OLG Köln, Beschluss vom 18.11.2015 - 17 W 174/15
Fundstelle
openJur 2015, 20070
  • Rkr:
Tenor

Die weitere Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss der 39. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 19. Juni 2015 - 39 T 32/15 - wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die weitere Beschwerde der Staatskasse ist zwar gemäß §§ 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG, 66 Abs. 4 GKG zulässig, weil sie durch die (gesamte) Kammer in dem o. a. Beschluss zugelassen worden ist. Insbesondere ist die Frage, ob es sich bei der das gesamte Verfahren einleitenden Erinnerung der Gläubigerin vom 8. Dezember 2014 um eine solche nach § 5 Abs. 2 Satz 1 GvKostG (als "Kostenerinnerung") oder die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO handelt (vgl. dazu ausführlich Mroß, DGVZ 2014, 265; s.a. unten), nicht für die Zulässigkeit des hier konkret vorliegenden Rechtsbehelfsverfahrens entscheidend. Dies kann sich ggfs. im Rahmen der Begründetheit auswirken.

Die weitere Beschwerde ist jedoch aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses und des in Bezug genommenen Beschlusses vom 27. Mai 2015 sowie insbesondere unter Bezugnahme auf die umfangreichen Beschlüsse des OLG Hamm vom 10. Februar 2015 - 25 W 277/14 und 25 W 306/14 - (NJOZ 2015, 1099 ff. = OLGR 11/2015 Anm. 4 bzw. OLGR 20/2015 Anm. 4 mit Anm. Seip, DGVZ 2015, 115, beide auch in juris) und des OLG Schleswig vom 12. Februar 2015 - 9 W 114/14 und 143/14 - (SchlHA 2015, 276 ff. = FoVo 2015, 112 ff. bzw. DGVZ 2015, 88 ff.) sowie die Ausführungen von Goebel (FoVo 2013, 86, 87 - 91) nicht begründet.

1.

Im vorliegenden Fall geht es nicht darum, ob die Voraussetzungen für die Erhebung einer Gebühr nach Nr. 261 KV zu § 9 GvKostG - objektiv - vorliegen. Danach kann ein Gerichtsvollzieher für die "Übermittlung eines mit eidesstattlicher Versicherung abgegebenen Vermögensverzeichnisses an einen Drittgläubiger (§ 802d Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO)" eine Gebühr von 33 € ansetzen. Da die Gerichtsvollzieherin hier eine entsprechende Übermittlung an die Erinnerungsführerin vorgenommen hat, lagen die Voraussetzungen formal vor.

Der Ansatz dieser Kosten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 GvKostG war jedoch deshalb rechtswidrig, weil er nicht dem Auftrag der Drittgläubigerin entsprach. Wenn ein Gerichtsvollzieher den Auftrag eines Gläubigers nach § 3 GvKostG weisungswidrig ausführt und für das tatsächlich durchgeführte Geschäft die nach dem Kostenverzeichnis (Anlage zu § 9 GvKostG) vorgesehene Gebühr in Ansatz bringt, steht diesem - zumindest auch - die Erinnerung gegen den Kostenansatz gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 GvKostG zu. Davon sind die meisten Gerichte, die sich mit dieser Thematik befasst haben (neben OLG Hamm, aaO = juris Rn 21 bzw. 14 und OLG Schleswig, aaO = juris Rn 10 u.a. auch: LG Arnsberg, DGVZ 2013, 18 f. = juris Rn 13; LG Neubrandenburg, DGVZ 2014, 218 ff. = juris Rn 11; LG Bochum, DGVZ 2014, 261 ff. = juris Rn 9), ausgegangen. Dass die Gläubigerin - daneben - auch eine Erinnerung nach § 766 ZPO gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung erheben kann - und dies möglicherweise der näher liegende Weg ist (vgl. die Kritik von Mroß, DGVZ 2015, 115, 131 f., 208; 2014, 19, 265; auch Goebel, aaO S. 91 weist darauf hin, dass in diesem Verfahren die Streitfrage geklärt werden sollte)- , steht dem nicht entgegen. Damit kann der Gläubiger nämlich nur eine bestimmte Verfahrensweise des Gerichtsvollziehers herbeiführen (hier: den Auftrag mit der anzuerkennenden Bedingung durchzuführen bzw. die bedingte Rücknahme des Antrages zu akzeptieren). Hinsichtlich der Prüfung, ob die Gebühr zu Recht erhoben worden ist oder nicht, bleibt ihm allein die Kostenerinnerung nach § 5 Abs. 2 GvKostG. Die Gläubigerin hat sich mit ihrer Erinnerung auch ausdrücklich gegen die Berechnung der Kosten nach Nr. 261 KV zum GvKostG in Höhe von 33 € gewandt.

Die Gerichtsvollzieherin hätte den Auftrag der Gläubigerin entweder wegen - aus ihrer Sicht - unzulässiger Bedingung ablehnen können (mit der Möglichkeit für die Gläubigerin, dagegen Rechtsmittel einzulegen; vgl. auch Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 802d ZPO Rn 14 mit Hinweis auf LG Neubrandenburg, DGVZ 2014, 218 ff. = juris Rn 18, 20; KG, DGVZ 2015, 207 f. = juris Rn 8 ff., 14) oder ihn entsprechend den überzeugenden und ausführlich begründeten Entscheidungen des OLG Hamm und des OLG Schleswig (s. oben), denen der Kostensenat des OLG Köln folgt, dahin auslegen müssen, dass er von vornherein wirksam auf den Fall beschränkt war, dass die Schuldnerin innerhalb der letzten zwei Jahre eine Vermögensauskunft nach § 802c ZPO abgegeben hat und diese nicht älter als 6 Monate ist, oder bei Verneinung dieser Umstände die - dadurch bedingte - Antragsrücknahme für wirksam ansehen müssen (so OLG Schleswig, DGVZ 2015, 88 ff. = juris Rn 12 ff.).

Der Senat vermag in dem Wortlaut von § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO ("Andernfalls leitet der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger einen Ausdruck des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses zu.") keine bindende Verpflichtung des Gerichtsvollziehers zu erkennen, jedweden Antrag eines Drittgläubigers auf Abnahme eines Vermögensverzeichnisses gemäß § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO (Vermögensauskunft nach § 802c ZPO) dahin zu verstehen, dass er eine "erneute Abgabe" im Sinne von § 802d Abs. 1 Satz 1 ZPO beantragen wolle, wenn der Schuldner die Vermögensauskunft innerhalb der letzten zwei Jahre abgegeben hat, und ihm auch dann ein Vermögensverzeichnis zu übermitteln, wenn der Gläubiger dies ausdrücklich ablehne. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die Ausführungen des OLG Hamm (juris Rn 30 bzw. 23, ähnlich: LG Erfurt, DGVZ 2015, 205, 206 = juris Rn 16) verwiesen, die sich auch mit der Gesetzesbegründung (aaO Rn 31 bzw. 24; ebenso LG Bochum, aaO juris Rn 16 und LG Erfurt, aaO Rn 17 sowie Goebel, aaO S. 88 ff.) und dem Sinn und Zweck der §§ 802a ff. ZPO (aaO Rn 33 bzw. 26; Goebel, aaO S. 87) befassen.

2.

Die Erinnerung der Gläubigerin vom 8. Dezember 2014 gegen den Kostenansatz der Gerichtsvollzieherin bzw. die vom Amtsgericht Kerpen in dessen Beschluss vom 16. Januar 2015 - 37 M 1729/14 - zugelassene Beschwerde bzw. die vom Landgericht Köln zugelassener weitere Beschwerde ist entgegen der Ansicht des Bezirksrevisors, der sich auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 23. September 2014 - 10 W 130/14 - (DGVZ 2014, 264 f.) beruft, nicht deshalb unbegründet, weil die Voraussetzungen von § 7 GvKostG nicht vorlägen. Nach dieser Vorschrift werden Kosten [des Gerichtsvollziehers], die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne dieser Vorschrift liegt - wie bei dem wortgleichen § 21 GKG (Hartmann: KostG, 45. Aufl., § 7 GvKostG Rn 4 und § 21 GKG Rn 8) - nur bei einem schweren Verfahrensverstoß (BGH, NJW-RR 2005, 135 f. = juris Rn 4 mwN) bzw. einem Verstoß gegen klare gesetzliche Regelungen, der offen zu Tage tritt, vor (KG, DGVZ 2015, 207 f. = juris Rn 14; OLG Düsseldorf, aaO = juris Rn 4), setzt also einen offensichtlichen schweren Fehler des Gerichts (bzw. Gerichtsvollziehers) voraus (Senat, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 17 W 314/14 -, juris Rn 2 mwN; Meyer: GKG, 14. Aufl., § 21 GKG Rn 5). Die Frage, ob ein Gerichtsvollzieher an die Beschränkung (Bedingung) des Antrages auf Abnahme der Vermögensauskunft und den Verzicht auf Übersendung eines älteren Vermögensverzeichnisses bzw. die Rücknahme des Antrages für diesen Fall gebunden ist oder nicht, ist trotz der inzwischen ergangenen obergerichtlichen Entscheidungen dazu (OLG Hamm, OLG Schleswig, KG) nach wie vor umstritten (s. die Zusammenstellungen bei Fleck in BeckOK-ZPO, 18. Edition Stand 01.09.2015, § 802d ZPO Rn 6b und im Beschluss des LG Erfurt, aaO Rn 9 gegen und Rn 11 für eine solche Dispositionsbefugnis; noch jüngst ablehnend LG Würzburg, DGVZ 2015, 130 f.; AG Schöneberg, JurBüro 2015, 268 f.; Seiler in Thomas/Putzo, 36. Aufl. 2015, § 802d Rn 3; ebenso nunmehr Meller-Hanich in Prütting/Gehrlein, 7. Aufl. 2015, § 802d ZPO Rn 5; die Parteiherrschaft des Gläubigers auch insoweit bejahend: Zöller/Stöber, aaO § 802d ZPO Rn 14; Musielak/Voit, 12. Aufl. 2015, § 802d ZPO Rn 17 unter Hinweis auf AG Bad Segeberg, DGVZ 2014, 95 ff. - bestätigt durch OLG Schleswig, DGVZ 2015, 88 ff. -; mit einem weitergehenden Vorschlag zur Eintragung analog § 882 c Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO: Fleck, aaO Rn 6d ff.). Bei dieser Sachlage kann man einem Gerichtsvollzieher nur schwerlich einen offensichtlichen schweren Fehler vorwerfen.

Es geht hier jedoch nicht - nur - um die Frage, ob die Gerichtsvollzieherin die Sache "unrichtig behandelt" hat im Sinne von § 7 GvKostG (oder nicht). Sie hat vielmehr eine höchst umstrittene Rechtsfrage entgegen dem explizit erklärten Willen der Gläubigerin so ausgelegt, dass der Gebührentatbestand von Nr. 261 KV erfüllt wird, ohne diese Rechtsfrage von dem dafür allein zuständigen (Vollstreckungs-) Gericht entscheiden zu lassen. Diese Rechtsverletzung muss das für die Kostenerinnerung und -beschwerde zuständige Gericht inzidenter beachten und in eigener Zuständigkeit - richtig - entscheiden. Denn es handelt sich um eine unerlässliche Vorfrage für die Entstehung bestimmter Gebührentatbestände nach der Anlage zu § 9 GvKostG (KV). Auch der Senat als Gericht der weiteren Beschwerde muss dies demzufolge prüfen und entscheiden (und zu diesem Zweck ist die weitere Beschwerde auch zugelassen worden). Der Kostensenat des OLG Köln entscheidet die Rechtsfrage in Übereinstimmung mit den Oberlandesgerichten Hamm und Schleswig dahin, dass der Gerichtsvollzieher die Vorgaben des Gläubigers insoweit zu beachten hat.

3.

Für den Gerichtsvollzieher entsteht auch entgegen der Ansicht des Amtsgericht Kerpen im - vom LG Köln aufgehobenen - Beschluss vom 16. Januar 2015 kein unzumutbarer Aufwand. Immerhin muss er durch Einsichtnahme in das Vermögensverzeichnisregister eine Amtshandlung vornehmen und überprüfen, ob der Schuldner in den letzten sechs Monaten bzw. zwei Jahren bereits ein Vermögensverzeichnis abgegeben hat. Insoweit fällt aber, worauf das OLG Hamm (aaO Rn 29 bzw. 20; zustimmend LG Erfurt, DGVZ 2015, 204, 206 = juris Rn 20) hingewiesen hat, eine Nichterledigungsgebühr nach Nr. 604 KV iVm Nr. 261 KV zum GvKostG an (bereits LG Bochum, DGVZ 2014, 261 ff. = juris Rn unter Hinweis auf LG Essen, Beschluss vom 6. Juni 2014 - 7 T 142/14 = juris Rn 20). Soweit ausdrücklich eine Ausnahme formuliert ist ["Die Gebühr für die nicht abgenommene Vermögensauskunft wird nicht erhoben, wenn diese deshalb nicht abgenommen wird, weil der Schuldner sie innerhalb der letzten zwei Jahre bereits abgegeben hat (§ 802d Abs. 1 Satz 1 ZPO)."], bezieht sich diese nach dem Wortlaut - allein - auf die Gebühr in Nr. 260 KV ("Abnahme der Vermögensauskunft nach den §§ 802c, 802d Abs. 1 oder nach § 807 ZPO") und gerade nicht auf die in Nr. 261 KV ["Übermittlung eines mit eidesstattlicher Versicherung abgegebenen Vermögensverzeichnisses an einen Drittgläubiger (§ 802d Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO)"]. Da es sich um eine Ausnahme von den in Abschnitt 6 geregelten "nicht erledigten Amtshandlungen" handelt, ist diese eng auszulegen und auf die konkret bezeichnete Gebühr zu beschränken. Damit entfällt dieses für einige Entscheidungen gegen die Dispositionsherrschaft des Gläubigers angeführte Argument (z.B. AG Dortmund, DGVZ 2014, 72, 73 = juris Rn 5).

4.

Der Senat folgt damit der ganz überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Hamm, OLG Schleswig und KG) sowie der in der Kommentarliteratur weit verbreiteten Ansicht. Das Spannungsfeld zwischen Gläubiger und Gerichtsvollzieher wird sachgemäß dahin aufgelöst, dass sich einerseits der klare Auftrag des Gläubigers, unter bestimmten innerprozessualen Bedingungen das Vermögensverzeichnis nicht übermittelt zu bekommen (mit der Folge, dass die Gebühr nach Nr. 261 KV nicht anfällt), durchsetzt und der Gerichtsvollzieher nicht gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Gläubigers handeln muss, andererseits der Gerichtsvollzieher für seine Tätigkeit (Einsichtnahme in das Vermögensverzeichnisregister und Überprüfung der vom Gläubiger genannten Voraussetzungen für eine Übermittlung) eine Gebühr ansetzen kann.

5.

Eine Kostenentscheidung ist mit Rücksicht auf §§ 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG, 66 Abs. 8 GKG entbehrlich.