OLG Hamburg, Beschluss vom 17.04.2015 - 12 UF 217/13
Fundstelle
openJur 2016, 1262
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg, Familiengericht, vom 30.09.2013 (Geschäftsnummer 984 F 55/12 (2)) wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussbeschwerde der Mutter wird die Kostenentscheidung des Familiengerichts in dem genannten Beschluss geändert:

Die Verfahrenskosten der ersten Instanz trägt der Antragsteller.

Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1.

Der minderjährige Antragsteller Oliver R. begehrt die Feststellung, dass der Beteiligte Wolfgang N. nicht sein Vater ist.

Die Mutter des Antragstellers stammt aus Weißrussland. Dort hatte sie den deutschen Staatsangehörigen. geheiratet, mit dem sie im Jahr 2001 in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelte. Zu dieser Zeit lernte sie auch den Beteiligten N. kennen, der mit Herrn R. Schwester verheiratet war. Am 28.09.2004 wurde der Antragsteller geboren. Durch eine im Jahr 2005 ergangene gerichtliche Entscheidung wurde rechtskräftig festgestellt, dass er nicht von Herrn N. abstammt. Biologischer Vater des Antragstellers ist nach Angaben der Mutter ein namentlich nicht genannter weißrussischer Staatsangehöriger, den sie seinerzeit im Urlaub kennen gelernt hatte; sein aktueller Aufenthalt sei unbekannt.

Nachdem die Ehe der Mutter mit Herrn R. gescheitert und die Ehefrau des Beteiligten N. verstorben war, nahmen beide Ende 2005/Anfang 2006 eine intime Beziehung zueinander auf. Inwieweit es zu einem familiären Zusammenleben kam, ist streitig. Unstreitig trafen die drei Beteiligten aber regelmäßig zusammen und unternahmen in der Folgezeit jedes Jahr zwei bis drei mehrwöchige Urlaubsreisen zusammen.

Die Ehe der Mutter mit Herrn R. wurde im Jahr 2006 rechtskräftig geschieden.

Im Jahr 2008 bekam die Mutter Post von der Ausländerbehörde. Nach Darstellung der Mutter ging es um Papiere für den Antragsteller, nach den Angaben des Beteiligten N. stand die Aufenthaltserlaubnis der Mutter infrage. Jedenfalls begaben sich die Mutter und der Beteiligte N. im Zusammenhang mit den Anforderungen der Ausländerbehörde zum Standesamt N. am R., wo der Beteiligte N. mit Zustimmung der Mutter die Anerkennung der Vaterschaft zum Antragsteller erklärt hat (Anerkennungsurkunde vom 17.12.2008 Blatt 4 der Akte). Die Mutter hatte zu der Zeit noch die weißrussische Staatsangehörigkeit. Eine Sorgerechtserklärung wurde nicht abgegeben.

Anschließend beantragte und erhielt die Mutter für den Antragsteller einen deutschen Ausweis.

Zunächst setzten die Beteiligten ihre Beziehung wie zuvor fort, dann kam es im Jahr 2011 zur Trennung zwischen der Mutter und dem Beteiligten N. (im Folgenden: Vater).

Nachdem zuerst beim Amtsgericht Nienburg und sodann - Mutter und Kind waren nach Hamburg umgezogen - beim Familiengericht in Hamburg um den Umgang des Vaters mit dem Antragsteller gestritten wurde, hat die Mutter im Januar 2012 gegen den Vater Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs zulasten des Antragstellers erstattet und im Februar 2012 in Vertretung des Antragstellers beim Familiengericht das vorliegende Vaterschaftsanfechtungsverfahren eingeleitet. Seit dem Jahr 2012 besitzt die Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit.

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Vater ist durch die Staatsanwaltschaft Verden am 11.04.2012 eingestellt worden (Blatt 158 ff. der Akte). Ihre hiergegen eingelegte Beschwerde hat die Mutter anschließend zurückgenommen.

Die Mutter hat als Vertreterin des Antragstellers beim Familiengericht vorgetragen,die Anfechtungsfrist sei gewahrt. Sie - die Mutter - habe bei dem standesamtlichen Termin in N. aufgrund von Sprachschwierigkeiten nicht verstanden, dass sie ihre Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung abgegeben habe. Darüber sei sie erst im Rahmen der familienrechtlichen Auseinandersetzungen um den Umgang im Jahr 2011 von ihrer Verfahrensbevollmächtigten aufgeklärt worden. Der Vater habe die Standesbeamtin persönlich gekannt und mit ihr gemeinsame Sache gemacht. Abgesehen davon könne die Anfechtungsfrist erst mit der Bestellung eines Ergänzungspflegers beginnen, welche hier noch gar nicht erfolgt sei. Weiter ist geltend gemacht worden, die Anfechtung diene dem Kindeswohl, weil gegen den Vater wegen sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Antragstellers ermittelt werde. Zwischen dem Antragsteller und dem Vater bestehe auch keine familiäre Beziehung.

Für den Antragsteller ist beim Familiengericht beantragt worden,

festzustellen, dass er nicht vom Antragsgegner abstammt;

für ihn einen Ergänzungspfleger zu bestellen (Schriftsatz vom 04.07.2012, Blatt 120 der Akte);

hilfsweise:

den Antragsgegner zur Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung gem. § 1598a Abs. 2 BGB zu verpflichten.

Der Vater hat vorgetragen:

Es gebe nicht den geringsten Zweifel, dass er nicht der Erzeuger des Antragstellers sei. Er selbst sei von einer familiären Beziehung ausgegangen und habe die Mutter heiraten wollen. Diese habe aber lediglich ihre Aufenthaltserlaubnis im Blick gehabt und von sich aus bei der Standesbeamtin nach einer Adoption des Antragstellers gefragt.

Das Familiengericht hat über die Umstände der Vaterschaftsanerkennung Beweis erhoben durch Vernehmung der Standesbeamtin und sodann durch Beschluss vom 30.09.2013 den Antrag und den Hilfsantrag zurückgewiesen. Ferner hat es die Verfahrenskosten der gesetzlichen Vertreterin des Antragstellers auferlegt. Auf den Inhalt des Beschlusses (Blatt 74ff der Akte) wird Bezug genommen. Die Mutter war bis dahin nicht förmlich am Verfahren beteiligt worden.

Gegen den am 07.10.2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 06.11.2013 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Antragsteller hat seine Auffassung wiederholt, dass ein Ergänzungspfleger zu bestellen sei. Auf dessen Kenntnis sei dann hinsichtlich der Anfechtungsfrist abzustellen. Abgesehen davon sei die Vaterschaft am 17.12.2008 nicht wirksam anerkannt worden. Dass die Mutter die Reichweite des Vorgangs beim Standesamt nicht erfasst habe, sei auch durch die Vernehmung der Standesbeamtin nicht widerlegt worden.

Das Familiengericht hat durch Beschluss vom 10.04.2014 den zunächst nicht beschiedenen Antrag auf Bestellung eines Ergänzungspflegers zurückgewiesen (Blatt 121 ff. der Akte).

Durch Beschluss vom 27.11.2014 hat der Senat für den Antragsteller eine Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis „Vertretung des Kindes im Vaterschaftsanfechtungsverfahren“ eingerichtet und den bereits im Umgangsverfahren für den Antragsteller als Pfleger tätigen Rechtsanwalt auch hier zum Ergänzungspfleger bestimmt.

Der Ergänzungspfleger hat sich im Anhörungstermin des Senats dahingehend geäußert, dass er von einem wirksam gestellten Anfechtungsantrag ausgehe und um eine gerichtliche Entscheidung bitte.

Der Antragsteller beantragt,

die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte beizuziehen undunter Abänderung des Beschlusses vom 30.09.2013 festzustellen, dass der Antragsgegner nicht der Vater des Antragstellers ist.

Den Hilfsantrag auf Abstammungsklärung hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht weiter verfolgt, sondern für erledigt erklärt.

Die Mutter hat sich der Beschwerde des Antragstellers angeschlossen und stellt den Antrag,

ihr unter Abänderung des amtsgerichtlichen Beschlusses keine Kosten aufzuerlegen.

Der Vater beantragt,

die Beschwerde und die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.

Der Vater verteidigt die Entscheidung des Familiengerichts.

Das Jugendamt hat sich dahingehend geäußert, dass es hier ausschließlich um rechtliche Fragen gehe, das Kindeswohl werde nicht berührt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die in den Anhörungsvermerken wiedergegebenen Angaben der Beteiligten Bezug genommen.

2.

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber nicht begründet.

2.1.

Das Rechtsmittel des Antragstellers ist zulässig. Gegen den Beschluss des Familiengerichts vom 30.09.2013 ist die Beschwerde gem. §§ 58ff FamFG statthaft, welche hier im Namen des Antragstellers frist- und formgerecht (§§ 63, 64 FamFG) eingelegt worden ist. Dass der minderjährige, gem. § 60 Satz 3 FamFG nicht selbst handlungsfähige Antragsteller vor der Einrichtung der Ergänzungspflegschaft durch den Senat im Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten war, steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft war beim Familiengericht vergeblich beantragt worden. In dieser Situation der Ungewissheit über die richtige gesetzliche Vertretung muss der vermeintliche Vertreter - hier die allein sorgeberechtigte Mutter - als vertretungsberechtigt gelten und auch Rechtsmittel im Namen des Vertretenen einlegen können (vergl. dazu Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Auflage, § 51 Rz. 12 m.w.N.).

2.2.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Mit Recht hat das Familiengericht den Antrag des Antragstellers wegen Versäumung der Anfechtungsfrist zurückgewiesen.

2.2.1.

Allerdings ist auch der Senat in Übereinstimmung mit dem Antragsteller der Auffassung, dass ein zulässiger Antrag gem. §§ 1600 Abs. 1 Nr. 4, 1600a Abs. 3 BGB hier nur unter Einschaltung eines Ergänzungspflegers gestellt werden konnte.

Die Mutter ist entsprechend §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 1 Nr. 3, 181 BGB von der Vertretung des Antragstellers ausgeschlossen. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des BGH in der (noch zu der bis zum 31.08.2009 maßgeblichen Rechtslage ergangenen) Entscheidung vom 27.03.2002 (XII ZR 203/99, zitiert nach juris), wo es (unter Rz 23, 24 und 25) heißt:

„Nach § 1629 Abs. 2 BGB können die Eltern ein Kind nicht vertreten, soweit ein Vormund nach § 1795 BGB von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen ist. Nach § 1795 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BGB ist ein Vormund in einem Rechtsstreit zwischen seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner oder einem seiner Verwandten in gerader Linie einerseits und dem Mündel andererseits von der Vertretung des Mündels ausgeschlossen. Dieser Ausschluss gilt erst recht, wenn nicht nur der Ehegatte oder Verwandte des Vormunds, sondern der Vormund selbst Partei eines Rechtsstreits mit dem Mündel ist... Durch § 640e Abs. 1 ZPO soll das Kind, um dessen Status es geht, in die Lage versetzt werden, seine Interessen unabhängig von den Parteien des Statusverfahrens, also auch unabhängig von seiner allein vertretungsberechtigten Mutter, zu vertreten. Die Interessen der Mutter und die Interessen des Kindes können durchaus voneinander abweichen. Die Mutter kann unter Hintanstellung anderer Gesichtspunkte in erster Linie daran interessiert sein, nachzuweisen, dass der Beklagte nicht der Vater ihres Kindes ist. Das Kind kann daran interessiert sein, dass soziale Bindungen, die es zu dem Beklagten aufgebaut hat, nicht beschädigt werden, insbesondere aber kann es darauf angewiesen sein, in dem Beklagten einen zahlungskräftigen Unterhaltsschuldner zu haben... Das bedeutet, dass das beizuladende Kind in einem von seiner allein sorgeberechtigte Mutter angestrengten Statusverfahren der Mutter in einer eigenständigen Position gegenüber steht, die es ihm ermöglichen soll, eigene Interessen auch gegen die Mutter geltend zu machen. Dies entspricht der Interessenkonstellation, für die § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB die Vertretungsbefugnis ausschließt.“

Nach der Überzeugung des Senats müssen diese Erwägungen auch unter der Geltung des FamFG mindestens dann zum Tragen kommen, wenn - wie hier - die allein sorgeberechtigte Mutter im Namen des Kindes die Vaterschaft anfechten will (zur Vertretung des Kindes bei Anfechtung durch die Mutter vgl. den Beschluss des Senats vom 04.06.2010 – 12 UF 224/09). Das neue Verfahrensrecht nach §§ 169 ff. FamFG hat an dem dargestellten, für ein streitiges Verfahren typischen Interessenkonflikt nichts geändert. Über die zuvor geregelte Beiladung hinaus sind gem. § 172 FamFG nunmehr beide Elternteile und das Kind in gleicher Weise am Verfahren beteiligt. Eine Vertretung des Kindes durch den Verfahrensbeistand scheidet aus (§ 158 Abs. 4 Satz 6 FamFG), die Frage der ordnungsgemäßen Vertretung im Verfahren stellt sich nach wie vor. Entfallen sind nur die gerade an die jeweilige zivilprozessuale Gegnerstellung angeknüpften Differenzierungen.

Der BGH hat in seiner zum neuen Recht ergangenen Entscheidung vom 21.03.2012 (XII ZB 510/10, zitiert nach juris; dem Verfahren lag eine Anfechtung durch den leiblichen Vater zu Grunde) ausgesprochen, der dort angenommene Ausschluss der Mutter von der Vertretung des beteiligten Kindes beruhe entsprechend § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB auf der bestehenden Ehe mit dem rechtlichen Vater, könne jedoch nicht schon aus der nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 FamFG vorgeschriebenen Beteiligung der Mutter am Verfahren hergeleitet werden; dies würde besonderen gesetzlichen Regelungen widersprechen, nämlich § 1629 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz BGB sowie § 172 FamFG. Beide Bestimmungen beziehen sich allerdings nicht auf die Anfechtung der Vaterschaft - um eine solche geht es hier -, sondern auf die Vaterschaftsfeststellung. Abgesehen davon wäre auch zu erwägen, ob § 1629 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz BGB nicht darauf abzielt, der Mutter stets die Entscheidung über das „Ob“ der Vaterschaftsfeststellung zu belassen (zur Kritik an der genannten BGH-Entscheidung vgl. auch die Nachweise bei OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.04.2014 - 16 WF 56/14 - , zitiert nach juris, unter Rz. 12).

Inwiefern die allein sorgeberechtigte Mutter unter der Geltung des FamFG berechtigt ist, das Kind in dessen Anfechtungsverfahren zu vertreten, lässt sich der genannten Entscheidung des BGH nach der Auffassung des Senats nicht entnehmen. Der Beschluss des BGH vom 07.01.2015 (XII ZB 143/14, zitiert nach juris), in dem die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft als gesetzeswidrig angesehen wurde (auf Rz. 12), betraf ein Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft und kein Anfechtungsverfahren.

Wenn die allein sorgeberechtigte Mutter - die selbst von einer fristgerechten Anfechtung abgesehen hat - das Anfechtungsverfahren als gesetzliche Vertreterin des minderjährigen Kindes durchführt wie hier, so ist zumindest diese Fallkonstellation durch den abstrakten Interessengegensatz zwischen Mutter und Kind gekennzeichnet.

Würde die Mutter als berechtigt angesehen, ihr minderjähriges Kind im Anfechtungsverfahren zu vertreten, so entstünde ein offenkundiger Wertungswiderspruch zu § 1629 Abs. 2a) BGB. Für das Verfahren auf Abstammungsklärung hat der Gesetzgeber angesichts des auch dort anzutreffenden Interessenkonflikts ausdrücklich bestimmt, dass in einem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB beide Elternteile von der Vertretung ausgeschlossen sind.

Angesichts der einschneidenden Folgen einer Vaterschaftsanfechtung im Vergleich zur bloßen Abstammungsklärung ist der Interessenkonflikt, der auch der Regelung in § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB zu Grunde liegt, nicht als geringer einzustufen, und die Vertretungsbefugnis der Mutter kann zumindest beim Anfechtungsverfahren im Namen des Kindes nicht weiter reichen als beim Verfahren der Abstammungsklärung.

Ob ein konkreter Interessenwiderstreit i.S.v. § 1796 BGB besteht - was hier nicht fern liegt -, war infolge der Anwendbarkeit von § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB nach der Auffassung des Senats nicht zu prüfen.

Der vom Senat gem. § 1909 Abs. 1 BGB eingesetzte Ergänzungspfleger hat an dem zunächst von der Mutter als Vertreterin des Antragstellers gestellten Antrag festgehalten, eine zulässige Antragstellung liegt insofern vor.

2.2.2.

Die für das Anfechtungsverfahren erforderliche Entscheidung über das „Ob“ der Anfechtung (vergl. BGH, Urteil vom 18.02.2009 - XII ZR 156/07 -, zitiert nach juris) war durch die Mutter als Inhaberin des Sorgerechts für den Antragsteller zu treffen und ist von ihr auch getroffen worden: Sie hat als gesetzliche Vertreterin des Antragstellers das Anfechtungsverfahren eingeleitet und die Beschwerde eingelegt.

2.2.3.

Ob die im Namen des minderjährigen Antragstellers betriebene Vaterschaftsanfechtung dem Kindeswohl entspricht, wie § 1600a Abs. 4 BGB es voraussetzt, bleibt dahingestellt.

2.2.4.

Der Anfechtungsantrag muss jedenfalls deshalb zurückgewiesen werden, weil die Anfechtungsfrist versäumt ist.

Nach §§ 1600b Abs. 1, 1600b Abs. 2 Satz 1 BGB kann die Vaterschaft binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden; die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen, jedoch frühestens mit der Geburt des Kindes und nicht, bevor die Anerkennung der Vaterschaft wirksam geworden ist.

Die Frist hat hier mit der Vaterschaftsanerkennung vom 17.12.2008 begonnen. Sowohl die Anerkennung als auch die hierzu erforderliche Zustimmung der Mutter sind formgerecht erklärt worden. Da die Mutter wusste, dass der Anerkennung keine leibliche Vaterschaft zu Grunde lag, wurde entsprechend § 166 Abs. 1 BGB die Anfechtungsfrist für den von ihr gesetzlich vertretenen Antragsteller in Lauf gesetzt.

Wie bereits in den erteilten Hinweisen vom 17.12.2013 (Blatt 98 der Akte) und vom 10.10.2014 (Blatt 161f der Akte) ausgeführt worden ist, folgt der Senat nicht der Auffassung, für den Lauf der Anfechtungsfrist sei auf die Kenntniserlangung durch den Ergänzungspfleger abzustellen (vgl. dazu Staudinger/Rauscher (2011) BGB, § 1600b Rz 39 m.N. aus der Rechtsprechung; Palandt/Brudermüller, BGB, 74. Auflage 2015, § 1600b Rz. 9).

Nach der bereits zitierten BGH-Rechtsprechung (Beschluss vom 18.02.2009 - XII ZR 156/07) ist zu unterscheiden „zwischen der Ausübung des materiellen Gestaltungsrechts auf Anfechtung einerseits und der prozessualen Verfahrenshandlung der Erhebung einer entsprechenden Klage andererseits.“ Die Entscheidung darüber, ob die Vaterschaft im Namen des Kindes angefochten werden solle, gehöre zur Personensorge gem. § 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB und stehe damit grundsätzlich dem Inhaber der elterlichen Sorge zu. Dieser sei zwar gehindert, das Kind in einem Anfechtungsprozess zu vertreten, dies gelte aber nicht für die Entscheidung darüber, ob die Vaterschaft im Namen des Kindes angefochten werden solle. Diese Entscheidung sei auch kein Teil des Anfechtungsrechtsstreits. Damit würde es dann allerdings nicht in Einklang stehen, hinsichtlich des Beginns der Anfechtungsfrist auf die Kenntnisse des Ergänzungspflegers abzustellen. Der Sinn der zweijährigen Frist liegt darin, fortdauernde Ungewissheiten über die Abstammung zu vermeiden, indem der jeweilige Beteiligte innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens entscheiden muss, ob eine Anfechtung erfolgen soll oder nicht. Da nicht der Ergänzungspfleger, sondern der Sorgeberechtigte diese Entscheidung zu treffen hat, kann es auf die Kenntnisse des Ergänzungspflegers nicht ankommen. Abgesehen davon zeigt gerade der vorliegende Fall, dass die Anfechtungsfrist faktisch umgangen werden könnte, wenn für ihren Beginn auf die Kenntnis von Anfechtungsgründen auf Seiten des Ergänzungspflegers abgestellt würde. Der Umstand, dass die Entscheidung über das „Ob“ der Anfechtung dem Sorgerechtsinhaber vorbehalten bleibt und nicht dem Ergänzungspfleger obliegt, hat durch das Inkrafttreten des FamFG am 01.09.2009 keine Änderung erfahren, die vom BGH aufgestellten Grundsätze sind insofern weiterhin anzuwenden.

Der Senat geht davon aus, dass die Mutter am 17.12.2008 genau wusste, dass trotz fehlender Abstammung eine rechtliche Vaterschaft für den Antragsteller begründet wurde. Sie hat die entsprechenden Dokumente im Standesamt unterschrieben, nachdem sie bereits seit dem Jahr 2001 mit dem deutschen Staatsangehörigen Herrn R. in Deutschland gelebt und bezüglich des Antragstellers im Jahr 2005 ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren durchlaufen hatte. Vor diesem Hintergrund kann der Mutter ihre Behauptung nicht abgenommen werden, sie habe die Vorgänge im Standesamt nicht richtig verstanden, zumal die Mutter im Anschluss einen deutschen Ausweis für den Antragsteller erwirkt hat. Auf die glaubhaften Angaben der als Zeugin vernommenen Standesbeamtin und die zutreffende Beweiswürdigung des Familiengerichts wird ergänzend verwiesen. Abgesehen davon hätte selbst eine bestehende Rechtsunkenntnis über die Begründung der Vaterschaft dem Fristlauf nicht entgegengestanden (vgl. Staudinger/Rauscher a.a.O. § 1600b Rz. 19 m.w.N.).

Da die allein sorgeberechtigte Mutter am 17.12.2008 über alle maßgeblichen Umstände informiert war und ihre Kenntnisse dem Antragsteller entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen sind, hat die Anfechtungsfrist an diesem Tag zu laufen begonnen. Ebenso wie es dann erst im Jahr 2012 geschehen ist, hätte auch bereits innerhalb von zwei Jahren nach der Anerkennung das Anfechtungsverfahren eingeleitet und zugleich die Bestellung eines Ergänzungspflegers beantragt werden können. Im Jahr 2012 war die Anfechtungsfrist hingegen lange verstrichen.

2.2.5.

Eine unzumutbare Vaterschaft i.S.v. § 1600b Abs. 6 BGB - die eine erneute Anfechtungsfrist hätte in Gang setzen können - ist nicht festzustellen. Das Scheitern der Beziehung zwischen der Mutter und dem rechtlichen Vater macht den Fortbestand der Vaterschaft nicht unzumutbar. Dass es tatsächlich zu sexuellen Übergriffen des Vaters gegenüber dem Antragsteller gekommen ist wie von der Mutter behauptet, ist nicht bewiesen. Konkrete Tatsachen sind dazu nicht vorgetragen worden. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, die von der anwaltlich vertretenen Mutter eingelegte Beschwerde ist zurückgenommen worden. Der Antragsteller hat auch nicht dargelegt, welche Tatsachen sich aus der von ihm im Senatstermin beantragten Beiziehung der Ermittlungsakte ergeben sollen. Unter Beachtung von § 177 FamFG hat der Senat deshalb keine Veranlassung gesehen, diesem Antrag zu entsprechen.

2.2.6.

Den in erster Instanz angebrachten Hilfsantrag auf Abstammungsklärung hat der Antragsteller für erledigt erklärt, insoweit ist keine Entscheidung mehr zu treffen.

2.2.7.

Die Bestellung eines Verfahrensbeistands (§ 174 FamFG) war vorliegend nicht geboten, weil der Antragsteller durch den eingesetzten Ergänzungspfleger - bei dem es sich um einen Rechtsanwalt handelt - als auch durch seinen Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten ist.

3.

Die Anschlussbeschwerde der Mutter hat Erfolg, soweit damit die erstinstanzliche Kostenentscheidung angegriffen wird; auf diesen Antrag ist die Anschlussbeschwerde beschränkt worden.

Die Anschlussbeschwerde ist insoweit zulässig (§§ 66, 59 Abs. 1 FamFG) und auch begründet. Eine förmliche Verfahrensbeteiligung der Mutter hat in erster Instanz trotz § 172 Abs. 1 FamFG nicht stattgefunden. Einem Dritten können Kosten des Verfahrens gem. § 81 Abs. 4 FamFG nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft. Letzteres sieht der Senat aufgrund der ungeklärten Rechtsfragen nicht als gegeben an.

4.

Die Kostenentscheidung beruht im Übrigen auf §§ 84, 81 Abs. 1 FamFG. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens besteht kein Grund, von der Regel des § 84 FamFG abzuweichen. Auch hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten erscheint es als letztlich ausschlaggebend, dass ein verfristeter Antrag gestellt wurde. Die in § 81 Abs. 3 FamFG vorgesehene Kostenbefreiung für das Kind kam richtiger Auffassung nach bereits vor der am 01.01.2013 in Kraft getretenen gesetzlichen Klarstellung nur für das Kindschaftsverfahren in Betracht, nicht hingegen für Abstammungssachen.

5.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen im Hinblick darauf vor, dass hinsichtlich der Vertretung des Kindes im Anfechtungsverfahren und hinsichtlich der Ermittlung der Anfechtungsfrist im Falle der Anfechtung durch das minderjährige Kind weiterer Klärungsbedarf von grundsätzlicher Bedeutung besteht.