LG Bonn, Urteil vom 08.05.2014 - 8 S 19/14
Fundstelle
openJur 2016, 11201
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 18.12.2013 - 118 C 97/13 - aufgehoben. Die Klage ist zulässig. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und zur Entscheidung auch über die Kosten der Berufung an das Amtsgericht Siegburg zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet. Da die Revision nicht zugelassen wurde und der für die Nichtzulassungsbeschwerde erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht wird, ist ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil unzweifelhaft nicht zulässig.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger hat insoweit Erfolg, als das Amtsgericht die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat. Die Sache war sodann gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zurückzuverweisen, nachdem die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer dies als Hauptantrag beantragt hatten. Die Zurückverweisung erweist sich überdies als sachdienlich. Das Interesse an einer schnellen Erledigung überwiegt im konkreten Fall nicht gegenüber dem Verlust einer Tatsacheninstanz (vgl. BGH NJW 2000, 2024). Die Parteien wurden beide zur Frage einer etwaigen Rückverweisung angehört und haben insoweit ihren Wunsch auf erneute Verhandlung zunächst vor dem Amtsgericht bekundet. Namentlich die Kläger haben nach umfassender Darlegung der auch zeitlichen Folgen einer Zurückverweisung gegenüber der Klägerin zu 1.) persönlich und Rücksprache derselben mit ihrer Prozessbevollmächtigten angesichts der bislang unterbliebenen Sachaufklärung darauf gedrungen, keiner Tatsacheninstanz verlustig zu gehen und dementsprechend ausdrücklich die Zurückverweisung als Hauptantrag beantragt.

Die Klage ist entgegen der Beurteilung durch das Amtsgericht zulässig.

1.

Insbesondere entspricht der Klageantrag dem aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO folgenden Bestimmtheitsgebot.

§ 253 Abs. 2 ZPO normiert den notwendigen Inhalt einer Klageschrift. Hierdurch wird das konkrete Prozessrechtsverhältnis in subjektiver und objektiver Hinsicht festgelegt, nämlich die am Prozess auf Kläger- und Beklagtenseite beteiligten Personen (Bezeichnung der Parteien, Nr. 1) und das "Streitprogramm" (Gegenstand und Grund des erhobenen Anspruchs sowie der bestimmte Antrag, Nr. 2). Diese Angaben gehören zur Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung, die ihrerseits Prozessvoraussetzung und von Amts wegen zu prüfen ist (Münchener Kommentar-Becker/Eberhard, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 253 Rn. 45 m.w.N.). Als Ausgangspunkt für die vom Kläger angestrebte Titulierung zielt das Erfordernis der Bestimmtheit des Klageantrags darauf ab, für die insoweit zu eigener Prüfung weder befugten noch mit den erforderlichen Ermittlungsmöglichkeiten ausgestatteten Vollstreckungsorgane auch den Inhalt und den Umfang sowie die Parteien einer möglicherweise notwendig werdenden Zwangsvollstreckung mit der dort notwendigen Bestimmtheit zu fixieren BGHZ 153, 69, 75, BGH NJW 2008, 1384, 1385).

An der hinreichend bestimmten Bezeichnung der Parteien als beteiligte Personen (Abs. 2 Nr. 1) bestehen hier keine Bedenken. Aber auch Gegenstand und Grund des erhobenen Anspruchs (Antrag) sind hinreichend bestimmt (Abs. 2 Nr. 2).

Erforderlich für eine zulässige Klage ist ein bestimmter Antrag. Er muss - aus sich heraus verständlich - Art (Leistung, Feststellung, Gestaltung) und Umfang des begehrten Rechtsschutzes nennen und ist damit ein wesentliches Element zur Bestimmung des Streitgegenstandes (Münchener Kommentar-Becker/Eberhard, a.a.O., § 253 Rn. 88). Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 1999, 954; NJW 2003, 668, 669) ist ein Klageantrag im Allgemeinen dann hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Antrag konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeiten auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt. Die begehrte Rechtsfolge muss im Interesse des Gerichts und des Beklagten genau und vollständig bezeichnet werden (Münchener Kommentar-Becker/Eberhard, a.a.O., § 253 Rn. 90).

Bei Unterlassungsklagen muss die Verletzungshandlung, gegen die sich der Kläger wendet und deren künftige Unterlassung er erreichen will, genau beschrieben werden. Die konkrete Fassung fixiert den Streitgegenstand des Verfahrens und den Umfang der materiellen Rechtskraft des erstrebten Urteils und verhindert, dass der eigentliche Streit in das Vollstreckungsverfahren verlagert wird. Jedoch besteht die Gefahr, dass der Beklagte das Urteil durch ähnliche Verletzungshandlungen unterläuft und so das materielle Recht teilweise wirkungslos macht. Deshalb gebietet die zweckentsprechende Handhabung des Prozessrechts eine Auslegung des Urteils in dem Sinne, dass solche Änderungen im Verhalten des Beklagten vom Urteil mit umfasst werden, die den Kern der Verletzungsform unberührt lassen. Da Vollstreckungs- und Erkenntnisverfahren sich entsprechen müssen (und umgekehrt), ist es folgerichtig, eine in diesem Umfang von der Beschreibung der Verletzungshandlung im Klageantrag abweichende Verurteilung nicht an § 308 Abs. 1 ZPO scheitern zu lassen (Münchener Kommentar-Becker/Eberhard, a.a.O., § 253 Rn. 133). Die Rechtsprechung lässt daher abstraktverallgemeinernde Wendungen im Klageantrag zu, wenn damit der Kern der konkreten Verletzungshandlung richtig erfasst wird (so genannte "Kerntheorie", vgl. BGH GRUR 1984, 467, 469; GRUR 1991, 254, 257; NJW 1998, 604; 1998, 3203; 1999, 3638, 3639; BGH NJW-RR 2000, 704).

Im immissionsrechtlichen Bereich sind Klageanträge mit dem Gebot, allgemein Störungen bestimmter Art, zum Beispiel Geräusche und Gerüche, zu unterlassen, zulässig (BGH NJW 1993, 1656; 1999, 356, 357). Der Festlegung eines Schallpegels bedarf es nicht (OLG Köln MDR 1993, 1083). Ein Verbotsantrag muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so deutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts erkennbar abgegrenzt sind, der Beklagte sich erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, nicht nach entsprechender Verurteilung letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (Münchener Kommentar-Becker/Eberhard, a.a.O., § 253 Rn. 137 m.w.N.; vgl. etwa BGH NJW-RR 1992, 1068; NJW 1998, 1144, 1147; 2000, 3351, 3353; 2000, 1792, 1793; 2003, 3406, 3408).

Danach erweist sich der Klageantrag als hinreichend bestimmt. Er bezeichnet den Betrieb des Rasenroboters als zu unterlassende Handlung, wobei nach gebotener, zulässiger und sachgerechter Auslegung hierunter nur der immissionsverursachende Schneide- / Mähbetrieb außerhalb der geräuschneutralen Ladezeiten verstanden werden kann. Der Antrag bezieht diese Handlung auch auf ein konkret bezeichnetes Grundstück, nämlich das der Beklagten, und nennt als zeitlich konkrete Begrenzung eine Maximaldauer von 5 Stunden werktäglich, wovon nach sachgerechter Auslegung Sonn- und Feiertage ausgenommen sind. Nicht notwendig ist, dass der Antrag konkrete Immissionswerte benennt. Ebenso ist es nicht erforderlich, dass der Antrag konkrete jahreszeitliche und monatlich bestimmte Mähperioden benennt unter Auslassung der Wintermonate. Zum einen haben die Kläger nachvollziehbar ausgeführt, dass und warum eine solche konkrete Abgrenzung im Antrag nicht möglich ist, denn die Mähperioden sind stets abhängig von der konkreten Witterung. Zum anderen folgen aus der begehrten Unterlassung für das gesamte Jahr keine Zweifel an der Bestimmtheit des Antrags. Es mag allenfalls die Begründetheit des Antrags für bestimmte Monate, in denen unstreitig kein Rasenschnitt erfolgt, zweifelhaft sein.

Schließlich folgt auch aus der Behauptung der Beklagten, dass die Kläger dem Vorbringen der Beklagten, der Roboter sei je nach Position auf dem Beklagtengrundstück für die Kläger überhaupt nicht akustisch wahrnehmbar, nicht entgegen getreten seien, kein Zweifel an der Bestimmtheit des Klageantrags. Auch insoweit gilt, dass sich dieser gegebenenfalls als teilweise unbegründet erweist, nämlich soweit sich der Mäher an bestimmten Stellen des Beklagtengrundstück befindet, an denen man ihn nicht vernehmen kann. Die Klage wäre dann gegebenenfalls teilweise als unbegründet zurückzuweisen; Zweifel an der Zulässigkeit bestehen jedoch keine.

Die Wiederholungsgefahr und die Gefahr einer künftig ernsthaft drohenden Beeinträchtigung - die hier möglicherweise für bestimmte Jahreszeiten oder bestimmte Grundstücksteile des Grundstücks der Beklagten, auf denen der Rasenroboter fährt, auszuschließen sein könnte - ist materielle Anspruchsvoraussetzung im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs nach §§ 906, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB (vgl. BGH NJW 2005, 594).

2.

Auch keine Zweifel bestehen am Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses als Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage. Dem steht nicht entgegen, dass der Antrag, sämtliche Werktage umfasst, obwohl mittwochs derzeit unstreitig kein Betrieb des Rasenroboters erfolgt. Die Ausnahme dieses einen Werktages erscheint jedoch ohne nähere Begründung willkürlich und als solche nicht für die Zukunft gesichert. Entsprechendes gilt für die vom Antrag umfassten Wintermonate. Insoweit weisen die Kläger in ihrer Berufungsbegründung zutreffend darauf hin, dass die konkrete Mähperiode vor dem Hintergrund der jeweiligen Witterungsverhältnisse durchaus variieren kann, so dass die Ausnahme bestimmter Monate jedenfalls nicht notwendig ist, um das Rechtsschutzbedürfnis insgesamt zu begründen.

3.

Am Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen im Übrigen bestehen keine Zweifel.

III.

Das zurückverweisende Urteil enthält keine Kostenentscheidung; diese ist - auch hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens - dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten (OLG Köln NJW-RR 1987, 1152; Münchener Kommentar-Rimmelspacher, ZPO, 4. Aufl. 2012, § 538 Rn. 71).

Das aufhebende und zurückverweisende Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären, da aus ihm die Vollstreckung insoweit betrieben werden kann, als erst die Vorlage eines für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils das Vollstreckungsorgan nach §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO nötigt, eine eingeleitete Vollstreckung aus dem aufgehobenen Urteil einzustellen und getroffene Maßnahmen aufzuheben (so auch OLG München NZM 2002, 1032; Münchener Kommentar-Rimmelspacher , a.a.O., Zöller-Heßler, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 538 Rn. 59).

IV.

Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO besteht keine Veranlassung. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

V.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 2.000 Euro.