OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.09.2001 - 12 E 489/01
Fundstelle
openJur 2011, 14907
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 19 K 2344/01
Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Gründe

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts hat jedenfalls deshalb keinen Erfolg, weil die Rechtsverfolgung des Klägers - die Beschwerde gegen die Rechtswegverweisung - nicht die nach § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Das ergibt sich aus den nachfolgenden Gründen.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 1. Juni 2001 ist - ungeachtet der Frage nach dem anwaltlichen Vertretungserfordernis - jedenfalls unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht für die vorliegende Klage den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig erklärt und das Verfahren an das zuständige Amtsgericht verwiesen.

Gemäß § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes ist für die vom Kläger mit Schreiben vom 18. April 2001 am 26. April 2001 erhobene Klage der Zivilrechtsweg eröffnet. Bei ihr handelt es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, für die keine spezialgesetzliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte begründet ist. Wie in der Beschwerdeschrift vom 18. Juni 2001 nochmals deutlich wird, erstrebt der Kläger mit seiner Klage im Kern die Feststellung, dass die Unterhaltsforderungen, deren Geltendmachung dem Jugendamt der Stadt D. als Beistand aufgegeben ist, zu erlassen sind, und ihm - dem Kläger - "Akteneinsicht in die Amtspflegschaftsakten" zur Wahrung seiner Rechte in der unterhaltsrechtlichen Angelegenheit zu gewähren ist.

Ob der Kläger vom Jugendamt als Beistand des unterhaltsberechtigten Kindes den Erlass der dem Kind zustehenden Unterhaltsforderungen und ferner Einsicht in die Beistandschaftsakten verlangen kann, richtet sich nach bürgerlichrechtlichen Vorschriften.

Die Beistandschaft ist als bürgerlichrechtliches Rechtsinstitut in §§ 1712 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Nach § 56 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs - Achtes Buch - (SGB VIII) sind unter anderem auf die Führung der Beistandschaft die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden, soweit das Sozialgesetzbuch - Achtes Buch - nicht etwas anderes bestimmt. Für die gemäß § 55 Abs. 1 SGB VIII dem Jugendamt übertragene Aufgabe der Beistandschaft bestimmt das Sozialgesetzbuch - Achtes Buch - nichts anderes.

Indessen treffen das Jugendamt als Beistand auch öffentlich- rechtliche Pflichten, die daraus resultieren, dass es als Behörde mit dieser Funktion betraut worden ist und demzufolge das in einen öffentlichrechtlichen Rechtsträger zu setzende Vertrauen auf eine zweckentsprechende Amtsführung, auf die Vollständigkeit und Richtigkeit gegebener Auskünfte und Hinweise sowie auf die wahrheitsgemäße Weitergabe von Informationen in Anspruch nimmt. Bei diesen Pflichten handelt es sich um allgemeine Amtspflichten, deren Verletzung zu Schadensersatzansprüchen gemäß Art. 34 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 839 BGB führen kann.

Vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. April 1987 - III ZR 149/85 -, BGHZ 100, 313 (315 f.).

Abgesehen von den spezialgesetzlich den Zivilgerichten zugewiesenen Schadensersatzfällen sind Streitigkeiten um die Durchsetzung dieser - im öffentlichen Recht geregelten - Amtspflichten vor den Verwaltungsgerichten zu führen.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 4. Februar 1988 - 5 C 88.85 -, NJW 1988, 2399 f.; Schellhorn (Herausgeber), Sozialgesetzbuch, Achtes Buch, Kinder- und Jugendhilfe, 2. Auflage, 1999, § 55 Rdnr. 12.

Ob im Hinblick auf diese Amtspflichten das Rechtsverhältnis des Jugendamts zum Antragsberechtigten gemäß §§ 1712, 1713 BGB und zum Kind insgesamt öffentlichrechtlicher Art ist mit der Folge, dass für darauf sich beziehende Streitigkeiten, für die nach den bürgerlichrechtlichen Regelungen keine Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts begründet worden ist, der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, kann dahinstehen.

Vgl. Wiesner, SGB 8, Kinder- und Jugendhilfe, 2. Auflage, München 2000, § 55 Rdnr. 73.

Die vorliegende Klage betrifft dieses Rechtsverhältnis nicht. Sie hat auch nicht die außerhalb dieses Rechtsverhältnisses bestehenden Amtspflichten im oben erläuterten Sinne zum Gegenstand. Die Klage ist vielmehr unterhaltsrechtlicher Art, da sie sich auf das unterhaltsrechtliche Verhältnis zwischen dem durch das Jugendamt als Beistand vertretenen Kind und dem Kläger bezieht. Soweit neben dem unterhaltsrechtlichen Verhältnis überhaupt eine Rechtsbeziehung zwischen dem Jugendamt als Beistand und dem auf Unterhalt in Anspruch Genommenen besteht, ist diese wegen des Zusammenhangs mit dem unterhaltsrechtlichen Verhältnis jedenfalls durch bürgerliches Recht gestaltet. Das gilt auch für ein Begehren des Unterhaltsverpflichteten auf Einsichtnahme in die Beistandschaftsakten.

Vgl. Mrozynski, Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII), 3. Auflage, München 1998, § 56 Rdnr. 2.

Entgegen der Auffassung des Klägers wird eine Auseinandersetzung über den Erlass einer Unterhaltsforderung und die Einsichtnahme in die den Unterhaltsstreit betreffenden Beistandschaftsakten nicht etwa deshalb zu einem öffentlich- rechtlichen Streit, weil der auf Unterhalt in Anspruch Genommene eine Entscheidung des Jugendamts über diese Gegenstände in Form eines Verwaltungsakts erstrebt. Ob eine Rechtsbeziehung durch Verwaltungsakt gestaltet werden darf bzw. muss, richtet sich, wie sich auch aus der Legaldefinition des Verwaltungsakts in § 31 des Sozialgesetzbuchs - Zehntes Buch - ergibt, nach den Rechtsvorschriften, die diese Rechtsbeziehung formen. Nach dieser Vorschrift kann der Verwaltungsakt nur eine Maßnahme sein, die zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wird. Damit ist die Frage nach der Zugehörigkeit eines Rechtssatzes zum öffentlichen oder bürgerlichen Recht vorrangig vor der Frage nach der Befugnis zur Regelung gerade durch Verwaltungsakt zu beantworten. Nicht die Behauptung, ein bestimmtes Rechtsverhältnis müsse durch Verwaltungsakt gestaltet werden, bestimmt also den Rechtsweg, sondern ausschließlich die Erkenntnis, zu welchem Rechtsgebiet die entscheidungserheblichen Normen gehören. Sind sie, wie hier, privatrechtlicher Art, ist damit unmittelbar die Feststellung verbunden, dass die Rechtsbeziehung einer Gestaltung durch Verwaltungsakt nicht zugänglich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist gem. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.