LG Düsseldorf, Urteil vom 21.08.2015 - 8 O 138/14
Fundstelle
openJur 2015, 20980
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht des Herrn L (fortan Zedent) in Anspruch. Diesem gewährte die Beklagte mit am 10. August 2005 geschlossenen Vertrag ein grundpfandrechtlich besichertes Darlehen über insgesamt € 252.000. Der Vertrag sah die Aufteilung des Darlehens in zwei Teilbeträge über € 177.000 bzw. € 75.000 zu für zehn Jahre festgeschriebenen Sollzinsen von 3,91 % und 3,8 % vor. Wegen der Einzelheiten des Vertrages einschließlich des Wortlauts der auf Blatt 4 des Vertrages enthaltenen Widerrufsbelehrung wird auf die von dem Kläger als Anlage K1 zu den Akten gereichte Ablichtung des Darlehensvertrages Bezug genommen. Bestandteil der dem Kläger insgesamt zur Verfügung gestellten Vertragsunterlagen vom 10. August 2005 ist außerdem eine "Sicherheitenbestellung mit Sicherungszweckerklärung und ergänzende Vereinbarung". Dieser ist ebenfalls eine Widerrufsbelehrung beigefügt, wegen deren Wortlauts auf die Anlage K1 Bezug genommen wird.

Wegen Y-Straße des Zedenten kündigte die Beklagte den Darlehensvertrag. Mit Schreiben vom 29. November 2013 (Anlage K3) widerrief der Zedent seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung. Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 6. Dezember 2013 (Anlage K4) zurück und rechnete angesichts einer von dem Zedenten am 4. Dezember 2013 geleisteten Zahlung die Darlehensverträge ab, wobei sie Vorfälligkeitsentschädigungen von € 3.290,87 und € 7.468,85 sowie als Kosten für den zusätzlichen Aufwand der vorzeitigen Rückzahlung zweimal einen Betrag von € 74,77 in Ansatz brachte. Unter Berücksichtigung der von dem Zedenten geleisteten Zahlungen verblieb ein noch offener Restbetrag von € 69,85 und weiteren € 33,74. Mit anwaltlichem Schreiben vom 3. Januar 2014 forderte der Zedent die Beklagte auf, das Darlehen unter Berücksichtigung des Widerrufs neu abzurechnen, was die Beklagte zurückwies.

Der Kläger ist der Ansicht, der Zedent habe den Darlehensvertrag wirksam widerrufen. Die Widerrufsbelehrung entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der von der Beklagten einbehaltenen Vorfälligkeitsentschädigung nebst den Kosten für den zusätzlichen Aufwand der vorzeitigen Rückzahlung und den Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten.

Er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 10.909,26 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und vorgerichtliche Kosten von € 565,59 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, das Widerrufsrecht des Zedenten sei mit Ablauf der zweiwöchigen Frist erloschen.

Gründe

I.

Die Klage ist unbegründet.

1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung und der in Rechnung gestellten Kosten nicht gemäß § 398 BGB in Verbindung mit § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB zu. Die Beklagte hat diese Positionen nicht ohne rechtlichen Grund vereinnahmt. Ihr stand gegen den Zedenten, nachdem dieser mit seinem Zahlungsverzug die außerordentliche Kündigung des Darlehensvertrages durch die Beklagte verursacht hatte, dem Grunde nach ein auf Ersatz ihres Erfüllungsinteresses gerichteter Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB (vgl. dazu OLG Stuttgart, Urteil vom 11. Februar 2015 - 9 U 153/14, BKR 2015, 237 [unter B II 2]) zu. Davon gehen die Parteien unausgesprochen übereinstimmend ebenso aus wie von dem Umstand, dass die Beklagte ihren Auflösungsschaden der Höhe nach zutreffend berechnet hat.

2. Ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung nebst der Auflösungskosten lässt sich nicht aus § 398 BGB in Verbindung mit §§ 357 Abs. 1, 346 Abs. 1, 355 Abs. 1, 495 Abs. 1 des gemäß Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB im Streitfall weiter anzuwendenden Bürgerlichen Gesetzbuches in der am 10. Juni 2010 geltenden Fassung (fortan BGB a.F.) herleiten. Der Zedent hat seine im August 2005 abgegebene, auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen.

a) Dem Zedent stand bezüglich des im August 2005 geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrags ein Widerrufsrecht gemäß §§ 495 Abs. 1, 355 BGB a.F. zu.

b) Dieses Widerrufsrecht konnte von dem Zedenten im Zeitpunkt seiner Widerrufserklärung vom 29. November 2013 nicht mehr wirksam ausgeübt werden. Es ist aufgrund des Ablaufs der zweiwöchigen Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 und 3 BGB a.F. bereits im August 2005 erloschen. Die dem Zedenten erteilte Widerrufsbelehrung hat die zweiwöchige Widerrufsfrist in Gang gesetzt. Die Belehrung genügt den gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. an sie zu stellenden Anforderungen.

aa) Nach den Vorgaben des § 355 Abs. 2 BGB a.F. ist dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform mitzuteilen. Die Belehrung muss ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich machen und hat Namen und Anschrift desjenigen zu enthalten, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, sowie einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelung des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. über die Modalitäten der Ausübung des Widerrufsrechts. Entsprechend dem mit dem Widerrufsrecht bezweckten Schutz des Verbrauchers muss die Belehrung umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein und soll ihm nicht nur Kenntnis von seinem Widerrufsrecht verschaffen, sondern ihn auch in die Lage versetzen, dieses tatsächlich auszuüben (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08 [unter II 2 b]).

bb) Diesen Vorgaben genügt die dem Zedenten erteilte Belehrung.

(1) Dies gilt zunächst für die Unterrichtung über den Fristbeginn.

Zu dieser Frage lautet die von der Beklagten erteilte Belehrung:

"Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem mir

? ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und

? eine Vertragsurkunde, mein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder meines Vertragsantrags

zur Verfügung gestellt wurden."

Aus dieser Belehrung ergibt sich aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen unbefangenen, rechtsunkundigen aber verständigen Kunden (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2005 - II ZR 224/04 [unter II 3 b]; Urteil vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08 [unter II 2 b bb]; Urteil vom 24. März 2009 - XI ZR 456/07 [unter II 1 a aa]), dass die Widerrufsfrist nicht etwa schon dann beginnt, wenn der Verbraucher einen Vertragsantrag der Bank erhält, sondern erst, nachdem ihm seine eigene Vertragserklärung oder eine Vertragsurkunde vorliegt. Anders als in dem von dem Kläger herangezogenen Fall (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08) wird nicht auf den Erhalt "eines Vertragsantrags" abgestellt, sondern es wird durch die Verwendung des Possessivpronomens ("mein Vertragsantrag") einem Missverständnis dahingehend vorgebeugt, dass es unabhängig von einer Vertragserklärung des Verbrauchers auf den Erhalt des Angebots der Bank ankommt (so auch OLG Celle, Beschluss vom 14. Juli 2014 - 3 W 34/14 [unter II 1]).

(2) Ebenso nicht zu beanstanden ist die Bezeichnung des Gegenstands des Widerrufsrechts.

Hierzu lautet die von der Beklagten erteilte Belehrung:

"Ich bin an meine Willenserklärung (Antrag auf Abschluss des Darlehensvertrages mit der E AG bzw. ihren Kooperationspartnern) nicht mehr gebunden, wenn ich sie binnen zwei Wochen widerrufe."

Diese Formulierung klärt den Verbraucher entsprechend der Vorgaben des § 355 BGB a.F. darüber auf, dass Gegenstand des Widerrufsrechtes die von ihm abgegebene (und unterschriebene) Erklärung gerichtet auf Abschluss des Vertrages über die Baufinanzierung ist. Die Frage, ob die Willenserklärung nur insgesamt oder auch teilweise, namentlich beschränkt auf einen der in dem Darlehensvertrag ausgewiesenen Teilbeträge, für die hinsichtlich der Zinssätze und Gesamtlaufzeiten abweichende Konditionen gelten, widerrufen werden kann, beurteilt sich im Grundsatz nach den allgemeinen Regelungen, insbesondere nach § 139 BGB (vgl. Staudinger/Kaiser, § 355 BGB Rn. 27 f.; MünchKomm/Masuch, § 355 BGB Rn. 24). Eine Pflicht des Unternehmers, den Verbraucher hierüber zu belehren, sieht § 355 BGB a.F. nicht vor.

(3) Soweit die Beklagte darauf verweist, dass in der Widerrufsbelehrung nicht über die Widerrufsfolgen zu belehren war, zieht der Kläger die dem Zedenten erteilte Belehrung unter diesem Gesichtspunkt bereits nicht in Zweifel. Abgesehen davon enthält die Widerrufsbelehrung diesbezüglich Ausführungen, die den Anforderungen, wie sie für - hier mangels Eingreifen von § 312 Abs. 2 BGB a.F. - gesetzlich nicht vorgeschriebene Zusätze gelten (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00 [unter II 3 a]), genügen.

(4) Die Widerrufsbelehrung ist hinreichend deutlich gestaltet. Sie befindet sich auf einem Blatt, ist von der Schriftgröße her gut lesbar, mit der die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich ziehenden, größer, fett und kursiv gedruckten Überschrift "Widerrufsbelehrung" versehen, in Absätze untergliedert und durch Zwischenüberschriften unterteilt.

cc) Die dem Zedenten erteilte Widerrufsbelehrung ist schließlich nicht deshalb zu beanstanden, weil ihm am 10. August 2005 eine weitere Widerrufsbelehrung mit etwas anderem Wortlaut erteilt wurde.

Allerdings ist ein Verbraucher nicht ordnungsgemäß belehrt, wenn ihm zwei Widerrufsbelehrungen erteilt werden, von denen eine inhaltlich unzutreffend ist, weil es wegen des Widerspruchs zwischen beiden Belehrungen insgesamt an einer unmissverständlichen Belehrung fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 - II ZR 352/02 [unter II 4]). So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Dem Zedenten sind nicht zu einem Geschäft zwei unterschiedliche Widerrufsbelehrungen erteilt worden (wie in dem Fall, der dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Oktober 2004 zugrundelag), sondern ihm ist für zwei Geschäfte - den Abschluss des Darlehensvertrages einerseits und den Abschluss der Vereinbarung über die Sicherheitenbestellung andererseits - jeweils eine Widerrufsbelehrung erteilt worden. Beide Widerrufsbelehrungen beziehen sich jeweils nur auf eine Willenserklärung, nämlich diejenige, die in ihnen ausdrücklich bezeichnet ist und mit der sie - durch Aufnahme in bzw. Verbindung mit der betreffenden Erklärung - zudem körperlich verbunden sind.

Zwar weichen die beiden Belehrungen inhaltlich voneinander ab. Außerdem mag davon auszugehen sein, dass die dem Zedenten erteilte Widerrufsbelehrung zur Sicherheitenbestellung den - für sie allerdings gar nicht geltenden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 - II ZR 233/10 [unter B II 2 b]) - Anforderungen des § 355 BGB a.F. nicht genügt. Denn die Beklagte, die für die Frage des Beginns der Widerrufsfrist die Darlegungs- und Beweislast trifft (§ 355 Abs. 2 S. 4 BGB a.F., nunmehr § 361 Abs. 3 BGB), hat keine Tatsachen vorgetragen aus denen sich ergibt, dass angesichts der maßgeblichen Umstände des konkreten Vertragsschlusses (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Februar 2015 - 17 U 125/14, bei juris Rn. 6) für den Verbraucher kein Missverständnis hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist auftreten konnte. All dies ändert aber nichts daran, dass die dem Zedenten zu dem Darlehensvertrag erteilte Belehrung ordnungsgemäß war und die ihm am gleichen Tag erteilte weitere Widerrufsbelehrung nicht geeignet war, die Ordnungsgemäßheit der zu dem Darlehensvertrag erteilten Belehrung in Zweifel zu ziehen. Denn die weitere Widerrufsbelehrung betraf ausdrücklich nur die Sicherheitenbestellung, weshalb sie ein unbefangener Verbraucher nur auf sie und nicht auf den Darlehensvertrag bezieht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert: € 10.909,26.