VG Düsseldorf, Urteil vom 06.05.2015 - 16 K 1951/14
Fundstelle
openJur 2015, 20034
  • Rkr:
Tenor

Ziffer 5 des Bescheides des Beklagten vom 19. Februar 2014 wird aufgehoben, soweit der Klägerin aufgegeben worden ist, die Mängel 6.2.8 und 6.2.9 gemäß Inspektionsbericht vom 7. Februar 2014 zu beseitigen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen und verfügt über eine Erlaubnis zur Herstellung von Arzneimitteln gem. § 13 AMG sowie über eine Erlaubnis zum Großhandel gem. § 52a AMG. Ihr Geschäftsgegenstand ist u.a. der grenzüberschreitende Großhandel. Hierzu erwirbt sie im Ausland Fertigarzneimittel, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) unter einer arzneimittelrechtlichen Zulassung in den Verkehr gebracht wurden, bringt diese nach Deutschland, lagert sie ggf. vorübergehend in ihrer Betriebsstätte und liefert sie anschließend an einen Empfänger in einem anderen EU- oder EWR-Staat. Die Übergabe der Arzneimittel an den Kunden erfolgt erst im EU- oder EWR-Ausland, die Klägerin ist für den Transport verantwortlich.

Am 14. Januar 2014 führte der Beklagte eine Inspektion bei der Klägerin durch, die sich insbesondere auf den Tätigkeitsbereich Großhandel und die Einhaltung der Anforderungen der Leitlinien der Europäischen Kommission vom 5. November 2013 für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln (2013/C 343/01, nachfolgend: GDP-Leitlinien) bezog. Im Inspektionsbericht traf der Beklagte u.a. folgende Feststellungen:

"6.2.8 Die Überprüfung bei Arzneimitteln, die für die EU- oder EWR-Länder bestimmt sind, dass sie für den Verkauf in dem Zielland zugelassen sind, ist bislang nicht vorgesehen (5.4 GDP).

6.2.9 Bei Arzneimitteln, die aus dem EU-Ausland bezogen werden ist die Prüfung der QP-Freigabe oder ein äquivalenter Nachweis der Freigabe für den Zielmarkt von angemessen ausgebildetem Personal vor Aufnahme in den verkaufsfähigen Bestand bisher nicht etabliert; (5.4 GDP)."

In der Folge erließ der Beklagte am 19. Februar 2014 den streitgegenständlichen Bescheid, mit welchem er der Klägerin unter Ziffer 5. aufgab:

"Die Pharma H. GmbH legt mir bis zum 21.03.2014 einen umfassenden und geeigneten Maßnahmenplan zur Beseitigung der im Inspektionsbericht unter Punkt 6.2 und 6.3 genannten Mängel vor. Die Mängel 6.2.6, 6.2.7, 6.2.8, 6.2.9 und 6.2.10 sind bis zum 18.04.2014 zu beseitigen. (...) Die Beseitigung der Mängel ist mir unter Angabe der getroffenen Maßnahmen schriftlich anzuzeigen und mir sind zum Nachweis entsprechende Unterlagen vorzulegen."

Zur Begründung führte sie aus, dass die festgestellten Mängel die Arzneimittelsicherheit gefährdeten; es solle eine GDP-gerechte Abwicklung des Großhandels gewährleistet bzw. ein GDP-gerechter Zustand wiederhergestellt werden.

Die Klägerin hat am 19. März 2014 gegen diesen Bescheid Klage erhoben, soweit er sich auf die Beseitigung der Beanstandungen 6.2.8 und 6.2.9 bezieht.

Sie ist der Ansicht, eine Prüfpflicht, wie sie der Bescheid des Beklagten einfordere, ergebe sich weder aus nationalem noch aus EU-Recht.

Das Verbringungsverbot des § 73 Abs. 1 AMG gelte nicht für einen grenzüberschreitenden Handel mit EU-Arzneimitteln. Insbesondere ergebe sich dies aus § 73 Abs. 2 Nr. 3a AMG. Die Klägerin verweist auf die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 15/2109, S. 37, nach der die Einfügung der Nr. 3a in § 73 Abs. 2 AMG den Bedürfnissen des freien Warenverkehrs Rechnung trägt. Weiter verweist sie auf die Begründung einer weiteren Gesetzesänderung (Einfügung des Wortes "auch" in "und nach Zwischenlagerung" in § 73 Abs. 2 Nr. 3a AMG), BT-Drs. 17/9341, S. 66, in der es heißt: "Die Änderung dient der Klarstellung, dass für eine Durchfuhr von Arzneimitteln, die Gemeinschaftswaren sind, nicht zwingend eine Zwischenlagerung bei einem pharmazeutischen Unternehmer oder Großhändler stattfinden muss, sondern dass auch eine unmittelbare Durchfuhr, die ein "Verbringen" darstellt (§ 4 Abs. 32 S. 1) ohne Zwischenlagerung der Arzneimittel von der Vorschrift erfasst ist. In der Praxis kommt es häufig vor, dass Arzneimittel aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union direkt und ohne Zwischenlagerung mit dem Ziel ihrer Weiterverbringung in einen anderen Mitgliedstaat durch den Geltungsbereich des Gesetzes befördert werden." Aus dieser Regelung sei die Zulässigkeit von Durchfuhren ablesbar. Zudem seien EU-Arzneimittel gegenüber der Durchfuhr von Arzneimitteln, die nicht für den Verkehr in der EU oder dem EWR zugelassen sind, privilegiert; dies ergebe sich aus dem Vergleich mit § 73 Abs. 2 Nr. 3 AMG, nach dem andere Arzneimittel als EU?Arzneimittel nur unter zollamtlicher Überwachung durch Deutschland befördert werden dürfen.

Ihrer Tätigkeit stehe auch § 21 Abs. 1 AMG nicht entgegen, weil sie die Arzneimittel nicht in Deutschland in den Verkehr bringe.

Sie verstoße nicht gegen die GDP-Leitlinien. So setze Ziffer 5.1 Abs. 2 der GDP-Leitlinien unter ausdrücklichem Verweis auf Art. 76 Abs. 1, 2 der Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001, zuletzt geändert durch Richtlinie 2012/26/EG vom 25. Oktober 2012 (nachfolgend: RL 2001/83/EG) lediglich voraus, dass "alle von einem Großhändler in der EU vertriebenen Arzneimittel (...) über eine von der EU oder einem Mitgliedstaat erteilte Zulassung verfügen" müssten; auf die Zulassung eines bestimmten Mitgliedstaates - in dessen Hoheitsgebiet die Einfuhr erfolge - komme es nicht an. Dies zeige sich an dem Begriff "distribution" ("Vertrieb"), welcher einzig in Bezug auf bereits zugelassene und in der EU bzw. dem EWR rechtmäßig in Verkehr befindliche Arzneimittel verwandt werde, sowie der Formulierung "eines Mitgliedstaates"/"of a Member State". Arzneimittel, die in einem EU- oder EWR-Staat zugelassen und dort in den Verkehr gebracht wurden, nähmen bereits aufgrund dieser Zulassung an dem freien Warenverkehr innerhalb der EU teil. Dem stehe auch nicht entgegen, dass Art. 76 Abs. 1 RL 2001/83/EG unbeschadet des Art. 6 derselben Richtlinie gelte; denn Art. 6 RL 2001/83/EG stelle zwar auf die Zulassung durch die Behörde desjenigen Mitgliedstaates ab, in dessen Hoheitsgebiet das Arzneimittel in den Verkehr gebracht werden solle; jedoch regele Art. 6 RL 2001/83/EG, anders als Art. 76 RL 2001/83/EG, nicht den Vertrieb, sondern das Inverkehrbringen. Art. 6 RL 2001/83/EG berühre daher einen grenzüberschreitenden Handel in Form einer Belieferung von Empfängern in einem anderen EU- oder EWR-Staat als Deutschland nicht.

Die Sicherheit der Vertriebskette werde vielmehr dadurch gewährleistet, dass sowohl der Bezug von Arzneimitteln als auch deren Abgabe nur von bzw. an bestimmte Personen erfolgen dürfe, Art. 80 lit. b) und c) RL 2001/83/EG: So dürften Großhändler nur an Personen liefern, die Inhaber einer Erlaubnis zum Großhandel oder zur Abgabe an die Öffentlichkeit befugt seien. Auch Ziff. 5.3 Abs. 1 der GDP-Leitlinien stelle Anforderungen an die Abnehmer eines Großhändlers.

Zudem regele Ziffer 5.4 nicht die Aufnahme von einzelnen Arzneimitteln, die in der EU oder dem EWR zugelassen und unter dieser Zulassung in der EU bzw. dem EWR in den Verkehr gebracht worden seien, in den verkaufsfähigen Bestand. Für solche Arzneimittel sei vielmehr Ziffer 5.1 Abs. 2 der GDP-Leitlinien einschlägig, nach der lediglich eine Zulassung in der EU oder dem EWR gefordert werde. Ziffer 5.4 Abs. 3 der GDP-Leitlinien knüpfe an Vorgaben zur Herstellung von Arzneimitteln an und regele die Aufnahme vollständiger Herstellungschargen, d.h. die erstmalige Aufnahme einer bestimmten, in einem einheitlichen Produktionsvorgang hergestellten Menge von Arzneimitteln, in den verkaufsfähigen Bestand, wenn Hersteller und "Erst-Inverkehrbringer", beispielsweise Hersteller und Zulassungsinhaber, nicht identisch seien. Sinn und Zweck dessen sei, dass in diesen Fällen eine Charge nur unter den Voraussetzungen in den Verkehr gebracht werde, dass sie ordnungsgemäß freigegeben worden sei und die hergestellten Arzneimittel zugelassen seien. Der grenzüberschreitende Großhandel beziehe sich hingegen nicht auf Herstellungschargen, sondern auf einzelne Fertigarzneimittel, die nach ordnungsgemäßer Freigabe bereits rechtmäßig unter ihrer jeweiligen Zulassung in einem EU- oder EWR-Staat in den Verkehr gebracht worden seien. Als Großhändlerin stehe sie auf einer nachgeordneten Handelsstufe als die in Ziffer 5.4 der GDP-Leitlinien adressierten Unternehmen.

Auf eine Zulassung des Arzneimittels im "Zielland" oder für den "Zielmarkt" stelle keine der vorgenannten Regelungen ab, insbesondere auch Ziff. 5.4 Abs. 3 der GDP-Leitlinien nicht. Eine solche Regelung widerspräche den Grundsätzen des freien Warenverkehrs, Sinn und Zweck der Regelungen sei der Abbau vorhandener Handelshemmnisse.

Die Klägerin beantragt,

Ziffer 5 des Bescheids vom 19. Februar 2014 aufzuheben, soweit der Klägerin aufgegeben worden ist, die Mängel 6.2.8 und 6.2.9 gemäß Inspektionsbericht vom 7. Februar 2014 zu beseitigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ein wesentliches Ziel der GDP-Leitlinien sei es, gefälschte Arzneimittel aus der legalen Lieferkette mit geeigneten Instrumenten zu verbannen und somit die Qualität und Unversehrtheit der Arzneimittel zu gewährleisten.

Aufgrund der englischen Fassung in Ziffer 5.4 Abs. 3 Satz 2 der GDP-Leitlinien müsse es "Marktfreigabe" und nicht "Marktzulassung" heißen. Die GDP-Leitlinien richteten sich gerade an Großhändler. Ziffer 5.4 der GDP-Leitlinien regele die Entgegennahme von Arzneimitteln, die Ware müsse daher bereits zuvor in den Verkehr gebracht worden sein. Der Begriff "Charge" beziehe sich lediglich auf eine bestimmte Menge eines Arzneimittels; Großhändler handelten mit ganzen Chargen oder mit Teilmengen von Chargen, so dass der Chargenbegriff auch im Großhandel einschlägig sei. Gem. Ziffer 4.2 Abs. 10 der GDP-Leitlinien sei die Chargennummer des Arzneimittels durch den Großhändler bei Aufzeichnungen zu dokumentieren. Weiter bezieht er sich auf das Questions and Answers-Papier der Europäischen Kommission vom 28. März 2014, in dem sich Frage 13 zu Ziffer 5.4 Abs. 3 explizit auf Großhändler beziehe und die Kommission die Frage ohne Beanstandung beantworte.

Hinsichtlich des Mangels 6.2.8 sei Ziffer 5.4 Abs. 3 Satz 1 der GDP-Leitlinien - "dass sie zum Verkauf zugelassen sind" - in der Weise auszulegen, dass vor der Aufnahme in den verkaufsfähigen Bestand zu prüfen sei, ob das Arzneimittel im Zielland zugelassen ist. Dafür spreche die englischsprachige Version von Ziffer 5.4 Abs. 3 der GDP-Leitlinien, in dessen Satz 2 von dem "market in question" die Rede sei; diese Vorgabe beziehe sich auch auf Satz 1.

Gem. Art. 76 Abs. 1 RL 2001/83/EG träfen die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen, damit in ihrem Gebiet nur Arzneimittel vertrieben werden, für die nach dem Gemeinschaftsrecht eine Genehmigung zum Inverkehrbringen erteilt wurde. Der Sinn der Regelung der Ziffer 5.4 Abs. 3 der GDP-Leitlinien sei sehr fraglich, käme es lediglich darauf an, dass das Arzneimittel in irgendeinem EU- oder EWR-Mitgliedstaat, nicht zwingend dem Zielland, zugelassen sei.

Auch bzgl. § 73 Abs. 2 Nr. 3a AMG sei die Zulassung im Ausfuhrland (Zielland) maßgeblich. Bereits diese Grundvorschrift für das Verbringen von Arzneimitteln nenne die Zulassung als Voraussetzung, diese Prüfpflicht werde in Ziff. 5.4 der GDP-Leitlinien näher ausgestaltet.

Zudem seien die Ziele der GDP-Leitlinie - Kontrolle der Vertriebskette, Verhinderung des Gelangens von gefälschten Arzneimitteln in die legale Lieferkette - allein durch seine Auslegung der GDP-Leitlinien umsetzbar, insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Arzneimitteldiebstähle und -fälschungen, die über einen unkontrollierten Handel über mehrere EU-Länder hinweg in den legalen Arzneimittelhandel zurückverbracht würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2014 ist hinsichtlich der in Ziffer 5 aufgegebenen Beseitigung der im Inspektionsbericht bezeichneten Mängel 6.2.8 (hierzu I.) und 6.2.9 (II.) rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die der Klägerin auferlegten Prüfpflichten finden weder in den Vorgaben des nationalen Arzneimittelrechts noch in Vorschriften europarechtlichen Ursprungs, insbesondere den gem. § 1a Satz 1 AM-HandelsV einzuhaltenden GDP-Leitlinien, eine Grundlage.

I. Eine Pflicht zur Prüfung des Bestehens einer Zulassung im Zielland, also dem Staat, in welchen die Klägerin das Arzneimittel exportiert, folgt nicht aus den Vorschriften des AMG.

Die Klägerin verstößt mit der hier streitgegenständlichen Tätigkeit nicht gegen das Verbringungsverbot gem. § 73 Abs. 1 AMG. Hiernach dürfen Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung oder Genehmigung nach § 21a AMG oder zur Registrierung unterliegen, nur in den Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes verbracht werden, wenn sie zum dortigen Verkehr zugelassen, nach § 21a AMG genehmigt, registriert oder von der Zulassung oder der Registrierung freigestellt sind. Die Arzneimittel, welche die Klägerin in das Bundesgebiet einführt, verfügen zwar nicht über eine Zulassung nach deutschem Recht; auch stellt eine Durchfuhr bereits ein Verbringen i.S.d. § 4 Abs. 32 Satz 1 AMG dar. Zugunsten der Klägerin sind jedoch die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 73 Abs. 2 Nr. 3a AMG gegeben, soweit sie Arzneimittel mit der Vorgabe nach Deutschland verbringt, diese im Wege der Durchfuhr in einen anderen EU- oder EWR-Staat zu liefern. Diese Arzneimittel verfügen über eine Zulassung in einem anderen EU- oder EWR-Staat. Sie werden, ggf. nach einer Zwischenlagerung, die gem. § 73 Abs. 2 Nr. 3a AMG weder Voraussetzung noch Ausschlussgrund ist,

vgl. auch BT-Drs. 17/9341, S. 66,

durch die Klägerin in einen anderen EU- oder EWR-Staat weiterverbracht. Auch ein solches Weiterverbringen in einen anderen EU- oder EWR-Staat als denjenigen, aus dem die Arzneimittel bezogen wurden, wird durch § 73 Abs. 2 Nr. 3a AMG privilegiert. § 73 Abs. 2 Nr. 3a AMG setzt ein Wiederausführen, Weiterverbringen oder Zurückverbringen voraus. Ausfuhr ist gem. § 4 Abs. 32 S. 4 AMG jedes Verbringen in einen Drittstaat, der nicht Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist. Verbringen ist jede Beförderung in den, durch den oder aus dem Geltungsbereich des AMG, § 4 Abs. 32 Satz 1 AMG. Durch die Nennung der Varianten Weiterverbringen und Zurückverbringen neben der Ausfuhr in § 73 Abs. 2 Nr. 3a AMG wird deutlich, dass auch eine Durchfuhr, die einen EU- oder EWR-Staat zum Ziel hat, von dem Verbringungsverbot ausgenommen ist. Durch die Nennung der Variante des Weiterverbringens wird zudem klargestellt, dass dieser Ausnahmetatbestand nicht voraussetzt, dass das Arzneimittel im Zielland der Durchfuhr als Arzneimittel zugelassen ist; denn es besteht weder eine Verknüpfung zwischen der Voraussetzung des Bestehens einer Zulassung in einem EU- oder EWR-Staat und derjenigen des Weiterverbringens noch ist ausschließlich ein Zurückverbringen in den EU- oder EWR-Staat, aus dem das Arzneimittel bezogen wurde, sondern auch ein Weiterverbringen in einen anderen Staat als Deutschland oder den Staat, aus dem das Arzneimittel nach Deutschland importiert wurde, von dem Verbringungsverbot ausgenommen.

Ebenso wenig verstößt die Klägerin gegen § 21 Abs. 1 AMG, da sie die zum Export vorgesehenen Arzneimittel nicht in Deutschland in den Verkehr bringt. Inverkehrbringen ist gem. § 4 Abs. 17 AMG das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere. Nach der Kommentarliteratur setzt § 4 Abs. 17 AMG voraus, dass in einem solchen Fall ein Verkauf oder eine sonstige Abgabe im Geltungsbereich des AMG beabsichtigt sein muss,

vgl. Rehmann, AMG, 4. Auflage, 2014, § 4, Rn. 17,

bzw. gilt dies jedenfalls hinsichtlich § 21 Abs. 1 AMG,

Winnands, in: Kügel/Müller/Hofmann, § 21, Rn. 4; Anker, in: Deutsch/Lippert, 3. Auflage, 2010, § 21, Rn. 19; vgl. auch Kloesel/Cyran, Stand: 127. AL., (April 2014), § 21, Rn. 13.

Der Ansicht ist zu folgen. § 21 Abs. 1 AMG regelt den Zugang zum deutschen Arzneimittelmarkt. Es ist nicht ersichtlich, dass der deutsche Gesetzgeber auch eine solche Handelstätigkeit einschränken wollte, die im Ausland vorgenommen wird und die Abnehmer im Ausland betrifft. Vielmehr geht aus dem Wortlaut des § 21 Abs. 1 AMG ? "dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden" - hervor, dass die Zulassungspflicht den Zugang zum deutschen Arzneimittelmarkt regelt,

vgl. BVerwG, EuGH-Vorlage vom 3. August 1989, 3 C 7/86, Rn. 16 - juris.

Für diese Auslegung spricht weiter, dass ansonsten der Privilegierungstatbestand des § 73 Abs. 2 Nr. 3a AMG weitgehend leer liefe. Dem Gesetzeszweck, eine Durchfuhr auch im Falle einer Zwischenlagerung in Deutschland zu ermöglichen, widerspräche es, wenn dasselbe Vorgehen eine Zulassungspflicht nach § 21 Abs. 1 AMG begründete.

Auch aus den Vorschriften der gem. § 1 a Satz 1 AM-HandelsV in Deutschland geltenden GDP-Leitlinien folgt für den grenzüberschreitenden Großhandel der Klägerin keine Prüfpflicht hinsichtlich des Bestehens einer Zulassung in dem Staat, in den die Klägerin die Arzneimittel exportiert.

Insbesondere sieht Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 1 der GDP-Leitlinien eine solche Pflicht nicht vor.

Zwar findet diese Vorschrift, anders als die Klägerin meint, auf ihre Tätigkeit des grenzüberschreitenden Großhandels mit EU-Arzneimitteln Anwendung.

Wie bereits aus der Einleitung der GDP-Leitlinien hervorgeht, regeln diese die Tätigkeit von Großhändlern. Die Einleitung zitiert die Definition des Großhandelsvertriebs gem. Art. 1 Abs. 17 der RL 2001/83/EG. Auch Kapitel 5 - Betrieb - richtet sich an Großhändler. So geht die Vorschrift der Ziff. 5.1 - Grundsatz - in jedem ihrer drei Absätze ausdrücklich auf die Tätigkeit des Großhändlers ein und verweist auf Art. 76 RL 2001/83/EG, welcher ebenfalls Vorgaben zum Großhandel enthält. Ziff. 5.2 - 5.4 stellen für den Betrieb des Großhandels sodann nähere Anforderungen auf, durch die die in der Einleitung genannten Ziele, insbesondere der Schutz der Lieferkette, umgesetzt werden. Hierzu differenzieren sie zwischen einzelnen Faktoren, die Einfluss auf die Lieferkette haben: zwischen personenbezogenen Faktoren - Zulieferern, Ziff. 5.2, und Kunden, Ziff. 5.3 - sowie produktbezogenen in Ziff. 5.4.

Insbesondere regelt auch Ziff. 5.4 die Tätigkeit von Großhändlern. Daran ist hinsichtlich der Abs. 1 und 2 nicht zu zweifeln. Ziff. 5.4 Abs. 1 statuiert Kontrollpflichten dahingehend, ob die eingehende Sendung korrekt ist, die Arzneimittel von zugelassenen Zulieferern stammen und dass sie während des Transports nicht sichtbar beschädigt wurden; Abs. 2 fordert die prioritäre Behandlung bestimmter Arzneimittel. Die hierin geforderten Handlungen sind nicht allein für mit dem Hersteller nicht identische Erstinverkehrbringer von Belang, sondern müssen von allen Großhändlern in der Lieferkette befolgt werden, um die Qualität der Arzneimittel sicherzustellen (Abs. 1, 2) bzw. Schutz vor gefälschten Produkten zu gewährleisten (Abs. 1). Dafür, dass sich die Vorschriften allgemein an Großhändler richten, spricht auch, dass Abs. 1 und offensichtlich auch Abs. 2 ("nach Abschluss der angemessenen Kontrollen") Pflichten im Anschluss an einen "Wareneingang" aufstellen, also an einen Vorgang, der bei allen Großhändlern zu verzeichnen ist und nicht lediglich in der Konstellation, dass Hersteller und Erst-Inverkehrbringer nicht identisch sind. Gleiches gilt für den Hinweis auf die "zugelassenen Zulieferer" ("approved suppliers") der Arzneimittel in Abs. 1: mit diesem Begriff, der weiter zu verstehen ist als derjenige des Herstellers, nimmt Ziff. 5.4 Abs. 1 Bezug auf die Vorschrift der Ziff. 5.2.

Dass Abs. 3 der Ziff. 5.4 sich dagegen nur an einen eingeschränkten Adressatenkreis wendet, ist der Norm nicht zu entnehmen. Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 2 beschreibt Verfahrensregeln für solche Arzneimittel, die aus einem anderen EU- oder EWR-Staat geliefert werden und für die bereits vor Übernahme in den verkaufsfähigen Bestand ein Kontrollbericht nach Art. 51 Abs. 1 RL 2001/83/EG vorliegt. Dass sich Abs. 3 nicht allein auf die Konstellation bezieht, dass Hersteller und Erst-Inverkehrbringer nicht identisch sind, ergibt sich aus der Formulierung "Aufnahme in den verkaufsfähigen Bestand" ("to transfer to saleable stock"): sie unterscheidet sich von der Begrifflichkeit "Inverkehrbringen" ("to place on the market") gem. Art. 6 Abs. 1 RL 2001/83/EG. Zudem wird der Begriff des verkaufsfähigen Bestandes in den GDP-Leitlinien nicht allein in Bezug auf bestimmte Sonderkonstellationen verwandt, sondern in Verbindung mit den Tätigkeiten eines jeden Großhändlers; so in der Regelung der Ziff. 2.2 Abs. 5 xi), der sich auf die Aufgaben der verantwortlichen Person des Großhändlers bezieht; in Ziff. 5.5 Abs. 6: "Arzneimittel, deren Verfalldatum/Haltbarkeit überschritten ist, sollten (...) aus dem verkaufsfähigen Bestand entfernt werden"; sowie in Ziff. 3.2 Abs. 4 (zur gesonderten Lagerung von Produkten, die aus dem verkaufsfähigen Bestand entfernt wurden) und 6.3 Abs. 2, 3, 4, 5 (zur Behandlung zurückgegebener Arzneimittel).

Nichts anderes folgt aus der Verwendung des Begriffs "Charge" bzw. "batch" in Ziff. 5.4 Abs. 3. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass mit "Charge" bzw. "batch" die Gesamtheit der Einheiten einer Darreichungsform, die aus der gleichen Ausgangsmenge von Material entstehen und der gleichen Abfolge von Herstellungsabläufen unterzogen werden, bzw. im Falle eines kontinuierlichen Herstellungsprozesses die Gesamtheit aller Einheiten, die in einem bestimmten Zeitraum hergestellt werden, bezeichnet wird, vgl. Anhang I, Teil I Nr. 3.2.2.5 RL 2001/83/EG. Allerdings bezieht sich diese Definition auf den Vorgang der Kontrolle eines Fertigarzneimittels, also auf die in Art. 51 Abs. 1 RL 2001/83/EG geregelte Tätigkeit. Der Begriff der "Charge" ("batch") bezieht sich in Ziff. 5.4 Abs. 3 der GDP-Leitlinien hingegen auf eine einheitliche Menge von einem Großhändler gelieferten Arzneimitteln. Er deutet nicht darauf hin, dass die Vorschrift ausschließlich auf die Konstellation des Auseinanderfallens von Hersteller und Erst-Inverkehrbringer Anwendung findet oder dass der Bezug einer vollständigen Produktionscharge Voraussetzung für dessen Anwendung ist; Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 1 der GDP-Leitlinien findet auch auf die Lieferung geringerer Mengen als vollständiger Chargen Anwendung.

Hierfür spricht, dass der Begriff "batch" bereits in Ziff. 5.14 der Revised Commission Guidelines, der englischsprachigen Entwurfsfassung der GDP-Leitlinien, aus dem Jahr 2011 erwähnt wird (abgerufen unter http://ec.europa.eu/health/files/eudralex/vol-4/2011-07_gdpguidline_publicconsultation.pdf); dieser lautet: "In the event of any suspicion of falsified medicinal product, the batch should immediately be segregated and reported to the national competent authority (...)." Auf Ziff. 5.14 der Entwurfsfassung folgt - unter Ziff. 5.15 - unmittelbar diejenige Regelung, die sich nunmehr in Ziff. 5.4 Abs. 3 der GDP-Leitlinien wiederfindet. Diese Nähe der beiden Vorschriften in der Entwurfsfassung spricht dafür, dass der Begriff. "batch" in diesen identisch zu verstehen ist.

Hinsichtlich Ziff. 5.14 der Entwurfsfassung ist der Begriff "batch" dahingehend auszulegen, dass er sich nicht ausschließlich auf die Lieferung vollständiger Produktionschargen bezieht, sondern auch auf Teilmengen von Produktionschargen, die an einen Großhändler in einer einheitlichen Lieferung übergeben werden. Denn die in Ziff. 5.14 der Entwurfsfassung statuierte Pflicht, bei Verdacht auf ein Vorliegen gefälschter Produkte die "Charge" zu separieren und die zuständigen nationalen Behörden zu informieren, kann in Hinblick auf ihren Zweck, den Schutz der Lieferkette vor dem Eindringen gefälschter Arzneimittel gewähren, nur umgesetzt werden, wenn man den Begriff der "Charge" nicht allein auf eine vollständige einheitliche Produktionsmenge bezogen versteht. Zudem verweist Ziff. 5.14 der Entwurfsfassung ausdrücklich auf Art. 80 lit.i) RL 2001/83/EG. Hierin ist jedoch nicht von einer vollständigen Produktionscharge, sondern von "Arzneimitteln, die (der Großhändler) erhält oder die ihm angeboten werden", ("medicinal products they receive or are offered") die Rede. Daraus folgt, dass bei der Ausarbeitung der Entwurfsfassung der GDP-Leitlinien der Begriff "Charge" bzw. "batch" sowohl in Ziff. 5.14 als auch in Ziff. 5.15 abweichend von der in Anhang I, Teil I Nr. 3.2.2.5 RL 2001/83/EG genannten Definition und in dem vorstehend ausgeführten Sinne benutzt wurde.

Nichts anderes folgt für die Auslegung der Ziff. 5.4 Abs. 3 der GDP-Leitlinien daraus, dass sich die Regelung der Ziff. 5.14 der Entwurfsfassung nunmehr in Ziff. 6.4 Abs. 1 der GDP-Leitlinien wiederfindet, ihr Wortlaut an denjenigen des Art. 80 lit.i) RL 2001/83/EG angepasst wurde und der Begriff der Charge entfallen ist. Denn dies ändert nichts an der Feststellung, dass der Begriff "Charge" bzw. "batch" im Rechtsetzungsprozess anders verwandt wurde, als er in Anhang I, Teil I Nr. 3.2.2.5 RL 2001/83/EG definiert ist. Weder aus der Entwurfsfassung noch aus der aktuellen Fassung der GDP-Leitlinien geht hervor, dass die Vorschrift lediglich auf Sonderkonstellationen Anwendung finden soll. Vielmehr sprechen auch Sinn und Zweck der in Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 1 und 2 der GDP-Leitlinien beschriebenen Vorgaben dafür, dass sie auf alle Großhändler Anwendung finden: denn Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 1 der GDP-Leitlinien setzt die Vorgaben des Art. 76 Abs. 2 RL 2001/83/EG um, Satz 2 nimmt Bezug auf Art. 51 Abs. 1 Unterabs. 3 RL 2001/83/EG und schützt die Lieferkette vor dem Eindringen gefälschter Arzneimittel.

Die Weiterveräußerung samt Transport nach eventueller Lagerung ist eine Tätigkeit, die nach einer Aufnahme in den verkaufsfähigen Bestand i.S.d. Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 1 der GDP-Leitlinien vorgenommen wird. Die Aufnahme in den verkaufsfähigen Bestand muss schon begrifflich vor der eigentlichen Veräußerung bzw. Übergabe erfolgen. Unabhängig davon, ob sie die Arzneimittel zwischenzeitlich in ihrer Betriebsstätte lagert, verfügt die Klägerin in der Weise über die Arzneimittel, dass sie sie weiterveräußern kann, sie die Arzneimittel also ihren am Markt angebotenen Beständen zugeführt hat. Neben dem Wortlaut sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung, die Lieferkette von Arzneimitteln umfassend zu regeln, dafür, dass auch eine solche großhändlerische Tätigkeit die Pflichten nach Ziff. 5.4 Abs. 3 der GDP-Leitlinien begründet.

Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 1 der GDP-Leitlinien stellt an Großhändler allerdings nicht die Anforderung, dass diese vor der Übernahme einer Liefereinheit von Arzneimitteln in ihren verkaufsfähigen Bestand, die für einen EU- oder EWR-Staat bestimmt ist, überprüfen müssen, ob diese Arzneimittel zum Verkauf in dem Zielland ihrer Handelstätigkeit zugelassen sind. Die Vorschrift gibt für den vorliegenden Fall lediglich vor, dass die Klägerin zu prüfen hat, ob das Arzneimittel über eine Zulassung gem. der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 oder über eine Zulassung eines Mitgliedstaats verfügt.

Auf welche Zulassung sich die Prüfung bezieht, ist dem Wortlaut, dass "sichergestellt ist, dass sie zum Verkauf zugelassen sind" ("that they are authorised for sale"), nicht zu entnehmen. Insbesondere wird nicht ausdrücklich der Markt des EU- oder EWR-Staates, für den die Arzneimittel bestimmt sind, in Bezug genommen.

Dass eine Zulassung stets für den Zielstaat einer Großhandelstätigkeit bestehen muss, lässt sich der Norm auch nicht bei systematischer Auslegung der GDP-Leitlinien entnehmen. So kann aus der Nennung des "market in question" in Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 2 nicht darauf geschlossen werden, dass auch in Satz 1 ein "market in question" oder gar der Zielstaat einer Handelstätigkeit in Bezug genommen wird; denn zwischen den beiden Sätzen besteht insofern ein Unterschied, als sich Satz 1 auf Arzneimittel bezieht, die für einen EU- oder EWR-Staat bestimmt sind, und Satz 2 auf Arzneimittel, die aus einem EU- oder EWR-Staat stammen, sowie insofern, als sich die Regelung in Satz 1 auf die Zulassung, in Satz 2 auf die Freigabe bezieht.

Auch die Entstehungsgeschichte der Ziff. 5.4 Abs. 3 der GDP-Leitlinien lässt nicht erkennen, dass sich die Zulassung stets auf den Zielstaat beziehen muss. Zwar enthielt Ziff. 5.15 der Entwurfsfassung in Satz 1 den ausdrücklichen Hinweis auf den "market in question": "Batches of medicinal products intended for the Union market should not be transferred to saleable stock before assurance has been obtained in accordance with written procedures, that they are authorised and released for sale for the market in question.” Angesichts dessen, dass in der endgültigen Fassung die Worte "released" und "for the market in question" entfallen sind und sich die Vorgabe des "market in question" in Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 2 auf die Freigabe bezieht, ist davon auszugehen, dass bereits in der Entwurfsfassung der Zusatz "for the market in question" lediglich auf die Freigabe, nicht aber die Zulassung bezogen wurde, so dass auch in der endgültigen Fassung nicht auf die Zulassung in einem bestimmten Mitgliedstaat abzustellen ist.

Gegen eine Auslegung der Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 1 der GDP-Leitlinien dahingehend, dass es stets auf die Zulassung im Zielstaat ankäme, spricht zudem, dass die Vorgaben des EU-Arzneimittel- bzw. Großhandelsrechts grundsätzlich nur eine Zulassung gem. der Verordnung 726/2004 oder eine durch einen Mitgliedstaat erteilte Zulassung vorsehen; dies folgt aus Art. 76 Abs. 2 RL 2001/83/EG. Dieser lautet: "Für die Zwecke des Großhandelsvertriebs (...) muss das Arzneimittel über eine gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 oder durch die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats gemäß dieser Richtlinie erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen verfügen." Damit privilegiert Art. 76 Abs. 2 RL 2001/83/EG den Großhandel insofern, als von den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 RL 2001/83/EG, auf den Art. 76 Abs. 1 Bezug nimmt und der für das Inverkehrbringen eine Zulassung in dem betreffenden Staat voraussetzt, abgesehen wird, soweit Arzneimittel nicht gem. Art. 6 RL 2001/83/EG in den Verkehr gebracht werden. Dies zeigt sich daran, dass Art. 76 Abs. 2 RL 2001/83/EGim unmittelbaren Anschluss an die Regelung des Abs. 1 ausdrücklich eine - privilegierende - Regelung "für die Zwecke des Großhandels" ("in the case of wholesale distribution"/ "en ce qui concerne les activités de distribution en gros") vorsieht.

Zwar ist dem EU-Arzneimittelrecht neben diesem Grundsatz die Anerkennung einzelner nationaler Zulassungen nicht fremd, vielmehr anerkennt und respektiert es, dass neben der ersten Zulassung in einem Nationalstaat die Mitgliedstaaten weitere nationale Zulassungen für den Zugang zu ihren Märkten vorsehen. Dies folgt bereits aus Art. 6, 76 Abs. 1, 3 Satz 2 RL 2001/83/EG, ändert jedoch nichts an der grundsätzlichen Regelung des Art. 76 Abs. 2 RL 2001/83/EG, nach der in Bezug auf die Großhandelstätigkeit generell lediglich das Vorliegen einer Zulassung vorausgesetzt wird.

Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 1 ist in Zusammenhang mit Ziff. 5.1 Abs. 2 und 3 der GDP-Leitlinien zu sehen. Diese Regelungen greifen ausweislich der Fußnoten ausdrücklich die Vorgaben des Art. 76 Abs. 1 - 3 der RL 2001/83/EG auf. Ziff. 5.1 Abs. 2 wiederholt den Grundsatz, dass lediglich eine Zulassung für das Arzneimittel vorliegen muss. Hinsichtlich - weiterer - nationaler Vorgaben verweist Ziff. 5.1 Abs. 3 auf die Mitteilungspflicht an die Behörden des einzelnen Mitgliedstaates (Art. 76 Abs. 3 RL 2001/83/EG). Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 1 der GDP-Leitlinien stellt keine weitergehenden Prüfpflichten auf, als sie die RL 2001/83/EG vorsieht.

Nichts anderes folgt aus der Entscheidung des VG Köln vom 19. Februar 2015,

VG Köln, Beschluss vom 19. Februar 2015, 7 L 2088/14, Rn. 51 - juris.

Hierin führt das Gericht aus, dass die Auffassung, die Richtlinie - gemeint ist die Richtlinie 2001/83/EG - gehe davon aus, dass in einem Mitgliedstaat zugelassene Arzneimittel sicher und innerhalb der EU handelbar seien, in dieser Allgemeinheit keine Stütze im Unionsrecht finde. Dem ist zuzustimmen, denn Art. 6 RL 2001/83/EG lässt es hinsichtlich des Inverkehrbringens nicht genügen, dass (irgend)eine Zulassung in einem Mitgliedstaat vorliegt. Anders als in dem vom VG Köln zu entscheidenden Verfahren bringt die Klägerin im vorliegenden Verfahren die Arzneimittel jedoch nicht in Deutschland in den Verkehr. Die Prüfung des nationalen Zulassungsrechts im Zielland obliegt den nationalen Behörden dieses Staates, nicht des Beklagten.

Auch aus anderen Normen folgt keine Grundlage für die Auferlegung einer Prüfpflicht, wie sie der Beklagte in der Beanstandung 6.2.8 vorgesehen hat.

II. Ebenso ist die Klage hinsichtlich der Beseitigung der Beanstandung 6.2.9 des Inspektionsberichts begründet. Für eine Pflicht zur Prüfung der QP-Freigabe oder eines äquivalenten Nachweises der Freigabe für den Zielmarkt des Landes, in welches die Klägerin die Arzneimittel exportiert, findet sich keine Grundlage.

Eine solche Prüfpflicht ergibt sich insbesondere nicht aus Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 2 der GDP-Leitlinien. Hiernach sollte der Großhändler - zur Anwendbarkeit der Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 2 auf Großhändler gelten die gleichen Erwägungen wie zu Satz 1 - bei Lieferungen aus einem anderen Mitgliedstaat vor der Aufnahme der Arzneimittel in den verkaufsfähigen Bestand den in Art. 51 Abs. 1 RL 2001/83/EG genannten Kontrollbericht oder einen anderen, auf einem gleichwertigen System beruhenden Nachweis der Marktfreigabe ? hierzu sogleich - von angemessen ausgebildetem Personal sorgfältig prüfen lassen.

Abweichend von dem Wortlaut der deutschen Übersetzung verpflichtet Satz 2 - hierin ist dem Beklagten zu folgen - nicht zur Prüfung der Zulassung, sondern zur Prüfung der Freigabe. Dies folgt zum Einen aus dem Wortlaut der englischsprachigen Fassung, der insofern besondere Bedeutung zukommt, als die Entwurfsfassung ebenfalls in englischer Sprache ausgeführt wurde, so dass hieraus Rückschlüsse auf die Entstehungsgeschichte gezogen werden können; dieser stellt ab auf "another proof of release to the market in question." Wie bereits dargestellt, enthielt Satz 1 der Entwurfsfassung eine Vorgabe dahingehend, dass die Arzneimittel "authorised and released for sale" sind. So wird deutlich, dass mit "authorised" und "released" verschiedene Aspekte des Arzneimittelrechts gemeint sind. Zum Anderen folgt dies daraus, dass Satz 2 ausdrücklich Bezug auf den in Art. 51 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2001/83/EG genannten Kontrollbericht nimmt, also den Vorgang der Freigabe.

Diese Prüfpflicht vollzieht der Bescheid des Beklagten nicht zutreffend nach. Gem. Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 2 der GDP-Leitlinien ist nicht die Freigabe für den Zielmarkt einer Großhandelstätigkeit zu prüfen, sondern der in Art. 51 Abs. 1 RL 2001/83/EG genannte Kontrollbericht oder ein anderer, auf einem gleichwertigen System beruhender Nachweis der Marktfreigabe für den Staat, aus dem die Arzneimittel stammen und für den sie (ursprünglich) freigegeben wurden.

Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 2 der GDP-Leitlinien spricht in der englischen Fassung von dem "market in question"; anders als ggf. in der Entwurfsfassung zu Satz 1 bezieht sich der Begriff hier jedoch auf den ausdrücklich in Satz 2 genannten Markt, nämlich denjenigen, aus dem die Arzneimittel stammen, denn Satz 2 bezieht sich auf "Chargen aus einem anderen Mitgliedstaat", nicht auf "Chargen (...), die für EU- oder EWR-Länder bestimmt sind", Satz 1. Dies folgt auch daraus, dass es sich - wie aus der englischen Fassung deutlicher hervorgeht - um "another proof of release to the market in question", also einen anderen Nachweis der Freigabe für den betreffenden Markt handeln muss. Auch aus der Bezugnahme auf Art. 51 Abs. 1 RL 2001/83/EG folgt, dass der Kontrollbericht Nachweis über die Freigabe für den Markt desjenigen Mitgliedstaates erbringt, für den das Arzneimittel hergestellt wurde.

Dem steht nicht entgegen, dass die Europäische Kommission in ihrem Questions and Answers-Papier vom 13. November 2013, Antwort zu Frage 13, ausgeführt hat: "In other words, the batch arriving from another member state needs to be accompanied by evidence that the manufacturer`s qualified person has certified the finished product batch for the target member state.” Zwar wird hier ausdrücklich ein Zielstaat ("target member state”) erwähnt, jedoch ist nach der Formulierung der Kommission der Zielstaat der Herstellung gemeint, auf den sich der Kontrollbericht der in Art 48 RL 2001/83/EG genannten sachkundigen Person bezieht.

Die GDP-Leitlinien beabsichtigen einen umfassenden Schutz durch Aufstellung von Regelungen für die gesamte Lieferkette. Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 2 stellt daher auf die Aufnahme in den verkaufsfähigen Bestand eines Großhändlers ab, nicht hingegen darauf, dass dieser das Arzneimittel in Verkehr bringt, wozu er ggf. das Arzneimittel für den jeweiligen Markt freigeben müsste, vgl. §§ 16, 17 AMWHV für das deutsche Recht. Vielmehr wird der Schutz der legalen Lieferkette bereits dadurch gefördert, dass jedes Glied der (Großhandels-) Lieferkette den Kontrollbericht nach Art. 51 Abs. 1 RL 2001/83/EG oder einen auf einem gleichwertigen System beruhenden Nachweis der Marktfreigabe prüft, denn hierdurch wird sichergestellt, dass die bezogenen Arzneimittel aus einer kontrollierten, für einen Mitgliedstaat freigegebenen Charge stammen.

Der Bescheid kann allerdings nicht mit dem Teil aufrecht erhalten werden, dass der Klägerin auferlegt wird, den in Art. 51 Abs. 1 RL 2001/83/EG genannten Kontrollbericht zu prüfen. Denn nach Ziff. 5.4 Abs. 3 Satz 2 der GDP-Leitlinien kann alternativ auf einen anderen, auf einem gleichwertigen System beruhenden Nachweis der Marktfreigabe zurückgegriffen werden. Diese Möglichkeit würde der Klägerin durch die teilweise Aufrechterhaltung genommen, zumal hierdurch der Bescheid in einer Weise umgedeutet würde, wie ihn der Beklagte offensichtlich nicht erlassen wollte, da sie der Klägerin explizit die Prüfung der Freigabe für den Zielstaat des Exportes aufzugeben beabsichtigte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

Gründe, die Berufung gem. §§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.