LG Hamburg, Urteil vom 02.09.2015 - 307 O 450/11
Fundstelle
openJur 2016, 1303
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für Überbauung seines Grundstückes in einer Tiefe von 13.31 m und einer Breite von 1m statt einer Tiefe von 10m und einer Breite von 1m und in einer Tiefe von 10m und einer Breite von 36 cm durch die Errichtung einer Stützmauer eine in das Grundbuch von U. Band 1. Blatt 4., Flurstück 1., Gebäude- und Freifläche H. Weg 3 einzutragende jährliche Überbaurente zu zahlen, die sich für die Jahre 2008 bis 2012 auf insgesamt EUR 2.281,60 und ab dem Jahr 2013 auf jährlich EUR 570,40 beläuft.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die auf der Fläche „a“ eingebaute Fahrsperre zu beseitigen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 68% und die Beklagte 32% zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der ursprünglichen Beklagten „Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft H. Weg 5“; diese letztgenannten Kosten trägt der Kläger allein.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 14.816,53 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Überbaurente und Beseitigung einer Wegfahrsperre in Anspruch.

Die Parteien sind Eigentümer der benachbarten Grundstücke im H. Weg 3 (Kläger) und H. Weg 5 (Beklagte) in ...H.. Das Grundstück des Klägers ist eingetragen im Grundbuch von U. Band 1. Blatt 4., Flurstück 1..

Im Jahr 1962 vereinbarten die seinerzeitigen Eigentümer ein Überbaurecht zugunsten des Grundstücks der Beklagten und zu Lasten des mittlerweile dem Kläger gehörenden Grundstücks und ließen dieses im Grundbuch eingetragen (vgl. Auszug aus dem Grundbuch, Anlage K 1 und K 4; Vereinbarung Anlage K 2). In der unter Ziffer 1 des Grundbucheintrages (Anlage K 1) in Bezug genommen Baubeschränkung mit der Ordnungsnummer 4 (Anlage K 10) heißt es:

„[...] dass die auf dem Grundrisse vom 18. Januar 1890n mit a und b und brauner Farbe bezeichneten Flächen der Plätze No 7. und No 1. zu gegenseitigen Gunsten und zur gemeinschaftlichen Benutzung frei und unbebaut bleiben müssen.“

„No 7.“ meint hierbei das Grundstück der Beklagten, „No 1.“ jenes des Klägers (vgl. Anlage K 3).

1982 wurde das Grundstück der Beklagten bebaut, wobei das mittlerweile dem Kläger gehörende Grundstück auf einer - mittlerweile unstreitigen - Grundfläche von 18,11 qm überbaut wurde. Für die Einzelheiten dieses Überbaus wird ergänzend Bezug genommen auf die Lichtbilder Anlagen K 5 und K 6.

Am 1. März 2012 baute die Beklagte auf der in der Anlage K 10 als „a“ bezeichneten Fläche eine Fahrsperre ein. Für die näheren Einzelheiten dieser Fahrsperre wird ergänzend Bezug genommen auf das Lichtbild Anlage K 11.

Der Kläger meint,maßgeblich für die Berechnung der Überbaurente sei nicht die Grundfläche der Überbauung, sondern die durch die Überbauung geschaffene, sich auf mehrere Geschosse erstreckende, zu Gunsten der Beklagten entstandene Mehrfläche. Dieses betrage auf den ersten vier Geschossen 13,24 qm (4 x 3,31 qm) und auf den Geschossebenen fünf bis sieben mit einer qm-Anzahl von 39,93 (3x13,31 qm), insgesamt also überbaute 53,17 qm. Hinzukämen weitere 14,4 qm durch die Stützmauer (10 m x 0,36 m x 4). Bei einem qm-Preis von EUR 434,60 umgerechnet auf die überbauten 67,57 qm würde sich hieraus unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 6,5% eine jährliche Überbaurente von 1.908,87 ergeben.

Zudem verstoße die durch die Beklagte auf der Freifläche „a“ errichtete Fahrsperre gegen Ziff. 1 der Baubeschränkung (Anlage K 10).

Der Kläger hatte zunächst beantragt, die Wohnungseigentümer der Wohnungseigentumsgemeinschaft H. Weg 5, ... H. zu verurteilen, an den Kläger für die Jahre 2008 bis 2012 für die viergeschossige Überbauung seines Grundstückes in einer Tiefe von 13,31 m und einer Breite von 1 m statt in einer Tiefe von 10m und einer Breite von 1m sowie für die Überbauung seines Grundstücks durch die Geschosse fünf bis sieben in einer Tiefe von 13,31m und einer Breite von 1m eine in das Grundbuch von U. Band 1. Blatt 4., Flurstück 1., Gebäude- und Freifläche H. Weg 3 einzutragende und der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellte jährliche Überbaurente zu zahlen, die sich wenigstens auf EUR 1.502,00 jährlich und für die Jahre 2008 bis 2012 insgesamt wenigstens auf EUR 6.008,00 belaufe.

Im weiteren Verlauf hat der Kläger seine Klage sodann dahingehend abgeändert, dass die Klage nicht mehr gegen die Wohnungseigentümer der Wohnungseigentumsgemeinschaft H. Weg 5 sondern stattdessen gegen die WEG H. Weg 5 gerichtet werden sollte. Die Beklagtenseite hat einer Klagänderung widersprochen und beantragt, dem Kläger nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, soweit dieser die Klage gegen die Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft H. Weg 5 zurücknimmt (vgl. Bl. 107 d. A.). Zudem hat der Kläger die Klage erhöht und erweitert und zuletzt beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Jahre 2008 bis 2012 für die viergeschossige Überbauung seines Grundstückes in einer Tiefe von 13,31 m und einer Breite von 1m statt in einer Tiefe von 10m und einer Breite von 1 m und in einer Tiefe von 10m und einer Breite von 36 cm durch die Errichtung der Stützmauer sowie für die Überbauung seines Grundstückes durch die Geschosse fünf bis sieben in einer Tiefe von 13,31 und einer Breite von 1m eine in das Grundbuch von U. Band 1. Blatt 4., Flurstück 1., Gebäude- und Freifläche H. Weg 3 einzutragende und der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellte, jährliche Überbaurente zu zahlen, die sich wenigstens auf EUR 1.908,87 jährlich und für die Jahre 2008 bis 2012 insgesamt wenigstens auf EUR 7.635,48 beläuft;

2. Die Beklagte zu verurteilen, die auf der Fläche „a“ eingebaute Fahrsperre zu beseitigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, es sei davon auszugehen, dass der Kläger seinerzeit bei Abschluss der Vereinbarung mit der Voreigentümerin D. eine ins Grundbuch eingetragene Verzichtserklärung abgegeben worden sei. Jedenfalls sei die geltend gemachte Überbaurente fehlerhaft berechnet. Zudem erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung und beruft sich auf Verwirkung.

Hinsichtlich der Fahrsperre trägt die Beklagte vor, es handele sich nicht um eine Bebauung und die Grunddienstbarkeit, auf die der Kläger sich berufe, sei sinnentleert, da die Remise gar nicht mehr als solche genutzt werde.

Das Gericht hat über die Höhe einer angemessenen Überbaurente Beweis erhoben durch Einholung eines zunächst schriftlichen (Bl. 207 ff d. A.) und sodann mündlich erläuterten Gutachtens (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2015, Bl. 250 ff d. A.) des Sachverständigen H.- P.W. auf Grundlage des Beweisbeschlusses vom 9. April 2014 (Bl. 188 d. A.), ergänzt durch Beschluss vom 2. Juni 2014 (Bl. 198 d. A.).

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst der dazugehörigen Anlagen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig (hierzu unter 1.), hat aber nur in dem tenorierten Umfang Erfolg (hierzu unter 2.). Im Einzelnen:

1.

Die Klage ist zulässig. Bei dem seitens des Klägers während des Rechtsstreits vorgenommenen Wechsel der Beklagten handelt es sich um eine zulässige Klagänderung i.S.v. § 263 ZPO. Diese Klagänderung ist zulässig, da sie sachdienlich ist. Zwischen dem Kläger und der jetzigen Beklagten sind exakt dieselben Streitpunkte zu klären wie zwischen dem Kläger und der ursprünglichen Beklagten, i.e. die Zahlung einer Überbaurente sowie die Beseitigung einer Wegfahrsperre, jeweils im Zusammenhang mit den Grundstücken H. Weg 3 und H. Weg 5.

2.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Überbaurente, die allerdings nicht jährlich EUR 1.908,87, sondern lediglich jährlich EUR 570,40 beträgt (hierzu unter 2.1.). Ferner hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Beseitigung der auf der Fläche „a“ eingebauten Wegfahrsperre (hierzu unter 2.2.). Im Einzelnen:

2.1

Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 912 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung einer Überbaurente. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Grundstück des Klägers bei einem Bauvorhaben auf dem Grundstück der Beklagten aus dem Jahr 1982 auf einer Fläche von 18,11 qm überbaut worden ist. Dieser Überbau ist zu dulden auf Grund des 1962 vereinbarten (Anlage K 2) und in das Grundbuch eingetragenen (Anlagen K 1 und K 4) Überbaurechts sowie, hinsichtlich des darüberhinausgehenden Überbaus, aufgrund des Umstandes, dass seinerzeit nicht sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben wurde (§ 912 Abs. 1 BGB).

Der Kläger selbst hat gegenüber der Beklagten nicht auf diese ihm dem Grunde nach zustehende Überbaurente verzichtet. Er muss sich auch nicht entgegenhalten lassen, dass die seinerzeitige Eigentümerin, Frau D., ausweislich des Schreibens vom 12.01.1982 (Anlage B 1) für den erweiterten Überbau eine Entschädigung von DM 56.000,00 erhalten sollte. Eine solche rein schuldrechtliche Vereinbarung zeitigt keine Wirkung gegenüber dem Kläger. Hierfür wäre eine Eintragung im Grundbuch erforderlich gewesen, was ausweislich der eingereichten Grundbuchauszüge (Anlage K 1 und K 4) nicht erfolgt ist.

Maßgebliche Grundlage für die Bemessung der Überbaurente ist der in der üblichen Weise zu ermittelnde Verkehrswert der überbauten Bodenfläche. Auch die Höhe der baurechtlich zulässigen Geschoßzahl spielt für diese Ermittlung des Bodenwertes natürlich eine Rolle, allerdings nicht streng schematisch dergestalt, dass man beispielsweise bei der Errichtung eines siebenstöckigen Hauses nun einfach den siebenfachen Bodenpreis in Ansatz bringen könnte (BGH, Urteil vom 26.11.1971 - V ZR 11/70, Rdnr. 17). Dies verkennt die Klägerseite, wenn sie im Laufe des Rechtsstreits trotz wiederholter Hinweise des Gerichts immer wieder die überbaute Grundfläche mit der Anzahl der errichteten Geschosse multiplizieren möchte.

Der Sachverständige W. hat diesen Verkehrswert der überbauten Bodenfläche in für das Gericht nachvollziehbarer Weise und frei von erkennbaren Denkverstößen und Widersprüchen für den hier maßgeblichen Zeitpunkt 1982 mit DM 22.312,00 festgestellt und auf dieser Grundlage eine jährliche Überbaurente in Höhe von EUR 570,40 errechnet. Die Einwendungen, die die Klägerseite gegen dieses Gutachten vorgebracht hat, fußen augenscheinlich auf dem Ansatz der Klägerseite, nicht von der überbauten Grundfläche, sondern von der insgesamt neu geschaffenen Geschossfläche ausgehen zu wollen, was indes im Gegensatz zur genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung steht. Folgerichtig hat der Sachverständige bei der mündlichen Erläuterung seines zuvor schriftlich erstellten Gutachtens in der mündlichen Verhandlung vom 15.04.2014 (Bl. 251 f. d. A.) noch einmal ausdrücklich hervorgehoben, bei der Berechnung des Bodenwertes habe er die baurechtlich mögliche Bebauung mit einkalkuliert.

2.2

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus Beseitigung der auf der Freifläche „a“ errichteten Wegfahrsperre auf Grundlage der unter Ziffer 1 des Grundbucheintrages (Anlage K 1) in Bezug genommenen Baubeschränkung mit der Ordnungsnummer 4 (Anlage K 10). Danach hatte die betreffende Fläche „frei und unbebaut zu bleiben“. Durch die Errichtung der Wegfahrsperre ist diese Fläche nicht mehr „frei“, sondern nur noch eingeschränkt nutzbar. Entgegen der beklagtenseits vertretenen Rechtsauffassung hatte sich diese Baubeschränkung auch nicht dadurch erledigt, dass der rückwärtige Teil des Grundstückes nicht mehr als Remise genutzt wird. Eine derartige Anknüpfung an eine bestimmte Nutzungsart kann der Baubeschränkung nicht entnommen werden.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der ursprünglichen Beklagten „Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft H. Weg 5“ auf § 269 Abs. 3 ZPO analog und im Übrigen auf §§ 92, 709 ZPO.

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