Schulart eines anderen Trägers besuchen. Dem liegt der oben in der systematischen Auslegung bereits ausgeführte Gedanke zugrunde, dass eine Gemeinde dadurch Aufwendungen erspart (und daher ausgleichen soll), dass sie selbst keine entsprechende Schule vorhält. Aufwendungen kann aber nur derjenige ersparen, der auch Träger einer entsprechenden Schule sein kann. Dies ist im Hinblick auf die Gemeinden bei FZ GE nicht der Fall.

Dieser Sinn kann auch nicht quasi dahingehend verkürzt werden, dass eine Wohnsitzgemeinde immer Aufwendungen - nämlich für eine „normale“ Beschulung - erspart, wenn sie eine Schülerin oder einen Schüler nicht beschult, unabhängig davon, auf welche andere Schule sie oder er geht und ob diese Gemeinde eine solche Schule vorhalten könnte/müsste oder nicht. Denn vorliegend geht es gerade nicht um die Ersparnis für die Beschulung in einer Grundschule oder einer weiterführenden allgemein bildenden Schule, sondern um eine besonders kostenintensive Beschulungsart in einem Förderzentrum. Es wäre systemwidrig, ohne entsprechende Aufgabenzuweisung insoweit auf den „Normalfall“ abzustellen.

In diesem Zusammenhang ist - wie bereits an anderer Stelle ausgeführt - die erhebliche Kostenlast der Gemeinden zu berücksichtigen, die mit einem Ausgleich über § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG zu Gunsten der Kreise einhergehen würde. Unstreitig wäre dies bei dieser kostenintensiven Beschulung ein Betrag von ca. 15 - 20 Millionen Euro pro Haushaltjahr. Gemäß § 2 Abs. 1 KrO sind die Kreise berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, soweit die öffentlichen Aufgaben von den kreisangehörigen Gemeinden und Ämtern wegen geringer Leistungsfähigkeit und Größe nicht erfüllt werden können und soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen. Daraus ergibt sich, dass gerade die mangelnde Leistungsfähigkeit einer Gemeinde die Aufgabenwahrnehmung durch den Kreis begründet. Grundsätzlich werden besonders kostenintensive Maßnahmen durch Schlüsselzuweisungen, Zweckzuweisungen und den kommunalen Finanzausgleich (Kreisumlage) gedeckt, vgl. § 9, §§ 13 ff., § 19 des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich in Schleswig-Holstein - FAG SH - vom 01.01.2015 (GVOBl. 2014, 473). Bei der Kreisumlage handelt es sich um eine zweckungebundene Umlage von den kreisangehörigen Gemeinden (nach Abzug der Schlüsselzuweisungen und sonstiger Einnahmen oder Erträge und Einzahlungen) zur Deckung des Kreisbedarfs, vgl. § 19 FAG SH. Diesem Prinzip folgend fand die Finanzierung der Förderzentren in Trägerschaft der Kreise in der Vergangenheit statt und es ist kein tragfähiger Grund ersichtlich, im Sinne einer teleologischen Auslegung hiervon abzuweichen und den Kreisen damit quasi eine doppelte Finanzierung der Förderzentren in ihrer Trägerschaft durch eine gleichbleibende Kreisumlage einerseits und eine 100 %ige Refinanzierung über die Wohnsitzgemeinden über § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG - entgegen § 48 Abs. 1 S. 1, 2 SchulG - zu gewähren. Vielmehr bedürfte es hierfür einer ausdrücklichen Änderung des Gesetzes durch den Landesgesetzgeber.

5.

Nach alledem ist § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG trotz des weit gefassten Wortlautes nach dem Wortsinn, der systematischen Stellung der Norm, dem historischen Willen des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck der Vorschrift dahingehend auszulegen, dass die Kreise und kreisfreien Städte für Förderzentren in ihrer Trägerschaft gegenüber den Wohnsitzgemeinden keinen Anspruch auf Schulkostenbeiträge haben. Die Vorschrift sieht vielmehr nur einen Ausgleich zwischen den Gemeinden als Grundfall vor und umfasst - wie bisher - damit lediglich Förderzentren in Trägerschaft der Gemeinden, mithin jene mit dem Schwerpunkt „Lernen".

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 S. 1, 2 ZPO.

Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Berufung zugelassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124 a Abs. 1 S. 1 VwGO). Denn die Frage, ob die Kreise als Träger der Förderzentren mit dem Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“ einen Anspruch aus § 111 Abs. 1 S. 1 SchulG gegen die Wohnsitzgemeinden haben, ist sowohl entscheidungserheblich als auch von landesweiter Bedeutung und bedarf der grundsätzlichen Klärung.

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