OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.06.2001 - 12 B 521/01
Fundstelle
openJur 2011, 14900
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 20 L 472/01
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben.

1. Die Zulassungsschrift zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf.

Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner unter Bezugnahme auf § 1a Nr. 1 AsylbLG im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, für die Zeit vom 20. Februar 2001 bis zum Ende des Monats der angefochtenen Entscheidung, d.h. bis zum 31. März 2001, den notwendigen Bedarf des - nach § 55 des Ausländergesetzes geduldeten - Antragstellers an Ernährung zu decken, ggf. durch Bereitstellung von Sachleistungen.

Die hiergegen gerichtete Argumentation des Antragsgegners greift nicht durch. Er bringt vor, bei einem Hilfe Suchenden, dem - wie dem Antragsteller - die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich und zumutbar sei, sei auch die Gewährung von Verpflegung - anders als die Übernahme der Rückfahrkosten - nicht unabweisbar im Sinne des § 1a AsylbLG. Hiermit wird die Unabweisbarkeit der Sicherstellung der Ernährung für den angegebenen Zeitraum rechtlich nicht in Frage gestellt.

Nach § 1a Nr. 1 AsylbLG, der nach den vom Antragsteller nicht angegriffenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts hier einschlägig ist, erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Summarischer Prüfung zufolge spricht Überwiegendes für die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, dass diese Vorschrift ausschließlich eine Einschränkung der ansonsten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland vorgesehenen Leistungen regelt. Zu diesen Leistungen gehört die Übernahme der Kosten für eine Fahrkarte zur Rückreise in das Heimatland nicht. Für ein derartiges Verständnis des § 1a AsylbLG sprechen neben der vom Verwaltungsgericht bereits angeführten amtlichen Überschrift "Anspruchseinschränkung" die Entstehungsgeschichte und der Zweck der Norm.

In der Begründung zu dem vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 20. März 1998 ist durchweg nur die Rede davon, dass die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ?eingeschränkt? werden sollen.

BT-Drucks. 13/10155

Dieser Sprachgebrauch deutet auf den Willen zur Reduzierung gerade der Leistungen hin, die gewährt würden, wenn in der Person des Leistungsberechtigten nicht die in § 1a AsylbLG umschriebenen Voraussetzungen für das Absenken der Leistungen gegeben wären. Das wird bestätigt durch die Formulierung in der Entwurfsbegründung, die Vorschrift regle die Einschränkung des Anspruchs auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in bestimmten Fallgruppen, in denen der Leistungsbezug ?in voller Höhe und vollem Umfang? nicht gerechtfertigt sei.

BT-Drucks. 13/10155, S. 5

Die Einschränkung gerade der auf den Aufenthalt bezogenen Asylbewerberleistungen entspricht auch dem Zweck des § 1a AsylbLG. Die deutliche Absenkung der Leistungen soll eine bis zur Beendigung des tatsächlichen Aufenthalts des Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland andauernde Sanktion leistungsmissbräuchlichen Verhaltens des Ausländers sein.

Vgl. Gemeinschaftskommentar zum AsylbLG § 1a Rndnr. 148; BT-Drucks. 13/10155, S. 5; OVG NRW, Beschluss vom 31. Mai 2001 - 16 B 388/01 - m.w.N.; Hessischer VGH, Beschluss vom 17. Februar 1999 - 1 TZ 136/99 -, FEVS 51, 223; a.A. OVG Berlin, Beschluss vom 12. November 1999 - 6 SN 203.99 -, FEVS 51, 267.

Zu dem aufenthaltsbezogenen Existenzminimum gehört, dass die Ernährung sichergestellt ist. Ob dabei, wofür Einiges spricht, die eingeschränkten Leistungen abweichend von der sonst im Asylbewerberleistungsrecht und auch im Sozialhilferecht praktizierten monatsweisen Bewilligung nur für kürzere Zeitabschnitte zu bewilligen sind,

vgl. hierzu Deibel, Leistungsausschluss und Leistungseinschränkung im Asylbewerberleistungsrecht, ZFSH/SGB 1998, 707, 714,

braucht hier nicht entschieden zu werden. Der Zeitraum, für den das Verwaltungsgericht den Antragsgegner zu einer Leistung verpflichtet hat, endet nämlich wenige Tage nach dem Tag der Beschlussfassung.

2. Die vom Antragsgegner erhobene Grundsatzrüge führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Beschwerde. Die von ihm aufgeworfene Frage,

"ob die Behörden sich bei der Anwendung des § 1a AsylbLG immer wenigstens am unerlässlichen Existenzminimum orientieren müssen oder ob eine andere Rechtsanwendung - Leistungsreduktion auf Null - auch möglich ist",

kann in einem Beschwerdeverfahren nicht abschließend geklärt werden. Zur rechtsgrundsätzlichen Klärung von Fragen des materiellen Rechts ist ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig nicht geeignet. In einem solchen Verfahren findet - wie auch hier - in tatsächlicher, aber auch in rechtlicher Hinsicht zumeist nur eine summarische Prüfung statt. Die getroffene Entscheidung steht immer unter dem Vorbehalt einer endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren. Bei Fragen des resiviblen Rechts wie der hier aufgeworfenen kommt hinzu, dass diese rechtsgrundsätzlich nur durch das - mit Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes der hier vorliegenden Art gar nicht befassten - Bundesverwaltungsgericht geklärt werden können.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Juni 1999 - 24 B 407/99 -; Beschluss vom 3. August 1999 - 22 B 823/99 -.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.