OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.02.2001 - 18 A 1520/92
Fundstelle
openJur 2011, 15462
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 8 K 36/91
Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Es wird festgestellt, dass der Sicherheitsleistungsbescheid der Beklagten (G. K. ) vom 9. Oktober 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten (G. K. ) vom 17. Dezember 1990 rechtswidrig gewesen ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 1.094,50 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin, ein spanisches Luftverkehrsunternehmen, beförderte im August 1990 einen marokkanischen Staatsangehörigen in die Bundesrepublik Deutschland, wo er beim G. K. , Grenzschutzstelle Flughafen D. , einen Asylantrag stellte.

Mit Schreiben vom 8. August 1990 wies dieses G. die Klägerin darauf hin, dass für die Dauer von drei Jahren die Verpflichtung bestehe, den betreffenden Ausländer auf Verlangen der zuständigen Behörden in den Heimatstaat oder den Staat zu bringen, der den Pass ausgestellt habe oder aus dem er befördert wurde. Außerdem wurde die Erhebung einer Sicherheitsleistung angekündigt, die durch die Abgabe einer beigefügten "Garantieerklärung", bezogen auf die Außerlandesbringung des Ausländers, vermieden werden könne.

Mit Schreiben vom 22. August 1990 erhob die Klägerin "Widerspruch" gegen das Schreiben vom 8. August 1990. Daraufhin forderte die Beklagte, vertreten durch das G. K. , die Klägerin durch Bescheid vom 9. Oktober 1990 auf, eine Sicherheitsleistung in Höhe von 1.094,50 DM an die Bundeskasse K. zugunsten der G. zu zahlen. Trotz entsprechender Rechtsbehelfsbelehrung erhob die Klägerin dagegen keinen Widerspruch.

Unter dem 17. Dezember 1990 erließ die beklagte Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister des Innern, dieser vertreten durch den Direktor der G. K. , einen Widerspruchsbescheid, in welchem der Widerspruch der Klägerin vom 22. August 1990 "gegen den Leistungsbescheid des Grenzschutzamtes K. vom 9.10.1990 (Mitteilung vom 8.8.1990) wegen Sicherheitsleistung" zurückgewiesen wurde. Dagegen hat die Klägerin am 4. Januar 1991 Klage erhoben mit dem Antrag,

unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 1990 den Leistungsbescheid des Grenzschutzamtes K. vom 9. Oktober 1990 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht D. hat die Klage durch Urteil vom 20. Februar 1992, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, abgewiesen.

Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig Berufung eingelegt. Mit Schreiben vom 5. Oktober 1993 hat die Beklagte das Verfahren wegen Ablaufs der für die Dauer von drei Jahren seit der Einreise des Ausländers bestehenden Rückbeförderungspflicht für in der Hauptsache erledigt erklärt. Nunmehr beantragt die Klägerin unter Hinweis auf ein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr sinngemäß,

das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass der Sicherheitsleistungsbescheid der Beklagten (Grenzschutzamt K. ) vom 9. Oktober 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten (G. K. ) vom 17. Dezember 1990 rechtswidrig gewesen ist,

hilfsweise festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, ihre grundsätzliche Rückbeförderungsverpflichtung durch eine Garantieerklärung anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung mit den gestellten Anträgen zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat kann über die Berufung gemäß § 130 a der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gemäß § 130 a Satz 2 iVm § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO gehört worden; ihrer Zustimmung bedarf es nicht.

Das angefochtene, die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts ist zu ändern. Auf das im Berufungsverfahren als Hauptantrag formulierte Fortsetzungsfeststellungsbegehren hin ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO festzustellen, dass der mit der Klage angefochtene Sicherheitsleistungsbescheid der Beklagten, vertreten durch das G. K. , vom 9. Oktober 1990, der sich mit dem Auslaufen der für die Dauer von drei Jahren bestehenden Rückbeförderungsverpflichtung der Klägerin erledigt hat, rechtswidrig gewesen ist.

Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung geltend gemacht, indem sie sich auf eine Wiederholungsgefahr berufen hat. Zwar sind §§ 24 Abs. 6 Sätze 2 und 3, 18 Abs. 4 Sätze 2 und 3 des Ausländergesetzes vom 28. April 1965 (BGBl. I S. 353) - AuslG 1965 -, auf die der angefochtene Bescheid gestützt war, aufgrund von Art. 15 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354, 1387) - AuslG - am 1. Januar 1991 außer Kraft getreten und können daher in Zukunft nicht mehr Rechtsgrundlage eines gleichartigen Sicherheitsleistungsbescheides der Beklagten sein. Im Wesentlichen gleich lautende Regelungen, die den hier im Streit stehenden Sachverhalt betreffen und die künftig die Forderung einer vergleichbaren Sicherheitsleistung begründen können, finden sich jedoch in § 82 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 sowie § 73 Abs. 2 und 3 AuslG.

Einem Erfolg des Fortsetzungsfeststellungsbegehrens steht nicht entgegen, dass der Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 1990 mangels Einlegung eines Widerspruchs der Klägerin dagegen bestandskräftig geworden ist; der vor Ergehen dieses Bescheides eingelegte, gegen ein anderes Schreiben der Beklagten gerichtete "Widerspruch" der Klägerin vom 22. August 1990 ging im Hinblick auf den Bescheid vom 9. Oktober 1990 ins Leere und war insoweit unbeachtlich.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 6. Februar 1985 - 8 C 53 und 54.83 -, Bay.VBl. 1985, 605, Beschluss vom 8. Dezember 1977 - VII B 76.77 -, NJW 1978, 1870 und Urteil vom 31. August 1966 - V C 42.65 -, BVerwGE 25, 20 (21); Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Mai 1995 - 10 B 894/95 -, NWVBl. 1995, 392 = DVBl. 1996, 115 = NVwZ-RR 1996, 184; Redeker/von Oertzen, VwGO- Kommentar, 13. Auflage, § 70 Rdn. 2.

Für die Zulässigkeit der mit einem Anfechtungsantrag erhobenen Klage, wie sie der Fortsetzungsfeststellungsklage hier voranging, ist nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren aus Gründen der Prozessökonomie entbehrlich und wird die Klage zugleich als Widerspruch und die Einlassung der Beklagten in der Klageerwiderung gegebenenfalls zugleich als Widerspruchsbescheid angesehen, wenn sich die Beklagte - wie hier - ohne Berufung auf das Fehlen von Sachurteilsvoraussetzungen (wie hier auf das Fehlen eines Widerspruchs mit der Folge der Bestandskraft des angefochtenen Bescheides) in der Klageerwiderung auf die Sache einlässt.

BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1963 - V C 105.61 -, BVerwGE 15, 306 (310) m.w.N., Urteil vom 15. Januar 1982 - 4 C 26.78 -, BVerwGE 64, 325 (330), Urteil vom 2. September 1983 - 7 C 97.81 -, NVwZ 1984, 507 = Bay.VBl. 1984, 155 m.w.N., Urteil vom 27. September 1988 - 1 C 3.85 -, Buchholz 310 § 9 RuStG Nr. 10 und Urteil vom 26. September 1989 - 8 B 39.89 -, Buchholz 310 § 68 VwGO Nr. 35.

Damit entfällt auch für das Gericht die Möglichkeit, die - wegen Nichtreaktion der Klägerin vor Klageerhebung eingetretene - Unanfechtbarkeit des angefochtenen Bescheides vom 9. Oktober 1990 zu beachten.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1963, a.a.O.

Der Eröffnung des Klageweges durch die sachliche Einlassung der Beklagten in dem Widerspruchsbescheid und im Klageverfahren steht auch nicht entgegen, dass der im Streit stehende Sicherheitsleistungsbescheid eine Ermessensentscheidung war.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 1988, a.a.O.

Aus prozessökonomischen Gründen ist entscheidend, dass dem Zweck des Vorverfahrens hier bereits dadurch Rechnung getragen worden ist, dass die Beklagte sowohl in ihrem Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1990 als auch in der Klageerwiderung im gerichtlichen Verfahren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie den von der Klägerin im Vorfeld des Sicherheitsleistungsbescheides quasi im Wege einer Anhörung geäußerten und in der Klage wiederholten Einwendungen nicht abhelfen will.

Vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 2. September 1983 und vom 27. September 1988, a.a.O.

Der Sicherheitsleistungsbescheid der Beklagten vom 9. Oktober 1990 war rechtswidrig. Gemäß § 24 Abs. 6 Satz 3 AuslG 1965 kann für die Kosten der Beförderung des Ausländers außer Landes, für die die Klägerin als Beförderungsunternehmerin gemäß § 24 Abs. 6 Satz 2 AuslG 1965 bei Eintreten der in § 18 Abs. 4 Sätze 2 und 3 AuslG 1965 normierten Fälle haftet, eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die Beklagte hat ihre auf § 24 Abs. 6 Satz 3 AuslG 1965 gestützte Entscheidung über die Forderung einer Sicherheitsleistung für möglicherweise anfallende Rücktransportkosten des beförderten Ausländers fehlerhaft getroffen.

Diese Entscheidung ist unverhältnismäßig. Das Verlangen einer "Sicherheitsleistung" gemäß § 24 Abs. 6 Satz 3 AuslG 1965 (jetzt: § 82 Abs. 5 Satz 1 AuslG) setzt zwingend die Feststellung eines konkreten Sicherungsbedürfnisses voraus, denn die Regelung steht unter dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Erfordernis der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Anordnung von Sicherheitsleistungen.

Vgl. dazu Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 24. Oktober 1975 - 1 BvR 266/75 -, Juris Nr. STRE818081270 und vom 3. Dezember 1998 - 1 BvR 592/97 -, NVwZ 1999, 638; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, Kommentar, 4. Auflage, Vorbemerkung vor §§ 241 ff.

Zur Erfüllung dieser verfassungsrechtlichen Anforderungen hat der Gesetzgeber denn auch in § 24 Abs. 6 Satz 3 AuslG einen Raum für eine am Einzelfall orientierte Prüfung lassende Ermessensentscheidung vorgesehen und damit gleichzeitig der von der Beklagten im Widerspruchsbescheid angenommenen Existenz eines generellen und für die Anforderung einer Sicherheitsleistung ausreichenden Sicherungsbedürfnisses eine Absage erteilt.

Dementsprechend ist auch bei der Anordnung einer Sicherheitsleistung für Rücktransportkosten zur Feststellung des erforderlichen Sicherungszwecks in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Gefährdung der finanziellen Belange der Bundesrepublik Deutschland besteht. Nur wenn aufgrund einer Würdigung der Gesamtumstände des einzelnen Falles ernst zu nehmende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein finanzieller Verlust der Behörde eintreten wird, ist die Anordnung einer Sicherheitsleistung gerechtfertigt und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Dezember 1998, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 1990 - 7 B 146.90 -, Buchholz 150 § 5 PartG Nr. 10; BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1981 - 1 C 145.80 -, BVerwGE 64, 285 (288 ff)., vgl. ferner BVerwG, Beschlüsse vom 27. Juni 1986 - 1 A 34.86 -, NVwZ 1986, 1026 und vom 28. November 1986 - 1 A 69.86 -, InfAuslR 1987, 76.

Diese Voraussetzung ist hier aber nicht erfüllt. Die Beklagte hat ausdrücklich eine Würdigung der Gesamtumstände des einzelnen Falles verweigert und keine Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass sie den Anspruch auf Haftung der Klägerin für die Kosten der Beförderung des betreffenden Ausländers außer Landes,

zum Bestehen dieses Anspruchs vgl. im Einzelnen: BVerwG, Urteil vom 23. November 1999 - 1 C 12.98 -, Buchholz 402.240 § 73 AuslG Nr. 1 und Urteil vom 29. Juni 2000 - 1 C 25.99 -, Buchholz a.a.O. § 83 AuslG Nr. 1,

gegenüber der Klägerin bei Fälligkeit nicht ohne wesentliche Verzögerung würde durchsetzen können. Auch der Senat sieht solche Anhaltspunkte nicht.

Die Verpflichtung der Klägerin zur Erbringung einer Sicherheitsleistung ohne jegliche Prüfung eines Sicherungsbedürfnisses - wie z. B. durch Abklärung ihrer Rückbeförderungsbereitschaft oder ihrer Bonität - ist auch unter dem von der Beklagten angeführten Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Zahlung einer - möglicherweise auf bis zu drei Jahre festliegenden - Sicherheitsleistung in zahlreichen Fällen - die hier zum Anlass für die Anordnung der Sicherheitsleistung genommene Beförderung eines asylsuchenden Ausländers durch die Klägerin dürfte für diese kein Einzelfall gewesen sein - zu einer erheblichen finanziellen Belastung der Klägerin geführt hätte, die bereits Kraft Gesetzes (vgl. § 18 Abs. 4 Sätze 2 und 3 AuslG 1965) zur Beförderung des betreffenden Ausländers außer Landes auf eigene Kosten verpflichtet war.

Allein aus dem - von der Beklagten in dem Widerspruchsbescheid nicht einmal im Wege der Einzelfallwürdigung berücksichtigten, aber unter Nr. 5 der Klageerwiderung nachgeschobenen - Umstand, dass die Klägerin sich geweigert hat, die sog. Garantieerklärung zu unterzeichnen, kann ein Sicherungsbedürfnis nicht hergeleitet werden. Denn eine solche von beiden Parteien als zivilrechtliches "Schuldanerkenntnis" gemäß § 781 BGB bezeichnete und verstandene Garantieerklärung (vgl. Schreiben der Klägerin an die G. K. vom 22. August 1990 und Abschnitt II 1 d der Klageschrift; Schriftsatz der Beklagten vom 20. April 1995) hätte ein eventuell wegen mangelnder Bonität der Klägerin bestehendes Sicherungsbedürfnis nicht auszuräumen vermocht. Sie hätte auch als Grundlage für eine am Fehlen der Beförderungsbereitschaft der Klägerin orientierte Ermessensentscheidung nach § 24 Abs. 6 Satz 3 AuslG 1965 nichts Entscheidungserhebliches hergegeben, weil die Klägerin sich - wovon hier angesichts ihrer Erklärungen in der Klageschrift und der Erklärung der Beklagten unter Nr. 5 der Klageerwiderung auszugehen ist - formlos bereit erklärt hat, abgelehnte Asylbewerber pflichtgemäß außer Landes zu bringen bzw. zurückzubefördern und Bescheide gemäß § 18 Abs. 4 Sätze 2 und 3 AuslG 1965 faktisch zu befolgen. Dass dieser formlosen Erklärung Gewicht beizumessen war, ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte sich zu keinem Zeitpunkt darauf berufen hat, die Klägerin sei in einem vergleichbaren Fall ihrer Rückbeförderungspflicht nicht nachgekommen.

Der danach bereits wegen Unverhältnismäßigkeit rechtswidrige Sicherheitsleistungsbescheid ist im Übrigen auch ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 Satz 1 VwGO). Dabei wird zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen, dass sie überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen hat, obgleich daran bei Berücksichtigung der - eine Einzelfallwürdigung ablehnenden - Gestalt, die der Bescheid vom 9. Oktober 1990 durch den Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1990 erhalten hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), Zweifel bestehen. Indem die Beklagte das Erfordernis eines konkreten Sicherungsbedürfnisses in dem Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1990 ebenso wie in der Klageerwiderung ausdrücklich leugnet und daher mit Blick auf die Klägerin keine Feststellungen zum Vorliegen eines solchen Sicherungsbedürfnisses für möglicherweise anfallende Rücktransportkosten des beförderten Ausländers getroffen hat, kann sie jedenfalls keine dem Zweck der Ermächtigung des § 24 Abs. 6 Satz 3 AuslG 1965 entsprechende sachgerechte, auf einer ausreichend ermittelten Tatsachengrundlage basierende Ermessensentscheidung getroffen haben.

Ob der Beklagten gemäß (oder entsprechend) § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 VwGO - grundsätzlich - die Möglichkeit eingeräumt werden könnte, ihre nicht hinreichenden Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren zu ergänzen,

vgl. dazu Redeker/von Oertzen, a.a.O., § 114 Rdn. 10 b); ablehnend: Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 11. Auflage, § 114 Rdn. 51,

kann hier offen bleiben. Eine solche Ergänzung mit heilender Wirkung kommt nämlich im hier vorliegenden Verfahren nicht in Betracht.

Zum Einen ist der Regelungsgehalt des § 114 Satz 2 VwGO nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,

vgl. Urteil vom 5. Mai 1998 - 1 C 17.97 -, Buchholz 402.240 § 45 AuslG Nr. 13 (Seite 35) = DVBl. 1998, 1023,

die auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses zu dieser Neuregelung

- vgl. BT-Drs. 13/5098 S. 24 -

Bezug nimmt, in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise so zu verstehen, dass klargestellt werden sollte, dass die Verwaltung auch noch während des gerichtlichen Verfahrens "materiellrechtlich relevante Ermessenserwägungen" in den Prozess einführen kann. Die Zulässigkeit der Ergänzung von Ermessenserwägungen bestimmt sich demzufolge nicht allein nach § 114 Satz 2 VwGO, sondern nach dem einschlägigen materiellen Recht. Aus dem materiellen Ausländerrecht sind keine einer "nachträglichen Ergänzung von Ermessenserwägungen" entgegen stehenden Gründe ersichtlich, sofern sie "auf den für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt bezogen werden".

Der maßgebliche Zeitpunkt war bei der hier ursprünglich erhobenen Anfechtungsklage gegen den Sicherheitsleistungsbescheid der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides. Der Senat folgt dem Bundesverwaltungsgericht (a.a.O. S. 35), das nur die "nachträgliche Ergänzung" einer Ermessensbegründung für zulässig hält, wenn die "nachträglich von der Behörde angegebenen Gründe schon beim Erlass des Verwaltungsaktes" (hier: des Widerspruchsbescheides) vorlagen und dieser durch sie nicht in seinem Wesen geändert wird. Daher regelt § 114 Satz 2 VwGO nur die Ergänzung der Ermessenserwägungen, nicht deren vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 1998, a.a.O. S. 37 und Beschluss vom 14. Januar 1999 - 6 B 133/98 -, NJW 1999, 2912.

Zumindest Letztere wäre im vorliegenden Fall notwendig, um die Entscheidung der Beklagten rechtmäßig zu machen.

Zum Anderen kommt eine Ergänzung von Ermessenserwägungen jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Rechtsstreit um die Aufhebung eines Verwaltungsaktes - wie hier - bereits in der Hauptsache erledigt ist, die beklagte Behörde dem Verwaltungsakt keine (durch eine Ermessensergänzung zu heilenden) Rechtswirkungen mehr beimisst und über einen Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zu entscheiden ist.

Vgl. Bader/Kuntze, VwGO-Kommentar, § 114 Rdn. 61; Bader NVwZ 1999, 120 (122); zustimmend: Eyermann-Rennert, VwGO, 11. Auflage, § 114 Rn. 86; a. A. ohne Begründung: Gerhardt in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Januar 2000, § 113 Rn. 96 und § 114 Rn. 12 d; vgl. ferner Kopp/Schenke, a.a.O. § 113 Rdn. 73. Nach dem Zeitpunkt des im Klageverfahren eingetretenen erledigenden Ereignisses scheidet eine Ergänzung von Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO aus, weil die Ermessensergänzung begrifflich notwendigerweise einen noch wirksamen Verwaltungsakt voraussetzt, auf den sie sich beziehen kann,

vgl. Bader, NVwZ 1999, 120 (122),

und an dem es gemäß § 43 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Erledigung des Verwaltungsaktes - wie hier - fehlt.

Abgesehen vom Fehlen eines Sicherungsbedürfnisses und der darauf basierenden Rechtswidrigkeit der Entscheidung über die Anforderung einer Sicherheitsleistung ist der Sicherheitsleistungsbescheid vom 9. Oktober 1990 schließlich auch deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte die Zahlung der Sicherheitsleistung an die Bundeskasse K. verlangt und - sofern dieses Verlangen nicht ohnehin als eine vom Ausländergesetz gerade nicht vorgesehene Vorschusszahlung anzusehen ist - der Klägerin damit jedenfalls nicht die Wahl zwischen den in § 232 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - aufgeführten Arten der Sicherheitsleistung gelassen hat. § 24 Abs. 6 Satz 3 AuslG 1965 enthält selbst keine Regelungen über die Art und Gestaltung der darin vorgesehen Sicherheitsleistung, so dass der mit dem Sinn und Zweck dieser Regelung vereinbare § 232 BGB - wie andere haftungsgestaltende Rechtsvorschriften des BGB bei anderen Kostenhaftungsregelungen des Ausländergesetzes - entsprechend anwendbar ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 1979 - 1 C 48.75 -, NJW 1980, 1243 (1244) zur Anwendbarkeit von § 421 Satz 1 BGB auf die Kostenhaftung nach § 24 Abs. 6 a AuslG 1965.

Da dem Hauptantrag entsprochen wurde, bedarf es keiner Bescheidung des mit Schreiben vom 23. März 1995 seitens der Klägerin gestellten Hilfsantrags.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 713 der Zivilprozessordnung - ZPO -.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO iVm §§ 130 a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 4 VwGO nicht erfüllt sind.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.