VG Karlsruhe, Urteil vom 26.08.2015 - 4 K 2113/11
Fundstelle
openJur 2015, 19414
  • Rkr:
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der in Heidelberg (auch) gegen den Kläger gerichtete Einsatz des Polizeibeamten xxx als Verdeckter Ermittler mit dem Decknamen xxx in der Zeit von - mindestens - April 2010 bis zum 12.12.2010 rechtswidrig war.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Einsatz eines Polizeibeamten als Verdeckter Ermittler.

Im Dezember 2010 wurde der Verdeckte Ermittler xxx (im Folgenden: VE), der unter dem Decknamen xxx mit dem Kläger in Kontakt getreten war, zufällig „enttarnt“. Der Kläger hat am 08.08.2011 Klage erhoben.

Das Gericht hat die vollständigen, den Einsatz des VE betreffenden Akten angefordert. Das Innenministerium Baden-Württemberg gab unter dem 13.12.2011 eine erste Sperrerklärung ab, da es Teile der Vorgänge als geheimhaltungsbedürftig einstufte. Die zu den Akten gehörenden Schriftstücke wurden deshalb nur in Kopie mit teilweisen Schwärzungen, gar nicht oder in Form von weißen Austauschblättern vorgelegt. Mit Beschluss vom 24.04.2012 legte die Kammer den Antrag des Klägers auf Entscheidung, ob die Verweigerung der vollständigen Aktenvorlage rechtmäßig ist, dem zuständigen Fachsenat beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vor. Mit Beschluss vom 14.01.2013 - 14 S 934/12 - stellte der Verwaltungsgerichtshof fest, dass die Verweigerung einzelner konkret bezeichneter Aktenseiten rechtswidrig war und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Auf die Beschwerde des Klägers stellte das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 20.02.2014 - 20 F 2.13 - die Rechtswidrigkeit der Verweigerung der Vorlage weiterer, im einzelnen benannter Aktenseiten fest und wies die Beschwerde im Übrigen zurück. Unter dem 19.01.2015 gab das Innenministerium Baden-Württemberg eine erneute Sperrerklärung ab.

In der dem Gericht vom Beklagten übermittelten teilweise geschwärzten Kopie der Anordnung der Polizeidirektion Heidelberg - Kriminalpolizei vom 25.02.2010 wurde - gestützt auf § 22 Abs. 6 PolG - der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers für die Zeit vom 01.03.2010 bis 31.05.2010 verfügt zur:

1. Datenerhebung nach § 22 Abs. 3 Alt 1 PolG

zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person sowie für bedeutende Sach- und Vermögenswerte vom Verursacher

2. Datenerhebung nach § 22 Abs. 3 Alt 2 PolG zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung:

Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie

•sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten

•auf den Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung oder des Staatsschutzes (§§ 74 a und 120 GVG) begangen werden

zur Erhebung von Daten von in Nr. 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 genannten Personen:

•Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen

•Kontakt- oder Begleitpersonen einer der in Nr. 1 genannten Personen

Als eine der Personen, auf die sich die Datenerhebung bezieht, ist xxx, der Kläger im Verfahren 4 K 2107/11, genannt. Der Name des Klägers selbst wurde weder in den dem Gericht überlassenen Kopien der Einsatzanordnungen noch in den sonstigen Aktenvorgängen genannt. Weitere Anordnungen ergingen unter dem 23.06.2010 für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis 31.08.2010, unter dem 26.08.2010 für den Zeitraum vom 01.09.2010 bis 30.11.2010 und unter dem 26.11.2010 für den Zeitraum vom 01.12.2010 bis 28.02.2011. Der Einsatz des VE wurde nach dessen Enttarnung im Dezember 2010 beendet.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor: Er sei Student der Mathematik an der Universität Heidelberg. Seit 2009 sei er, im Zusammenhang mit dem damals bundesweiten Bildungsstreik an den Universitäten, aktiv in der Kritischen Initiative (Kl), einer hochschulpolitischen Gruppierung an der Universität Heidelberg. Mutmaßlich Ende 2009 sei im Innenministerium des Beklagten der Einsatz (mindestens) eines verdeckten Ermittlers in der sogenannten linken Szene in Heidelberg beschlossen worden. Eingesetzt worden sei (unter anderem) der Polizist xxx, der getarnt als Student und versehen mit dem Decknamen xxx zunächst vor allem an der Universität Heidelberg „seine Arbeit aufgenommen“ habe. Er, der Kläger, sei mit ihm wie folgt in Kontakt gekommen: Das erste Zusammentreffen habe sich im Rahmen eines Campus-Camps an der Uni Heidelberg etwa Mitte 2010 ergeben; der Kläger habe dort beim Aufbau geholfen. xxx sei ebenfalls dort gewesen, zusammen mit einem anderen Mitglied aus der Kl. xxx habe sich sofort mit dem Kläger bekannt gemacht. Nach seinen Beobachtungen in späterer Zeit sei es xxx generell gelungen, sehr schnell Leute und deren Namen kennenzulernen. Er habe gerne mit anderen diskutiert und so die Meinungen und Standpunkte zu alltäglichen und politischen Themen erfahren. Noch lieber habe er sich bei konkreten Aktionen engagiert. Bei den wöchentlichen Sitzungen beispielsweise der Kl sei er regelmäßig dabei gewesen. Er - der Kläger - habe ihn bald als Freund angesehen. Man habe viel miteinander gesprochen, auch über private Themen, über Freunde, auch über Freunde in der Kl. Nach einer der Kl-Sitzungen, es habe stark geregnet, habe der VE auch einmal bei ihm in der Wohnung seiner Mutter zu übernachtet. Die Enttarnung xxx durch einen Zufall am 12.12.2010 habe für ihn einen heftigen Vertrauensbruch bedeutet. Er habe inzwischen eine Art Paranoia entwickelt, die ihn an allen Beziehungen zweifeln lasse und neue Freundschaften unmöglich mache.

Die angefochtene Verfügung habe sich durch Zeitablauf erledigt, die Klage sei aber als sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Er - der Kläger - habe ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung. Es bestehe Wiederholungsgefahr. Er wolle auch in der Zukunft beispielsweise sein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausüben. Dabei wolle er „staatlich unbeobachtet“ bleiben. Die Verfügung, verdeckte Ermittlungen aufzunehmen bzw. der Einsatz des verdeckten Ermittlers selbst sei rechtswidrig und verletze ihn - den Kläger - in seinen Rechten. Sie greife erheblich in die Grundrechte auf Achtung der Menschenwürde, der Willens- und Handlungsfreiheit und der informationellen Selbstbestimmung, der freien Meinungsäußerung, der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie der Unverletzlichkeit der Wohnung ein.

Die Maßnahme sei offenbar gestützt auf § 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG. Es sei nicht erkennbar, dass er Störer im Sinne des Polizeirechts sein könnte. Ebenso wenig sei erkennbar, dass bei ihm tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass er künftig Straftaten mit erheblicher Bedeutung begehen könnte oder Kontakt- oder Begleitperson einer Person sein könnte, die solche Straftaten begehen wollte. Der Beklagte habe pauschal angegeben, man habe Zielpersonen der antifaschistischen/anarchistischen Szene in Heidelberg und Kontaktpersonen im Auge gehabt. Als einziger tatsächlicher Anhaltspunkt sei ein Zufallsfund von sieben sogenannten Molotow-Cocktails im Rahmen eines strafprozessualen Vorgangs erwähnt worden, in einem Ort, der etwa 50 km von Heidelberg entfernt liege; diese Begründung sei vorgeschoben. Aus sich heraus erkläre sie nicht den Einsatz eines VE gegen ihn. Der VE selbst habe angegeben, er sei eingesetzt gewesen, um politisch linke Gruppen in Heidelberg zu beobachten, letztliches Ziel sei die Antifaschistische Initiative Heidelberg gewesen. Er habe generell über Personen, die er kennengelernt habe, sowohl dem LKA als auch der Abteilung Staatsschutz der Polizeidirektion Heidelberg berichtet und auch „Personenakten“ angelegt.

Ebenso unzulässig seien die weiteren Verlängerungen der Einsatzanordnung. Insbesondere seien hier jeweils ganz offensichtlich keinerlei Erkenntnisse des inzwischen tätigen VE eingeflossen, die über die bisherigen Erkenntnisse der Polizei hinausgingen. Durch die weitere Offenlegung der behördlichen Akten sei jetzt deutlich geworden, dass der VE Flugblätter habe ergreifen und vorlegen können, so einen Text mit Abdruck von Art. 3 des deutschen Grundgesetzes und einer kritischen Betrachtung der deutschen Abschiebepraxis; zum No Border Camp Brüssel 2010 habe ein Ausdruck aus dem Internet gewonnen werden können. Zudem sei festzuhalten, dass der VE nicht erst im Februar 2010, sondern bereits im November 2009 in Heidelberg als künftiger Student unter seinem Decknamen aufgetreten sei; er sei damals - ohne Anordnung und ohne rechtliche Grundlage - schon im Einsatz gewesen. Zudem sei der verdeckte Ermittler nicht in den Grenzen der Einsatzanordnung(en) geblieben. Er habe auch, wie er selbst anlässlich seiner Enttarnung angegeben habe, zu einer Reihe von Personen „Personenakten“ geführt.

Im Übrigen sei § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG in Verbindung mit § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG verfassungswidrig. Das Gesetz ermögliche weitreichende Grundrechtseingriffe gegen Personen, bei denen sogenannte „tatsächliche Anhaltspunkte“ vorlägen, dass „sie künftig Straftaten begehen“, sowie gegen deren „Kontakt-“ und „Begleitpersonen“ und ein großes Umfeld an weiteren Menschen. Die Landesnormen seien bei Übertragung der vom Bundesverfassungsgericht zur Telekommunikationsüberwachung entwickelten Grundsätze zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten verfassungswidrig. Zur Möglichkeit der Gefahrenabwehr habe das Bundesverfassungsgericht bei intensiven Grundrechtseingriffen festgestellt, dass eine konkrete Gefahr für besonders hochwertige Rechtsgüter vorliegen müsse. Die Norm des § 22 Absatz 3 Nr. 2 PolG enthalte keine hinreichenden Einschränkungen.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der in Heidelberg (auch) gegen ihn gerichtete Einsatz des Polizeibeamten xxx als Verdeckter Ermittler mit dem Decknamen xxx in der Zeit von - mindestens - April 2010 bis zum 12.12.2010 rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor: Die Klage sei unzulässig. Dem Kläger fehle die für die Zulässigkeit der Klage erforderliche Klagebefugnis ( 42 Abs. 2 VwGO). Der Einsatz sei nicht gegen ihn gerichtet, er sei nicht Adressat der Maßnahme gewesen. Auch eine Feststellungsklage ( 43 Abs. 1 VwGO) sei nicht zulässig. Es fehle am Vorliegen eines feststellungsfähigen konkreten öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses, da der Einsatz nicht gegen den Kläger gerichtet gewesen sei. Selbst wenn man davon ausginge, dass allein aufgrund der tatsächlichen Begegnungen des Klägers mit dem VE ein feststellungsfähiges konkretes öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis gegeben wäre, so wäre die Klage jedenfalls deswegen nicht zulässig, weil beim Kläger das notwendige berechtigte Interesse an der begehrten nachträglichen Feststellung fehle. Ein solches Interesse sei nur dann gegeben, wenn Wiederholungsgefahr bestehe oder der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an einer Rehabilitierung hätte. Beides sei nicht der Fall.

Selbst wenn man von der Zulässigkeit der Klage ausginge, so wäre sie jedenfalls deshalb unbegründet, weil die Anordnung des Einsatzes Verdeckter Ermittler recht-mäßig gewesen sei. Die Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und die jeweiligen Verlängerungen hätten ihre Rechtsgrundlage in § 22 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG. Im Jahr 2009 sei bundesweit und auch in Heidelberg ein weiterer Anstieg der Fallzahlen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität festzustellen gewesen, insbesondere im Bereich der linksmotivierten Straftaten. Für den Bereich Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis sei durch die Polizeidirektion Heidelberg der Einsatz Verdeckter Ermittler angeordnet worden; der Einsatz habe sich ausschließlich gegen Personen der linksextremistischen Szene gerichtet, die entsprechenden Gruppierungen nahegestanden hätten bzw. deren Führungspersonal zuzurechnen gewesen wären. Zwei dieser Gruppierungen seien die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) und die Anarchistische Initiative Kraichgau-Odenwald (AIKO). Ein Ziel der beiden Gruppen sei die Bekämpfung des Faschismus insbesondere in Heidelberg und Umgebung, da nach Auffassung dieser Gruppen diese Bekämpfung auf staatlicher Seite nicht energisch genug betrieben werde. Im Zuge dieser Bekämpfung werde auch die Konfrontation mit rechten Gruppierungen und einzelnen rechts stehenden Personen gesucht. Ausgangspunkt für die im Raum Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis verstärkt festzustellende Rechts-Links-Konfrontation sei eine erste Auseinandersetzung in Mauer im Juli 2009 gewesen, in deren Folge es zu weiteren Ereignissen gekommen sei, insbesondere zu einer Demonstration am 19.09.2009 in Sinsheim. Bei dem Veranstalter der Demonstration der linken Szene unter dem Thema „Rock gegen Rechts, Keine Nazis in Sinsheim und überall“ habe es sich um ein damaliges Mitglied der AIKO gehandelt. Eine Konfrontation zwischen Mitgliedern der linken und rechten Szene habe dadurch verhindert werden können, dass Personen aus dem rechten Bereich, die offensichtlich die Versammlung hätten stören wollen, durch Polizeibeamte mit Platzverweisen belegt worden seien. Zu dieser Demonstration sei durch die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) ein Internetaufruf in militanter Art und Weise zur Teilnahme an der Demonstration erfolgt: „Rechte Strukturen aufdecken und angreifen! Konsequent gegen die polizeiliche Politik des Herunterspielens und Totschweigens! Nazis entgegentreten auf allen Ebenen, mit allen Mitteln.“ Neben weiteren Anhaltspunkten sei auch dieser Aufruf Beleg zumindest für eine Zusammenarbeit, wenn nicht sogar für eine Verflechtung der beiden Gruppierungen.

Am 04.11.2009 sei im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eine Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten der „Anarchistischen Initiative Kraichgau/Odenwald“ (AIKO) in xxx durchgeführt worden. Dabei seien u.a. sieben gebrauchsfertige Brandsätze (Molotow-Cocktails) sichergestellt worden. Nach Einlassungen eines damaligen Betroffenen seien diese Brandsätze zur „Verteidigung gegen Faschisten“ hergestellt worden. Mit Bekanntwerden dieser weiteren Fakten habe die Polizeidirektion Heidelberg davon ausgehen müssen, dass es in ihrem Dienstbezirk Personen gebe, die aus politischen Motiven funktionsfähige Brandsätze herstellten und nach eigener Aussage auch bereit seien, diese gegen Dritte einzusetzen. Seit dem Auffinden der Brandsätze habe die PD Heidelberg von einer konkreten, andauernden Gefahrenlage ausgehen müssen, da mit einem erneuten Herstellen solcher Brandsätze jederzeit zu rechnen gewesen sei. Weiter sei nach Auffinden der Brandsätze bei der AIKO die Herstellung der Brandsätze im Kontext zu den oben aufgelisteten Ereignissen zu sehen gewesen. Es habe damit gerechnet werden müssen, dass das Herstellen der zufällig aufgefundenen Molotow-Cocktails von den Verantwortlichen als Vorbereitungshandlung für konkrete, in naher Zukunft geplante und überwiegend gegen Personen des rechten Spektrums gerichtete Straftaten von erheblicher Bedeutung gedacht gewesen sei. Ein weiterer Beleg einer konkret vorhandenen Gewaltbereitschaft sei auch die Ankündigung der AIHD, mit „allen Mitteln“ rechte Strukturen angreifen zu wollen. Darüber hinaus habe es Erkenntnisse gegeben, dass sich eine spätere Zielperson Ende des Jahres 2009 auch überregional/bundesweit an Aktionen beteiligt gehabt habe. Gegen diese Person seien sowohl im südbadischen Bereich als auch in Norddeutschland Strafverfahren eingeleitet worden.

Aufgrund dieser Erkenntnisse sei es zur Anordnung von Verdeckten Ermittlern gekommen. Die Maßnahmen hätten sich gegen namentlich benannte Personen aus dem geschilderten Umfeld gerichtet, der Kläger habe nicht zu den in der Einsatzanordnung genannten Personen gehört. Es sei im Einzelnen festgelegt worden, welche Personen zu beobachten seien. Der Kläger sei nicht unter diesen Personen gewesen. Bei Abwägung zwischen den zu erwartenden Nachteilen für die nur mittelbar Betroffenen und dem angestrebten Zweck der Maßnahme (Abwehr von konkreten Gefahren aus der Sphäre der AIHD und der AIKO) sei der Einsatz Verdeckter Ermittler angemessen gewesen. Bei einem solchen Einsatz sei es unvermeidlich, dass der Verdeckte Ermittler auch mit Personen in Kontakt komme, die sich im Umfeld der zu beobachtenden Personen bzw. Gruppierungen aufhielten. Es liege auf der Hand, dass der Verdeckte Ermittler in einem solchen Fall seine wahre Identität nicht preisgeben und diese Kontaktperson über seinen Auftrag informieren könne. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass auch der Landesbeauftragte für den Datenschutz den hier in Frage stehenden Einsatz eines Verdeckten Ermittlers in Heidelberg überprüft habe. In seinem 30. Tätigkeitsbericht, der am 12.12.2011 veröffentlicht worden sei, führe er unter Ziffer 2.7 (s. 108 ff., 111) u.a. aus:

„Einzelheiten des Falles kann ich wegen der von Seiten des Landeskriminalamts verfügten Geheimhaltung an dieser Stelle nicht ausbreiten, eines lässt sich nach einer Kontrolle der in diesem Fall angelegten Akten festhalten: Die Mängel, die in den 90er Jahren festgestellt wurden, waren nunmehr aufgrund der generellen Regelungen des Innenministeriums einerseits und durch eindeutige Anordnungen im konkreten Fall andererseits behoben. Jedenfalls ergab sich aus den Akten, dass es nicht um das Ausspähen einer bestimmten politischen Szene - wie in der Öffentlichkeit vermutet - ging. Das wäre auch eher eine Aufgabe des Landesamts für Verfassungsschutz gewesen. Vielmehr sollten Daten bestimmter Personen in ihren gesetzlich präzisierten Rollen erhoben werden. Jedoch kann die Befugnis des Verdeckten Ermittlers, mit einer anderen Identität als seiner eigenen in dem Umfeld der betroffenen Personen zu agieren, den Eindruck nicht vermeiden, dass auch dieses Umfeld ausgekundschaftet werden soll. Dass ein Verdeckter Ermittler aufgrund der Einsatz form zwangsläufig eine Vielzahl Kontakte zu anderen Personen hat, wurde in den gesetzlichen Voraussetzungen durch die Formulierung in § 22 Absatz 4 PolG berücksichtigt. Es ist verständlich, dass ein Verdeckter Ermittler alles vermeiden sollte, was zu einer Enttarnung führen könnte. Allerdings ist das Verbot der Begehung von Straftaten, das bei dem Einsatz stets beachtet werden muss, auch in der erwähnten Verwaltungsvorschrift ausdrücklich festgehalten.

Soweit sich dies anhand der Akten beurteilen ließ, dürften die gesetzlichen Voraussetzungen sowohl hinsichtlich der Personen als auch hinsichtlich der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erfüllt gewesen sein. Daher konnte ich gegen diese Maßnahme keine durchgreifenden datenschutzrechtlichen Bedenken geltend machen. Dabei kann es nicht darauf ankommen, dass Straftaten tatsächlich verhindert wurden, das würde bei einem gescheiterten Einsatz wie hier sonst automatisch zur Rechtswidrigkeit des Einsatzes führen.“

Hierauf erwidert der Kläger:

Der VE selbst habe, anlässlich seiner Enttarnung zur Rede gestellt, gegenüber Betroffenen angegeben: „Ich habe Datensätze angelegt“. Hierbei habe er mindestens auch die Kläger in den Parallelverfahren xxx und xxx namentlich genannt. Zudem habe er insoweit auch alle Mitglieder der Kritischen Initiative einbezogen, also auch den Kläger. Die Klägerin des weiteren Parallelverfahrens xxx sei zudem vom Landeskriminalamt darüber unterrichtet worden, dass sie Betroffene des Einsatzes des VE gewesen sei. Ihre Daten seien durch diesen im Rahmen einer nicht angemeldeten Versammlung erhoben worden. Hieraus werde deutlich, dass nicht nur die möglicherweise allein in der Einsatzanordnung genannte(n) Zielperson(en) Ziel des Einsatzes gewesen seien, sondern (spätestens) im Laufe des Einsatzes weitere Personen zu Zielpersonen geworden seien, jedenfalls aber von ihnen Daten durch den Verdeckten Ermittler erhoben worden seien. Dieser habe beispielsweise zudem von ahnungslosen Betroffenen Mailadressen bekommen und diese auch genutzt. Er habe den Mailverteiler der Kritischen Initiative erlangt, darin seien Mailadressen weiterer Kläger enthalten. Es sei klar, dass er diese Daten auf seinem Laptop oder PC gespeichert habe. Auch damit habe bereits eine unzulässige polizeiliche Datenerhebung und -speicherung stattgefunden. Der VE sei auch in dem Protestcamp in Brüssel eingesetzt worden. Dieser Vorgang habe vom Thema her und auch sonst mit der nun vom Beklagten vorgetragenen angeblichen eskalierenden Rechts/Links-Konfrontation im Rhein-Neckar-Kreis und antifaschistischen Aktionen der AIKO und der AIHD, die den Einsatz veranlasst haben sollen, überhaupt nichts zu tun. Zweifelhaft sei auch, ob sich überhaupt eine Ziel- oder Kontaktperson in Brüssel aufgehalten habe. Mindestens an diesem Vorgang werde deutlich, dass weit mehr Menschen zu Ziel- oder Kontaktpersonen geworden seien, als der Beklagte zugestehe.

Die Kammer hat der Klage des Herrn xxx (Kläger im Verfahren 4 K 2107/11) mit Urteil vom heutigen Tage stattgegeben und festgestellt, dass der in Heidelberg gegen ihn gerichtete Einsatz des Polizeibeamten xxx als verdeckter Ermittler mit dem Decknamen xxx in der Zeit von - mindestens - April 2010 bis zum 12.12.2010 rechtswidrig war. Neben dem Kläger und Herrn xxx haben fünf weitere Personen Klagen (4 K 2108/11 bis 4 K 2112/11) erhoben, über die ebenfalls mit Urteilen vom heutigen Tag entschieden worden ist.

Dem Gericht liegen die Akten 4 K 2107 bis 4 K 2112/11 vor. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, die vom Beklagten übersandten Kopien der Aktenvorgänge sowie auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

I. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und zulässig.

Zwischen den Beteiligten bestand ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Danach kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis werden rechtliche Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Die streitige Beziehung muss sich weiter durch ein dem öffentlichen Recht zuzurechnendes Verhalten zu einer konkreten Rechtsbeziehung verdichtet haben. Dies setzt voraus, dass die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist.

Streitig ist hier, ob ein vom Beklagten eingesetzter Verdeckter Ermittler über den Kläger (in unzulässiger Weise) Daten erhoben hat. Ausgehend hiervon begründet die Frage, ob die behauptete Datenerhebung von einer Rechtsgrundlage gedeckt (hier konkret: durch § 22 PolG) war, ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis.

Zwar wurde der Kläger - den dem Gericht vorgelegten Kopien der Einsatzanordnungen - nicht als eine der Personen (als Ziel bzw. Kontakt-/Begleitperson) genannt, gegen die sich der Einsatz des VE richten sollte. Hierzu trägt der Beklagte vor, die Anordnung von Verdeckten Ermittlern habe sich gegen namentlich benannte Personen gerichtet, der Kläger habe nicht hierzu gehört. Allerdings hat der Kläger - was vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt wurde - vorgetragen, dass er nicht nur gelegentlichen, sondern intensiven Kontakt mit dem VE gehabt habe, der sich sowohl auf politische Aktivitäten im Rahmen der KI als auch auf den privaten Bereich erstreckt habe; einmal habe der VE auch bei ihm übernachtet. Mit Blick darauf, dass in einer solchen Konstellation dem VE zwangsläufig Daten über den Kläger bekannt geworden sein müssen, liegt die konkrete rechtliche Beziehung in der Abklärung, ob der VE eine Tätigkeit entfaltet hat, für deren rechtliche Zulässigkeit es - wie nachstehend unter Punkt II. 2 ausgeführt - einer entsprechenden Ermächtigung gem. den Vorschriften des § 22 PolG bedurft hätte und - wenn ja - ob der Einsatz sich in dem vorgegebenen rechtlichen Rahmen gehalten hat.

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass sich das Rechtsverhältnis bereits vor Klageerhebung infolge der Beendigung des Einsatzes des VE erledigt und deswegen in ein vergangenes Rechtsverhältnis gewandelt hatte. Da § 43 Abs. 1 VwGO in zeitlicher Hinsicht keine Einschränkungen enthält, ist anerkannt, dass auch vergangene Rechtsverhältnisse feststellungsfähig sind. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist.

Da in Bezug auf den Kläger keine Einsatzanordnung vorliegt und im Übrigen einer solchen auf Grund der Innerdienstlichkeit auch kein Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG zukommt, scheidet eine wegen vorprozessualer Erledigung sogenannte "nachgezogene" Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) aus (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2014 - 1 S 815/13 - juris; VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 - juris).

Das berechtigte Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem vom Kläger geltend gemachten tiefen Eingriff in das in Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Schutz der Privatsphäre und in das ebenfalls aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie aus dem Gebot auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch vor solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch die angegriffene Maßnahme nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2014 - 1 S 815/13 - juris). Der Kläger macht geltend, dass er hier nicht als beliebiger Dritter betroffen war, sondern dass er final in die Datenerhebung durch den VE einbezogen wurde.

Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an (VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 – 1 K 439/03 – juris). Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - juris).

II. Die Klage ist auch begründet.

Das Gericht ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung gelangt, dass der VE auch über den Kläger Daten erhoben und weitergegeben hat (1.), ohne dass dafür eine Rechtsgrundlage bestand (2.). Der Einsatz des VE gegenüber dem Kläger war daher rechtswidrig.

1. Das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Angaben des Klägers, der VE habe über ihn persönliche Daten erhoben und an das LKA weitergegeben, den Tatsachen entsprechen. Die bereits in der Klagebegründung hierzu gemachten Angaben hat der in der mündlichen Verhandlung informatorisch befragte Kläger bestätigt. Er hat berichtet: Er sei beim Enttarnungsgespräch im Café xxx dabei gewesen. Sie seien an einem Tisch gesessen und als die Getränke gekommen seien, hätten sie den VE angesprochen, sie hätten ja gewusst, dass er Verdeckter Ermittler sei. Sie hätten ihn gefragt, was er von ihnen weitergegeben habe und er habe alle ihre Fragen mit „ja“ beantwortet. Er habe gesagt, dass er von seinen persönlichen Verbindungen und Netzwerken, auch politischer Art, „an das LKA weiterberichtet hat“.

Die Kammer hält diese Angaben nach dem persönlichen Eindruck, den sie sich in der mündlichen Verhandlung über den Kläger verschafft hat, für glaubhaft. Dieser trat sehr zurückhaltend auf und berichtete, ohne zu taktieren. Dafür, dass das Gespräch sich so zugetragen hat, wie geschildert, spricht, dass der Kläger zunächst die Angaben des VE zu seinem Einsatz gar nicht in den Vordergrund gestellt, sondern über atmosphärische Gegebenheiten des Gesprächs berichtet hat. Er hat nämlich vorangestellt, dass es zunächst erst ruhig geworden sei und der VE erst über seine eigene persönliche Befindlichkeit gesprochen habe; der VE habe gesagt, dass ihm die persönlichen Kontakte sehr wichtig gewesen seien, er wisse nicht, wie er nach dem Einsatz weitermachen solle und stehe vor einer Wand. Gleiches ist auch von der Klägerin im Verfahren 4 K 2109/11 berichtet worden, die in der mündlichen Verhandlung ebenfalls informatorisch angehört worden ist.

Anlass, am Wahrheitsgehalt der Darstellung des Klägers zu zweifeln, besteht für die Kammer nicht. Der Beklagte hat hierzu in der mündlichen Verhandlung inhaltlich auch nicht Stellung genommen oder gar einen anderweitigen Ablauf des vom Kläger geschilderten Gesprächs dargelegt.

2. Sind demnach vom VE Daten über den Kläger erhoben und weitergeleitet worden, gilt Folgendes: Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist ein Eingriff in das sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ergebende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Ein solcher Eingriff bedarf einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Der Gesetzgeber hat den Verwendungszweck der Daten bereichsspezifisch und präzise zu bestimmen. Die Verwendung der Daten ist auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt (vgl. nur BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a - juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 07.08.2015 – 1 S 1239/15 – Rn. 49, juris). Deren Zulässigkeit richtet sich hier, da es um die Datenerhebung des Landes geht, nach dem Landesdatenschutzgesetz Baden-Württemberg - LDSG - (§ 2 Abs. 1 LDSG). Nach § 4 Abs. 1 LDSG ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder soweit der Betroffene eingewilligt hat. Verarbeiten ist das Erheben, Speichern, Verändern, Übermitteln, Nutzen, Sperren und Löschen personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 2 LDSG).

Da eine Einwilligung des Klägers ersichtlich nicht vorliegt, kommt hier als einzig mögliche Rechtsgrundlage § 22 PolG in Betracht, und zwar - da bei der Prüfung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Verwaltungshandelns, dessen Rechtswidrigkeit festgestellt werden soll, abzustellen ist - in der vom 22.11.2008 bis zum 28.11.2012 gültig gewesenen Fassung des Gesetzes vom 18.11.2008 (GBl. S. 390).

a. Gem. § 22 Abs. 3 PolG kann der Polizeivollzugsdienst personenbezogene Daten von dem nachfolgend genannten Personenkreis u.a. durch den Einsatz Verdeckter Ermittler (§ 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG) erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. Daten können über die in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen erhoben werden, wenn der Einsatz zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG) erfolgt. Von den in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen können Daten zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erhoben werden (§ 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG). In § 20 Abs. 5 PolG sind Straftaten mit erheblicher Bedeutung definiert: Dabei handelt es sich zum einen um Verbrechen (§ 20 Abs. 5 Nr. 1 PolG), zum anderen um Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören (§ 20 Abs. 5 Nr. 2 PolG), soweit sie a) sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten, b) auf den Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung oder des Staatsschutzes (§§ 74 a und 120 GVG) begangen werden, c) gewerbs-, gewohnheits-, serien-, bandenmäßig oder sonst organisiert begangen werden.

Das Gericht vermag nicht davon auszugehen, dass die Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen auch die Datenerhebung über den Kläger erfasste. Dies wurde vom Beklagten auch nicht behauptet. Aus den vom Beklagten vorgelegten Kopien der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen lässt sich lediglich entnehmen, dass Daten über xxx und drei weitere Personen als Ziel- bzw. als Kontakt-/Begleitpersonen erhoben werden sollten. Der Name des Klägers ist - was der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigte - darin nicht genannt.

b. Die Datenerhebung über den Kläger lässt sich auch nicht auf § 22 Abs. 4 PolG stützen. Danach dürfen Daten auch dann nach Absatz 2 oder 3 erhoben werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.

Wann eine Unvermeidbarkeit vorliegt, wurde - soweit ersichtlich - bislang in der Rechtsprechung wie in der Literatur nicht geklärt. Eine Unvermeidbarkeit wird allenfalls dann anzunehmen sein, wenn sich im Zuge konkreter Ermittlungen gegen die polizeiliche Zielperson die Kontaktaufnahme mit dem Dritten nicht vermeiden lässt. Allein der Zweck, die eigene Legende abzusichern, wird die Datenerhebung gegenüber einem Dritten wohl nicht zulassen (vgl. Stephan/Deger, Polizeigesetz für Bad.-Württ., 7. Aufl. 2014, § 22 RN 24).

Jedenfalls ist aber Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Datenerhebung über Dritte, dass die Datenerhebung über eine Ziel- bzw. Kontakt-/Begleitperson rechtmäßig angeordnet worden ist. Eine solche Anordnung liegt hier nicht vor. Anknüpfungspunkte für die über den Kläger erfolgte Datenerhebung können allenfalls die Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen gewesen sein, in welchen u.a. xxx als Zielperson genannt ist.

Diese Anordnungen sind jedoch formell und materiell rechtswidrig gewesen, sodass es auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die mit § 22 Abs. 3, Nr. 2, Abs. 5, § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz eines VE verfassungswidrig ist, nicht ankommt (offen gelassen: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2014 - 1 S 815/13 - juris; vgl. zu der inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffende Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG: BVerfG Urt. v. 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - juris).

Hierzu hat das Verwaltungsgericht in seinem, der Klage von xxx stattgebenden Urteil Folgendes ausgeführt:

„1. Personen, die sich - wie hier der Kläger - der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten (zur Definition vgl. § 48 PolG i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG) - erhoben. Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt". Ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, sind daher von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG) beschränkt. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht; VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 – 1 K 439/03 – juris). Um die Anordnung - sowohl für die „vor Ort“ handelnden Beamten wie auch für das später ggf. angerufene Gericht - nachvollziehbar zu machen, bedarf die Anordnung grundsätzlich der Schriftform. Außerdem hat sie das „besondere Mittel“ zu bezeichnen und die Zielperson zu benennen oder zumindest zu umschreiben. In einer Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen Gründe darzulegen, die den Anordnungsberechtigten zu der Entscheidung bewogen haben. Außerdem wird eine Frist für die Dauer des Einsatzes zu bestimmen sein.

Eine fehlerhafte oder zu unbestimmte Einsatzanordnung führt zu ihrer Rechtswidrigkeit und damit zur Rechtswidrigkeit des Einsatzes insgesamt, selbst wenn der Einsatz materiell-rechtlich gerechtfertigt war (Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8. Aufl. 2015, § 22 RN 52; VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 - juris).

a. Zwar wurde in den vorliegenden Einsatzanordnungen der sog. „Behördenleitervorbehalt“ gewahrt. Die Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Folgeanordnungen wurden durch den Leiter der damaligen Polizeidirektion Heidelberg als sachbearbeitende Dienststelle erlassen. Damit wurde dem Erfordernis, dass der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (§ 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG) einer Anordnung durch einen der in § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG genannten Behördenleiter - worunter u.a. der Leiter einer Polizeidirektion zählt - bedarf, Genüge getan.

b. Allerdings fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit hinsichtlich des eingesetzten Mittels.

Als besonderes Mittel der Datenerhebung wird in § 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG der Einsatz von Polizeibeamten unter Geheimhaltung ihrer wahren Identität (Verdeckter Ermittler) genannt.

Die dem Gericht vorliegenden Kopien der Einsatzanordnungen lassen allerdings offen, wie viele Verdeckte Ermittler tätig, ob die Ermittlungen von - wie vom Gesetz vorgeschrieben - Polizeibeamten durchgeführt werden sollten und wer konkret als Verdeckter Ermittler eingesetzt war.

Aus der Überschrift der Anordnung vom 25.02.2010: „Anordnung eines VE-Einsatzes nach dem Polizeigesetz“ ergibt sich hierzu nichts. Desgleichen gilt für die sich daran anschließenden geschwärzten Passagen. In der Tenorierung wird lediglich ausgeführt: „I. Der Einsatz des/der VE erfolgt zur 1. Datenerhebung ...“ Auch in den nicht geschwärzten Passagen unter der Überschrift:

„II. Zu Gründen, Ziel, Geeignetheit... der Datenerhebung durch den VE-Einsatz, Anzahl vorgesehener VE sowie zu den Personen (Adressaten der Maßnahme), über die Daten erhoben werden sollen, ist folgendes festzuhalten:“

ist weder etwas dazu enthalten, ob der/die VE Polizeibeamte sind, noch etwas zu deren Anzahl, noch ist die Identität des/der VE bestimmt worden. Gleiches gilt für die Verlängerungen der Einsatzanordnung. Hierzu hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass der Name des VE nicht in der Einsatzanordnung aufgeführt worden sei.

Deshalb lassen sich - ohne dass die Kopien der streitgegenständlichen Einsatzanordnungen selbst etwas dazu hergäben - erst nachträglich nach der „Enttarnung“ von xxx im Dezember 2010 Rückschlüsse darauf ziehen, dass dieser als VE tätig geworden ist. Der Umstand, dass der Beklagte auf gerichtliche Nachfrage unter dem 21.08.2015 bescheinigt hat, dass xxx vom 01.09.2009 bis einschließlich 31.03.2014 als Polizeivollzugsbeamter beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg verwendet wurde und der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass Herr xxx als alleiniger VE tätig gewesen sei, ersetzt nicht das formale Erfordernis, dass das besondere Mittel der Datenerhebung i.S.d. § 22 Abs. 1 PolG in der Anordnung selbst hinreichend bezeichnet sein muss.

Allein die in der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Folgeanordnungen aufgenommene abstrakte Bezeichnung des Mittels „Verdeckter Ermittler“ ist für eine hinreichende Bestimmung des besonderen Mittels i.S.d. § 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG nicht ausreichend. Dies folgt daraus, dass durch den Einsatz eines VE schwerwiegend in die bereits genannten Grundrechte eingegriffen wird und daraus, dass - da § 22 Abs. 8 PolG erst die nachträgliche Unterrichtung des Betroffenen über die Maßnahme vorsieht - der Betroffene regelmäßig nicht die Gelegenheit hat, vorherigen Rechtsschutz zu erlangen. In einer derartigen Konstellation gebietet aber die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, dass konkret in der Einsatzanordnung der Name des VE aufgeführt wird. Im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes muss der Betroffene wissen, wer von ihm Daten erhoben hat, um das Geschehen nachvollziehen zu können. Denn dies ist Voraussetzung dafür, dass er ggf. ein nachträglich gestelltes Rechtsschutzgesuch begründen kann. Daher muss in der Einsatzanordnung die Identität des eingesetzten VE bezeichnet werden. Insoweit braucht sich der Betroffene nicht darauf verweisen zu lassen, dass die Identität des VE möglicherweise aus anderweitigen Quellen ermittelbar ist. Vielmehr muss dies - auch für eine etwaige spätere gerichtliche Überprüfung - aus der Einsatzanordnung selbst hervorgehen.

2. Der Einsatz des VE erweist sich aber auch als materiell rechtswidrig. Denn der Beklagte hat nicht dargetan, dass die tatbestandlichen Voraussetzung hierfür vorlagen.

Das Gericht kann den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen, dass die Anordnung der Erhebung personenbezogener Daten von einem der in § 22 Abs. 3 PolG genannten Zwecke getragen war.

a. Nach § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG ist zulässig die Datenerhebung zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person, bedeutende Sach- und Vermögenswerte und zwar von einer der in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen. Der Beklagte hat hierzu in Punkt I. 1. der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen festgelegt, dass die Datenerhebung vom Verursacher (§ 20 Abs. 2 i.V.m. § 6 PolG) erfolgt.

Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2014 - 1 S 815/13 - juris, m.w.N.).

Nach Maßgabe dessen gehen aus den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen keine Umstände hervor, welche die Annahme rechtfertigen, dass vom Kläger eine konkrete Gefahr für eines der in § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG genannten Rechtsgüter ausgegangen ist.

aa. In der Begründung der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 selbst - soweit sie lesbar ist - werden keine hinreichenden Fakten genannt, aus denen sich eine solche konkrete Gefahr herleiten ließe. Die pauschale Behauptung des Beklagten, bei dem Kläger handele es sich um eine Führungsperson der Antifaschistischen Initiative Heidelberg, lässt eine solche Gefahrenprognose nicht zu. Dieser Behauptung stellte der Beklagte auf Seite 4 der Anordnung voraus, dass die Antifaschistische Szene Heidelberg und Rhein-Neckar-Kreis mehrere Gruppierungen umfasse, in erster Linie die Antifaschistische Initiative Heidelberg, die AIKO (Anarchistische Initiative Kraichgau-Odenwald); die weiteren aufgelisteten Gruppierungen wurden geschwärzt. Als Ziel dieser Gruppen wurde die Suche nach Konfrontation mit den „Rechten“ genannt und ausgeführt, dass sich bei der linken Szene Heidelberg eine hohe Gewaltbereitschaft und ein hohes Gewaltpotenzial feststellen lasse.

Indessen gehen aus den weiteren ungeschwärzten Ausführungen keine konkreten Feststellungen zu der behaupteten Gewaltbereitschaft der Antifaschistischen Initiative Heidelberg hervor. Solche sind auch nicht mit der Darstellung des Umstands verbunden, dass der Kläger am 18.09.2009 (richtig: am 19.09.2009) an einer von xxx angemeldeten Demonstration in Sinsheim teilgenommen habe (Seite 7 der Anordnung). Insoweit stellt der Beklagte darauf ab, dass der der AIKO zugerechnete xxx - in dessen Wohnung bzw. Keller bei einer Hausdurchsuchung am 04.11.2009 sieben Molotow-Cocktails gefunden worden waren - bei dieser Demonstration beinahe die ganze Zeit mit dem Kläger und einer weiteren Heidelberger Aktivistin, xxx, zusammengestanden habe. Diesen Umstand führte der Beklagte als Indiz für die Verzahnung der Anarchistischen Initiative Kraichgau-Odenwald mit der Antifaschistischen Initiative Heidelberg an. Indes lassen sich der Anordnung - soweit lesbar - zu alledem keine konkrete Tatsachenfeststellungen entnehmen, welche darauf hindeuten könnten, dass vom Kläger eine Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende Sach- und Vermögenswerte ausgingen. Allein der Umstand, dass der Kläger während einer Demonstration neben einer Person stand, bei der zu einem späteren Zeitpunkt Molotow-Cocktails gefunden wurden, begründete weder eine hinreichende Grundlage für die Annahme, der Kläger sei in eine gewaltbereite Gruppierung eingebunden noch dafür, dass die Antifaschistische Initiative Heidelberg auf Gewalttätigkeiten hinwirke. Weitere Tatsachenfeststellungen, die eine konkrete Verbundenheit des Klägers mit xxx bzw. der AIKO dokumentieren würden, gehen aus den dem Gericht vom Beklagten überlassenen Unterlagen nicht hervor. Auch sonstige Hinweise darauf, dass der Kläger in der Vergangenheit ein, die Annahme einer Wiederholungsgefahr rechtfertigendes, gewalttätiges oder gewaltveranlassendes Verhalten an den Tag gelegt hätte, hat der Beklagte in der Anordnung nicht genannt. Soweit er die Bewertung vornahm, dass bei der Demonstration am 19.09.2009 eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Rechts und Links erst durch entsprechende Maßnahmen der Polizei habe verhindert werden können, wurde nichts dazu ausgeführt, dass von den linksgerichteten Demonstranten Gewalttätigkeiten gedroht hätten. Vielmehr sind nach den Darlegungen des Beklagten Platzverweise an die Rechten ergangen. Auch soweit der Beklagte in der Anordnung als alljährlich nennenswertes Event der Antifaschistischen Initiative Heidelberg die Veranstaltung der Walpurgisnacht - als „Gegenveranstaltung“ zu den Walpurgisnachtfeiern der Burschenschaften - anführte, wurde nichts zu irgendwelchen Gewalttätigkeiten berichtet. Aus den nachfolgenden Einsatzanordnungen ergibt sich - soweit lesbar - hierzu ebenfalls nichts.

bb. Auch die weiteren, dem Gericht vorliegenden Unterlagen geben für die Annahme nichts her, vom Kläger gehe eine konkrete Gefahr für die in § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG genannten Rechtsgüter aus.

Nachdem - wie oben unter Punkt II. 1 dargelegt - in der Begründung der Einsatzanordnung die wesentlichen tatsächlichen Gründe darzulegen sind, die den Anordnungsberechtigten zu der Entscheidung bewogen haben, ist fraglich, ob der weitere Akteninhalt herangezogen werden darf, wenn die Anordnung selbst nicht mit einer ausreichenden, die materielle Rechtmäßigkeit belegenden Begründung versehen ist. Dies kann hier aber offen bleiben, da auch der weitere Vortrag des Beklagten die Annahme nicht trägt, dass vom Kläger eine Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder bedeutende Sach- und Vermögenswerte gegangen ist.

Aus den der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Folgeanordnungen beigefügten „Personalbögen“ des Klägers lässt sich dies nicht herleiten. Hierin wurde zunächst ein Vorfall vom 21.06.2003 im Rahmen einer Demonstration gegen die Ausstellung „Verbrechen und Wehrmacht“ in Schwäbisch Hall aufgelistet und ausgeführt, dass sich der Kläger seiner Festnahme widersetzt habe, nachdem er aus einer eingeworfenen Schaufensterscheibe eines Geschäfts Gegenstände entwendet hatte. Aus diesem weit zurückliegenden und für sich allein stehenden Vorfall, der nach der Darstellung des Beklagten noch nicht einmal in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen stand, lässt sich indes nicht die Prognose erstellen, vom Kläger gehe eine Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder bedeutende Sach- und Vermögenswerte aus. Soweit ein Vorfall vom 12.06.2006 beschrieben wurde, bei dem der Kläger in einem Flyer eine Studentin als Angehörige der rechten Szene geoutet haben soll, und weitere Aktionen und Demonstrationen aufgelistet wurden, lassen sich - soweit lesbar - diesen Ausführungen keine Anhaltspunkte für eine Gewaltbereitschaft des Kläger entnehmen.

Eine andere Einschätzung folgt auch nicht aus dem Vortrag des Beklagten im Klageverfahren. Insoweit wurden vom Beklagten mit der Klageerwiderung vom 20.02.2012 (Seite 2 f.) weitere Demonstrationen und Aktionen aufgelistet. Unter anderem wurde eine von der AIKO geplante Demonstration am 24.07.2010 genannt, die verboten wurde und ausgeführt: Auf der homepage der AIKO sei militante Werbung gemacht worden mit dem Slogan: „Lasst uns den Nazis zeigen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen!!! Bildet Banden“, auf dem Flyer sei ein ein Vermummter zu sehen, der eine Zwille abgeschossen habe. Indes wurden keine substantiierten Feststellungen dazu getroffen, dass und auf welche Weise intern eine Verbindung zwischen der AI KO und der Antifaschistischen Initiative Heidelberg bestehen soll. Auch die Ausführungen zu den weiteren aufgelisteten Aktionen tragen nicht die Annahme, dass vom Kläger eine Gefahr für die genannten Rechtsgüter ausginge.

Dies gilt auch, soweit der Beklagte auf einen Internetaufruf der Antifaschistischen Initiative Heidelberg im Zusammenhang mit der Demonstration am 19.09.2009 in Sinsheim abstellte, der den Wortlaut hat: „Rechte Strukturen aufdecken und angreifen! Konsequent gegen die polizeiliche Politik des Herunterspielens und Totschweigens! Nazis entgegentreten auf allen Ebenen, mit allen Mitteln“. Abgesehen davon, dass der Wortlaut „mit allen Mitteln“ auslegungsfähig ist und daher nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann, dass damit illegale Mittel gemeint sind, hat die vom Beklagten vorgenommene Interpretation, dass zur Gewaltanwendung aufgerufen worden sei, in der Folgezeit keine Bestätigung erfahren. Konkrete Feststellungen, dass von den linken Demonstranten Gewalt ausgegangen wäre oder gedroht hätte, hat der Beklagte nicht getroffen. Vielmehr lässt sich seinen Ausführungen entnehmen, dass Platzverweise an die Rechten ergangen sind.

Auch hinsichtlich der weiteren vom Beklagten in der Klageerwiderung aufgelisteten Demonstrationen wurde nichts von Gewalttätigkeiten berichtet, geschweige denn, dass Anhaltspunkte dafür genannt wurden, die dafür sprächen, dass der Kläger auf gewalttätige Auseinandersetzungen bzw. bedeutende Sachschäden hinwirken würde.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung hierzu auch nichts weiter vorgetragen und auf die Sperrerklärung verwiesen.

b. Auch die Voraussetzungen für eine Datenerhebung nach § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG liegen nicht vor. Danach ist die Datenerhebung zulässig zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen, nämlich über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen sowie über Kontakt- und Begleitpersonen dieser Personen.

Hinsichtlich des Zwecks der Datenerhebung legte der Beklagte in Punkt 2 seiner Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und in den Folgeanordnungen die Art der zu bekämpfenden Straftaten fest. Diese Straftaten sollten zum einen sein Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten, und zum anderen Vergehen, soweit sie auf den Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung oder des Staatsschutzes (§§ 74 a und 120 GVG) begangen werden.

Die vom Beklagten hinsichtlich des Klägers getroffenen Feststellungen tragen jedoch weder die Annahme, dass es sich bei diesem um eine Person handelt, bei der tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten der genannten Art begehen wird (aa.) noch die Annahme, dass er Kontakt- oder Begleitperson einer solchen Person ist (bb.).

aa. Aus den Begründungen der Einsatzanordnungen geht hervor, dass der Beklagte den Kläger als Zielperson und nicht lediglich als Kontakt- oder Begleitperson eingestuft hat.

Allerdings lassen sich den ungeschwärzten Passagen der vorliegenden Akten keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Kläger in der genannten Art straffällig würde.

Tatsächliche Anhaltspunkte liegen dann vor, wenn zumindest bestimmte Indizien gegeben sind, aus denen nach polizeilicher Erfahrung auf das künftig mögliche Vorliegen eines Sachverhalts geschlossen werden kann, dass die Person Straftaten begehen wird. Bloße Vermutungen reichen nicht aus (Stephan/Deger, Polizeigesetz für Bad.-Württ., 7. Aufl. 2014, § 20 RN 24). Weitergehend wird in der Literatur sogar gefordert, dass Tatsachen vorliegen müssen, welche die Annahme rechtfertigen, dass die Person künftig Straftaten begeht (Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Bad.-Württ., 8. Aufl. 2015, § 20 RN 45).

Eine nach Maßgabe dessen zumindest zu fordernde Indizienlage lässt sich den dem Gericht vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen.

Der Beklagte stützte seine Einsatzanordnung dem Grunde nach auf die Behauptung, Ziel der von ihm genannten linken Gruppierungen der Antifaschistischen Initiative Heidelberg und der AIKO sei die Suche nach Konfrontation mit den „Rechten“, und stellte insgesamt eine hohe Gewaltbereitschaft und ein hohes Gewaltpotenzial bei der linken Szene in Heidelberg fest. Der Beklagte nannte allerdings keine greifbaren Anhaltspunkte, die darauf hinweisen würden, dass von der Antifaschistischen Initiative Heidelberg, namentlich vom Kläger als eine deren Führungspersonen eine auf die genannten Straftaten hinausführende Gewaltbereitschaft ausginge. Soweit der Beklagte auf die von ihm aufgelisteten Demonstrationen abstellte, wurde - wie bereits oben ausgeführt - nichts zu einer von den linken Gruppierungen ausgehenden Gewaltbereitschaft oder gar zu ihr zurechenbaren Straftaten ausgeführt. Dies gilt - wie voranstehend ebenfalls erörtert - insbesondere für die immer wieder vom Beklagten angeführte Demonstration am 19.09.2009 in Sinsheim. Den vom Beklagten hierzu gemachten Erläuterungen - soweit sie ungeschwärzt sind - lassen sich konkrete Feststellungen zu einem von den linken Demonstranten ausgehenden Gewaltpotential nicht entnehmen; vielmehr ergingen Platzverweise an die rechten Demonstranten.

Ein tatsächlicher Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger Straftaten begehen wird, stellt auch nicht der Fund von Molotow-Cocktails bei xxx dar. Das Herstellen und der Besitz von Molotow-Cocktails ist zwar eine Straftat nach 52 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2a WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4. Indes lassen sich den vorliegenden Akten keinerlei tragfähige Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Kläger in irgendeiner Weise in diese Straftat involviert war. Alleine der Umstand, dass der Kläger während der Demonstration am 19.09.2009 in Sinsheim mit xxx zusammengestanden hatte, bietet keinen tragfähigen Hinweis darauf, dass der Kläger künftig auf waffenrechtlichem Gebiet straffällig werden könnte.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung hierzu auch nicht weiter vorgetragen und auf die Sperrerklärung verwiesen.

bb. Die Einsatzanordnung lässt sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass eine Datenerhebung über den Kläger als Kontakt-/ oder Begleitperson (§ 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG) eines potentiellen Straftäters in Betracht käme.

Problematisch ist bereits, ob diese Rechtsgrundlage hier überhaupt bei der materiellen Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einsatzanordnung zugrunde gelegt werden darf. Denn der Kläger wurde - der Begründung der Einsatzanordnung zufolge - als Zielperson und nicht lediglich als Kontakt- oder Begleitperson eingestuft. Indes sind - wie oben unter Punkt II. 1 ausgeführt -, um den formellen Anforderungen zu genügen, in der Begründung der Einsatzanordnung die wesentlichen Gründe darzulegen, die den Anordnungsberechtigten zu der Entscheidung bewogen haben. Da nach der Begründung der Einsatzanordnung die Datenerhebung gerade nicht vom Kläger als Kontakt- oder Begleitperson erfolgen sollte, erscheint es daher problematisch, die Einsatzanordnung „umzudeuten“, ohne dass dies zu deren formellen Rechtswidrigkeit führen würde.

Diese Frage kann jedoch offen bleiben, da hinreichende Feststellungen des Beklagten fehlen, welche die Einstufung des Klägers als Kontakt- oder Begleitperson eines potentiellen Straftäters rechtfertigen würden.

Als alleiniger Anknüpfungspunkt käme xxx in Betracht, bei welchem die Molotow-Cocktails gefunden worden sind. Dieser ist aber seinerseits lediglich als Kontaktperson (s. S. 8 der Einsatzanordnung vom 25.02.2010) eingestuft worden.

Das Polizeigesetz definiert nicht, was unter dem Begriff Kontakt- und Begleitperson künftiger Straftäter i. S. d. § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG zu verstehen ist. Im Unterschied hierzu enthielt § 2 Nr. 11 Nds SOG in der bis zum 31.12.2007 gültigen Fassung eine Legaldefinition des Begriffs Kontakt- und Begleitperson (zum Wortlaut s. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/07 - juris RN 48). Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht im vorgenannten Urteil ihn für nicht hinreichend bestimmt angesehen (BVerfG - aaO - RN 132 ff.). Mit Blick hierauf kann dieses Begriffspaar allenfalls verfassungskonform und damit restriktiv ausgelegt werden. Eine Kontaktperson kann demnach nur eine Person sein, die zu dem künftigen Straftäter persönliche oder geschäftliche Beziehungen unterhält. Flüchtige Beziehungen reichen nicht aus. Eine Begleitperson muss mit dem künftigen Straftäter wiederholt zusammengetroffen oder wenigstens einmal eine Zeit lang zusammen gewesen sein. Die Verbindung muss eine gewisse Intensität aufweisen (Stephan/Deger, aaO, § 20 RN 25).

Nach Maßgabe dessen lässt sich den Feststellungen des Beklagten nichts Hinreichendes dazu entnehmen, dass der Kläger Kontakt- oder Begleitperson von xxx war. Allein der Umstand, dass der Kläger bei einer Demonstration mit xxx zusammengestanden hat, kann nach den obigen Ausführungen nicht ausreichen. Aus den vorliegenden Akten lässt sich nicht entnehmen, dass es darüber hinaus zu einem weitergehenden intensiven Kontakt zwischen dem Kläger und xxx gekommen war. Der Beklagte hat auf die diesbezügliche Erörterung in der mündlichen Verhandlung auch nicht weiter vorgetragen.“

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer sieht davon ab, das Urteil insoweit für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch die Kammer sind nicht erfüllt.

B E S C H L U S S

Der Streitwert wird gemäß §§ 52 Abs. 2 GKG auf EUR 5.000 festgesetzt.

Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.