FG Münster, Urteil vom 21.11.2001 - 10 K 6744/00 E
Fundstelle
openJur 2011, 14748
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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

Gründe

Streitig ist, ob bei einem Wechsel zur "Vollbeschäftigung" Arbeitslohn aus einer vorherigen geringfügigen Beschäftigung gemäß § 3 Nr. 39 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei zu belassen ist.

Die Klägerin war bis zum 31.10.1999 im Rahmen eines geringfügigen Arbeitsverhältnisses beschäftigt und bezog in der Zeit vom 01.04. bis 31.10.1999 einen Arbeitslohn von 4.214 DM, den der Arbeitgeber auf Grund der Vorlage einer Bescheinigung nach § 3 Nr. 39 i.V.m. § 39 a Abs. 6 EStG steuerfrei auszahlte. Nach Umwandlung des Beschäftigungsverhältnis zum 01.11.1999 erhielt die Klägerin in der Zeit vom 01.11. - 31.12.1999 einen nach Steuerklasse V versteuerten Arbeitslohn von 4.168 DM.

Bei der Einkommensteuerveranlagung für 1999 unterwarf der Beklagte auch die lohnsteuerfrei belassenen Einnahmen der Klägerin für die Zeit vom 01.04. - 31.10. 1999 der Besteuerung.

Mit der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage begehren die Kläger, die Einnahmen aus der geringfügigen Beschäftigung steuerfrei zu belassen. Sie sind der Auffassung, diese Einnahmen blieben gem. § 3 Nr. 39 EStG steuerfrei, da die Summe der anderen Einkünfte der Klägerin nicht positiv sei. Unter den Begriff "andere Einkünfte" fielen per Legaldefinition und zivilrechtlicher Beurteilung nicht Einkünfte aus demselben Beschäftigungsverhältnis bei demselben Arbeitgeber. Im Streitfall habe sich nicht die Einkunftsart geändert. Es seien lediglich die Arbeitszeit und der damit verbundene Lohn erhöht worden.

Außerdem bleibe bei der Anwendung des § 3 Nr. 39 EStG im Veranlagungszeitraum 1999 ein versicherungsfreies Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 des 4. Buches Sozialgesetzbuch außer Ansatz (§ 52 Abs. 7 EStG). Hierdurch werde vermieden, dass die Steuerfreiheit eines Arbeitsentgelts versagt werden müsse, weil das Arbeitsentgelt aus derselben Tätigkeit vor dem 01.04.1999 versicherungsfrei gewesen sei und deshalb den für die Steuerfreiheit schädlichen Einkünften zugerechnet werde.

Gleiches müsse gelten, wenn der Arbeitnehmer aus demselben Arbeitsverhältnis in einem späteren Zeitraum höhere Einnahmen erziele.

Zudem könnten mit der Summe der positiven anderen Einkünfte im Sinne des § 3 Nr. 39 EStG nur zeitgleich erzielte weitere Einkünfte gemeint sein. Eine andere Auffassung führe dazu, dass bei jedem Wechsel von der Pauschalbesteuerung zu lohnversteuerten Arbeitseinkünften die Steuerfreiheit des § 3 Nr. 39 EStG entfiele. Dies laufe dem Willen des Gesetzgebers zuwider, für verheiratete und allein stehende Frauen den Neu- und Wiederzugang in die Berufstätigkeit zu fördern und zu erleichtern.

Schließlich sei zu beachten, dass die angesetzten Gesamteinkünfte der Klägerin von 6.382 DM die nach dem neuen § 3 Nr. 39 EStG mögliche Höchstgrenze von jährlich 7.560 DM (12 x 630 DM) nicht überschritten.

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 08.06.2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung der von der Klägerin für die Zeit vom 01.04. bis 31.10.1999 erzielten Einnahmen von 4.214,10 DM festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, der streitige Arbeitslohn sei rechtmäßig besteuert worden, da die Klägerin in der Zeit vom 01.11. - 31.12.1999 andere Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i.H.v. 2.168 DM erzielt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird insbesondere auf die Schriftsätze der Klägervertreter vom 06.11.2000 und 07.11.2001 und des Beklagten vom 17.11.2000 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Die Klage ist nicht begründet.

Der Beklagte hat zu Recht die von der Klägerin für die Zeit vom 01.04. - 31.10.1999 aus dem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis erzielten Arbeitsentgelte i.H.v. insgesamt 4.214 DM nicht steuerfrei belassen.

Nach § 3 Nr. 39 EStG ist Arbeitslohn aus einer geringfügigen Beschäftigung i.S.d.

§ 8 Abs. 1 Nr. 1 des 4. Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV), für das der Arbeitgeber Beiträge nach § 168 Abs. 1 Nr. 1 b (geringfügig versicherungspflichtige Beschäftigte) oder nach § 172 Abs. 3 (versicherungsfrei geringfügig Beschäftigte) des 6. Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu entrichten hat, steuerbefreit, wenn die Summe der anderen Einkünfte des Arbeitnehmers nicht positiv ist.

Zu den Einkünften gehören alle positiven und negativen Einkünfte i.S.d. § 2 EStG, u.a. auch die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG).

Andere Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sind dabei alle ab dem 1.4.1999 erzielten Einkünfte, die nicht aus einer geringfügigen Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV herrühren oder für die der Arbeitgeber keine Beiträge gemäß § 168 Abs. 1b oder § 172 Abs. 3 SGB VI entrichtet hat. Hiernach sind entgegen der Auffassung der Kläger nicht nur aus anderen Arbeitsverhältnissen mit anderen Arbeitgebern, sondern auch bei demselben Arbeitgeber erzielte Einkünfte zu erfassen, für die die vorstehenden Voraussetzungen nicht vorliegen.

Maßgeblicher Zeitraum für die Ermittlung der Summe der anderen Einkünfte gemäß § 3 Nr. 39 EStG ist der Veranlagungszeitraum (§ 25 Abs. 1 EStG), in dem die als steuerfrei zu behandelnden Arbeitsentgelte erzielt worden sind (vgl. z. B. Blümlich/Erhard, EStG, § 3 Rn. 227 d; Frotscher-Kuhlmann, EStG, § 3 Rn. 198 h).

Die Ansicht, nach dem Willen des Gesetzgebers und dem Gesetzeszweck seien nur zeitgleich erzielte weitere Einkünfte schädlich, findet bereits im Gesetz keine Stütze. Hiergegen spricht auch die Vorschrift des § 52 Abs. 7 EStG. Durch diese Vorschrift wird klargestellt, dass die Steuerfreiheit des ab dem 1.4.1999 erzielten Arbeitslohnes für eine geringfügige Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VI nicht deswegen scheitert, weil der Arbeitgeber für vor dem 1.4.1999 erzielte Arbeitslöhne aus geringfügiger Beschäftigung keine Beiträge nach gemäß § 168 Abs. 1b oder § 172 Abs. 3 SGB VI entrichtet hat. Einer solchen Vorschrift hätte es nicht bedurft, wenn ohnehin alle in anderen Zeiträumen desselben Veranlagungszeitraums erzielten Einkünfte unberücksichtigt bleiben sollten.

Bei Anwendung dieser Grundsätze liegen im Streitfall die Voraussetzungen des § 3 Nr. 39 EStG nicht vor, da die Klägerin - bei Berücksichtigung des Arbeitnehmerpauschbetrages von 2.000 DM - in der Zeit vom 1.11. bis 31.12.1999 sonstige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i.H.v. 2.168 DM erzielt hat.

Angesichts der eindeutigen Regelung in § 3 Nr. 39 EStG kommt es auch nicht darauf an, dass die Jahreseinkünfte der Klägerin aus nichtselbstständiger Tätigkeit von 6.382 DM im Monatsdurchschnitt mit 531,83 DM unter dem nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV möglichen Höchstbetrag von 630 DM liegt. Den geringen Einkünften ist im Übrigen durch die Gewährung des steuerfrei belassenen Grundfreibetrages (§ 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG) Rechnung getragen.

Schließlich können sich die Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, aus dem Antragsformular und der Freistellungsbescheinigung ergäben sich nicht hinreichend klar und eindeutig die Folgen eines Wechsel von einer Tätigkeit im Rahmen eines 630-DM-Jobs zur Beschäftigung mit Lohnsteuerkarte. Die Bescheinigung nach § 3 Nr. 39 i.V.m. § 39 a Abs. 6 EStG berechtigt lediglich den Arbeitgeber, Arbeitslohn für eine geringfügige Beschäftigung steuerfrei auszuzahlen. Stellt sich heraus, dass die Summe der anderen Einkünfte des Arbeitnehmers positiv ist, erfolgt eine Korrektur ggf. im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung. Der Arbeitnehmer ist daher in diesem Fall zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet (§ 46 Abs. 2a EStG). Hierauf wurde auch in der der Klägerin erteilten Bescheinigung vom 20.04.1999 hingewiesen. Erst im Rahmen dieser Veranlagung wird endgültig entschieden, ob die aus einer geringfügigen Beschäftigung zugeflossenen Arbeitsentgelte endgültig steuerfrei zu belassen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO wegen eines beim Finanzgericht Köln unter dem Aktenzeichen 6 K 1420/01 anhängigen, vom Bund der Steuerzahler als Musterprozess bezeichneten Verfahrens kam nicht in Betracht, da die hier zu treffende Entscheidung nicht vom Ausgang des dortigen Verfahrens abhängt.

Ein Ruhenlassen des Verfahrens gemäß § 155 FGO i.V.m. § 251 Zivilprozessordnung ist weder von beiden Beteiligten beantragt noch zweckmäßig.

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