LG Münster, Urteil vom 25.08.2015 - 014 O 183/15
Fundstelle
openJur 2015, 19671
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Bestand eines Bausparvertrages.

Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts betriebene Bausparkasse.

Am 17.09.1991 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag unter der Vertragsnummer 555 mit einer Bausparsumme von € 40.903,35 ab, der am 20.08.1999 auf eine Bausparsumme von € 56.242,11 erhöht wurde. Grundlage des Bausparvertrages waren die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge der Beklagten (im Folgenden: ABB).

Gem. § 6 Abs. 1 ABB wird das Bausparguthaben mit jährlich 2,5 % verzinst. Nach § 11 Abs. 1 ABB wird der Bausparvertrag zugeteilt, wenn seit dem Vertragsabschluss mindestens 18 Monate vergangen sind, eine bestimmte Bewertungszahl erreicht ist und ein Bausparguthaben von mindesten 40% der Bausparsumme angespart worden ist.

In § 9 Abs. 1 ABB heißt es: "Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt."

Im Jahre 2001 lagen die Zuteilungsvoraussetzungen des Bausparvertrages vor. Mit Schreiben vom 18.04.2001 übersandte die Beklagte dem Kläger die Zuteilungserklärung und bat ihn mitzuteilen, ob er die Zuteilung annehmen möchte. Der Kläger hat in der Folge auf die Zuteilung und die Auszahlung des Bauspardarlehens verzichtet.

Mit Schreiben vom 12.12.2014 hat die Beklagte den Bausparvertrag zum 30.06.2015 gekündigt.

Der Kläger ist der Ansicht, die ausgesprochene Kündigung sei unwirksam, da die vereinbarte Bausparsumme noch nicht vollständig angespart ist. Zudem könne die Beklagte den § 489 BGB nicht in Anspruch nehmen, da es sich um eine Verbraucherschutzvorschrift handele.

Er beantragt,

festzustellen, dass der zwischen den Parteien bestehende Bausparvertrag Nr. 555 vom 17.09.1991 über den 30.06.2015 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, sie sei nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung des Bausparvertrages berechtigt gewesen. Das Eintreten der Zuteilungsreife sei als vollständiger Empfang des Darlehens i.S. der Vorschrift zu verstehen.

Wegen der Einzelheiten des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen vollinhaltlich Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der streitgegenständliche Bausparvertrag wurde durch die von der Beklagten erklärten Kündigung zum 30.06.2015 beendet.

1. Die Beklagte war gem. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung des Bausparvertrages berechtigt.

a) Die Vorschriften der §§ 488 ff. BGB sind grundsätzlich auch auf Bausparverträge anwendbar.

Bei einem Bausparvertrag handelt es sich um einen einheitlichen Darlehensvertrag, bei dem zunächst der Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist und die Parteien sodann mit der Inanspruchnahme des Darlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen (vgl. Staudinger - Mülbert, BGB [2010], § 488 Rn. 539 ff.)

Insbesondere findet auch der § 489 BGB auf Bausparverträge Anwendung. Eine solche Anwendung rechtfertigt sich mit dem Sinn und Zweck der Norm. Die Norm bezweckt die Schaffung eines Interessenausgleiches zwischen den Parteien eines Darlehensvertrages und soll den Darlehensnehmer vor überlangen Bindungen an festgelegte Zinsen schützen. Auf diese Weise sollen marktgerechte Zinsen und in den Fällen, in denen die Zinsen nicht (mehr) marktgerecht sind, eine Umschuldung ermöglicht werden. Die Bereitschaft des Darlehensgebers, einer Umschuldung zuzustimmen, soll durch den Druck des Kündigungsrechtes gefördert werden (vgl. Weidenkaff in Palandt, Kommentar zum BGB, 74. Auflage, § 489 Rn. 1). Dieser Schutz muss auch einer Bausparkasse zugestanden werden, da die abgeschlossenen Bausparverträge in der Regel eine feste Verzinsung des Sparguthabens vorsehen und daher eine marktgerechte Anpassung der Zinsen trotz der zum Teil sehr langen Laufzeiten der Bausparverträge - vorliegend sind es über 20 Jahre - nicht möglich ist.

b) Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht auf Darlehensnehmer, die Verbraucher sind, begrenzt.

Eine solche Einschränkung des Kündigungsrechtes ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der systematischen Stellung der Norm noch aus dem gesetzgeberischen Willen.

Die Norm ist angeordnet unter der Überschrift zu Titel 3 ("Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher"). Im Rahmen dieser Titelüberschrift bezieht sich die Verbrauchereigenschaft nicht auf den Begriff des Darlehensvertrages, sondern nur auf die weiteren Begriffe Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge. Zudem ist § 489 BGB in der Folge nicht bei den §§ 491 ff BGB unter der Überschrift Kapitel 2 ("Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge") aufgeführt. Vielmehr befindet sich die Norm unter der Überschrift Kapitel 1 ("Allgemeine Vorschriften").

Zusätzlich ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. (nunmehr der hier streitgegenständliche § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB), dass der Gesetzgeber zwar für den § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers als Voraussetzung vorgesehen hat, nicht jedoch für § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. (nunmehr der hier streitgegenständliche § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB). (vgl. Landgericht Mainz, Urteil vom 28.07.2014, Az. 5 O 1/14; Landgericht Aachen, Urteil vom 19.05.2015, Az. 10 O 404/14)

c) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzins nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kündigen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

aa) Ein gebundener Sollzins i.S.v. § 489 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 BGB liegt hier vor. Gem. § 6 ABB betrug der festgelegte Zinssatz für das Sparguthaben 2,5 % jährlich.

bb) Unstreitig hat der vorliegende Bausparvertrag die Zuteilungsreife im Jahre 2001 erreicht.

Nach Auffassung des Gerichtes steht im Falle eines Bausparvertrages die eintretende Zuteilungsreife dem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta i.S.d.

Vorschrift gleich. Diese Auffassung erscheint im Hinblick auf die sich gegenüberstehenden Interessen gerecht.

Zweck des Bausparvertrages ist nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens zu einem günstigen, von Anfang an feststehenden und von den Schwankungen des Kapitalmarktes unabhängigen Zinssatz.

Beim Bausparvertrag steht mangels Pflicht der Bausparer zur Abnahme des Bauspardarlehens kein an die Bausparkasse zu entrichtender Darlehensbetrag fest, an dem man sich für den Zeitpunkt nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB orientieren könnte. Dies rechtfertigt aber nicht, die Dauer der Ansparphase in das uneingeschränkte Belieben des Bausparers zu stellen, da eine überlange Besparung nicht dem Zweck des Bausparens entspricht. Das Erreichen der Bausparsumme erscheint daher als zu spät angesiedelt. Denn dies würde bedeuten, dass entgegen der zweistufigen Struktur des Bausparvertrages eine Bauspardarlehensgewährung gar nicht mehr in Betracht kommt. (vgl. Landgericht Mainz, Urteil vom 28.07.2014, Az. 5 O 1/14; Landgericht Aachen, Urteil vom 19.05.2015, Az. 10 O 404/14)

Als Anknüpfungspunkt bleibt daher nur das Erreichen der Zuteilungsreife.

cc) Die Erklärung der Kündigung durch die Beklagte erfolgte mit Schreiben vom 12.12.2014.

Im Zeitpunkt der Kündigung lag die Zuteilungsreife demzufolge bereits knapp 13 Jahre vor.

Die Beklagte hat im Rahmen der Kündigung auch die erforderliche Frist von 6 Monaten eingehalten.

d) Der Anwendung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf den vorliegenden Fall steht auch nicht die Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Hamm (Beschluss vom 02.10.2013, Az. 19 U 106/13) entgegen. Das OLG hatte in diesem Verfahren die Anwendung des § 489 BGB abgelehnt. Dies allerdings vor allem mit dem Argument, dass in dem streitgegenständlichen Bausparvertrag kein gebundener Sollzins vereinbart worden war, sondern die Allgemeinen Bedingung der Bausparkasse die Möglichkeit zu Anpassung der Zinssätze durch Tarifänderungen vorsah.

2. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist auch nicht durch § 9 Abs. 1 ABB vertraglich ausgeschlossen.

Dabei kann dahinstehen, ob § 9 Abs. 1 ABB auch das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB einbeziehen soll. Ein vertraglicher Ausschluss dieses Kündigungsrechtes wäre in jedem Fall unwirksam.

a) Gem. § 489 Abs. 4 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur dann ausgeschlossen werden, wenn der Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietsköperschaften ist.

Die Beklagte ist zwar als Anstalt des öffentlichen Rechtes eine juristische Person des öffentlichen Rechtes, jedoch keine der genannten Gebietskörperschaften.

b) Eine analoge Anwendung des § 489 Abs. 4 BGB auf Anstalten des öffentlichen Rechtes ist nicht geboten (vgl. Weidenkaff in Palandt, Kommentar zum BGB, 74. Auflage, § 489 Rn. 13).

Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 489 Abs. 4 S. 2 BGB. Denn der Gesetzgeber hat sich die Mühe gemacht, die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechtes, auf die § 489 Abs. 4 S. 1 BGB keine Anwendung finden soll, ausdrücklich aufzuzählen. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Wege der Schuldrechtsreform grundsätzlich beibehalten und nur um die Europäischen Gemeinschaften und die ausländischen Gebietskörperschaften erweitert. Nachdem der Gesetzgeber im Rahmen dieser Erweiterung aber darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 S. 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechtes zu erweitern, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme nun im Wege der Analogie auch auf andere, nicht benannte juristische Personen des öffentlichen Rechtes zu erweitern (vgl. Landgericht Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15).

II.

Die Entscheidung über die Kosten findet ihre Grundlage in § 91 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist gem. § 709 S. 1 und S. 2 ZPO nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

III.

Der Streitwert wird auf 44.993,67 € festgesetzt.

Unterschrift