VG Düsseldorf, Urteil vom 12.12.2001 - 16 K 1882/99
Fundstelle
openJur 2011, 15307
  • Rkr:
Tenor

Es wird festgestellt, dass der von der Straße I nach Nordwesten abzweigende, teilweise über das Grundstück I 00 in X, G1 verlaufende Weg kein öffentlicher Weg ist

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks I 00 in X, G1. Direkt entlang der nordöstlichen Seite des klägerischen Wohnhauses verläuft, unter teilweiser Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks ein ca. 2,80 - 3,00 m breiter Weg, der asphaltiert ist und teilweise eine aus Natursteinen geformte Regenwasserrinne aufweist. Auf beiden Seiten ist er zumeist durch Zäune, Mauern und Hecken zu den anliegenden Privatgrundstücken abgegrenzt. Dieser Weg zweigt im Südosten von der Straße I ab und mündet weiter nordwestlich in eine Wegekreuzung. Von der Wegekreuzung aus führt in nördlicher Richtung ein schmaler Weg durch landwirtschaftlich genutztes Gelände zur S Talsperre, in östlicher Richtung ein asphaltierter und befahrbarer Weg zur Estraße und in westlicher Richtung ein in einem zivilrechtlichen Verfahren vom Landgericht X als öffentlicher Weg eingestufter Weg, der letztlich eine Sackgasse darstellt.

Nachdem sich ein Schadensfall ereignet hatte, stellten die Klägerin und ihr mittlerweile verstorbener Ehemann in Höhe ihres Hauses einen Pfosten auf, um so ihr Haus vor Beschädigungen durch große Versorgungsfahrzeuge und Baufahrzeuge zu schützen. Auf Grund dessen war die Durchfahrt nur noch mit PKW und kleineren LKW möglich. Diesen Pfosten mussten sie auf Veranlassung durch den Beklagten gegen einen klappbaren Pfosten austauschen. Da dieser klappbare Pfosten umgefahren wurde, stellten sie im April 1997 entlang der Hauswand zusätzlich Blumenkübel auf. Dadurch hat der Weg in diesem Bereich nur noch eine Breite von etwa 2,10 m.

Mit Ordnungsverfügung vom 19. Februar 1998 forderte der Oberbürgermeister der Stadt X den Ehemann der Klägerin auf, die Blumenkübel zu entfernen. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch ist bis heute nicht entschieden worden.

Ein Antrag des Ehemannes der Klägerin auf vorläufigen Rechtsschutz wurde mit Beschluss der Kammer vom 29. Dezember 1998 abgelehnt mit der Begründung, dass es sich bei dem Weg jedenfalls um eine tatsächlich öffentliche Straße im Sinne des Straßenverkehrsrechts handele, auf die keine den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Gegenstände gebracht werden dürften, und dass damit die Frage, ob es sich um einen öffentlichen Weg i.S.d. Straßenrechts handele, offen bleiben könne.

Die Klägerin hat am 16. März 1999 die vorliegende Feststellungsklage erhoben. Sie vertritt die Auffassung: Sie sei zur negativen Feststellungsklage legitimiert. Denn sie habe ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des Bestehens der Nichtöffentlichkeit des streitigen Weges, da die Öffentlichkeit eines Weges in der Pflicht des Eigentümers, den öffentlichen Verkehr zu dulden und sich abwehrender Handlungen zu enthalten, in Erscheinung trete und diese Pflicht jederzeit durch Benutzung des Weges oder durch Handlungen des gesetzlichen Wegebaulastträgers in Anspruch genommen werden könne. Der Weg, zumindest der Teil, der über ihr Privatgrundstück führe, sei kein öffentlicher Weg. Diese Auffassung habe auch das Bauverwaltungsamt der Beklagten im Jahre 1978 und auch später noch vertreten. Der über ihr Grundstück verlaufende Weg sei auf den vorhandenen alten Karten nicht als separater Weg eingezeichnet, die gestrichelte Markierung ende auch in den neuen Katasterkarten, die eine Fortführung der alten Karten darstellten, an dem Haus I 00. Eine Fortführung dieses Weges gebe es in den Katasterunterlagen nicht. Dies sei damit zu erklären, dass der Weg ursprünglich lediglich als Andienungsweg zu ihrem Haus gedient habe. Hinter ihrem Grundstück habe es keine weiteren Anlieger gegeben, die diesen Weg hätten benutzen müssen; vielmehr benutzten diese den Verbindungsweg zur Estraße. Erst 1992 habe die Beklagte plötzlich ihre Meinung über die Öffentlichkeit des Weges geändert. Im Jahre 1995 habe die Beklagte den Weg mit einer bituminösen Decke überzogen, dem habe ihr Ehemann widersprochen. Auf dem gesamten Weg habe es auch keine einzige Lampe gegeben, die von der Stadt installiert worden sei. Die angebrachte Beleuchtung habe sich auf dem Flurstück 2060 im Bereich der Wegekreuzung befunden. Es sei nicht erkennbar, warum diese Lampe, welche den Kreuzungsbereich erleuchtet habe, gerade für die Öffentlichkeit des streitigen Weges stehen solle.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

festzustellen, dass der von der Straße I nach Nordwesten abzweigende, teilweise über ihr Grundstück I 00 in X, G1 verlaufende Weg kein öffentlicher Weg ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend: Bei der Abzweigung der Straße I als Wegeverbindung in Richtung S Talsperre - vorbei an Haus Nr. 00 - handele es sich um eine alte öffentliche Straße. Das Straßenaktenarchiv der Stadt X sei durch Kriegseinwirkungen größtenteils vernichtet worden, sodass ausdrückliche Zustimmungserklärungen zur Öffentlichkeit des streitigen Weges nicht vorgelegt werden könnten, derartige Erklärungen ließen sich jedoch aus Handlungen konkludent ableiten. Als Indiz für die Öffentlichkeit dieses Weges spreche der Umstand, dass dieser durch die Stadt unterhalten worden sei. Ursprünglich habe an dem Haus der Klägerin ein 2,80 - 3,00 m breiter, vollkommen unzureichend befestigter Weg vorbeigeführt. Der Weg diene seit jeher der Erschließung der angrenzenden Grundstücke und sei als Zuwegung zur S Talsperre angelegt. Zwar sei der Straßenakte nicht zu entnehmen, wie die Unterhaltung der Stadt X konkret ausgesehen habe, aus der inzwischen kunstmäßigen Befestigung und Versteinerung könnten jedoch augenscheinlich Rückschlüsse auf die Art der Unterhaltung durch die Stadt geschlossen werden. Ferner sei bereits 1960, wahrscheinlich in der frühen Nachkriegszeit, auf der Parzelle 2060 eine Beleuchtung angebracht worden. Als weiteres Indiz sei zu werten, dass die Straße in der Vergangenheit frei und ungehindert habe benutzt werden können. Vor dem Wechsel im Eigentum seien die rechtlich Beteiligten, nämlich Eigentümer, Wegepolizei und Unterhaltungspflichtiger einig gewesen, dass der in Rede stehende Weg ein öffentlicher Weg sei. Auch die letzte Instandhaltungsmaßnahme im Jahr 1995 sei von ihr - der Beklagten - als Unterhaltspflichtiger vorgenommen worden. Außerdem spreche für die Öffentlichkeit die hier bestehende Unentbehrlichkeit für den öffentlichen Verkehr. Denn die Abzweigung von der Straße I stelle die Verbindung mit dem öffentlichen Wegestück Flurstücke 1882, 1886 und teilweise 1884 her. Die andere in Ost-West-Richtung bestehende Verbindung von der Estraße über die Grundstücke 734/271, 2066, 425/270, 426/267 sei ein Privatweg und könnte vom Eigentümer der an die Estraße angrenzenden Flurstücke jederzeit verschlossen werden. Bereits in der Straßenkarte von 1894 sei der Privatweg zur Estraße über diese Flurstücke nur halb eingezeichnet, während die Abzweigung von der Straße I vollständig eingezeichnet und somit die einzig offizielle Verbindung zu dem öffentlichen Wegestück Flurstücke 1882 u.a. sei. Außerdem seien bei dem zur Estraße verlaufenden Privatweg zu Gunsten verschiedener Anlieger Grunddienstbarkeiten im Grundbuch eingetragen worden, nicht hingegen bei dem hier streitigen Weg, da die Voreigentümer des klägerischen Grundstücks die Benutzung durch Anlieger bzw. durch die Allgemeinheit widerspruchslos seit jeher geduldet hätten. Ebenso verhalte es sich mit den Eigentümern der angrenzenden Grundstücke. Da die Eigentümer die Abzweigung von der Straße I seit jeher als öffentliche Straße erachtet hätten, seien auch keine Baulasten eingetragen. Neben den dargestellten konkludenten Widmungshandlungen könne die Öffentlichkeit des streitigen Weges außerdem auf die Rechtsvermutung kraft unvordenklicher Verjährung gestützt werden. Wie sich aus der Straßenakte ergebe, existiere die Abzweigung von der Straße I bereits zu einem Zeitpunkt vor 1880.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig.

Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, weil im Fall der Öffentlichkeit des streitbefangenen Weges Einschränkungen ihrer Einwirkungsmöglichkeiten auf die in ihrem Eigentum stehende Wegefläche gegeben wären.

Die Feststellungsklage ist auch nicht etwa deshalb unzulässig, weil die Klägerin ihre Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 VwGO). Zwar ist der Ehemann der Klägerin als deren Rechtsvorgänger durch Ordnungsverfügung des Oberbürgermeisters der Stadt X vom 19. Februar 1998 zur Beseitigung der vor dem Haus I 00 aufgestellten Blumenkübel aufgefordert worden; eine Anfechtungsklage gegen diese Ordnungsverfügung würde aber nicht zwangsläufig eine Klärung der Frage der Öffentlichkeit des Weges im straßenrechtlichen Sinn zur Folge haben. Denn diesbezüglich ist maßgeblich zunächst auf straßenverkehrsrechtliche Vorschriften abzustellen und darauf, ob die Verkehrsfläche tatsächlich einem öffentlichen Verkehr dient, wobei es, wenn dies zu bejahen ist, nicht auf die rechtliche Öffentlichkeit der Straße im Sinne des Straßenrechts ankommt (vgl. Beschluss der Kammer vom 29. Dezember 1998 in dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren 16 L 1064/98).

Die Klage ist auch begründet.

Die begehrte Feststellung ist auszusprechen. Mangels hinreichend verlässlicher Anhaltspunkte für die Öffentlichkeit des streitbefangenen Weges ist von dessen Nichtöffentlichkeit auszugehen. Mit Rücksicht auf den Grundsatz des § 903 Satz 1 BGB, wonach der Eigentümer einer Sache mit dieser nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann, geht die Nichterweislichkeit der Öffentlichkeit des Weges zu Lasten des Beklagten.

Öffentliche Straßen im Sinne des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen sind gemäß dessen § 2 Abs. 1 diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW ist eine Widmung eine Allgemeinverfügung, durch die Straßen, Wege und Plätze die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten. Eine förmliche Verfügung in diesem Sinne, durch die die Wegefläche die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten hätte, ist unter Geltung des erwähnten Gesetzes nicht erlassen worden.

Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. StrWG NRW, der wortgleich aus der Ursprungsfassung des Gesetzes, dem Landesstraßengesetz, übernommen wurde, sind öffentliche Straßen darüber hinaus auch diejenigen Straßen, Wege und Plätze, welche nach dem bisherigen Recht - d.h. bis zum Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes am 1. Januar 1962 - die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besitzen.

Die Prüfung hat insoweit in erster Linie auf das Wegerecht abzustellen, unter dessen Herrschaft der Weg entstanden ist. Das heutige Gebiet von X gehörte früher zum Herzogtum Berg. In napoleonischer Zeit war es Teil des gleichnamigen Großherzogstums. Daher galten in diesem Gebiet - in Ermangelung später erlassener Bestimmungen - bis zum 1. Januar 1962, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landestraßengesetzes (§ 71 LStrG), die nach dem Gesetz zur Aufhebung veralteter Polizei- und Strafgesetze vom 23. März 1931 (Pr.GS. S. 33) aufrechterhaltenen wegerechtlichen Vorschriften der Jülich-Bergischen- Polizeiordnung vom 10. Oktober 1554 und 15. Mai 1558 sowie die Bergische Wegeordnung vom 18. Juni 1805 fort (jeweils aufgehoben mit Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes gemäß dessen § 69 Satz 2 Nr. 1 und 10). Indes handelt die Jülich- Bergische-Polizeiordnung lediglich von den bestehenden Wegen; Regelungen über die Anlegung oder Unterhaltung neuer Wege enthält sie ebenso wenig wie die später ergänzend ergangenen Vorschriften. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass Wege unter Geltung des Bergischen Rechts nur im Wege einer Übereinkunft zwischen der öffentlichen Autorität (Wegepolizei), dem Wegebau- und Unterhaltungspflichtigen sowie dem Eigentümer der Wegefläche zur Entstehung gebracht werden konnten.

Vgl. zuletzt OVG NRW, Urteil vom 25. März 1993 - 23 A 991/89 -, S. 11 des amtlichen Umdrucks m.w.N.; Ecker, Rheinisches Wegerecht, Preußisches Verwaltungsblatt 1904, 827 (829) und 1905, 691 (692).

Der Sache nach bedurfte es also entsprechend den allgemeinen Grundsätzen, die das Preußische Oberverwaltungsgericht zur Entstehung öffentlicher Wege entwickelt hat, einer Widmung durch die vorerwähnten Rechtsbeteiligten. Diese konnte auch stillschweigend erfolgen; sie kann sowohl aus - konstitutiven oder deklaratorischen - Handlungen als auch aus Unterlassungen abgeleitet werden.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 25. März 1993 a.a.O. und vom 4. Mai 1960 - IV A 1253/58 -, OVGE 15, 294 (298).

Wegen der mit der Öffentlichkeit eines Weges verbundenen weitreichenden Einschränkungen des Privateigentums ist in jedem Fall aber der strikte Nachweis für eine solcher Art vorgenommene Widmung einschließlich der erfassten Flächen und Verkehrsarten zu fordern.

Nach diesen Grundsätzen lässt sich für die streitbefangene Straße eine Widmung seitens der drei Rechtsbeteiligten nicht feststellen. Ausdrückliche Erklärungen liegen nicht vor. Selbst für die Zeit, für die Straßenakten bei der Beklagten vorhanden sind, also für die Zeit nach dem 2. Weltkrieg bis 1960, sind Hinweise, die in diese Richtung weisen, nicht zu finden. Auch aus Indizien lässt sich ein solcher Schluss hier nicht ziehen. Dass der Weg in der Zeit vor 1960 von der Beklagten unterhalten wurde, dafür gibt es lediglich einen Aktenvermerk vom 7. Februar 1979 (Beiakte Heft 4 Bl. 29), nach dem der Weg vor Jahren von der Stadt in Stand gesetzt worden sein soll, und einen Aktenvermerk vom 17. November 1995 (Beiakte Heft 4 Bl. 156), in dem gesagt wird, dass der Weg bereits vor 1960 vom Tiefbauamt unterhalten worden sei. Worauf diese Annahme bzw. Kenntnis beruht, bleibt allerdings in beiden Fällen unklar, ebenso wenig wird erwähnt, wie die genannte Instandsetzung bzw. Unterhaltung konkret ausgesehen haben soll. Zudem gibt es noch einen früheren Vermerk vom 9. November 1978 (Beiakte Heft 4 Bl. 7 R), demzufolge der Weg nicht von Amt 66 unterhalten wurde. Der aus anderen Vermerken bzw. Schreiben hervorgehende Umstand, dass vor 1960 auf dem Flurstück 2060 eine Straßenleuchte angebracht worden ist (Beiakte Heft 4 Bl. 26, 30), führt auch nicht weiter, denn dieser Beleuchtungskörper soll aus verkehrssicherheitstechnischen Gründen im Bereich der Wegekreuzung Ortslage I installiert worden sein (Bl. 26), mithin in einem Bereich, in den auch andere - ausparzellierte - Wege münden; eine eindeutige Zuordnung dieser Beleuchtungsanlage zum streitigen Weg ist somit nicht möglich. Irgendwelche Indizien für wegepolizeiliche Maßnahmen, etwa das Vorhandensein von Verkehrszeichen, sind für die Zeit vor 1960 ebenfalls nicht vorhanden. Der Hinweis der Beklagten, dass der Weg in der Vergangenheit frei und ungehindert benutzt werden konnte, ist eine nicht weiter untermauerte Behauptung und ebenfalls kein Indiz, das auf eine konkludent erfolgte Widmung schließen ließe. Auch die von der Beklagten angeführte Unentbehrlichkeit des Weges für den öffentlichen Verkehr stellt keinen Umstand dar, aus dem sich das Vorliegen einer Widmung ableiten ließe. Ihre Auffassung begründet die Beklagte in erster Linie damit, dass der andere Weg, der eine Verbindung der Grundstücke mit den sonstigen öffentlichen Straßen in der Ortslage I ermöglicht - der Weg zur Estraße - ein Privatweg sei. Ein wesentlicher, diese Ansicht stützender Unterschied zwischen diesem Weg und dem hier streitigen Weg lässt sich jedoch nicht feststelllen. Beide Wege sind weder ausparzelliert noch auf Katasterkarten durchgehend als Wege eingezeichnet, beide Wege verlaufen über Privatgrundstücke, beide Wege sind Verbindungsstücke zwischen den anderen, in die Wegekreuzung einmündenden Wegen und den unstreitig öffentlichen Straßen der Ortslage I; für den Weg zur Estraße sind zum Teil zu Gunsten verschiedener Anlieger Grunddienstbarkeiten im Grundbuch eingetragen (vgl. Beiakte Heft 4 Bl. 136 ff), im Bereich des hier streitigen Weges sind angrenzend an die Wegekreuzung bezogen auf das Flurstück 2060 im Baulastenverzeichnis der Stadt X Baulasten zu Gunsten anderer Grundstücke eingetragen (Beiakte Heft 4 Bl. 144 f).

Ein Nachweis der Widmung ist somit anhand der vorliegenden Unterlagen nicht möglich.

Der Nachweis der Widmung durch die drei Rechtsbeteiligten wird auch nicht durch eine Rechtsvermutung zu Gunsten der Öffentlichkeit des Weges nach dem Grundsatz der unvordenklichen Verjährung ersetzt. Nach ständiger Rechtsprechung ist dieser Grundsatz ein Instrument zur rechtlichen Beurteilung solcher Wege, deren Entstehung und ursprüngliche Rechtsverhältnisse im Dunkeln liegen. Er besagt, dass die Öffentlichkeit eines derartigen Weges dann angenommen werden kann, wenn er seit Menschengedenken oder doch seit langer Zeit unter stillschweigender Duldung des nicht wegebau- und unterhaltspflichtigen Privateigentümers in der Überzeugung der Rechtmäßigkeit als öffentlicher Weg benutzt worden ist.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 25. März 1993 - 23 A 991/89 -, Bl. 15 des amtlichen Umdrucks und vom 18. Dezember 1963 - IV A 707/61 -, OVGE 19, 175 (179 f.).

Hier ist bereits fraglich, ob es sich überhaupt um einen alten Weg handelt. So ist auf sämtlichen vorliegenden Katasterkarten und dem Stadtplan von 1906 (Beiakte Heft 4 Bl. 38) kein von der Straße I abzweigender, zur Wegekreuzung führender Weg eingezeichnet; lediglich die topografische Karte von 1894 (Beiakte Heft 4 Bl. 39) lässt einen Weg in diesem Bereich erahnen.

Aber selbst wenn dieser Weg schon vor langer Zeit vorhanden gewesen sein sollte, so steht damit noch nicht fest, dass der Weg im hier allein interessierenden Bereich des klägerischen Grundstücks seit Menschengedenken vorhanden war und unter stillschweigender Duldung der Privateigentümer in der Überzeugung der Rechtmäßigkeit als öffentlicher Weg benutzt wurde.

An diesen Nachweis sind mit Rücksicht auf die erheblichen Auswirkungen auf die Rechtssphäre des Eigentümers, über dessen privaten Grund ein öffentlicher Weg verläuft, strenge Anforderungen zu stellen; im Zweifel kann nicht von der Existenz eines öffentlichen Weges ausgegangen werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. März 1993 - 23 A 991/89 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Januar 1981 - 5 S 1255/80 -, VBlBW 1982, 56 (57); Germershausen-Seydel, Wegerecht und Wegeverwaltung in Preußen, 1. Band, S. 16.

Hier kann nicht davon ausgegangen werden, dass der streitige Weg eine der Allgemeinheit dienende Verbindung zwischen der Straße I und der Wegekreuzung gebildet hat. Vielmehr ist es schon nicht auszuschließen, dass es sich bei dem von der Straße I abzweigenden Weg lediglich um die Zuwegung zum klägerischen Grundstück handelte und möglicherweise auch um die entsprechende weitere Zuwegung vom Grundstück zur nordwestlich gelegenen Wegekreuzung, sodass dadurch lediglich der Eindruck eines durchgehenden Weges entstanden sein könnte. Die Annahme, dass es sich um eine bloße Zuwegung zum Grundstück handelte, wird durch die auf den Katasterplänen enthaltenen gestrichelten (Weg-)Einzeichnungen, die im Bereich des Hauses I 00 enden, gestützt; sie erscheint auch deshalb wahrscheinlich, weil die heute in der Ortslage I nordwestlich des klägerischen Grundstücks gelegenen Grundstücke, die nach Auffassung der Beklagten auf den streitigen Weg angewiesen sind, früher nicht bebaut waren (vgl. Katasterkarte in Beiakte Heft 4 Bl. 40).

Aber auch wenn es sich in früherer Zeit nicht nur um eine Grundstückszuwegung gehandelt haben sollte, so macht ein Blick auf das gesamte vorliegende Kartenmaterial deutlich, dass ein Weg an dieser Stelle (am Haus I 00 entlang) nicht für die Allgemeinheit bedeutsam gewesen sein kann und es sich insbesondere nicht um einen Verbindungsweg gehandelt haben kann, denn in der Nähe der Ortschaft I befinden sich in nördlicher Richtung keine weiteren Ansiedlungen, die auf einem solchen Weg hätten erreicht werden können. Auch dass es sich um einen Verbindungsweg zur S Talsperre handelte, kann den Karten nicht entnommen werden. Der nördlich der Wegekreuzung erkennbare - ausparzellierte - Weg war schon vor dem Bau der Talsperre vorhanden, wie die Karte von 1825 (Beiakte Heft 4 Bl. 73) zeigt. Die Geländetopografie macht ebenfalls deutlich, dass der Weg für die Talsperre keine entscheidende Bedeutung gehabt haben konnte, dafür ist das Gelände im bewaldeten Bereich viel zu steil, zudem führt von der Estraße aus ein Weg mit erheblich weniger Gefälle zur Talsperre, aus dem Stadtplan von 1906 wird ersichtlich, dass dieser letztgenannte Weg die Zuwegung zur Talsperre ist. Hingegen erscheint der aus I kommende, Richtung Talsperre verlaufende Weg jenseits der Wegekreuzung als Zuwegung zu den dort befindlichen landwirtschaftlich nutzbaren Flächen und zum Wald. Dies spricht aber dafür, dass dieser Weg nur von denjenigen benutzt worden ist, die ihn zur Bewirtschaftung der genannten Flächen benutzen mussten; eine weiterreichende Bedeutung hätte dann auch der am Haus der Klägerin entlangführende Weg nicht, auch hier gibt es nichts, was darauf hindeutet, dass dieses Wegestück von einem anderen - größeren - Personenkreis benutzt worden wäre. Eine solche auf die Interessenten eingeschränkte Nutzung wäre aber keine Nutzung durch die Allgemeinheit und reicht daher für die Annahme der Öffentlichkeit des Weges kraft unvordenklicher Verjährung nicht aus.

Folglich kann von der Öffentlichkeit des Weges im fraglichen Bereich nicht ausgegangen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.