BGH, Urteil vom 05.11.2015 - I ZR 91/11
Titel
Marcel-Breuer-Möbel II
Fundstelle
openJur 2016, 5486
  • Rkr:
Verfahrensgang

Das ausschließliche Verbreitungsrecht des Urhebers umfasst das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten und gegenüber der Öffentlichkeit gezielt für den Erwerb des Originals oder von Vervielfältigungsstücken des Werkes zu werben.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 27. April 2011 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft italienischen Rechts, gehört zur Knoll-Gruppe, die hochwertige Möbel herstellt und weltweit verkauft. Muttergesellschaft der Knoll-Gruppe ist die in Pennsylvania/USA ansässige Knoll Inc. Die Beklagte zu 1, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach italienischem Recht, vertreibt europaweit Designmöbel im Direktvertrieb. Der Beklagte zu 2 ist ihr Geschäftsführer.

Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte zu 1 vertreiben Möbel nach Entwürfen von Marcel Breuer (Sessel "Wassily", Tisch "Laccio") und Ludwig Mies van der Rohe (Sessel, Hocker, Liege und Tisch "Barcelona", Stühle "Brno" und "Prag" sowie einen "Freischwinger"-Sessel).

Die Beklagte zu 1 wirbt auf ihrer Internetseite "www.dimensionebauhaus.com" für den Kauf ihrer Möbel. Die Seite ist auch in deutscher Sprache abrufbar. Daneben warb die Beklagte zu 1 für ihre Angebote in den Jahren 2005 und 2006 regelmäßig in Deutschland in verschiedenen Tageszeitungen und Zeitschriften sowie einem Werbeprospekt mit dem Hinweis:

Sie erwerben Ihre Möbel bereits in Italien, bezahlen aber erst bei Abholung oder Anlieferung durch eine inkassoberechtigte Spedition (wird auf Wunsch von uns vermittelt).

Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - in erster Linie urheberrechtliche Ansprüche und hilfsweise wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend gemacht.

Zu den urheberrechtlichen Ansprüchen hat die Klägerin vorgetragen, die in Rede stehenden Möbel seien als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt. Sie sei Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an den von Marcel Breuer entworfenen Möbeln. Die Knoll Inc. sei Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an den von Ludwig Mies van der Rohe entworfenen Möbeln und habe sie zur Geltendmachung urheberrechtlicher Ansprüche ermächtigt. Die Beklagte zu 1 verletze mit ihrer in Deutschland veröffentlichten Werbung ihr Recht und das ihrer Muttergesellschaft aus § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten.

Die Klägerin hat gestützt auf urheberrechtliche Ansprüche beantragt, den Beklagten zu verbieten, nicht von der Klägerin oder der Knoll Inc. stammende Möbel in Deutschland anzubieten, die den im Klageantrag abgebildeten, von Marcel Breuer (Sessel "Wassily", Tisch "Laccio") und Ludwig Mies van der Rohe (Sessel, Hocker, Liege und Tisch "Barcelona", Stühle "Brno" und "Prag" sowie "Freischwinger"-Sessel) entworfenen Möbeln entsprechen. Ferner hat sie die Beklagten auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen sowie Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht und Bekanntmachung des Urteils begehrt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Hamburg, GRUR-RR 2009, 211). Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Mit Beschluss vom 11. April 2013 hat der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (GRUR 2013, 1137 = WRP 2013, 1480 - Marcel-Breuer-Möbel I):

1. Umfasst das Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten?

Falls die erste Frage zu bejahen ist:

2. Umfasst das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten, nicht nur Vertragsangebote, sondern auch Werbemaßnahmen?

3. Ist das Verbreitungsrecht auch dann verletzt, wenn es aufgrund des Angebots nicht zu einem Erwerb des Originals oder von Vervielfältigungsstücken des Werkes kommt?

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Urteil vom 13. Mai 2015 (C-516/13, GRUR 2015, 665 = WRP 2015, 849 - Dimensione und Labianca/Knoll) wie folgt entschieden:

Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass der Inhaber des ausschließlichen Verbreitungsrechts an einem geschützten Werk Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke des Werkes auch dann verbieten kann, wenn nicht erwiesen sein sollte, dass es aufgrund dieser Werbung zu einem Erwerb des Schutzgegenstands durch einen Käufer aus der Union gekommen ist, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt ist, zu dessen Erwerb anregt.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche als begründet angesehen, weil die in Rede stehenden Möbelentwürfe von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe in Deutschland als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt seien und die Beklagten durch die Werbung für die von ihnen vertriebenen Möbel in deutschen Pressemedien, in Postwurfsendungen und im Internet in das Verbreitungsrecht der Klägerin und der Knoll Inc. eingegriffen hätten. Dazu hat es ausgeführt:

Die deutschen Gerichte seien international zuständig. Die Klägerin sei zur Führung des Prozesses auch insoweit befugt, als sie Rechte der Knoll Inc. an den Möbelmodellen Ludwig Mies van der Rohes im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend mache. Die in Rede stehenden Möbelentwürfe von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe seien in Deutschland als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt. Die Beklagten hätten durch die Werbung für die von ihnen vertriebenen Möbel in deutschen Pressemedien, in Postwurfsendungen und im Internet in das Verbreitungsrecht der Klägerin und der KnolI Inc. in der Form des öffentlichen Anbietens eingegriffen. Die Klägerin könne die Ansprüche für den Sessel "Wassily" und den Tisch "Laccio" geltend machen, weil sie Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte der Entwürfe Marcel Breuers sei. Sie könne sich für die Ansprüche hinsichtlich der von den Beklagten angebotenen Möbel der "Barcelona"-Serie (Sessel, Hocker, Liege und Tisch), der Stühle "Brno" und "Prag" und des "Freischwinger"-Sessels auf die ausschließlichen Nutzungsrechte der KnolI Inc. an den Möbelentwürfen Ludwig Mies van der Rohes stützen. Für die Verletzungshandlungen hafteten die Beklagte zu 1 als Inhaberin des Unternehmens und der Beklagte zu 2 als deren alleiniger Geschäftsführer.

II. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2015 - I ZR 161/13, GRUR 2015, 1004 Rn. 9 = WRP 2015, 1219 - IPS/ISP, mwN), folgt aus Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO (jetzt Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO).

a) Nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden.

b) Die Beklagte zu 1, eine Gesellschaft, und der Beklagte zu 2, deren Geschäftsführer, haben ihren Wohnsitz im Sinne der Verordnung in Italien. Gesellschaften haben gemäß Art. 60 Abs. 1 Buchst. a Brüssel-I-VO für die Anwendung der Verordnung ihren Wohnsitz am Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes. Der satzungsmäßige Sitz der Beklagten zu 1 ist in Italien.

c) Zu den unerlaubten Handlungen im Sinne von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO zählen Urheberrechtsverletzungen (vgl. EuGH, Urteil vom 3. April 2014 - C-387/12, GRUR 2014, 599 Rn. 35 - Hi Hotel/Spoering; BGH, Urteil vom 24. September 2014 - I ZR 35/11, GRUR 2015, 264 Rn. 15 = WRP 2015, 347 - Hi Hotel II).

d) Die Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht" meint sowohl den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch den Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens, so dass der Beklagte nach Wahl des Klägers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann (vgl. EuGH, GRUR 2014, 599 Rn. 27 - Hi Hotel/ Spoering; BGH, GRUR 2015, 264 Rn. 19 - Hi Hotel II, jeweils mwN). Dabei kommt es nur darauf an, ob der Kläger schlüssig vorgetragen hat, dass im Inland ein im Sinne des Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO schädigendes Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die vom zuständigen Gericht anhand des anwendbaren nationalen Rechts zu prüfen ist (vgl. EuGH, GRUR 2014, 599 Rn. 20 f. - Hi Hotel/Spoering; BGH, GRUR 2015, 264 Rn. 18 - Hi Hotel II, jeweils mwN).

Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall die Zuständigkeit deutscher Gerichte unter dem Gesichtspunkt der Verwirklichung des Schadenserfolgs begründet, da nach dem schlüssigen Vorbringen der Klägerin in Deutschland Urheberrechtsverletzungen eingetreten sind und einzutreten drohen. Nach dem (unstreitigen) Vorbringen der Klägerin haben die Beklagten in Deutschland über ihre deutschsprachige Internetseite sowie in verschiedenen Tageszeitungen und Zeitschriften und einem Werbeprospekt regelmäßig für den Kauf ihrer Möbel geworben. Sie haben nach dem schlüssigen Vorbringen der Klägerin damit in Deutschland das ausschließliche Recht der Urheber zur Verbreitung von Vervielfältigungsstücken der hier urheberrechtlich geschützten Möbelmodelle verletzt (vgl. unten Rn. 44 bis 74). Dies begründet zudem die Vermutung, dass es zu weiteren derartigen Rechtsverletzungen kommt.

2. Die Klägerin ist zur Führung des Prozesses auch insoweit befugt, als sie urheberrechtliche Ansprüche der Knoll Inc. wegen einer Verletzung des Verbreitungsrechts an den Möbelmodellen Ludwig Mies van der Rohes im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend macht.

a) Eine gewillkürte Prozessstandschaft ist zulässig, wenn eine wirksame Ermächtigung des Prozessstandschafters zur gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche des Rechtsinhabers sowie ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten an dieser Rechtsverfolgung vorliegen, wobei dieses Interesse auch wirtschaftlicher Natur sein kann (BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 - I ZR 28/12, GRUR 2014, 65 Rn. 24 = WRP 2014, 68 - Beuys-Aktion, mwN; BGH, Urteil vom 27. November 2014 - I ZR 124/11, GRUR 2015, 672 Rn. 87 = WRP 2015, 739 - Videospiel-Konsolen II).

b) Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen sind diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt. Die Knoll Inc., die Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Möbelmodellen Ludwig Mies van der Rohes ist, hat die Klägerin zur gerichtlichen Verfolgung von Ansprüchen wegen Verletzungen des Urheberrechts an diesen Möbelmodellen ermächtigt. Da die Klägerin mit Einwilligung der Knoll Inc. Möbel nach Entwürfen Mies van der Rohes in Deutschland vertreibt, hat sie ein eigenes schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Verfolgung von Verletzungen des ausschließlichen Rechts der Knoll Inc. zur Verbreitung von Vervielfältigungsstücken dieser Möbelmodelle in Deutschland.

3. Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche auf Unterlassung (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG aF, jetzt § 97 Abs. 1 UrhG), Feststellung der Schadensersatzpflicht (§ 97 Abs. 1 UrhG aF, jetzt § 97 Abs. 2 UrhG), Auskunft (§ 101a Abs. 1 und 2 UrhG aF, jetzt § 101 Abs. 1, 3 und 4 UrhG, §§ 242, 259 BGB) und Bekanntmachung des Urteils (§ 103 UrhG) sind begründet, weil die Beklagten mit ihrer Werbung für den Erwerb der Möbel das ausschließliche Recht zur Verbreitung von Vervielfältigungsstücken der Möbelentwürfe (§ 17 Abs. 1 UrhG) widerrechtlich und schuldhaft verletzt haben.

a) Für die Beurteilung der Frage, ob die hier in Rede stehenden Möbelmodelle urheberrechtlich geschützt sind und ob gegebenenfalls die Beklagten dieses Recht verletzt haben, sind die Vorschriften des deutschen Urheberrechtsgesetzes anzuwenden.

aa) Die Frage, ob Ansprüche wegen einer Verletzung urheberrechtlicher Schutzrechte bestehen, ist nach dem deutschen internationalen Privatrecht ebenso wie jetzt gemäß Art. 8 Abs. 1 Rom-II-VO grundsätzlich nach dem Recht des Schutzlandes - also des Staates, für dessen Gebiet der Schutz beansprucht wird - zu beantworten. Nach diesem Recht sind insbesondere das Bestehen des Rechts, die Rechtsinhaberschaft des Verletzten, Inhalt und Umfang des Schutzes sowie der Tatbestand und die Rechtsfolgen einer Rechtsverletzung zu beurteilen (BGH, GRUR 2015, 264 Rn. 24 - Hi Hotel II, mwN).

bb) Da Gegenstand der Klage allein Ansprüche wegen Verletzung urheberrechtlich geschützter Rechte an Möbelmodellen sind, für die die Klägerin im Inland urheberrechtlichen Schutz beansprucht, ist danach im Streitfall deutsches Urheberrecht anzuwenden. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts setzt - entgegen der Ansicht der Revision - nicht voraus, dass die Möbelmodelle tatsächlich im Inland urheberrechtlichen Schutz genießen und die daran bestehenden urheberrechtlich geschützten Rechte tatsächlich verletzt worden sind.

b) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, die in Rede stehenden Möbelmodelle von Marcel Breuer und Mies van der Rohe seien in Deutschland als Werke der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt.

Die Beantwortung der Frage, ob einem Erzeugnis Kunstwerkeigenschaft zukommt und ob es insbesondere einen ausreichenden Grad eigenschöpferischer Kraft offenbart, ist im wesentlichen Sache des Tatrichters (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1995 - I ZR 119/93, GRUR 1995, 581, 582 = WRP 1995, 908 - Silberdistel; Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 143/12, BGHZ 199, 52 Rn. 45 - Geburtstagszug).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts wird von der Revision nicht angegriffen und lässt keinen Rechtsfehler erkennen (zu den Anforderungen an den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst, die einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind vgl. BGHZ 199, 52 Rn. 26 bis 41 - Geburtstagszug; zum Urheberrechtsschutz von Möbelmodellen vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1961 - I ZR 127/59, GRUR 1961, 635, 637 f. - Stahlrohrstuhl I; Urteil vom 27. Mai 1981 - I ZR 102/79, GRUR 1981, 820, 822 f. - Stahlrohrstuhl II; Urteil vom 10. Dezember 1986 - I ZR 15/85, GRUR 1987, 903, 904 f.; Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 2 UrhG Rn. 169; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl., § 2 Rn. 171).

c) Die Klägerin ist berechtigt, die von ihr erhobenen Ansprüche geltend zu machen. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Entwürfen Marcel Breuers für den Sessel "Wassily" und den Tisch "Laccio". Sie ist von der KnolI Inc. als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Entwürfen Ludwig Mies van der Rohes für die Möbel der "Barcelona"-Serie (Sessel, Hocker, Liege und Tisch), die Stühle "Brno" und "Prag" und den "Freischwinger"-Sessel ermächtigt, deren Ansprüche geltend zu machen.

d) Die Beklagten haben das ausschließliche Recht der Urheber aus § 17 Abs. 1 UrhG zur Verbreitung von Vervielfältigungsstücken der in Deutschland urheberrechtlich geschützten Möbelmodelle verletzt, indem sie in Deutschland über ihre deutschsprachige Internetseite sowie in verschiedenen Tageszeitungen und Zeitschriften sowie einem Werbeprospekt regelmäßig für den Kauf ihrer Möbel geworben haben.

aa) Die Revision der Beklagten wendet sich ausschließlich gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten durch die Werbung für die Möbel in deutschen Pressemedien, in Postwurfsendungen und im Internet das Verbreitungsrecht in der Form des Rechts, Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten, verletzt. Sie macht geltend, der Tatbestand des Anbietens nach § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG habe keine Bedeutung als eigenständige Verwertungshandlung, wenn er in Übereinstimmung mit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgelegt werde. Damit hat die Revision keinen Erfolg.

bb) Das Verbreitungsrecht im Sinne von § 17 Abs. 1 UrhG ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Da es sich bei dem Verbreitungsrecht um nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmung des § 17 Abs. 1 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Richtlinie 2001/29/EG das Verbreitungsrecht vollständig harmonisiert und die Mitgliedstaaten das dadurch begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 - I ZR 247/03, GRUR 2009, 840 Rn. 19 f. = WRP 2009, 1127 - Le-Corbusier-Möbel II, mwN; zum Recht der öffentlichen Wiedergabe vgl. EuGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - C-466/12, GRUR 2014, 360 Rn. 33 bis 41 - Svensson/ Retriever Sverige; BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 - I ZR 46/12, GRUR 2016, 171 Rn. 17 = WRP 2016, 224 - Die Realität II).

cc) Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern in Bezug auf das Original ihrer Werke oder auf Vervielfältigungsstücke davon das ausschließliche Recht zusteht, die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form durch Verkauf oder auf sonstige Weise zu erlauben oder zu verbieten. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dahin ausgelegt, dass der Inhaber des ausschließlichen Verbreitungsrechts an einem geschützten Werk Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke des Werkes auch dann verbieten kann, wenn nicht erwiesen ist, dass es aufgrund dieser Werbung zu einem Erwerb des Schutzgegenstands durch einen Käufer aus der Union gekommen ist, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt ist, zu seinem Erwerb anregt (EuGH, GRUR 2015, 665 Rn. 35 - Dimensione und Labianca/Knoll).

dd) Danach verletzt die beanstandete Werbung das ausschließliche Recht der Urheber zur Verbreitung von Vervielfältigungsstücken der in Deutschland urheberrechtlich geschützten Möbelmodelle. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wirbt die Beklagte zu 1 auf ihrer Internetseite "www.dimensionebauhaus.com" für den Kauf von Vervielfältigungsstücken der hier in Rede stehenden Möbelmodelle. Die Seite ist auch in deutscher Sprache abrufbar. Daneben warb die Beklagte zu 1 in den Jahren 2005 und 2006 regelmäßig in Deutschland in verschiedenen Tageszeitungen und Zeitschriften sowie in einem Werbeprospekt für den Erwerb dieser Möbel. Es handelt sich danach um eine gezielte Werbung in Bezug auf Vervielfältigungsstücke der Möbelmodelle, die die Verbraucher in Deutschland zu deren Erwerb anregt. Sie kann daher auch dann verboten werden, wenn es aufgrund dieser Werbung nicht zu einem Erwerb solcher Möbel durch Käufer aus der Union gekommen ist.

e) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagten zu 1 und 2 für die Verletzung der Urheberrechte an den Möbelmodellen haften. Die Beklagte zu 1 haftet als Inhaberin des Unternehmens, der Beklagte zu 2 als deren alleiniger Geschäftsführer.

aa) Ein Geschäftsführer haftet für deliktische Handlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft persönlich, wenn er an ihnen entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er sie aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen (BGH, Urteil vom 18. Juni 2014 - I ZR 242/12, BGHZ 201, 344 Rn. 17 - Geschäftsführerhaftung, mwN; BGH, GRUR 2015, 672 Rn. 80 - Videospiel-Konsolen II; BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 - I ZR 107/13, GRUR 2015, 909 Rn. 45 = WRP 2015, 1090 - Exzenterzähne). Beruht die Rechtsverletzung auf einer Maßnahme der Gesellschaft, über die typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden wird, kann nach dem äußeren Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen davon ausgegangen werden, dass sie von dem Geschäftsführer veranlasst worden ist (vgl. BGHZ 201, 344 Rn. 19 - Geschäftsführerhaftung; BGH, GRUR 2015, 672 Rn. 83 - Videospiel-Konsolen II; GRUR 2015, 909 Rn. 45 - Exzenterzähne).

bb) Von einem solchen typischen Geschehensablauf ist vorliegend mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auszugehen. Über den allgemeinen Werbeauftritt einschließlich des Internetauftritts eines Unternehmens wird typischerweise auf Geschäftsleitungsebene entschieden (vgl. BGHZ 201, 344 Rn. 19 - Geschäftsführerhaftung). Ebenso wird typischerweise auf Geschäftsführerebene darüber entschieden, ob und inwieweit von der Gesellschaft hergestellte oder vertriebene Produkte im Ausland vertrieben und beworben werden sollen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2 als alleiniger Geschäftsführer der Beklagten zu 1 entschieden hat, in Deutschland für den Kauf der Möbel zu werben.

III. Danach ist die Revision gegen das Berufungsurteil auf Kosten der Beklagten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.

Büscher Kirchhoff Koch Löffler Feddersen Vorinstanzen:

LG Hamburg, Entscheidung vom 02.01.2009 - 308 O 255/07 -

OLG Hamburg, Entscheidung vom 27.04.2011 - 5 U 26/09 -