LG Münster, Urteil vom 27.10.2015 - 03 S 32/15
Fundstelle
openJur 2015, 19680
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.02.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dülmen (Az. 3 C 116/14) abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.273,37 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.09.2013 sowie Mahnkosten in Höhe von 10,00 Euro zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 281,30 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.01.2014 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten für Dienstleistungen im Rahmen der Optimierung seines Tarifs der privaten Krankenversicherung auf Zahlung von 2.273,37 Euro in Anspruch.

Auf der Grundlage einer Dienstleistungsvereinbarung vom 22.02.2012 kamen die Parteien überein, dass die Klägerin für den Beklagten bei dessen Versicherer Einsparmöglichkeiten im Bereich der Krankenversicherung recherchieren sollte und dafür die eingesparten Monatsbeiträge acht Mal als Honorar erhalten sollte. In einem Schreiben an den Versicherer wies die Klägerin auf ihren Status als Versicherungsberaterin nach § 34e GewO hin und forderte Umstellungsangebote für die Tarife F und F1 ohne Risikozuschläge gem. § 204 VVG an. Über die bestehenden Möglichkeiten einer Tarifänderung informierte sie den Beklagten per Email und fügte weitere Dokumente bei. Der Fortgang der Beratung vor allem der Inhalt von Telefongesprächen ist zwischen den Parteien umstritten. Letztlich wechselte der Beklagte zum 01.01.2013 - wie er vorbringt auf Beratung und Betreiben Dritter - in den von der Klägerin nachgewiesenen Tarif F1. Hierdurch erzielt der Beklagte monatliche Einsparungen gegenüber seinem vorherigen Tarif von 238,80 Euro. Folglich stellte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 30.07.2013 einen Betrag von 2.273,37 Euro in Rechnung (Bl. 10 d.A.) und mahnte die Zahlung erstmals mit Schreiben vom 04.09.2013 unter Fristsetzung bis zum 18.09.2013 an. Auch eine schriftliche Zahlungsaufforderung des Bevollmächtigten der Klägerin vom 24.12.2013 blieb ergebnislos.

Die Klägerin begehrt die Zahlung des genannten Betrages. Sie ist der Ansicht, ihr stünde als Dienstleisterin die vereinbarte Vergütung zu, da ihr Tätigwerden für den Tarifwechsel kausal geworden sei. Auf gerichtlichen Hinweis (Bl. 113 d.A.) teilte sie mit, dass sie mittlerweile als Versicherungsmaklerin gem. § 34d GewO registriert sei. Als das Amtsgericht den Status zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Beklagten erfragte, teilte die Klägerin mit, dass es zutreffe, dass sie zuvor als Versicherungsberaterin registriert war, dies aber für die geltend gemachten Ansprüche irrelevant sei.

Das Amtsgericht hat die Klage abwiesen. Es ist der Ansicht, dass die Klägerin im relevanten Zeitpunkt als Versicherungsberaterin gem. § 34e GewO tätig geworden sei und ein nach § 4 Abs. 2 RDGEG i.V.m. § 4a RVG unzulässiges Erfolgshonorar vereinbart habe. Überdies habe sie eine denkbare Vergütung nach dem RVG aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 BGB der Höhe nach nicht dargelegt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Berufung und verfolgt ihr Klageziel weiter. Sie meint das Amtsgericht habe gegen den Beibringungsgrundsatz verstoßen, da es trotz unsubstantiierten Vorbringens des Beklagten den Status als Versicherungsberaterin im maßgeblichen Zeitpunkt ermittelt habe. Auch fielen Versicherungsberater nicht unter den Begriff der registrierten Erlaubnisinhaber gem. § 4 Abs. 1 S. 1 RDGEG. Jedenfalls aber könnte aus der Vereinbarung eine Vergütung nach dem Gegenstandswert gefordert werden, den die Klägerin mit 17.879,57 € beziffert.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er weist ergänzend insbesondere darauf hin, dass der von der Klägerin angenommene Gegenstandswert überzogen sei. Ohnehin könne die Neuberechnung der Vergütung wegen Verspätung nicht mehr erfolgen.

Im Übrigen wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

II.

Die gem. § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige, insbesondere in gesetzlicher Form und Frist eingelegte und begründete Berufung hat Erfolg.

Aus der Dienstleistungsvereinbarung vom 22.02.2015 kann die Klägerin als damalige Versicherungsberaterin i.S.v. § 34e GewO von dem Beklagten eine Vergütung in Höhe von 2.273,37 Euro verlangen.

1.

Das Amtsgericht ist zunächst verfahrensfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin beim Vertragsabschluss am 22.02.2012 als Versicherungsberaterin i.S.v. § 34e GewO tätig war. Insbesondere scheidet der gerügte Verstoß gegen die Beibringungsmaxime aus.

Es ist rechtlich keineswegs zu beanstanden, dass das Amtsgericht zunächst auf die Bezeichnung Versicherungsberaterin i.S.v. § 34e GewO abstellte, die die Klägerin in ihrer Email vom 24.02.2012 selbst gebrauchte. Dieses Dokument hat die Klägerin nämlich zum Gegenstand ihres Parteivortrages gemacht, indem sie es als Anlage zur Klageschrift einreichte. Das Amtsgericht hat die Klägerin von seiner Sichtweise auch unterrichtet. Als die Klägerin daraufhin vortrug, Versicherungsmaklerin nach § 34d GewO zu sein und einen entsprechenden Auszug aus dem Versicherungsvermittlerregister vom 22.08.2014 vorlegte, forderte das Amtsgericht die Klägerin auf, sich in Bezug auf ihre Registrierung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Beklagten zu erklären. In ihrem Schriftsatz vom 10.09.2014 räumte die Klägerin sodann ein, dass es zutreffe, dass sie zuvor den Status des Versicherungsberaters nach § 34e GewO gehabt habe. Zudem trug sie vor, dass sich dieser indes nicht auf ihren Klageanspruch auswirken würde. Das Amtsgericht konnte diese Bekundung vor dem Hintergrund des gesamten Vorbringens der anwaltlich vertretenen Klägerin nur so verstehen, dass dem anfänglichen Vortrag aus der Anlage zur Klageschrift nicht widersprochen wird.

2.

Die Kammer folgt allerdings nicht der Auffassung des Amtsgerichts, dass sich die Vergütung eines Versicherungsberaters nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) richtet. Selbst wenn man dieser Auffassung folgen würde und ein Erfolgshonorar wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 RDGEG i.V.m. § 4a RVG nicht geschuldet wäre, ergäbe sich mangels Vereinbarung einer Stundenlohnabrede eine Abrechnung auf der Basis des Gegenstandswertes nach §§ 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, 22 Abs. 1, 13, 14 RVG. Dies hätte, wie im Hinweis des Berichterstatters vom 30.06.2015 dargelegt, zu einem Honoraranspruch der Klägerin in Höhe von 958,19 Euro geführt.

Die Kammer ist vielmehr der Überzeugung, dass § 4 Abs. 2 RDGEG auf Versicherungsberater keine Anwendung findet, was im Termin vom 01.09.2015 erörtert wurde. Insofern ist es auch letztlich unerheblich, ob die Klägerin als Versicherungsberaterin oder Versicherungsmaklerin einzustufen war.

a.

Zwar hat das Landgerichts Hamburg die Auffassung vertreten, dass ein Versicherungsberater, der über eine Erlaubnis nach § 34e GewO verfügt, als registrierter Erlaubnisinhaber im Sinne von § 4 Abs. 1 RDGEG anzusehen sei (LG Hamburg, Urteil vom 22.03.2013 - 315 O 76/12 - Rn. 44ff, juris).

b.

Demgegenüber hat bereits das Landgericht München I ausgeführt, dass § 4 Abs. 2 RDGEG auf Versicherungsberater keine Anwendung finde (LG München I, Urteil vom 19.09.2014, Az. 41 O 2962/14 nicht in Juris oder beck; vgl. Bl. 241ff (246) d.A.). Insoweit wird dargelegt, dass registrierte Erlaubnisinhaber nur Personen sein können, die sich gem. § 13 RDG hätten registrieren lassen (Krenzler, RDG, § 4 RDGEG Rn. 9). Versicherungsberater seien jedoch gem. § 2 RDGEG davon ausdrücklich ausgenommen, da sie nur eine Erlaubnis nach der Gewerbeordnung, nicht jedoch nach dem RDG erhalten. Ohne diese von § 1 Abs. 1 RDGEG abweichende Bestimmung in § 2 RDGEG wäre es Alterlaubnisinhabern aber möglich gewesen nach § 1 Abs. 3 S. 2 RDGEG eine Registrierung zu erreichen (Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2014, § 1 RDGEG Rn. 2). Dies sei offensichtlich vom Gesetzgeber gerade nicht beabsichtigt. Dieser Auffassung hat sich das OLG München angeschlossen (Verfügung, vom 27.01.2015, Az. 17 U 4052/14 nicht in Juris oder beck; vgl. Bl. 240 d.A.). Diese Auffassung deckt sich auch mit der weiteren Entscheidung des LG Potsdam (LG Potsdam, Urteil vom 05.08.2015, Az. 6 S 3/15; vgl. Bl. 282 d.A.) und entspricht zudem der aktuellen Literaturmeinung (vgl. Deckenbrock/Hensler, Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), 4. Aufl. 2015, § 4 Rn. 4).

c.

Die Kammer folgt aus den überzeugenden Gründen der letztgenannten Auffassung, zumal schon systematisch alles dafür spricht, dass "registrierte Erlaubnisinhaber" i.S.d. § 4 Abs. 1 RDGEG nur solche sind, die sich nach § 1 Abs. 1 S. 2 RDGEG i.V.m. § 13 RDG und nicht nach der Gewerbeordnung registrieren lassen können.

3.

Die insoweit wirksame Dienstleistungsvereinbarung der Parteien verstößt auch nicht gegen sonstige Bestimmungen, insbesondere nicht gegen §§ 305 ff BGB. Insoweit folgt die Kammer ebenfalls der Rechtsauffassung des LG Potsdam (LG Potsdam, Urteil vom 05.08.2015, Az. 6 S 3/15; vgl. Bl. 282 d.A.).

4.

Die weiteren Voraussetzungen des sich somit ergebenden Anspruchs der Klägerin liegen ebenfalls vor. Die Klägerin ist für den Beklagten tätig geworden. Der Beklagte hat einen Tarifwechsel vorgenommen, der sehr weitgehend mit dem von der Klägerin empfohlenen Wechsel identisch ist. Insoweit ist die Kausalität auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten, der Wechsel sei auf das Betreiben einer weiteren Person zurückzuführen, gegeben. Denn nach der Dienstleistungsvereinbarung der Parteien vom 22.02.2012 reicht es aus, dass der Beklagte als Kunde eine Einsparmöglichkeit in Anspruch genommen hat, die die Klägerin recherchiert hat. Auch die Höhe der Forderung entspricht den nachgewiesenen Einsparungen, so dass die Berechnung zutreffend ist.

5.

Der Beklagte ist mit der Zahlung des berechtigten Teils der Forderung der Klägerin mit Ablauf der im Schreiben vom 04.09.2013 bis zum 18.09.2013 gesetzten Frist in Verzug geraten und muss diese daher mit Beginn des darauf folgenden Tages mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verzinsen, §§ 286, 288 BGB. Ebenso erfolgte die anwaltliche Tätigkeit nach dem Eintritt des Verzuges, so dass diese Kosten sowie die weiteren Mahnkosten unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens geltend gemacht werden können.

III.

1.

Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

2.

Die Zulassung der Revision (§ 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO) zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung war nicht geboten. Zu der Frage, ob die Vereinbarung eines Erfolgshonorars durch einen Versicherungsberater i.S.v. § 34e GewO gegen § 4 Abs. 2 RDGEG i.V.m. § 4a RVG verstößt, existiert zwar eine abweichende Entscheidung des LG Hamburg (Urteil vom 22.03.2013 - 315 O 76/12 - Rn. 44ff, juris), gleichwohl kann angesichts der sonstigen einheitlichen Rechtsprechung kein Bedarf für eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung festgestellt werden.

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