LG Wuppertal, Urteil vom 09.07.2015 - 9 S 282/14
Fundstelle
openJur 2015, 21030
  • Rkr:

Verjährung des Anspruchs des Erwerbers, Haftung wegen Untreue

Tenor

Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Remscheid, 20 C 25/14, vom 7.11.2014 werden zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 90 % dem Beklagten und im übrigen den Klägern auferlegt. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Kläger erwarben 2010 eine vermietete Eigentumswohnung des Beklagten im Wege der Zwangsversteigerung. Die Mieterin hatte zu Beginn des Mietverhältnisses 1999 2.550 DM Kaution gezahlt, die der Beklagte jedoch nicht getrennt von seinem Vermögen aufbewahrt hatte.Anfang 2011 wurde über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet. Mangels Masse wurde es ein Jahr später aufgehoben. Restschuldbefreiung kann 2017 eintreten.2013 zahlte der Kläger die Kaution nebst Zinsen an die Mieterin aus. Die Kläger haben von dem Beklagten die Erstattung dieses, nicht zur Insolvenztabelle angemeldeten, Betrages in Höhe von 1.432,16 € nebst Zinsen und außergerichtlicher Kosten verlangt.

Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Kläger 1432,16 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.5.2014 zu zahlen, wobei es die Vollstreckbarkeit bis zur Versagung der Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren des Beklagten verboten hat, und die Klage im übrigen abgewiesen. Es handele sich um eine Insolvenzforderung im Sinne von §§ 35, 42 InsO. Der streitgegenständliche Anspruch sei mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 41 InsO fällig geworden, denn der Fälligkeitseintritt sei zu dieser Zeit ungewiss gewesen. Der Anspruch gegen den früheren Vermieter aus § 566a BGB auf Herausgabe der Kaution werde nämlich erst fällig, wenn der Ersteher die Kaution an den Mieter herausgebe. Da die subsidiäre Haftung des Vermieters gegenüber dem Mieter bis zur Beendigung des Mietverhältnisses andauere, müsse jenem zugestanden werden, die Kaution in seinem Vermögen zu halten, um das Insolvenzrisiko des Erstehers nicht auf sich zu verlagern. Der Klage fehle es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis, da nicht zur Tabelle angemeldete Insolvenzforderungen vorbehaltlich der Vorschriften über die Restschuldbefreiung geltend gemacht werden könnten und der Gläubiger aus Verjährungsgründen nicht auf eine Klage nach Beendigung der Wohlverhaltensphase verwiesen werden könne.Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der meint, das Amtsgericht habe der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Abweisung der Klage erstrebt. Die Einrede der Verjährung sei wirksam erhoben worden. Die Forderung der Kläger sei bereits 2010 fällig gewesen. Die Ansicht des Amtsgerichts finde im Gesetz keine Stütze und könne dazu führen, dass der Anspruch über Jahrzehnte nicht geltend gemacht werden könne. Zudem fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da die Forderung zur Tabelle hätte angemeldet werden können.Die Kläger haben Anschlussberufung eingelegt, mit der sie beantragen, dass die Vollstreckbarkeit unabhängig von der Restschuldbefreiung ausgesprochen wird. Vorliegend gehe es nicht um den Anspruch auf Weitergabe der Kaution, sondern um einen Erstattungsanspruch, der erst durch die Auszahlung der wirtschaftlich nicht beim Erwerber vorhandenen Kaution an den Mieter entstanden sei. Insoweit komme ein Anspruch aus Bereicherungsrecht und aus Delikt in Betracht, so dass es sich auch nicht um eine Insolvenzforderung handele und mithin eine Grundlage für die Beschränkung der Vollstreckbarkeit auf den Fall der Versagung der Restschuldbefreiung entfalle.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung bleibt in der Sache ebenso ohne Erfolg, wie die ebenfalls zulässige Anschlussberufung. Denn die Klage ist zulässig und - nur - im zuerkannten Umfang begründet.

1.

a) Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist nicht deshalb zu verneinen, weil die Kläger ihre Forderung zur Insolvenztabelle hätten anmelden können.Denn das Insolvenzverfahren war im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits beendet, so dass eine unterlassene Anmeldung nicht nachgeholt werden kann. Zudem ist eine Leistungsklage selbst bei laufendem Insolvenzverfahren zulässig, wenn im Falle der Anmeldung zur Insolvenztabelle mit einem Widerspruch des Schuldners zu rechnen wäre (Assmann in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 3.Auflage, vor § 253, Rn. 91).

b) Dass hier ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten durchgeführt worden ist, steht der Zulässigkeit der Klage ebenfalls nicht entgegen.Die Kläger sind Insolvenzgläubiger. Das gilt sowohl hinsichtlich ihres mit Eigentumserwerb fälligen Anspruchs aus §§ 566a BGB analog, 57 ZVG (dazu unten zu Ziff. 2, lit. a), als auch hinsichtlich ihres Anspruchs aus § 812 I BGB (dazu unten zu Ziff. 2. Lit. b). Bezüglich des Bereicherungsanspruchs folgt dies aus dem weit auszulegenden (dazu: Eickmann in: Kreft, Insolvenzordnung, 5. Auflage, § 44, Rn. 2) § 44 InsO.Die Erhebung einer Leistungsklage durch Insolvenzgläubiger ist nach § 87 InsO aber nur während des eröffneten Verfahrens ausgeschlossen. Insolvenzgläubiger können ihre restlichen Forderungen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gemäß § 201 III InsO vorbehaltlich der Vorschriften über die Restschuldbefreiung gegen den Schuldner geltend machen. Die laufende Wohlverhaltensphase steht dem nicht entgegen (BGH IX ZR 67/10). Denn anderenfalls hätten die Kläger nicht dieselben Vollstreckungsaussichten wie diejenigen Gläubiger, die ihre Forderung zur Tabelle angemeldet haben (vergleiche BGH, VI ZR 126/07, bei juris).

2.

Der Anspruch der Kläger gegen den Beklagten ergibt sich sowohl aus § 566a BGB (analog) als auch aus § 812 BGB, jedoch nicht aus §§ 823 II BGB, 266 StGB.

a) § 566a BGB ist im Falle der Zwangsversteigerung gemäß § 57 ZVG anwendbar. Nach S. 1 des § 566a BGB tritt der Erwerber, wenn der Mieter des versteigerten Wohnraums dem Vermieter für die Erfüllung seiner Pflichten Sicherheit geleistet hat, in die dadurch begründeten Rechte und Pflichten ein. Im Falle einer Sicherungsübereignung wird der Erwerber kraft Gesetzes Eigentümer der zur Sicherheit übereigneten Sache. Bei einer Verpfändung von Sachen oder Forderungen tritt der Erwerber im Augenblick des Eigentumsüberganges in die Rechte des Pfandgläubigers ein. Zugleich erwirbt er nach § 952 BGB das Eigentum an einem etwaigen Sparbuch. Ebenso ist die Rechtslage bei der Verpfändung von Wertpapieren. Bei der Anlage der Barkaution auf einem Treuhandkonto ist ebenfalls von einem Übergang der Berechtigung an dem Konto auf den Erwerber auszugehen (Emmerich in: Staudinger, BGB, § 566a, Rn. 9f). Hat der Vermieter entgegen § 551 III BGB eine Barkaution, wie hier, nicht getrennt von seinem Vermögen angelegt, ist § 566a BGB, da der Sinn und Zweck der Vorschrift die Schließung dieser Regelungslücke erfordert, in der Weise analog anzuwenden, dass der Erwerber einen Anspruch auf Auszahlung des vom Mieter geleisteten Betrages gegen den Veräußerer erlangt (vgl. OLG Köln, 19 U 88/12, bei juris; Emmerich, a.a.O., Rn. 9, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Hermann in: Beck‘scher online-Kommentar BGB, § 566a, Rn. 4 Häublein in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Auflage, § 566a, Rn. 9; Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Auflage, § 566a BGB, Rn. 6).Der Beklagte beruft sich hinsichtlich dieses Anspruchs jedoch mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung gemäß § 214 I BGB.Die gemäß § 195 BGB dreijährige Verjährungsfrist war gemäß § 199 I BGB mit Ablauf des Jahres 2013 vollendet, während die Klage erst 2014 erhoben worden ist (vergleiche § 204 I Nr. 1 BGB). Die Kammer teilt nicht die Ansicht des Amtsgerichts, dass der Anspruch des Erwerbers gegen den Veräußerer nach § 566a BGB auf Herausgabe der Kaution erst in dem Zeitpunkt fällig wird, in dem der Ersteher die Kaution an den Mieter herausgibtDer Wortlaut der Bestimmung spricht bereits dafür, dass der Rechtsübergang nicht davon abhängig ist, dass der Erwerber die Sicherheit an den Mieter zurückgewährt. Der BGH hat zwar ausgeführt, der Erwerber rücke (erst) mit Erfüllung des Zahlungsanspruchs in die verfahrensrechtliche Position des Mieters ein (BGH, XII ZR 13/10, bei juris). Sinn und Zweck der Vorschrift geben aber keine Veranlassung, den Zeitpunkt des Rechtsüberganges abweichend vom Wortlaut zu beurteilen. Schon gar nicht wäre es zu begründen, eine Ausnahme nur für den Fall der Barkaution zu machen. Zwar läuft der Vermieter Gefahr, die Sicherheit an den Erwerber herauszugeben, um dann später gemäß § 566a S. 2 BGB doch noch vom Mieter in Anspruch genommen zu werden. Das rechtfertigt es aber nicht, den Erwerber darauf zu verweisen, gegebenenfalls Jahre oder Jahrzehnte nach dem Erwerb mit fraglichem Ergebnis zu versuchen, den Veräußerer in Anspruch zu nehmen.

b) Hat aber, wie hier, der Erwerber die Mietsicherheit bei Beendigung des Mietverhältnisses an den Mieter zurückgewährt, ohne dass er zuvor die Mietsicherheit von dem Vermieter erhalten hätte, so steht ihm mangels Gesamtschuldnerschaft neben dem Anspruch aus § 566a BGB zwar nicht ein Anspruch aus § 426 BGB, wohl aber ein solcher aus Bereicherungsrecht zu (Streyl in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Auflage, § 566a, Rn. 35). Denn nach der Konzeption des § 566a BGB soll wirtschaftlich in erster Linie der Vermieter, der die Mietsicherheit erhalten hatte, diese auch zurückgewähren.Da die Mietsicherheit erst bei Beendigung des Mietverhältnisses im Jahre 2013 von den Klägern an die Mieterin zurückgewährt worden ist, ist der Anspruch aus § 812 I BGB wegen Befreiung von einer Verbindlichkeit auch erst im Jahre 2013 fällig geworden und damit war er im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht verjährt.

c) Ein Anspruch der Kläger aus §§ 823 II BGB, 266 StGB ist nicht gegeben.Der Beklagte hat zwar entgegen dem seinerzeit geltenden § 550b II 1 BGB (jetzt: § 551 III 1 BGB) die Mietsicherheit nicht getrennt von seinem Vermögen angelegt und in einem solchen Fall kommt eine Strafbarkeit wegen Untreue in Betracht (vgl. Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 2. Auflage, § 266, Rn. 57). Denn auch wenn die pflichtwidrige Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht die für eine vollendete Untreue erforderliche Feststellung eines Nachteils im Sinne des § 266 StGB nicht indiziert, kam eine Untreue durch Unterlassen in Betracht, wenn die Kaution im Zeitpunkt ihrer Einzahlung noch nicht gefährdet und ihre Rückzahlung erst später aufgrund der Verschlechterung der finanziellen Verhältnisse des Beklagten nicht mehr gewährleistet war, so dass ihn eine Garantenpflicht traf, die eingezahlte Mietsicherheit so zu sichern, dass sie nicht zur Deckung seiner Verbindlichkeiten herangezogen hätte werden können (BGH, 5 StR 354/07, bei juris). Der erforderliche Vorsatz wäre jedoch entgegen der verfehlten Ansicht des OLG Frankfurt (WuM, 1989, Seite 138f) nicht schon aufgrund des objektiven Verstoßes gegen das Schutzgesetz dergestalt anzunehmen, dass er von dem Beklagten auszuräumen wäre. Vielmehr hätten die Kläger darlegen müssen, dass der Beklagte aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation eine nicht gegebene Rückzahlbarkeit der Mietkaution zumindest für möglich gehalten und die Verwirklichung dieser konkreten Gefahr gebilligt hatte (vergleiche BGH, a.a.O.). Denn der Verstoß gegen ein Schutzgesetz indiziert lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf (Sprau in: Palandt, BGB, 74. Auflage, § 823, Rn. 81).Davon abgesehen hätte allein der Mieterin ein Anspruch aus §§ 823 II BGB, 266 StGB zugestanden. Dass sie ihren Anspruch abgetreten hätte oder die Grundsätze der Drittschadensliquidation anwendbar wären, ist nicht ersichtlich.

d) Die Einschränkung der Vollstreckbarkeit, die im amtsgerichtlichen Urteil ausgesprochen worden ist, beschwert den Beklagten nicht und ist nur im Wege der Anschlussberufung angegriffen worden. Sie ist aber auch in der Sache zu Recht erfolgt. Nach § 301 II 2 InsO würde sich nämlich eine etwaige Restschuldbefreiung auch auf den Anspruch der Kläger erstrecken. Denn, wie zuvor gezeigt, liegen zugunsten der Kläger die Voraussetzungen eines Anspruchs aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (Untreue) im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO nicht festellbar vor.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97 I, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 1.500 € (§§ 43 I, 48 I GKG, 6 S. 1 ZPO)Die Kammer hat die Revision zugelassen, weil es zu der streitgegenständlichen Problematik noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt.