VG Minden, Urteil vom 10.12.2015 - 4 K 1169/13
Fundstelle
openJur 2016, 10978
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der geborene Kläger steht als Beamter im Dienst der Beklagten. Für die Zeit vor dem 1. Juni 2013 rügt er eine Altersdiskriminierung durch seine nach dem Besoldungsdienstalter bemessene Besoldung und beansprucht die Besoldung nach der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe ab dem 1. Januar 2009. Zu dem Datum wurde er nach BBesO A 7 Stufe 5 besoldet.

Mit Schreiben vom 24. April 2012, bei der Beklagten eingegangen am 2. Mai 2012, widersprach er der Höhe seiner Besoldung und begehrte rückwirkend ab dem 1. Januar 2009 eine Besoldung aus der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe. Zur Begründung berief er sich im Wesentlichen auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 8. September 2011, nach der die Festsetzung einer Gehaltsstufe aufgrund eines Lebensalters und die damit verbundene Bezahlung des Gehaltes orientiert am Lebensalter unzulässig sei.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Neuberechnung der Besoldung ab. Die Bemessung des Grundgehalts nach dem für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 31. August 2006 fortgeltenden Bundesbesoldungsgesetzes verstoße nicht gegen das in Verbot der Altersdiskriminierung. Außerdem stehe dem Kläger für den Zeitraum vor dem Jahr 2012 auch deshalb kein Anspruch auf Neufestsetzung seiner Besoldung zu, weil er diesen Anspruch nicht zeitnah geltend gemacht habe.

Den Widerspruch des Klägers vom 28. Dezember 2013 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2013 zurück.

Der Kläger hat am 7. März 2013 Klage erhoben. Zur Begründung führt er unter anderem aus, dass der rückwirkend ab dem 1. Januar 2009 eingeforderten Anpassung der Besoldung nicht das Erfordernis zeitnaher Geltendmachung entgegen gehalten werden könne. Nach der Rechtsprechung des EuGH widerspreche es dem Grundsatz der Effektivität, wenn von einem Anspruchsinhaber oder Geschädigten stets verlangt werde, sich zeitnah und systematisch aller zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu bedienen, auch wenn dies zu übermäßigen Schwierigkeiten führe. Allein auf das Treueverhältnis und die Belange des Dienstherrn abzustellen, ließe das Machtungleichgewicht zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn außer Acht und würde es dem Dienstherrn ermöglichen, sich einseitig von der ihn treffenden Pflicht, die Bestimmungen einzuhalten, auch wenn diese aus der europarechtlichen Sphäre stammen, in unzulässiger Weise völlig zu entlasten. Die geltend gemachten Ansprüche des Klägers seien bereits ausreichend begrenzt durch das Eingreifen der analog anzuwendenden bürgerlichrechtlichen Verjährungsvorschriften. Damit seien auch die berechtigten Belange des Dienstherrn ausreichend gewahrt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung entgegenstehender Bescheide zu verurteilen, ihm für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2013 die Differenz zwischen der ihm tatsächlich gezahlten Besoldung und der höchsten Stufe seiner jeweiligen Besoldungsgruppe zu zahlen und den Gesamtbetrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen,

hilfsweise, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung entgegenstehender Bescheide zu verurteilen, ihm für die Monate Januar 2012 bis Mai 2013 wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen und den Betrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung macht sie geltend, dass mit der Festsetzung des Besoldungsdienstalters Erfahrungszeiten pauschaliert anerkannt würden. Der höheren Qualifikation älterer Bewerberinnen und Bewerber, die andernfalls ohne Relevanz für die Besoldungshöhe wäre, könne so ohne übermäßigen Verwaltungsaufwand angemessen Rechnung getragen werden. Im Ergebnis richteten sich die Grundgehaltsstufen der Tabelle nach der Leistung. Überdies ist sie der Auffassung, dass der Kläger seine Ansprüche nicht rechtzeitig geltend gemacht habe.

Mit Beschluss vom 17. Juli 2013 ist mit Blick auf die beim Gerichtshof der Europäischen Union unter dem Aktenzeichen C-506/12 und C-20/13 anhängigen Verfahren auf die übereinstimmenden Anträge der Beteiligten die Aussetzung des Verfahrens angeordnet worden, die mit Beschluss vom 29. Juli 2015 beendet worden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

A. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat weder für den Zeitraum von Januar 2009 bis Mai 2013 Anspruch auf die von ihm in erster Linie begehrte Besoldung aus dem Endgrundgehalt seiner Besoldungsgruppe (dazu I.) noch hat er einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für die Zeit von Januar 2012 bis Mai 2013 (dazu II.)

I. Ein Anspruch auf Zahlung zusätzlicher Besoldungsleistungen in Höhe der Differenz zwischen der seinerzeit tatsächlich bezogenen Besoldung und der Besoldung nach der - jeweils - höchsten Stufe der Besoldungsgruppe ergibt sich nicht aus den insoweit allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden besoldungsrechtlichen Bestimmungen des Bundes oder des Landes Nordrhein-Westfalen.

Für den Zeitraum ab dem 1. Juni 2013 folgt dies bereits daraus, dass die seither auf der Grundlage des Übergeleiteten Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen geleistete Besoldung nach Erfahrungsstufen nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstößt.

Vgl. die Ausführungen und Nachweise im Urteil des VG Münster vom 1. Oktober 2015 - 4 K 1643/13 -, juris, Rdn. 40 ff.; siehe auch zu entsprechenden Vorschriften im sächsischen Besoldungsrecht BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 2015 - 2 BvR 413/15 -, juris.

Für den Zeitraum bis einschließlich 31. Mai 2013 kann die bis dahin erfolgte Altersdiskriminierung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, nicht durch eine - und sei es auch nur eine faktische - Einstufung des Klägers in eine höhere oder in die höchste Dienstaltersstufe seiner Besoldungsgruppe ausgeglichen werden. Da von der Diskriminierung potentiell alle Beamtinnen und Beamte erfasst sind, besteht auf der Grundlage des bis zum 31. Mai 2013 geltenden Bundesbesoldungsgesetzes alter Fassung kein gültiges Bezugssystem, an dem sich die diskriminierungsfreie Behandlung des Klägers orientieren könnte.

Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a. -, juris, Rdn. 96; BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2015 - 2 A 9.13 -, juris, Rdn. 10, und Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, juris, Rdn. 18 ff.

Die begehrte Zahlung zusätzlicher Besoldungsleistungen kann der Kläger auch nicht aus anderen Rechtsgründen herleiten. Er beruft sich allein auf die Notwendigkeit der Kompensation einer unzulässigen Altersdiskriminierung. Eine fehlerhafte und noch anfechtbare Festsetzung seines Besoldungsdienstalters nach § 28 BBesG a.F. i.V.m. Art. 125 a Abs. 1 Satz 1 GG oder eine fehlerhafte und noch anfechtbare Überleitung nach § 1 BeamtuaGrGTÜG NRW hat er nicht geltend gemacht; dies ist auch nicht ersichtlich. Ein außergesetzlicher Zuspruch von Besoldungsleistungen aus anderen Gründen scheidet von vornherein aus (§ 2 Abs. 1 und 2 BBesG a.F., § 2 Abs. 1 und 2 ÜBesG NRW).

Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 15 Abs. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 (BGBl. I, 1897) - AGG - steht dem Kläger nicht zu. Es ist bereits kein ersatzfähiger materieller Schaden bezifferbar (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 287 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Dieser kann sich allenfalls aus der Differenz zu einer diskriminierungsfreien Besoldung ergeben. Die Differenz müsste sich aber anhand des Gesetzes feststellen lassen (vgl. § 2 Abs. 1 und 2 BBesG a.F.). Dies ist in Ermangelung eines gesetzlichen Bezugsrahmens nicht der Fall.

So VG Münster, Urteil vom 1. Oktober 2015 - 4 K 1643/13 -, juris, Rdn. 188 mit Verweis auf VG Köln, Urteil vom 29. Juli 2015 - 3 K 3407/13 -, juris, Rdn. 63 ff.

Ein Zahlungsanspruch ergibt sich ferner nicht unmittelbar aus Art. 17 Satz 1 der Richtlinie (RL) 2000/78/EG.

BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, juris, Rdn. 24, mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 C-501/12 u.a. -, juris, Rdn. 108.

Dieser Bestimmung fehlt bereits die für die unmittelbare Wirkung von Richtlinien erforderliche hinreichende Genauigkeit. Art. 17 Satz 1 der RL 2000/78/EG schreibt den Mitgliedstaaten keine bestimmten Sanktionen vor. Er verpflichtet die Mitgliedstaaten lediglich, die Sanktionen festzulegen, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung der RL 2000/78/EG zu verhängen sind und deren Durchführung zu gewährleisten ist. Die Sanktionen, die auch Schadensersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (Art. 17 Satz 2 der RL 2000/78/EG). Darüber hinausgehende, hinreichend genaue und nicht der konkretisierenden Regelung der Mitgliedstaaten überlassene Sanktionen sind nicht vorgeschrieben.

BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, juris, Rdn. 33; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28. Juli 2015 - 12 K 3414/12 -, juris, Rdn. 27 ff.

II. Der Kläger hat auch keinen anderweitigen Entschädigungsanspruch. Ein solcher ergibt sich weder aus § 15 Abs. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG (dazu 1.) noch nach den Grundsätzen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs (dazu 2.).

1. Ein Anspruch nach § 15 AGG scheitert schon daran, dass der Kläger die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG von zwei Monaten zur schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs nicht gewahrt hat. Nach Satz 2 der Norm beginnt die Frist zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Regelung in § 15 Abs. 4 AGG zur Ausschlussfrist mit höherrangigem Recht, insbesondere mit den Vorgaben der RL 2000/78/EG in Einklang steht.

Vgl. u.a. BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 - III ZR 4/15 , juris, Rdn. 13, und BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, juris, Rdn. 48, m.w.N.

Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Kenntnis der Benachteiligung. Grundsätzlich hat der Beschäftigte dann Kenntnis von der Benachteiligung, wenn er die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt. Dass er aus diesen Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, ist nicht erforderlich. Von diesem Grundsatz ist allerdings eine Ausnahme für den Fall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage geboten. Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt dann zu dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung einer Klage für den Betroffenen zumutbar ist, d.h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist.

BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, juris, Rdn. 51, m.w.N.

Hier ist die entscheidungserhebliche Rechtslage durch die Verkündung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 geklärt worden. Der Kläger war damit gehalten, innerhalb von zwei Monaten nach dem 8. September 2011 seinen Anspruch geltend zu machen.

So auch VG Arnsberg, Urteil vom 5. Juni 2015 - 13 K 308/13 -, juris, Rdn. 13 ff., VG Aachen, Urteil vom 16. Juli 2015 - 1 K 1462/13 -, juris, Rdn. 52 ff., VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28. Juli 2015 - 12 K 3414/12 -, juris, Rdn. 38 ff., VG Köln, Urteil vom 29. Juli 2015 - 3 K 3407/13 -, juris, Rdn. 59.

Das erkennende Gericht folgt insoweit nicht der Argumentation des VG Münster,

u.a. Urteil vom 1. Oktober 2015 - 4 K 1643/13 -, juris, Rdn. 80 ff.,

das in der sog. altersdiskriminierenden Besoldung eine monatlich wiederkehrende Benachteiligung sieht mit der Folge, dass für jeden monatlich wiederkehrenden, in sich geschlossenen Diskriminierungsakt ein einzelner, auf den jeweiligen Monat bezogener Entschädigungsanspruch entstehe und die Wahrung der Ausschlussfrist für jeden einzelnen Monat des geltend gemachten Gesamtzeitraums gesondert zu beurteilen sei. Kenntnis hätten die betroffenen Beamten grundsätzlich am letzten Bankwerktag des Monats erlangt, der dem Monat, für den die Bezüge geleistet wurden, vorangegangen ist. Der Entschädigungsanspruch müsse aber nur einmal geltend gemacht werden, denn ein entsprechender Antrag oder Widerspruch wirke für die Zukunft fort.

A.a.O., Rdn. 108 und 69.

Das Gericht geht vielmehr mit dem VG Arnsberg

Urteil vom 5. Juni 2015 - 13 K 308/13 -, juris, Rdn. 18

und dem VG Gelsenkirchen

Urteil vom 28. Juli 2015 - 12 K 3414/12 -, juris, Rdn. 42 ff.

davon aus, dass es in diesen Fällen um die Entschädigung wegen einer Diskriminierung geht, deren maßgebliche Vorgänge bereits abgeschlossen sind und lediglich nachwirken.

Unabhängig davon, ob es für den Beginn des Fristlaufs auf den Zeitpunkt der Verkündung des EuGH-Urteils von 8. September 2011 ankommt oder den der Veröffentlichung war die Ausschlussfrist von zwei Monaten hier bei Antragstellung im Mai 2012 jedenfalls abgelaufen.

2. Auch aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch kann der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung nicht herleiten.

Es ist bereits zweifelhaft, ob der unionsrechtliche Haftungsanspruch, dessen Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

vgl. Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 -, juris, Rdn. 29 f.

für den Zeitraum ab Verkündung des Urteils des Urteils des EuGH vom 8. September 2011 bis zum 31. Mai 2013 vorliegen, vor dem Hintergrund der ihm nach der Rechtsprechung des EuGH zugedachten Funktion in der vorliegenden Konstellation für den genannten Zeitraum neben den in § 15 Abs. 1 bzw. 2 AGG normativ geregelten Sekundäransprüchen überhaupt noch Anwendung finden kann.

Vgl. dazu ausführlich und m.w.N. VG Münster, Urteil vom 1. Oktober 2015 - 4 K 433/13 -, juris, Rdn. 176 ff.

Selbst wenn man aber von einem Nebeneinander der genannten Ansprüche ausgeht, scheitert der unionsrechtliche Haftungsanspruch jedoch ebenso wie die Ansprüche aus § 15 Abs. 2 AGG an der Versäumung der sich aus § 15 Abs. 4 AGG ergebenden Ausschlussfrist.

Diese Vorschrift ist - jedenfalls von ihrem Rechtsgedanken her - auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch in der hier vorliegenden Konstellation übertragbar.

VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28. Juli 2015 - 12 K 3414/12 -, juris, Rdn. 65 ff. mit Verweis auf VG Arnsberg, Urteil vom 29. Mai 2015 - 13 K 3070/12 -, juris, Rdn. 25 ff., OLG Hamm, Urteil vom 3. Dezember 2014 -11 U 6/13 -, juris, Rdn. 40 ff. und Ebenhoch-Combs, RiA 2015, 103 (107 f.) sowie BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 -, juris, Rdn. 50 f., demzufolge § 15 Abs. 4 AGG auch für deliktische Ansprüche gilt, die auf denselben Lebenssachverhalt gestützt werden.

Das VG Gelsenkirchen, a.a.O., führt dazu aus:

"Zwar erfasst § 15 Abs. 4 AGG von seinem Wortlaut her nur die Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG. Die Übertragung der in dieser Vorschrift geregelten Ausschlussfrist von zwei Monaten auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist in der hier streitgegenständlichen Konstellation jedoch insbesondere vor dem Hintergrund der dargelegten Funktion des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs erforderlich und geboten.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass es in Ermangelung entsprechender unionsrechtlicher Bestimmungen Sache der Mitgliedstaaten ist, die Verfahrensmodalitäten festzulegen, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Dabei dürfen diese Verfahren nicht weniger günstig ausgestaltet sein als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität).

Vgl. EuGH, Urteil vom 08. Juli 2010 - Rs. C-246/09, Bulicke -, juris Rn. 25 m. w. N.; Löwisch/Becker,EuZA 2015, 83 (90).

Die Anwendung der in § 15 Abs. 4 AGG geregelten Ausschlussfrist auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist hier geboten, um dessen Reichweite nicht zu überspannen und um die damit einhergehenden Wertungswidersprüche zu vermeiden. Würde man die in § 15 Abs. 4 AGG geregelte Ausschlussfrist nicht auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erstrecken, würde angesichts der aufgezeigten Parallelität des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs mit den Haftungsnormen des § 15 Abs. 1 bzw. 2 AGG der mit der Ausschlussfrist beabsichtigte Zweck vereitelt werden, nämlich innerhalb einer kurzen Frist Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in Bezug auf solche Ansprüche herbeizuführen, die auf den besonderen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung wegen des Alters gegründet werden.

Der Übertragung der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch steht auch die Rechtsprechung des EuGH nicht entgegen. Zwar hat der EuGH in seinem Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß -, juris, entschieden, dass der auf einem Unionsrechtsverstoß beruhende unionsrechtliche Haftungsanspruch eines Feuerwehrbeamten nicht von einer vorherigen Antragstellung abhängig gemacht werden könne; unter Berufung auf diese Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass der unionsrechtliche Haftungsanspruch an weitere Voraussetzungen - etwa ein Antragserfordernis - nicht gebunden sei und insoweit lediglich den Verjährungsregeln des nationalen Rechts unterliege.

Vgl. Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29/11 -, juris Rn. 25und 41, in Bezug auf die Entschädigung wegen Zuvielarbeit durch Beamte der Feuerwehr; zuletzt bestätigt durch Beschluss vom 01. Juli 2014 - 2 B 39/13 -, juris Rn. 6 ff.

In seiner Entscheidung zur unionsrechtswidrigen Altersdiskriminierung des den §§ 27, 28 BBesG a. F. zugrunde liegenden Besoldungssystems geht der EuGH,

vgl. Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht -,a. a. O.,

auf die Entscheidung in der Rechtssache Fuß aber nicht ein, er führt auf eine entsprechende Anfrage des Verwaltungsgerichts Berlin im Vorabentscheidungsverfahren (vgl. Art. 267 AEUV) vielmehr aus (a. a. O. Rn. 115), dass das Unionsrecht einer nationalen Vorschrift, nach der ein Beamter - nicht unmittelbar aus einem Gesetz folgende - Ansprüche auf Geldleistungen zeitnah, nämlich vor dem Ende des laufenden Haushaltsjahres, geltend machen müsse, nicht entgegenstehe, wenn diese Vorschrift weder gegen den Äquivalenz- noch gegen den Effektivitätsgrundsatz verstoße. Auch wenn der EuGH die Feststellung, ob der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben in Einklang steht, den nationalen Gerichten überlässt, kann den in diesem Zusammenhang gemachten weiteren Ausführungen entnommen werden, dass er hier gegen die Anwendung dieses Grundsatzes, der sich in § 15 Abs. 4 AGG widerspiegelt, keine Bedenken hegt.

Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht -, a. a. O. Rn. 113 f.; gegen eine Verallgemeinerungsfähigkeit der Rechtssache Fuß auch Kathke, in: Schwegman/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, § 3 BBesG Rn. 64b mit Fn. 164b) (Stand der Kommentierung: September 2012); Wonka, DVBl. 2015,79 (83).

Im Hinblick auf den vorliegenden und mit der Rechtssache Specht vergleichbaren Sachverhalt steht das Unionsrecht daher der den unionsrechtlichen Haftungsanspruch in zeitlicher Hinsicht begrenzenden nationalen Vorschrift des § 15 Abs. 4 AGG, der mit dem Äquivalenz- und dem Effektivitätsgrundsatz in Einklang steht,

vgl. EuGH, Urteil vom 08. Juli 2010 - Rs. C-246/09, Bulicke -, a. a. O. Rn. 32; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, a. a. O. Rn. 48; BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 -, a. a. O. Rn. 20 ff.,

nicht entgegen."

Dem schließt sich die erkennende Kammer an.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über deren vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache war nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Berufung zuzulassen.