BGH, Urteil vom 14.10.2015 - 2 StR 115/15
Fundstelle
openJur 2016, 465
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten S. und Se. wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 16. Oktober 2014, soweit es sie betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Von Rechts wegen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten Se. hat es wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachrüge. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wohnten der Mitangeklagte W. , der Angeklagte Se. und der Geschädigte N. in einer Obdachlosenunterkunft in R. . Der Angeklagte S. hatte eine eigene Wohnung. Nachdem sich die vier Männer in der Nähe eines Einkaufsmarkts getroffen hatten, schlug der Angeklagte S. vor, den Abend in seiner Wohnung zu verbringen. Dort sollte der am Folgetag bevorstehende Geburtstag des Angeklagten W. in der Nacht gefeiert werden. Der Angeklagte S. kaufte einen Kasten Bier und alle begaben sich in seine Wohnung, die aus einem Wohnzimmer mit Küchenzeile, Bad, Flur und Balkon bestand. Sie tranken das mitgebrachte Bier. Zwischenzeitlich erschien ein Bekannter des Angeklagten S. , der Zeuge F. , der stark angetrunken war und alsbald einschlief.

In der Nacht kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten S. und dem Geschädigten N. . Der Angeklagte S. versetzte dem Geschädigten einen Faustschlag ins Gesicht. Dadurch entstand eine Blutblase, die der Geschädigte im Bad öffnete, wodurch das Bad verschmutzt wurde. Er wollte die Wohnung verlassen, wurde aber von dem Angeklagten S. daran gehindert, indem dieser ihn anschrie und dazu anwies, sich in eine Ecke des Wohnzimmers zu setzen und nicht wegzubewegen. Aus Angst vor weiteren Misshandlungen kam der Geschädigte dieser Aufforderung nach. In der Folgezeit versetzte der Angeklagte S. dem Geschädigten immer wieder Schläge gegen Kopf und Körper und trat ihn mit Füßen. Als das mitgebrachte Bier ausgetrunken war, verließ der Angeklagte W. , der sich an den Misshandlungen nicht beteiligt hatte, die Wohnung des Angeklagten S. auf dessen Geheiß, um Bier zu kaufen. S. öffnete mit seinem Wohnungsschlüssel die Tür, ließ W. hinaus und schloss die Tür hinter ihm wieder ab. Nachdem die von dem Angeklagten W. besorgten Bierflaschen geleert waren, wiederholte sich der Vorgang, bei dem der Angeklagte W. erneut für etwa eine halbe Stunde die Wohnung verließ, um weiteres Bier zu kaufen. Inzwischen misshandelte der Angeklagte S. den Geschädigten weiter, um sich an ihm abzureagieren und ihn zu erniedrigen. Er versetzte dem Geschädigten Schläge und Tritte. Dazu wechselte er auch das Schuhwerk und zog feste Arbeitsschuhe an, mit denen er den Geschädigten gegen Kopf und Oberkörper trat. Dabei zerbrach die Zahnbrücke des Geschädigten. Im Verlauf des Geschehens wickelte der Angeklagte S. dem Geschädigten den Gürtel eines Bademantels um den Hals und zog kräftig zu, sodass es zweimal knackte und der Geschädigte keine Luft mehr bekam. Auch holte der Angeklagte S. ei- ne Schere herbei und hielt sie dem Geschädigten drohend vor das Gesicht. Weil der Geschädigte blutete, forderte ihn der Angeklagte S. auf, ins Bad zu gehen, einen Lappen zu holen und das Blut vom Boden aufzuwischen. Der Angeklagte Se. begleitete den Geschädigten und bemerkte, man könne ihn in die Badewanne legen und dort "ausbluten" lassen. Darauf verließ der Geschädigte völlig verängstigt das Bad. Der Angeklagte Se. versetzte ihm einen kräftigen Faustschlag ins Gesicht. In seiner Verzweiflung nahm der Geschädigte ein Küchenmesser, hielt es sich an den Hals und erklärte: "Die Sache könnt ihr dann ja den Bullen erklären". Der Angeklagte Se. machte den Angeklagten S. darauf aufmerksam, welcher dem Geschädigten das Messer wegnahm.

Der Angeklagte S. verlangte dann ohne rechtlichen Grund von dem Geschädigten die Zahlung von 500 Euro und unterstrich sein Verlangen durch Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht. Als der Geschädigte erklärte, dass er nicht über so viel Geld verfüge, verlangte der Angeklagte S. eine Ratenzahlung. Nachdem der Geschädigte bemerkte, dass er auch dazu nicht in der Lage sei, holte der Angeklagte S. einen Notizblock, schrieb auf die erste Seite: "200 € am 31.03.14" und forderte den Geschädigten dazu auf, dies zu unterschreiben. Der Geschädigte unterschrieb mit seinem Spitznamen "M. ", worauf ihm S. erneut einen Schlag ins Gesicht versetzte und ihn anschrie, er solle mit seinem richtigen Namen unterschreiben. Dem folgte der Geschädigte aus Angst vor weiteren Misshandlungen. Der Angeklagte S. legte dann den Notizblock auf den Wohnzimmertisch und beruhigte sich.

Gegen 6.00 Uhr am Morgen des 20. März 2014 erwachte der Zeuge F. und erklärte, er müsse zur Arbeit gehen. Der Angeklagte S. händigte ihm einen zweiten Wohnungsschlüssel aus und schloss mit seinem Schlüssel die Wohnungstür auf, um F. hinauszulassen. Diese Ablenkung nutzte der Geschädigte, um auf den Balkon zu fliehen. Von dort ließ er sich aus einer Höhe von zwölf Metern am Regenrohr herunterrutschen, wobei er Brandverletzungen an den Händen davontrug.

2. Das Landgericht hat ausgeführt, die "Unrechtseinsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit" des Angeklagten S. und die "Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit" des Angeklagten Se. seien bei der Begehung der Tat, die im Zeitraum von etwa 21.00 Uhr am 19. März 2014 bis etwa 6.00 Uhr am 20. März 2014 stattgefunden habe, trotz des Alkoholkonsums weder aufgehoben noch erheblich vermindert gewesen.

Bei der jeweiligen Blutprobe, die den Angeklagten um 16.34 Uhr beziehungsweise um 16.36 Uhr am 20. März 2014 entnommen wurde, habe der Angeklagte S. einen Blutalkoholgehalt von 1,54 Promille, der Angeklagte Se. einen Blutalkoholgehalt von 1,58 Promille aufgewiesen. Der gerichtliche Sachverständige habe ausgeführt, eine Rückrechnung der Blutalkoholkonzentration über einen Zeitraum von mehr als zehn Stunden hinaus sei sinnlos. Unter Berücksichtigung eines Nachtrunks von jeweils zwei Flaschen Bier sei für einen Zeitpunkt, der zehn Stunden vor der Blutentnahme liege, von einer höchstmöglichen Blutalkoholkonzentration von 3,16 Promille bei dem Angeklagten S. um 6.34 Uhr und von 3,78 Promille bei dem Angeklagten Se. gegen 6.36 Uhr auszugehen; zu dieser Zeit seien aber alle Tathandlungen bereits beendet gewesen. Nach den Trinkmengenangaben des Angeklagten S. errechne sich für den Tatzeitraum eine höchstmögliche Blutalkoholkonzentration von 5,52 Promille, die nach der Aussage des medizinischen Sachverständigen "mit dem Leben unvereinbar" erscheine. Für Se. , der keine Trinkmengenangaben gemacht habe, sei eine solche Berechnung nicht möglich.

Das Landgericht hat die Annahme des Sachverständigen gebilligt, dass eine Rückrechnung des Blutalkoholgehalts über einen längeren Zeitraum als zehn Stunden nicht vorzunehmen sei. Bei der Berechnungsmethode des Sachverständigen handele es sich um aufgrund des Zweifelssatzes zustande gekommene Maximalwerte, die zugunsten des Angeklagten S. eine hohe Fehlerquote enthielten. Je weiter der Zeitpunkt der Blutentnahme von der Tatzeit entfernt sei, desto geringer werde die Aussagekraft der errechneten Blut- alkoholkonzentration und desto mehr gewönnen andere Beweisanzeichen für die Beurteilung der Schuldfähigkeit an Bedeutung. Für seine Feststellung, die Unrechtseinsichts- oder Steuerungsfähigkeit der Angeklagten sei zur Tatzeit nicht durch Alkoholisierung aufgehoben oder erheblich beeinträchtigt gewesen, hat das Landgericht auf deren Leistungsverhalten abgestellt.

Der Angeklagte S. sei bei Eintreffen des Zeugen F. in der Lage gewesen, diesem ein Bett zu bereiten. Dem Angeklagten W. habe er den Weg zur Tankstelle erklärt, sein Fahrrad angeboten und dessen Abstellort im Keller beschrieben. Bei den Schlägen und Tritten gegen den Geschädigten sei es nicht zu unkontrollierten Gewaltexzessen gekommen, sondern zu dosierten Verletzungshandlungen. Bei der Geldforderung gegenüber dem Geschädigten habe der Angeklagte S. situationsgerecht gehandelt und auf die Ausweichversuche des Geschädigten folgerichtig reagiert. Am Morgen nach der Tat habe S. umsichtig gehandelt, als er dem Zeugen F. seinen Zweitschlüssel zur Wohnung ausgehändigt habe. Auf seinem späteren Weg zum Supermarkt habe der Angeklagte S. zwar "geschwankt", sei aber nicht hingefallen und habe problemlos bezahlen können.

Der Angeklagte Se. habe einen Erinnerungsverlust für die Tatzeit behauptet, der medizinisch nicht erklärbar sei. Weder die Angeklagten S. und W. noch der Zeuge N. hätten Ausfallerscheinungen beim Angeklagten Se. geschildert. Dieser habe S. auf die Selbstgefährdung des Geschädigten mit dem Messer aufmerksam gemacht und auf die Flucht des Geschädigten durch dessen Verfolgung und den Versuch ihn festzuhalten reagiert. Auch bei ihm habe der Mitangeklagte W. am nächsten Morgen nur "leichte Probleme beim Gang zum Einkaufsmarkt" beschrieben.

Insgesamt sei zwar von einer erheblichen Alkoholisierung der Angeklagten S. und Se. zur Tatzeit auszugehen, nicht aber von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit.

II.

Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richten. Sie haben aber hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg. Die Begründung der Ablehnung einer alkoholbedingten erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit der Angeklagten zur Tatzeit gemäß § 21 StGB trägt nicht.

1. Eine Blutalkoholkonzentration von mehr als drei Promille, die hier bei beiden Angeklagten durch den Rückrechnungsansatz des Sachverständigen in Betracht kommt, legt die Annahme einer erheblichen Herabsetzung des Hemmungsvermögens zur Tatzeit nahe. Auch wenn davon auszugehen ist, dass es keinen gesicherten medizinischstatistischen Erfahrungssatz darüber gibt, dass ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden muss (BGH, Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 72 ff.; Beschluss vom 29. Mai 2012 - 1 StR 59/12, BGHSt 57, 247, 250), ist der im Einzelfall festzustellende Wert doch immerhin ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine erhebliche alkoholische Beeinflussung. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass die Wirkungen einer Alkoholaufnahme individuell verschieden sind (Wendt/Kröber in Körber/Dölling/Leygraf/Saß [Hrsg.], Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 2, 2010, S. 240, 249). Der Blutalkoholgehalt zeigt nämlich immerhin die wirksam aufgenommene Alkoholmenge an. Je höher dieser Wert ist, umso näher liegt die Annahme einer zumindest erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit. Bei einer starken Alkoholisierung lässt sich eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit nur ausschließen, wenn gewichtige Anzeichen dafür sprechen, dass das Hemmungsvermögen des Täters zur Tatzeit erhalten geblieben war (Senat, Beschluss vom 2. Juli 2015 - 2 StR 146/15, NJW 2015, 3525, 3526).

2. Dem tragen die Erwägungen der Strafkammer nicht ausreichend Rechnung.

a) Die Urteilsgründe lassen zunächst zu Unrecht offen, welcher Blutalkoholgehalt bei den Angeklagten zur Tatzeit vorgelegen hat. Der Blutalkoholgehalt ist zwar kein allein maßgebliches, aber doch im Einzelfall gewichtiges Beweisanzeichen (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 - 1 StR 59/12, BGHSt 57, 247, 252). Es darf deshalb, soweit Feststellungen möglich sind, nicht offen gelassen werden. Die vom Landgericht gebilligte Vornahme einer Rückrechnung des Blutalkoholgehalts durch den Sachverständigen vom Zeitpunkt der Blutprobenentnahme nur bis zu einem Zeitpunkt, der zehn Stunden davor liegt, aber nach dem Ende des Tatzeitraums, verstößt gegen das Gebot, den Blutalkoholgehalt regelmäßig festzustellen.

Bedenken des Landgerichts gegen die Aussagekraft einer Rückrechnung mit Maximalwerten über einen langen Rückrechnungszeitraum (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 1988 - 1 StR 231/88, BGHSt 35, 308, 314) hätten zumindest durch Kontrollrechnungen mit Minimal- und Mindestwerten relativiert werden können, sodass der höchstmögliche, der wahrscheinliche und der zumindest in Betracht zu ziehende Blutalkoholwert zu ermitteln gewesen wären (vgl. Graw/Thieme in Dreßing/Habermeyer [Hrsg.], Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl. 2015, S. 213, 217). Solche Kontrollrechnungen hat das Landgericht nicht in Betracht gezogen.

Hat die Strafkammer den - nicht abschließend festgestellten - Blutalkoholgehalt der Angeklagten zur Tatzeit letztlich bei seiner Beweiswürdigung außer Betracht gelassen, so hat sie eines der relevanten Indizien, die für und gegen eine alkoholbedingte erhebliche Verminderung des Hemmungsvermögens sprechen können, zu Unrecht unberücksichtigt gelassen.

b) Erforderlich ist stets eine Gesamtwürdigung der feststellbaren Alkoholaufnahme einerseits und der psychodiagnostischen Kriterien andererseits (Senat, Beschluss vom 30. April 2015 - 2 StR 444/14, NStZ 2015, 634). Dabei sind allerdings nur solche Umstände zu berücksichtigen, die aussagekräftige Hinweise darauf geben können, ob das Hemmungsvermögen des Täters bei der Begehung der Tat erhalten geblieben ist oder nicht (zu Kriterien, die gegen und für eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit sprechen, Wendt/Kröber aaO S. 256 f.).

Die Tatsache, dass sich besonders trinkgewohnte Personen trotz erheblicher Alkoholisierung äußerlich unauffällig verhalten können, deutet an, dass manche Umstände aus dem äußeren Geschehensablauf ohne Aussagekraft dafür sind, ob das Hemmungsvermögen des Täters bei der Begehung der Tat erheblich eingeschränkt war oder nicht (Senat, Beschluss vom 2. Juli 2015 - 2 StR 146/15, NJW 2015, 3525, 3526).

Zumindest einem Teil der vom Landgericht herangezogenen Umstände kommt eine gegen die Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit gerichtete Beweisbedeutung, von der das Gericht ausgegangen ist, tatsächlich nicht zu. Deshalb erweist sich auch die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Leistungsverhalten der Angeklagten rechtsfehlerhaft, auch wenn nicht zu verkennen ist, dass manche Umstände für eine erhalten gebliebene Steuerungsfähigkeit sprechen können.

Die Annahme des Landgerichts, bei den Schlägen und Tritten gegen den Geschädigten sei es nicht zu unkontrollierten Gewaltexzessen gekommen, sondern zu dosierten Verletzungshandlungen, ist für sich genommen ohne Aussagekraft. Von einem bedeutsamen, geordneten und an äußeren Gegebenheiten orientierten Verhalten, das für eine unbeeinträchtigte Steuerungsfähigkeit sprechen würde (Wendt/Kröber aaO S. 256), kann dabei keine Rede sein. Eine besondere Zurückhaltung der Angeklagten oder bewusst begrenzte Dosierung der Gewalthandlungen, die für ein erhalten gebliebenes Hemmungsvermögen sprechen könnte, ist daraus nicht zu entnehmen.

Die Hervorhebung der Tatsache, dass die Angeklagten am anderen Morgen auf dem Weg zum Supermarkt nur leichte Gangunsicherheiten gezeigt hätten, deutet gleichfalls einen Wertungsfehler des Landgerichts an. Bei trinkgewohnten Personen, wie den Angeklagten, ist im Fall einer leichten oder mittleren Alkoholisierung überhaupt nicht notwendig mit äußerlich erkennbaren Ausfallerscheinungen zu rechnen (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 - 1 StR 59/12, BGHSt 57, 247, 253). Die Tatsache, dass die Angeklagten nach der Tat immerhin Probleme beim Gehen gezeigt haben, spricht in der Zusammenschau mit einer erheblichen Alkoholaufnahme wiederum eher für als gegen eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit.

Demgegenüber kommt den Umständen, die das Landgericht im Ansatz als Anzeichen für eine erhalten gebliebene Steuerungsfähigkeit gewertet hat, nur begrenzte Aussagekraft zu.

Die Tatsache, dass der Angeklagte S. vor Beginn der Gewalthandlungen noch in der Lage war, für den Zeugen F. ein Klappbett aufzustellen und mit einem Spannbettbezug zu versehen, besagt wenig gegen die Annahme, seine Fähigkeit zur Hemmung gegenüber den nachfolgenden Gewalthandlungen gegenüber dem Geschädigten und dem Erpressungsversuch sei erheblich beeinträchtigt gewesen.

Ebenfalls ist es nicht von besonderer Beweisbedeutung, dass der Angeklagte Se. im Verlauf des Geschehens realisiert hat, dass der Geschädigte sich selbst ein Messer an den Hals hielt und schließlich die Flucht über den Balkon antrat, worauf der Angeklagte Se. den Angeklagten S. aufmerksam machte. Erhalten gebliebene kognitive Fähigkeiten betreffen eher die Fähigkeit zu Unrechtseinsicht, weniger den Aspekt der Steuerungsfähigkeit.

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