FG Hamburg, Urteil vom 05.10.2015 - 1 K 131/14
Fundstelle
openJur 2016, 1417
  • Rkr:
Tatbestand

Der Kläger wehrt sich dagegen, mit den Einkünften aus seiner Tätigkeit im Jahr 2011 zur Gewerbesteuer herangezogen zu werden.

1. Der Kläger hat Betriebswirtschaft studiert und ist Diplom-Kaufmann. Nach Beendigung des Studiums war er drei Jahre in einer großen Unternehmensberatung tätig und mit der Optimierung von Geschäftsprozessen bei Kunden befasst. Anschließend war der Kläger bei einem Großunternehmen als Projektleiter im Zusammenhang mit einer SAP-Implementierung beschäftigt und sodann bei einem internationalen IT-Unternehmen angestellt. In der Folgezeit arbeitete der Kläger nicht mehr im Angestelltenverhältnis, sondern auf eigene Rechnung. Der Kläger hat sich im Rahmen beruflicher Fortbildungen in "Accelerated SAP (ASAP)", einer vom Unternehmen SAP für sein System SAP R/3 entwickelten Standard-Einführungsmethode, und in "Global ASAP" fortgebildet.

2. Von März 2009 bis zum Juni des Streitjahres 2011 war der Kläger für einen international tätigen Hersteller von XX als "Rollout-Manager in Global SAP Implementation" tätig. Zusammen mit einem firmeninternen Projektleiter trug er die Verantwortung für die Implementierung von zentral vorgegebenen Geschäftsprozessen im globalen SAP-Einkaufs-, Lager-, Produktions-, Vertriebs- und Finanzsystem von ... Niederlassungen. In Zusammenarbeit mit den lokalen Fachteams und dem zentralen SAP-Team nahmen die Projektleiter die einzelnen Geschäftsprozesse auf und erstellten ein Implementierungskonzept für das zentrale SAP-System. Die Aufgaben des Klägers umfassten die fachliche Beratung, die verantwortliche Leitung der Teammitarbeiter im Bereich der Implementierung, die Datenmigration, die Systemtests, das Mitarbeitertraining und die Umsetzung des so genannten Changemanagements.

Von August 2011 bis ins Jahr 2012 war der Kläger für einen anderen Kunden als Projektmanager verantwortlich für die Implementierung von zentral vorgegebenen Geschäftsprozessen des globalen SAP-Einkaufs-, Lager-, Produktions-, Vertriebs- und Finanzsystems für eine in Dänemark belegene Fabrik des Kunden. Im Rahmen von Workshops, die der Kläger zum Teil selbst moderierte, wurden die lokalen Geschäftsprozesse zusammen mit den lokalen Fachteams und dem zentralen SAP-Team definiert und Anpassungen in Implementierungskonzepten dokumentiert.

3. In seinen Steuererklärungen für die Jahre vor dem Streitjahr hatte der Kläger seinen ausgeübten Beruf als EDV-Systementwickler angegeben und Einkünfte aus selbständiger Arbeit erklärt.

Nachdem eine Außenprüfung beim Kläger für die Jahre 2007 bis 2009 durchgeführt worden war und der Betriebsprüfer in seinem Bericht vom 12.04.2012 festgestellt hatte, dass der Kläger keine Tätigkeit als beratender Betriebswirt, sondern eine gewerbliche Tätigkeit ausübe, erklärte der Kläger in seiner Steuererklärung vom 05.03.2013 für das Streitjahr 2011 Einkünfte aus Gewerbebetrieb "EDV-Systementwicklung" in Höhe von rund 156.000 €.

Gegen den Bescheid für 2011 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 18.09.2013 erhob der Kläger am 15.10.2013 Einspruch. Zur Begründung trug der Kläger vor, er sei als Diplom-Kaufmann in mehreren der Hauptbereiche der Betriebswirtschaft und somit als beratender Betriebswirt gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig. Zur weiteren Begründung nahm er Bezug auf ein Gutachten, das sein Prozessbevollmächtigter auf der Grundlage einer Tätigkeitsbeschreibung des Klägers unter dem 17.01.2014 erstellt hat. Mit einem SAP-System könne zwar der gesamte betriebswirtschaftliche Bereich eines Unternehmens abgedeckt werden. Da es allerdings auch eine hohe Integration unternehmenseigener Daten erlaube und die Anpassung an betriebsspezifische Besonderheiten ermögliche, erstrecke sich die Tätigkeit des Klägers auf die betriebswirtschaftlichen Bereiche Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen. Auch die Tätigkeit des Klägers als Projektleiter sei als freiberuflich einzustufen. Insoweit verwies der Kläger auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22.09.2009 (Az. VIII R 79/06).

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 15.07.2014 als unbegründet zurück. Der Kläger sei nicht für eine unternehmerische Entscheidungsfindung seiner Auftraggeber hinsichtlich der Hauptbereiche der Betriebswirtschaftslehre beratend tätig geworden, sondern für die Vorbereitung, Umsetzung und Anpassung des SAP-Systems. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

4. Der Kläger hat am 05.08.2014 Klage erhoben und zur Begründung auf das Gutachten seines Prozessbevollmächtigten vom 17.01.2014 Bezug genommen.

Im Anschluss an den Erörterungstermin vom 23.01.2015 trägt der Kläger zu seiner Tätigkeit weiter vor:

Seine Funktion sei die eines beratenden Betriebswirts, dessen Aufgabe es ebenfalls sei, mit dem Kunden die gegenwärtigen Geschäftsprozesse aufzunehmen, mit ihm die Möglichkeiten zur Verbesserung dieser Geschäftsprozesse zu erarbeiten und Vorschläge zu deren Umsetzung zu machen. Seine Aufträge erhalte er über eine Agentur, deren Kunden in ihrem Unternehmen SAP einführen wollen. Gegenstand seiner Aufträge sei die Projektleitung für die Einführung von SAP. Das SAP-System gebe dem Kunden eine unüberschaubare Vielzahl an Möglichkeiten, seine Geschäftsprozesse zu gestalten. Welche der Möglichkeiten im Unternehmen umgesetzt werden, würde durch ebenso viele Entscheidungen im Projekt durch größere Teams, bestehend aus 20-40 Beratern und Mitarbeitern des Kunden, über längere Zeit - in großen Konzernen über mehrere Jahre - erarbeitet und konkretisiert und als "neue Art zu arbeiten" im Unternehmen implementiert. Dabei gehe es nicht um die Implementierung einzelner Anwendungen oder Programme, sondern vielmehr um die Verbesserung kompletter Unternehmensbereiche, etwa der Produktion, der Lagerwirtschaft, des Vertriebs oder des Finanzwesens. Die Aufgabe des Klägers sei es dabei, den Arbeitsfortschritt der jeweiligen Teilprojektleiter zu überwachen und entstehende Konflikte zu lösen. Wenn geklärt worden sei, in welcher Ausprägung das SAP-System in das Unternehmen integriert werden soll, werde es durch entsprechende Schnittstellenprogrammierung, Altdatenaufbereitung und Mitarbeiterschulung eingeführt. Dabei sei es Aufgabe des Klägers, die Projektmitarbeiter so zu koordinieren, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt das Unternehmen mit den zu Beginn des Projekts definierten und im Laufe des Projekts weiter konkretisierten Geschäftsprozessen reibungslos zu arbeiten beginne. Er begleite die Implementierungsprozesse im Unternehmen, bis sie in den Echtbetrieb gingen.

Der Kläger trägt vor, bei seiner Tätigkeit gehe es im Wesentlichen darum, dass er Geschäftsprozesse im Unternehmen des Auftraggebers gestalte. Die im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit zu treffenden unternehmerischen Entscheidungen seien von erheblichem Gewicht; dies zeige sich in der relativ langen Projektdauer, der großen Anzahl von Projektmitarbeitern, der regelmäßig bestehenden Anbindung des jeweiligen Gesamtprojektes beim Unternehmensvorstand und darin, dass die Änderungen größere Teile des jeweiligen Unternehmens beträfen. Auch wenn sich die Tätigkeit des Klägers regelmäßig vor dem Hintergrund des Einsatzes von SAP-Software in den jeweiligen Unternehmen entfalte, betreffe die Tätigkeit nicht den IT-Bereich des Unternehmens, sondern seinen betriebswirtschaftlichen Bereich. Das SAP-Programm stelle lediglich ein Werkzeug bzw. Instrument dar, das ohne die betriebswirtschaftlichen Leistungen des Klägers unbrauchbar wäre. Denn erst mit seiner Tätigkeit werde die Grundlage für seinen Einsatz geschaffen. Der Anteil der betriebswirtschaftlichen Beratung an seiner Gesamttätigkeit liege bei 90% bis 95% und sei damit prägend. Die Urteile, mit denen der Bundesfinanzhof es verneint habe, Anwendersoftwareberater als beratende Betriebswirte zu behandeln, seien vor diesem Hintergrund auf den Fall des Klägers nicht übertragbar. Der Kläger trägt vor, über keine besonderen Informatikkenntnisse zu verfügen und seine Leistungen nicht als EDV-Berater am Markt anzubieten.

Der Kläger beantragt,den Gewerbesteuermessbescheid 2011 vom 18.09.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.07.2014 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich zunächst auf den Inhalt seiner Einspruchsentscheidung. Der Beklagte nimmt in Abrede, dass der betriebswirtschaftliche Beratungsanteil über 90% betrage. Prägend für die vom Kläger geschilderte Tätigkeit sei die Einführung des SAP-Programms, nicht jedoch eine ungebundene und ergebnisoffene Beratung. Es sei zu berücksichtigen, dass die angestrebten Verbesserungen im Unternehmen des Kunden gerade durch den Einsatz der SAP-Software erreicht werden sollen. Aufgabe des Klägers sei es, dieses Programm für den Kunden nutzbar zu machen. Der Kläger selbst trage vor, er habe sich auf SAP-Software spezialisiert. Dass er organisatorisch und in einer inhaltlichen Arbeit von dem Unternehmen SAP unabhängig sei, habe der Kläger nicht vorgetragen. Im Ergebnis entspreche die Tätigkeit des Klägers der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Gewerblichkeit der Tätigkeit eines Anwendersoftwareberaters.

5. Außer den Schriftsätzen nebst Anlagen der Beteiligten lagen dem Gericht folgende Steuerakten des Beklagten für den Kläger vor: Betriebsprüfungsakte, Einkommensteuerakte Bd. 2, Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuerakte, Rechtsbehelfsakte "Gew 2011". Auf das Protokoll des Erörterungstermins am 23.01.2015 und der mündlichen Verhandlung am 05.10.2015 wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte hat die Einkünfte des Klägers zu Recht als gewerblich beurteilt und den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheid erlassen.

Die vom Kläger erzielten Einkünfte sind gewerblicher Art, nicht jedoch Einkünfte aus selbständiger Arbeit (hierzu nachfolgend unter 1). Die Tätigkeit eines betriebswirtschaftlichen EDV-Beraters im Bereich der Anwendersoftwareentwicklung unterfällt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht dem Katalog der freien Berufe nach § 18 EStG und ist insbesondere von der Tätigkeit eines beratenden Betriebswirts zu unterscheiden und auch kein ihr ähnlicher Beruf (2). Der Kläger ist als betriebswirtschaftlicher EDV-Berater im Sinne dieser Rechtsprechung zu beurteilen (3).

1. Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen i. S. des § 15 Abs. 2 EStG zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Danach ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist.

Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Hierzu gehört nach Satz 2 der Vorschrift u. a. die selbständige Berufstätigkeit der beratenden Betriebswirte und ähnlicher Berufe. Um einem im Katalog des Satzes 2 der Vorschrift aufgezählten Beruf ähnlich zu sein, muss der Beruf ihm sowohl hinsichtlich der erforderlichen Berufsausbildung als auch hinsichtlich der tatsächlich entfalteten Tätigkeit im Wesentlichen gleichen (vgl. BFH-Urteile vom 11.11.2014 VIII R 17/12, juris; vom 22.09.2009 VIII R 63/06, BFHE 227, 386, BStBl II 2010, 466; vom 09.02.2006 IV R 27/05, BFH/NV 2006, 1270, m. w. N.).

Da auch der freie Beruf grundsätzlich die Merkmale eines Gewerbebetriebs (Nachhaltigkeit, Gewinnerzielungsabsicht, Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr) erfüllt und er der Gewerbesteuerpflicht nur dann nicht unterliegt, wenn er die Merkmale des § 18 EStG aufweist, trägt die Feststellungslast für das Vorliegen eines freien Berufs der Steuerpflichtige (ständige Rechtsprechung, BFH, Urteil vom 08.10.2008, VIII R 74/05, BFHE 223, 261, BStBl II 2009, 238; Urteil vom 30.03.1994, I R 53/93, BFH/NV 1995, 210).

Im vorliegenden Fall kommt als einzig denkbare freiberufliche Tätigkeit - bei ansonsten unstreitigem Vorliegen der Voraussetzungen des Gewerbebetriebsbegriffs - schon deswegen nur diejenige eines beratenden Betriebswirts bzw. eines diesem ähnlichen Berufs in Betracht, weil der Kläger diplomierter Betriebswirt ist und weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass der Kläger durch eine andere Ausbildung bzw. ein entsprechendes Selbststudium die Fachkenntnisse eines anderen Berufs aus dem Katalog des § 18 EStG, etwa die eines Ingenieurs, erworben hat und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist das Berufsbild eines beratenden Betriebswirts anhand der Lehrinhalte des Studiums der Volks- bzw. Betriebswirtschaftslehre zu bestimmen und umfasst daher hauptsächlich die Bereiche Unternehmensführung, Leistungserstellung (Fertigung von Gütern / Bereitstellung von Dienstleistungen), Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs- und Rechnungswesen sowie Personalwesen (BFH, Urteil vom 31.08.2005, XI R 62/04, BFH/NV 2006, 505). Eine gewisse Spezialisierung in der Beratungstätigkeit ist unschädlich, solange sich diese wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich erstreckt (BFH, Beschluss vom 31.05.2000, IV B 133/99, BFH/NV 2000, 1460). Dementsprechend übt den Beruf des beratenden Betriebswirts i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG derjenige aus, der nach einem entsprechenden Studium oder einem vergleichbaren Selbststudium, verbunden mit praktischer Erfahrung, mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft und nicht nur mit einzelnen Spezialgebieten vertraut ist und diese fachliche Breite seines Wissens auch bei seinen praktischen Tätigkeiten einsetzen kann und tatsächlich einsetzt (vgl. BFH, Beschluss vom 05.04.2011, VIII B 103/10, BFH/NV 2011, 1133; Urteil vom 31.08.2005, XI R 62/04, BFH/NV 2006, 505, jeweils m. w. N.).

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist die EDV-Beratung der Tätigkeit eines beratenden Betriebswirts gemäß § 18 Abs. 1 EStG nicht ähnlich, sondern eine eigenständige Tätigkeit (vgl. BFH, Beschluss vom 08.01.1997, IV B 56/96, BFH/NV 1997, 399, m. w. N.). Diese Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof trotz kritischer Einwendungen der Literatur aufrechterhalten (vgl. BFH, Beschluss vom 08.01.1997, IV B 56/96, BFH/NV 1997, 399 m. w. N.). Begründet hat der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung damit, dass sich die EDV-Beratung nicht auf einen gesamten oder mehrere gesamte betriebliche Hauptbereiche erstreckt, sondern jeweils nur Teilbereiche von betrieblichen Hauptbereichen erfasst (BFH-Urteil vom 11. Juni 1985 VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584).

Unter den Beruf des EDV-Beraters fallen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch der Anwendersoftwareentwickler sowie der -programmierer und auch derjenige, der die Benutzer eines Softwareprodukts vor, bei und nach dem erstmaligen Einsatz betreut (BFH, Urteil vom 24.08.1995, IV R 60-61/94, IV R 60/94, IV R 61/94, BFHE 178, 364, BStBl II 1995, 888; Urteil vom 18.10.1990, IV R 90/89, BFH/NV 1991, 515). Zur Anwendersoftwareentwicklung gehören die Bestandsaufnahme und Analyse sowie die Erarbeitung eines Systemvorschlags und von Lösungsansätzen unter Berücksichtigung der Anwenderwünsche, aber auch Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die Übernahme der Projektleitung, Erstellung von Einsatzplänen, Kontrolle des Projektfortschritts, Kostenüberwachung, Koordinierung von Benutzertests, Beratung bei der Implementierung des neuen Systems, Erstellung von Schulungsunterlagen und die Durchführung der Anwenderschulung, nicht dagegen notwendigerweise die Erstellung der Anwender-Programme selbst (vgl. BFH, Urteil vom 18.10.1990 IV R 90/89, BFH/NV 1991, 515, m. w. N.; FG München, Urteil vom 22.07.2005, 8 K 2286/05, EFG 2006, 41).

Der Bundesfinanzhof erkennt, dass einzelne Leistungen des Anwendersoftwareentwicklers für sich genommen zu den Aufgaben eines beratenden Betriebswirts gehören können - etwa die Konzeption und Umsetzung personalpolitischer Instrumente, die Beratung bei Datenschutz- und Mitbestimmungsfragen und Betriebsvereinbarungen zur Personaldatenverarbeitung, die Optimierung der personalwirtschaftlichen Abläufe einschließlich des betrieblichen Kostenwesens. Bei einem EDV-Berater, der Anwendersoftware entwickelt, seien Kenntnisse im betreffenden Anwendungsgebiet - z. B. in dem der Betriebswirtschaft - ebenso wichtig wie etwa die der Informatik; die Entwicklung von betrieblich genutzter Anwendersoftware erfordere sogar regelmäßig betriebswirtschaftliche Analysen (BFH, Urteil vom 18.10.1990, IV R 90/89, BFH/NV 1991, 515 m. w. N.) Diese Leistungen stellten jedoch regelmäßig keine gegenüber der EDV-Beratung abgrenzbare betriebswirtschaftliche Beratung i. S. des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG dar. So dienten etwa die im Rahmen der Vorfeldbetrachtung erstellten Analysen der Klärung der Frage, ob und wie das Softwareprodukt optimal eingesetzt werden kann. Dabei seien z. B. die Fragen zu beantworten, was das Programm im jeweiligen Anwenderbetrieb leisten solle, welche Informationen aus dem Betrieb für das Programm entnommen werden könnten, welche weiteren Informationen erforderlich seien, wie die Schnittstellen gestaltet werden sollten, inwieweit die Software den Erfordernissen des Anwenders angepasst werden müsse. Werden die Leistungen im Zusammenhang mit der Einführung eines Softwareprogramms erbracht und haben sie das Ziel, den Einsatz des Programms zu optimieren, so handelt es sich nach Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs um eine gemischte Tätigkeit, der die Einführung des Softwareprogramms das Gepräge gebe (BFH, Urteil vom 24.08.1995, IV R 60-61/94, IV R 60/94, IV R 61/94, BFHE 178, 364, BStBl II 1995, 888). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist die Tätigkeit eines diplomierten Volks- oder Betriebswirts jedenfalls dann als die eines EDV-Beraters einzustufen, wenn sie dazu bestimmt ist, der Entwicklung, Pflege und Anwendung eines konkreten Softwareprodukts zu dienen (BFH, Beschluss vom 08.01.1997, IV B 56/96, BFH/NV 1997, 399).

3. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, hat der Kläger seine streitgegenständlichen Einkünfte als EDV-Berater im Bereich der Anwendersoftwareentwicklung erzielt und sind diese Einkünfte gewerblicher Art.

a) Der Senat erkennt in der Tätigkeit des Klägers die eines Anwendersoftwareentwicklers im Sinne der dargestellten Rechtsprechung.

In seiner Tätigkeitsbeschreibung, die er im Einspruchsverfahren eingereicht hat, erklärt der Kläger, er sei bei den beiden Kunden, für die er im Jahr 2011 tätig gewesen sei, für die Implementierung der zentral vorgegebenen Geschäftsprozesse in das SAP-System verantwortlich gewesen. Hierzu seien die Geschäftsprozesse aufzunehmen und an das SAP-System anzupassen gewesen. Weiterhin sei er verantwortlich gewesen für alle Aktivitäten rund um die Implementierung, die Datenmigration, das Testen, das Mitarbeitertraining und die Umsetzung des Changemanagements. Diese Tätigkeiten sind solche eines Anwendersoftwareentwicklers im Sinne der dargestellten Rechtsprechung.

Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Anschluss an den Erörterungstermin nunmehr vorträgt, die Tätigkeit des Klägers sei zu 90 bis 95% die eines beratenden Betriebswirts, folgt das Gericht ihm nicht. Die vorgelegte ergänzende Tätigkeitsbeschreibung des Klägers belegt diese Behauptung nicht ansatzweise. Sie entspricht im Wesentlichen der im Vorverfahren abgegebenen Tätigkeitsbeschreibung. Insbesondere enthält sie keine substantiierte, detaillierte und quantifizierte oder quantifizierbare Darstellung einzelner Beratungsleistungen des Klägers. Somit kann das Gericht weder erkennen, dass der darlegungsbelastete Kläger (s. o.) gegenüber der Software-Implementierung eigenständige Beratungsleistungen erbracht hat, noch dass diese seine Tätigkeit, gegebenenfalls gegenüber den Implementierungsleistungen vorrangig geprägt hätten. Dem entspricht, dass Gegenstand der Aufträge des Klägers die "Projektleitung" und zwar bei der Einführung eines konkreten Softwareprodukts - hier von SAP - ist.

b) Der Senat entscheidet auf der Grundlage der dargestellten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass die Tätigkeit des Klägers nicht die eines beratenden Betriebswirts ist und auch keinen diesem ähnlichen Beruf darstellt. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Bundesfinanzhof diese Rechtsprechung, die im Wesentlichen in den 80'er und 90'er Jahren entwickelt worden ist, weder aufgegeben hat noch dass ihre Grundlage mit der Änderung seiner Rechtsprechung zur Bewertung der Tätigkeit eines EDV-Beraters als Ingenieur bzw. einem Ingenieur vergleichbaren Beruf entfallen ist.

Nach den hier zitierten, grundlegenden Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ist, soweit ersichtlich, kaum noch Rechtsprechung zu Fällen veröffentlicht worden, bei denen zu entscheiden war, ob die Einkünfte eines im Bereich der Anwendersoftwareentwicklung tätigen Betriebswirts gewerblicher Art sind.

aa) Allerdings vertrat der 8. Senat des FG München in seinem Urteil vom 22.07.2005 (8 K 2286/05, EFG 2006, 41) die Auffassung, die zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Bewertung der Tätigkeit eines Anwendersoftwareentwicklers sei überholt. Diese Tätigkeit sei - wie auch der Kläger meint - letztlich im Wesentlichen nichts anderes, als die Erarbeitung von mittels betriebswirtschaftlicher Methoden gefundener Lösungen für unternehmerische Problemstellungen auf dem Gebiet des Rechnungswesens und/oder Vertriebs bei der Einführung eines bestimmten oder von ihm als geeignet zu ermittelnden Anwendersoftware-Produktes. Daher sei die Tätigkeit eines EDV-Beraters ein dem beratenden Betriebswirt ähnlicher Beruf i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Der 8. Senat des Finanzgerichts München führte in seinem Urteil aus, der Bundesfinanzhof habe zwar ausführlich eine Abgrenzung der Tätigkeit eines EDV-Beraters (als gewerblich) von der einem beratenden Betriebswirt ähnlichen Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorgenommen. Diese Abgrenzung sei auf der Grundlage der späteren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jedoch überholt. Denn die Abgrenzung des Bundesfinanzhofs war nach Ansicht des 8. Senats von der Überlegung getragen gewesen, dass die Entwicklung von Anwendersoftware per se eine freiberufliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausschließe, und diese Auffassung habe der Bundesfinanzhof später mit seiner Entscheidung vom 04.05.2004 (XI R 9/03, BFHE 206, 233, BStBl II 2004, 989) aufgegeben.

Diese Entscheidung des 8. Senats des Finanzgerichts München gelangte, obwohl die Revision zugelassen war, nicht zur Überprüfung vor den Bundesfinanzhof. Soweit ersichtlich sind nach dieser Entscheidung des 8. Senats des Finanzgerichts München keine weiteren Gerichtsentscheidungen ergangen, in denen sich ein Gericht der von ihm vertretenen Auffassung angeschlossen hat.

bb) Der 10. Senat des Finanzgerichts München ist in einer wenig später ergangenen Entscheidung (Urteil vom 29.03.2006,10 K 117/04, ihm folgend Finanzgericht Münster, Urteil vom 22.08.2008, 12 K 3696/05 G, EFG 2009, 351) der Ansicht des 8. Senats des Finanzgerichts München entgegengetreten.

Zwar habe der Bundesfinanzhof in seiner neueren Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 04.05.2004, XI R 9/03, BFHE 206, 233, BStBl II 2004, 989) eine freiberufliche Tätigkeit eines EDV-Beraters dann angenommen, wenn der Steuerpflichtige qualifizierte Software durch eine klassisch ingenieurmäßige Vorgehensweise (Planung, Konstruktion und Überwachung) entwickele, und damit habe der Bundesfinanzhof seine bis dahin vorgenommene Unterscheidung zwischen der ingenieurmäßigen Entwicklung von Systemsoftware und Anwendersoftware jedenfalls für den Zeitraum ab 1990 aufgegeben. Diese Unterscheidung durch den Bundesfinanzhof habe jedoch auf der Eingrenzung des typischen Berufsfelds eines Diplom-Informatikers beruht. Mit der Änderung seiner Rechtsprechung habe der Bundesfinanzhof insoweit nur die Veränderung dieses Berufsbilds nachvollzogen. Hinsichtlich des Berufsbilds des beratenden Betriebswirts habe der Bundesfinanzhof die EDV-Beratung - sei es in Form der Anwendersoftwareentwicklung, sei es in Form der Benutzerbetreuung vor, bei und nach dem erstmaligen Einsatz eines Softwareprodukts - hingegen nicht als selbstständigen Hauptbereich der Betriebswirtschaft charakterisiert, sondern auch in seiner bis dato aktuellen Rechtsprechung an der bisherigen Beschreibung festgehalten. Dementsprechend hat der 10. Senat des Finanzgerichts München entschieden, die nicht in ingenieurähnlicher Weise ausgeübte reine EDV-Beratung sei weiterhin als gewerbliche Tätigkeit einzustufen.

Dem ist das Finanzgericht Münster (Urteil vom 22.08.2008, 12 K 3696/05 G, EFG 2009, 351) gefolgt und hat noch einmal klargestellt, dass die Tätigkeit des Anwendersoftwareentwicklers nicht den verschiedenen betriebswirtschaftlichen Bereichen der Materialwirtschaft, der Finanzierung und des Absatzes zuzuordnen ist.

cc) Auch der erkennende Senat schließt sich dem Urteil des 8. Senats des Finanzgerichts München vom 22.07.2005 (8 K 2286/05, EFG 2006, 41) nicht an und entscheidet auf der Grundlage der dargestellten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Beruf des beratenden Betriebswirts.

Der 8. Senat des Finanzgerichts München selbst führt in seinem Urteil vom 22.07.2005 aus, der Bundesfinanzhof habe mit seiner Entscheidung vom 04.05.2004 (XI R 9/03, BFHE 206/233, BStBl II 2004, 989), die Tätigkeit eines selbständigen EDV-Beraters, der qualifizierte Computer-Anwendersoftware durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise erarbeitet, als eine freiberufliche i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG anzusehen, der seit den 90'er Jahren eingetretenen Verlagerung des typischen Berufsbildes eines Diplom-Informatikers Rechnung getragen. Der Schlussfolgerung des 8. Senats des Finanzgerichts München, aufgrund jener Entscheidung des Bundesfinanzhofs sei jede Entwicklung von Anwendersoftware als eine freiberufliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu qualifizieren, fehlt indes die Begründung. Diese Entscheidung lässt außer Acht, dass § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Bereich der hier maßgeblichen selbständigen Berufstätigkeit an bestimmte, katalogisierte Berufe anknüpft. Zutreffend weist der 10. Senat des Finanzgerichts München darauf hin, dass die für die Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs maßgebliche Änderung des Berufsbildes des Ingenieurs bzw. des Diplom-Informatikers in keinem Zusammenhang mit dem Berufsbild des beratenden Betriebswirts steht.

Soweit der Kläger bei seiner Tätigkeit im Zusammenhang mit der Einführung des Software-Systems im Vorfeld Beratungsleistungen erbrachte, Systemanalysen erstellte und zum Abschluss Schulungen von Mitarbeitern in den Unternehmen vor Ort durchführte, ist eine Aufteilung der vom Kläger erzielten Gewinne hinsichtlich einerseits der Implementierungstätigkeiten und andererseits der Beratungsleistungen nicht in Betracht zu ziehen. Der Kläger hat nicht dargetan, dass seine Beratungsleistungen etc. nicht der Einführung des Softwareprogramms mit dem Ziel seiner Anwendung insgesamt zugeordnet waren. Der Kläger hat nicht dargetan, dass diesen Leistungen - unter Berücksichtigung der vom Bundesfinanzhof entwickelten Bewertung von Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Implementierung von Anwendersoftware - eine eigenständige Bedeutung zukomme.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen von § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind. Insbesondere liegt kein § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. FGO entsprechender Fall vor, bei dem die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert. Wie ausgeführt gab es seit den 90'er Jahren eine ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Frage, ob die Tätigkeit eines EDV-Beraters auf dem Gebiet der Anwendersoftwareentwicklung die eines beratenden Betriebswirts oder ein ähnlicher Beruf sein kann, die sodann Grundlage einer ständigen Rechtsprechung der Finanzgerichte geworden ist. Die Einheitlichkeit dieser Rechtsprechung ist dadurch, dass der 8. Senat des Finanzgerichts München vor zehn Jahren in einer einzelnen Entscheidung (Urteil vom 22.07.2005, 8 K 2286/05, EFG 2006, 41) die Auffassung vertreten hat, die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei überholt, nicht nachhaltig in Frage gestellt. Da dieses Urteil auch in der Folgezeit vereinzelt geblieben ist und weitere finanzgerichtliche Entscheidungen auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ergangen und rechtskräftig geworden sind, bedarf es keiner weiteren Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

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