LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.10.2015 - L 4 R 3874/14
Fundstelle
openJur 2015, 19385
  • Rkr:

Zur selbständigen Tätigkeit einer nicht zur Leistungserbringung im System der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Physiotherapeutin in der Praxis eines zur Leistungserbringung zugelassenen und die Abrechnung durchführenden Physiotherapeuten.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. August 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 4).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 12.019,69 festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) in Höhe von EUR 12.019,69 aufgrund einer Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Physiotherapeutin in der Praxis des Klägers zwischen dem 1. Februar 2008 und dem 31. Dezember 2009.

Der Kläger betreibt eine Krankengymnastik-Praxis. Er ist zur Erbringungen von Leistungen der physikalischen Therapie nach § 124 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassen. Die Beigeladene zu 1) ist ausgebildete Physiotherapeutin. Sie verfügt nicht über eine Zulassung im Sinne des § 124 SGB V. Sie hatte sich im streitgegenständlichen Zeitraum zur gesetzlichen Unfallversicherung angemeldet und verfügte über eine Berufshaftpflichtversicherung.

Der Kläger und die Beigeladene zu 1) schlossen unter dem 1. Februar 2008 auf der Grundlage des Mustervertrages des Deutschen Verbandes für Physiotherapie (ZVK) – Landesverband Baden-Württemberg e.V. einen „Vertrag über eine freie Mitarbeit“. Der Vertrag enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

1. [Die Beigeladene zu 1)] nimmt vom 1.2.08 an eine Tätigkeit in der Praxis [des Klägers] als freier Mitarbeiter auf.

2. [Die Beigeladene zu 1)] übernimmt die Terminierung [ihrer] Patienten bzw. bedient sich für die Terminierung [ihrer] Patienten kostenpflichtig des Rezeptionspersonals der Praxis [des Klägers].

[Die Beigeladene zu 1)] führt eine eigene Patientenkartei, benutzt eigenen Briefbogen und Visitenkarten und ist im Rahmen der Praxisgegebenheiten berechtigt, eigenes Therapiematerial anzuschaffen und zu nutzen.

[Die Beigeladene zu 1)] bestimmt [ihre] Tätigkeitszeit in der Praxis bzw. im Rahmen von Hausbesuchen für die Praxis und auch [ihre] Urlaubsnahme selbst; es erfolgt lediglich eine Abstimmung mit der Praxis im Rahmen der gesonderten Patientenbestellung und der sich daraus ergebenden Belegungsmöglichkeiten der Behandlungsräume, die [der Beigeladenen zu 1)] nicht zur alleinigen Nutzung vermietet sind.

Um im Interesse beider Parteien eine ordnungsgemäße Patienteneinbestellung sicherzustellen, wird [die Beigeladene zu 1)] der Praxis urlaubsbedingte oder in sonstigen Umständen begründete und vorhersehbare Abwesenheitszeiten rechtzeitig zuvor mitteilen.

3. [Die Beigeladene zu 1)] ist nicht weisungsgebunden und unterliegt nicht den allgemeinen Praxisregelungen.

4. [Der Kläger] stellt [der Beigeladenen zu 1)] oder [deren] Mitarbeiter einen für die physiotherapeutische Tätigkeit ausreichend geeigneten Behandlungsraum zur alleinigen Nutzung zur Verfügung. Darüber hinaus gestattet [der Kläger] [der Beigeladenen zu 1)] oder [deren] Mitarbeitern die Nutzung der für eine geregelte Tätigkeit erforderlichen Praxisräume, wie insb. sanitäre Anlagen, Anmelde- und Wartebereich.

5. [Der Kläger] übernimmt für [die Beigeladene zu 1)] auf der Basis einer Rechnungsstellung durch [die Beigeladene zu 1)] den Abrechnungsverkehr mit den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern, anderen Kostenträgern und Privatpatienten.

6. Als Vergütung für die nach diesem Vertrag zu erbringenden Leistungen zahlt [der Kläger] 70 Prozent des Abrechnungsbetrages der [von der Beigeladenen zu 1)] innerhalb eines Abrechnungszeitraumes erbrachten Behandlungsleistungen zugunsten von gesetzlich und privat Versicherten an [die Beigeladene zu 1)] aus. Zuzahlungsbeträge nach § 32 Abs. 2 SGB V hat [die Beigeladene zu 1)] von [ihren] Patienten selbst einzufordern; ebenso trifft [die Beigeladene zu 1)] die Verpflichtung zur schriftlichen Zahlungsaufforderung nach § 43b SGB V.[...]

7. [...]

Darüber hinaus belegt [die Beigeladene zu 1)] spätestens 4 Wochen nach Beginn des Beschäftigungsverhältnisses das die Freie Mitarbeit bestätigende Ergebnis eines durchgeführten Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV.

Anfallende Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, ferner Urlaubs- und Feiertagsvergütung, Weihnachtszuwendung sowie Leistungen bei Krankheit oder nach dem Mutterschutzgesetz werden [vom Kläger] nicht gezahlt.

[...]

9. Dieser Vertrag kann beiderseits mit einer Frist von sechs Wochen aufgelöst werden. [Dem Kläger] wird das Recht auf fristlose Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses für den Fall eingeräumt, dass Meldungen nach Ziffer 7 dieses Vertrages nicht (fristgerecht) vorgelegt werden.[...]

Die Beigeladene zu 1) wurde aufgrund dieses Vertrages zwischen dem 1. Februar 2008 und dem 31. Dezember 2009 tätig. Sie kündigte den „Arbeitsvertrag“ mit undatiertem Schreiben „zum Dezember 2009“.

Der Kläger verbuchte Zahlungen an die Beigeladene zu 1) in Höhe von EUR 7.836,68 für das Jahr 2008 und in Höhe von EUR 14.878,75 für das Jahr 2009 als Betriebsausgaben für „Fremdleistungen“. Im Rahmen einer von ihr durchgeführten Betriebsprüfung erlangte die Beklagte hiervon Kenntnis. Der Kläger äußerte sich im Verwaltungsverfahren dahingehend, dass die Beigeladene zu 1) die Terminierungen in jedem Einzelfall selbst vorgenommen habe. Es gebe kein Rezeptionspersonal. Die Beigeladene zu 1) habe nur eigene Patienten behandelt. Sie habe mit seinen Arbeitnehmern nicht zusammengearbeitet, keine regelmäßigen Arbeits- und Anwesenheitszeiten einzuhalten gehabt und habe die Arbeitszeit frei gestalten können. Anweisungen hinsichtlich der Ausführung der Arbeit seien ihr keine erteilt worden. Im Falle von Krankheit oder Urlaub habe die Beigeladene zu 1) die Vertretung selbst organisieren müssen. Sie habe Aufträge ohne Folgen seinerseits ablehnen können. Arbeitsgeräte seien von ihm gestellt worden.

Die Beigeladene zu 1) teilte im Verwaltungsverfahren auf Befragung der Beklagten mit, dass sie nur eigene Patienten behandelt habe. Patienten des Klägers seien ihr nicht zugewiesen worden.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 9. Januar 2012 gegenüber dem Kläger eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und der Umlagen nach dem AAG in Höhe von insgesamt EUR 12.019,69 (einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von EUR 2.658,50) fest. Der Beigeladenen zu 1) seien zwar sicherlich keinerlei fachliche Weisungen erteilt worden. Es sei jedoch davon auszugehen, dass auch erfahrenen, eingearbeiteten Physiotherapeuten, die in abhängiger Beschäftigung tätig seien, in der Regel keine fachlichen Weisungen gegeben werden müssten. Insofern sei die fachliche Weisungsfreiheit nicht als Beleg für eine Selbständigkeit geeignet. In zeitlicher Hinsicht habe offensichtlich Weisungsfreiheit bestanden, so dass dieses Kriterium für eine Selbständigkeit spreche. Die Beigeladene zu 1) habe die Einrichtungen der Praxis des Klägers mitgenutzt. Bereits dies spreche für eine betriebliche Integration. Auch habe sie über die Praxis des Klägers abgerechnet. Hinsichtlich der Zuweisung von Patienten hätten im Laufe des Verfahrens gegensätzliche Angaben vorgelegen. Soweit tatsächlich Patienten von der Praxis des Klägers zugewiesen worden sein sollten, spräche dies zusätzlich für eine betriebliche Integration. Wenn der Beigeladene zu 1) jedoch ausschließlich Patienten selbst mitgebracht und mit diesen Terminen vereinbart hätte, hebe dies die betriebliche Integration durch die Mitbenutzung der Praxiseinrichtung und die Abrechnung nicht auf. Die Bezahlung der Beigeladenen zu 1) sei nicht von dem Erreichen eines bestimmten Erfolges abhängig gewesen. Die Beigeladene zu 1) habe ihr Honorar ausschließlich für die Durchführung der verordneten physiotherapeutischen Maßnahmen erhalten. Die Beigeladene zu 1) habe auch kein eigenes Kapital eingesetzt, dessen sie bei ihrer Tätigkeit hätte verlustig gehen können. Sie habe auch keine laufenden betrieblichen Aufwendungen gehabt. Ein Abzug vom Honorar in Höhe von 30 Prozent sei nur dann angefallen, wenn tatsächlich Patienten behandelt worden seien. Eine eingerichtete Physiotherapiepraxis mit entsprechenden Betriebsmitteln sei Voraussetzung, um den Beruf des Physiotherapeuten in seiner üblichen Bandbreite leisten zu können. Das Fehlen eigener bzw. ständig angemieteter Räumlichkeiten und Einrichtungen spräche ganz erheblich gegen eine selbständige Tätigkeit. Dass die Beigeladene zu 1) die Leistungen ausschließlich selbst erbracht habe, spräche eher für eine abhängige Beschäftigung. Das Gleiche gelte dafür, dass die Beigeladene zu 1) keine eigenen Mitarbeiter beschäftigt habe. Das Betreiben von Werbung spreche zwar für Selbständigkeit, habe jedoch im Rahmen der Gesamtabwägung nur ein geringes Gewicht, zumal im vorliegenden Fall die Eigenwerbung nicht nachgewiesen worden sei. Ferner spreche auch das Fehlen einer Kassenzulassung gegen eine selbständige Tätigkeit. Das Fehlen der formellen Zusätzlichkeitsvoraussetzungen für eine eigenständige Gewerbeausübung bzw. die Ausübung eines freien Berufes müsse als Argument gegen das Vorliegen von Selbständigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne gesehen werden.

Hiergegen erhob der Kläger am 24. Januar 2012 Widerspruch. Die Beigeladene zu 1) habe keinerlei Vorgaben hinsichtlich Ort, Zeit und/oder Dauer ihrer Tätigkeit von ihm erhalten. Vorgaben seien allenfalls dort entstanden, wo sie dem Rahmenvertragsrecht der gesetzlichen Krankenkassen geschuldet seien. Dies habe mit einer Weisung durch ihn nichts zu tun. Der Ort der Behandlung sei allein kassenrechtlichen Umständen geschuldet. Die Behandlungen müssten entweder in kassenrechtlich zugelassenen Räumlichkeiten oder bei entsprechender Verordnung eines Hausbesuches am Wohn-/Aufenthaltsort des Patienten durchgeführt werden. Keinerlei Vorgaben seien durch ihn erfolgt, wie lange die tägliche Arbeitszeit der Beigeladenen zu 1) sei und/oder an welchen Wochentagen sie Behandlungsleistungen zu erbringen habe. Er habe auch keine fachlichen Weisungen erteilt. Entgegen der Auffassung der Beklagten könnten einem abhängig beschäftigten Mitarbeiter auch fachliche Weisungen erteilt werden, insbesondere hinsichtlich Behandlungsfrequenz, Behandlungsdauer und Behandlungstechnik. Zwar habe die Beigeladene zu 1) die Praxiseinrichtung genutzt. Sie habe im Rahmen ihrer Tätigkeit darüber hinaus auch eigene Gegenstände und/oder Materialien genutzt (Pkw und transportable Behandlungsbank zur Wahrnehmung von Hausbesuchen; Massageöl; therapeutisches Kleingerät). Dass die Beigeladene zu 1) die Behandlungsleistungen zu Gunsten gesetzlich versicherter Patienten nicht im eigenen Namen abgerechnet habe, sondern durch ihn, sei der kassenrechtlichen Lage geschuldet, dass nur derjenige Heilmittelerbringer abrechnungsberechtigt sei, der eine eigene Kassenzulassung besitze. Die Beigeladene zu 1) sei im Unterschied zu angestellten Mitarbeitern nicht verpflichtend in den Dienst-/Raumbelegungsplan der Praxis eingegliedert gewesen, habe keine Vertretung im Urlaubs-/Krankheitsfall anderer Mitarbeiter der Praxis übernehmen müssen, habe für eine krankheits-/urlaubsbedingte Abwesenheit eigene Vertretungen suchen müssen, habe keine Pflicht zur Wahrnehmung von internen oder externen Fortbildungsterminen, keine Berichtspflichten ihm gegenüber gehabt und habe nicht unmittelbar mit anderen Mitarbeitern der Praxis zusammengearbeitet. Es habe auch ein Unternehmerrisiko vorgelegen. Die provisionsbezogene Honorierung habe dazu geführt, dass die Beigeladene zu 1) im immer wieder realisierten Fall, dass Patienten nicht oder kurzfristig Termine absagten, ihre Arbeitskraft völlig umsonst zur Verfügung gehalten habe. Die provisionsbezogene Vergütung habe auch dazu geführt, dass die Beigeladene zu 1) in all den Fällen, in denen die Kostenträger Kürzungen oder gar Absetzungen vorgenommen hätten, ohne Honorar geblieben sei bzw. eine geringere Honorierung erhalten habe. Die Beigeladene zu 1) sei letztlich verpflichtet gewesen, Patienteneigenanteile selbst einzuziehen und das Inkassorisiko zu tragen. Sie habe auch Kapital eingesetzt. So habe sie ihren eigenen Pkw zur Durchführung von Hausbesuchen eingesetzt, ohne hierfür durch ihn eine Kilometerpauschale gewährt zu bekommen. Sie habe regelmäßig und auf eigene Kosten Therapiekleingeräte und Materialien angeschafft. Sie habe ihre Fortbildung auf eigene Kosten finanziert und hierfür keinerlei finanziellen Zuschuss von ihm erhalten. Sie habe eine eigene Berufshaftpflichtversicherung unterhalten und sich bei der zuständigen Berufsgenossenschaft angemeldet. Auch Hebammen oder Vertreter eines niedergelassenen Arztes würden als Selbständige angesehen. Es sei nicht erkennbar, weshalb und worin sich zwischen diesen Berufsgruppen einerseits und Physiotherapeuten andererseits erhebliche Unterschiede bestünden.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2012 zurück. Es wurden im Wesentlichen die Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid wiederholt. Ergänzend wurde ausgeführt, dass der Einsatz eigener Öle oder Desinfektionsmittel im Vergleich zur Vorhaltung eigener Praxisräumen nur einen geringen Aufwand darstelle und als Beleg für Selbständigkeit nicht geeignet sei. Gleiches gelte für den Ausnahmefall der Nutzung des eigenen Autos, da auch Arbeitnehmer teilweise den eigenen Pkw für Zwecke des Arbeitgebers einsetzten. Im Übrigen bildeten sich auch Arbeitnehmer auf eigene Kosten fort. Auch die Anschaffung einer transportablen Massagebank stelle kein unternehmerisches Risiko dar, da es sich um eine überschaubare freie Investition gehandelt habe. Das unternehmerische Risiko sei auch nicht mit dem Einkommensrisiko zu verwechseln, dass auch der abhängig Beschäftigte trage, wenn er nach Zeit entlohnt werde. Echtes Unternehmerrisiko bedeutet den Einsatz eigenen Vermögens mit der Aussicht auf Gewinn, aber auch mit dem Risiko des Verlustes. Sofern die Beigeladene zu 1) bei Absagen von Patienten einen Verdienstausfall gehabt habe, sei dies kein Indiz für eine selbständige Tätigkeit, da sie auch hierbei keinerlei offene betriebliche Aufwendungen gehabt habe. Ein Abzug vom Honorar in Höhe von 30 Prozent sei nur dann angefallen, wenn tatsächlich Patienten behandelt worden seien. Auch für einen abhängig Beschäftigten sei es nicht unüblich, dass er zur Vermeidung eines eigenen finanziellen Schadens eine Berufshaftpflichtversicherung abschließe. Somit stelle die Haftpflichtversicherung ein sehr schwaches Indiz für eine selbständige Tätigkeit dar.

Hiergegen erhob der Kläger am 18. Juni 2012 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG). Die Beigeladene zu 1) habe ihre physiotherapeutische Tätigkeit im maßgebenden Zeitraum zwar auch in den Räumlichkeiten seiner Physiotherapiepraxis ausgeübt. Darüber hinaus habe sie jedoch auch außerhalb dieser Praxisräume behandelt, nämlich immer dann, wenn durch den verordnenden Arzt eine Hausbesuchsverordnung ausgestellt worden sei. Behandlungen seien deshalb auch am Wohnsitz von Patienten oder in sozialen Einrichtungen erfolgt. Die Beigeladene zu 1) habe keinerlei Vorgaben hinsichtlich Ort, Zeit und/oder Dauer ihrer Tätigkeit von ihm erhalten. Vorgaben seien allenfalls durch das Rahmenvertragsrecht der gesetzlichen Krankenkassen gegeben gewesen. Hinsichtlich des Ortes der Behandlung habe sie die Räumlichkeiten nutzen müssen, damit die Behandlungsleistungen gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse abrechnungsfähig gewesen seien oder sie habe aufgrund ärztlicher Verordnung die Behandlung am Wohn-/Aufenthaltsort des Patienten vornehmen müssen. Die Beigeladene zu 1) habe die Patienten nach frei vereinbarten Behandlungsterminen behandelt und insoweit frei von jeglichen zeitlichen Vorgaben seinerseits. Sie sei insbesondere in keiner Weise an die Öffnungszeiten seiner Praxis gebunden gewesen. Er habe keinerlei Vorgaben gemacht, wie lange die tägliche Arbeitszeit der Beigeladenen zu 1) sein müsse oder dürfe und/oder an welchen Wochentagen sie Behandlungsleistungen zu erbringen hätte. Er habe auch nicht vorgegeben, welche Behandlungsdauer für einzelne Behandlungen einzuhalten sei. Dies habe die Beigeladene zu 1) in jedem Einzelfall selbst und individuell entschieden. Die Beigeladene zu 1) sei auch in keiner Weise verpflichtet gewesen, an praxisinternen Besprechungen und/oder Fortbildungen teilzunehmen. Die Beigeladene zu 1) habe unter Beachtung der kassenrechtlichen Vorgaben entschieden, wann sie arbeite, welche Patienten sie behandele, wie lange die Behandlungseinheiten dauern, welche Behandlungstechniken zur Anwendung kämen, welche Behandlungsfrequenzen eingehalten würden und welche Therapiemittel zum Einsatz kämen. Ein abhängig Beschäftigter unterläge jedoch in jeglicher Hinsicht der fachlichen Weisung des Arbeitgebers. Die Beigeladene zu 1) sei auch nicht in seinen Betrieb eingegliedert gewesen. Sie sei nicht in den Dienst-/Raumbelegungsplan der Praxis eingegliedert gewesen, es habe keine Vertretungsregelung im Urlaubs-/Krankheitsfall oder bei Wahrnehmung von externen Fortbildungsterminen bestanden, es habe keine Pflicht zur Übernahme von vertretungsweisen Behandlungen bestanden, es sei keine Nutzung des Praxis-PKWs für Hausbesuche erfolgt und es hätten keine Berichtspflichten ihm gegenüber bestanden. Zwar habe die Beigeladene zu 1) ihre Behandlungen ausschließlich persönlich erbracht. Sie habe aber das uneingeschränkte Recht gehabt, eigene Mitarbeiter in die Behandlung einzubinden. Die Beigeladene zu 1) habe auch Kapital eingesetzt. Sie habe eigene Öle und Desinfektionsmittel sowie eine transportable Massagebank angeschafft und den eigenen PKW genutzt. Sie habe auch eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Zwar sei sie durch ihn honoriert worden. Die Behandlungen seien aber aufgrund der zugrunde liegenden vertragsärztlichen Verordnungen von unterschiedlicher Wertigkeit gewesen, so dass die Beigeladene zu 1) aufgrund ihrer provisionsbezogenen Honorierung keinerlei Gewissheit darüber gehabt habe, welchen Umsatz/Gewinn sie monatlich generiere. Die provisionsbezogene Honorierung habe weiter dazu geführt, dass die Beigeladene zu 1) für den immer wieder vorkommenden Fall, dass Patienten nicht oder nur kurzfristig Termine absagten, ohne jede Vergütung geblieben sei. Die provisionsbezogene Vergütung habe auch dazu geführt, dass die Beigeladene zu 1) in all den Fällen, in denen die Kostenträger Kürzungen oder gar Absetzungen vorgenommen hätten, ohne Honorar geblieben sei oder eine geringere Honorierung erhalten habe. Anders als ein abhängig Beschäftigter, der keine Möglichkeit habe, weniger als die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, habe die Beigeladene zu 1) ihre Arbeitskraft jederzeit zeitlich einschränken können. Sie habe keinen Zahlungsanspruch ihm gegenüber gehabt und anders als ein abhängig Beschäftigter, der gehaltspflichtige Mehrarbeit nur auf ausdrückliche Weisung des Arbeitgebers oder aber nach dessen Duldung und im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes leisten könne, sei die Beigeladene zu 1) völlig frei in der Nutzung ihrer Arbeitskraft gewesen und darin, den Umsatz/Gewinn nach eigener Entscheidung zu beeinflussen. Entscheidend sei überdies, dass die Beigeladene zu 1) nur dann eine Vergütung erhalten habe, wenn sie Aufträge gehabt habe. Jeder niedergelassene Vertragsarzt habe die Sicherheit, dass er für die Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ein Honorar erhalte. Jeder Inhaber einer Physiotherapiepraxis habe dieselbe Sicherheit. Wäre dieser Gesichtspunkt ausschlaggebend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung, könnte kein Vertragsarzt und könnte kein zugelassener Physiotherapeut selbständig tätig sein. Die Beigeladene zu 1) habe überdies ein vertraglich vereinbartes Inkassorisiko übernommen. Die fehlende Kassenzulassung der Beigeladenen zu 1) führe nicht zur Annahme eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Im Übrigen würden auch Hebammen und Vertreter eines niedergelassenen Arztes grundsätzlich als Selbständige angesehen. Die Beigeladene zu 1) habe ein für eine selbständige Tätigkeit typisches Unternehmerrisiko schon deswegen getragen, weil sie das Risiko getragen habe, dass ihre Dienste aus welchen Gründen auch immer nicht ausreichend nachgefragt würden, so dass sie deshalb ohne Einkünfte bleibe. Der Hinweis der Beklagten auf befristete oder Abrufarbeitsverhältnisse verkenne offenkundig die Rechtslage. Auch ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer und auch ein im Rahmen eines Abrufarbeitsverhältnisses nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) beschäftigter Arbeitnehmer trage im Rahmen dieser Tätigkeit keinerlei Risiko, bei Zurverfügungstellung der Arbeitskraft ohne Gehalt zu bleiben. Das TzBfG gehe sogar von einer gehaltspflichtigen Mindeststundenzahl aus. Ein Unternehmerrisiko allein wegen der Vorgabe von verbindlichen Kassensätzen zu negieren, hätte das Aus jeder Freiberuflichkeit für in das System der gesetzlichen Krankenversicherung eingegliederte Leistungserbringerpraxen (Arzt, Apotheker, Heilmittelerbringer etc.) zur Folge. Denn sämtliche Vertragspartner der gesetzlichen Krankenkassen rechneten vorgegebene und verbindliche Preise ab. Die Beklagte überspanne die Anforderungen an ein unternehmerisches Risiko. Wenn ein unternehmerisches Handeln voraussetze, dass der Unternehmer das Risiko trage, gegebenenfalls sein Privatvermögen einzusetzen, wäre jedes unternehmerische Handeln einer GmbH, einer Unternehmergesellschaft oder einer Limited zu verneinen. Die Übernahme von seinen Patienten stelle kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung vor. Denn die Beigeladene zu 1) sei frei darin gewesen, ob sie diese Patienten übernehme.

Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegen. Die Beigeladene zu 1) habe kein unternehmerisches Risiko getragen. Sie habe ohne Kassenzulassung in der Praxis des Klägers gearbeitet und hierfür kein festes Entgelt erhalten, sondern über den Praxisinhaber abgerechnet und dafür einen prozentualen Anteil ihres Honoraraufkommens an ihn entrichtet. Ein Unternehmerrisiko setze aber voraus, dass eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt werde. Es sei aber kein eigenes Kapital eingesetzt worden. Auch habe die Beigeladene zu 1) für ihre tatsächlich ausgeübte Tätigkeit eine Bezahlung erhalten. Das Risiko, nicht durchgehend arbeiten zu können, sei zunächst ein Risiko, das auch jeden Arbeitnehmer treffe, der nur Zeitverträge bekomme oder auf Abruf arbeite und nach Stunden bezahlt oder unständig Beschäftigter sei. Es müsse deshalb ein Wagnis bestehen, das über dasjenige hinausgehe, kein Entgelt zu erzielen. Zum echten Unternehmerrisiko werde dieses Risiko deshalb regelmäßig erst, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen oder Entgelt aus Arbeit erzielt werde und zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen und/oder Arbeitnehmer anfielen oder früher getätigte Investitionen brach lägen. Daran fehle es hier. Darüber hinaus liege auch schon deshalb kein Unternehmerrisiko vor, da der Aufwand (Arbeitszeit) und Ertrag (Einkommen) durch die Vorgabe der maßgebenden Kassensätze in einem starren Verhältnis zueinander stünden. Mund-zu-Mund-Werbung tauge nicht als Indiz für eine selbständige Tätigkeit. Die Tatsache, dass die Beigeladene zu 1) Krankheitsvertretung etc. übernommen habe, spreche für ihre Eingliederung in den Betrieb und damit für eine abhängige Beschäftigung. Es läge auch kein Nachweis vor, dass für die Nutzung der Räumlichkeiten des Klägers Mietzins entrichtet worden sei.

Auf Anfrage des SG teilte die Beigeladene zu 1) mit, dass sie an ihre Patienten durch eigene Werbung und Vermittlung durch andere Patienten gekommen sei. Falls sie Termine mit Patienten nicht habe wahrnehmen können, habe sie diese Termine selbst abgesagt. Der Kläger habe seine Patienten selbst verwaltet. Sie habe uneingeschränkten Zugang zur Praxis gehabt, auch einen Schlüssel. Vom Vertrag vom 1. Februar 2008 sei nicht abgewichen worden. Die Werbung sei ausschließlich durch „Mund-zu-Mund-Werbung“ erfolgt. Durch ihre bisherige Tätigkeit habe sie sich einen entsprechenden Ruf erarbeitet. Im Rahmen von Krankheitsvertretung oder Spitzenabbau habe sie auch Patienten des Klägers übernommen. Die Terminplanung sei von ihr selbständig unter Berücksichtigung der freien Räumlichkeiten vorgenommen worden. Bei Zusatzverordnungen seien die Termine nach der Verfügbarkeit der Räumlichkeiten abgestimmt worden.

Das SG hob den Bescheid vom 9. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2012 mit Urteil vom 15. August 2014 auf. Die Beigeladene zu 1) habe ihre Tätigkeit für den Kläger nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung erbracht. Sie sei hinsichtlich der Arbeitszeit, der Behandlungsgestaltung und der Auswahl der Kunden nicht an die Weisungen des Klägers gebunden gewesen. Vielmehr habe sie ihre eigenen Patienten behandelt, während der Kläger seine Patienten behandelt habe. Weiterhin habe die Beigeladene zu 1) keine feste monatliche Vergütung erhalten, sondern nur einen prozentualen Anteil am Honoraraufkommen der von ihr behandelten Patienten. Damit habe sie ein unternehmerisches Risiko getragen. Entscheidend sei, dass sie nur dann eine Vergütung erhalten habe, wenn sie eigene Aufträge gehabt habe. Demnach habe sie nicht in Absprache mit dem Kläger ihre Arbeitszeit erhöhen können, um damit automatisch eine höhere Vergütung zu erzielen. Aufgrund der vertraglichen Situation sei sie auf die Behandlung eigener Patienten beschränkt gewesen. Sie habe letztlich nicht in einem engeren Sinne für den Kläger gearbeitet, sondern für sich selbst. Die Vereinbarung zur Vergütung im Vertrag über die freie Mitarbeit sei so auszulegen, dass der Kläger für die Überlassung von Praxisräumen und die Abrechnung über seine Zulassung statt eines festen Betrages eine am Umsatz der Beigeladenen zu 1) orientierte Beteiligung erhalten habe. Es gehe also nicht um einen Arbeitslohn im engeren Sinne. Zudem habe jeder niedergelassene Vertragsarzt die Sicherheit, dass er für die Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ein Honorar erhalte. Gleiches gelte für selbständige Physiotherapeuten wie den Kläger. Wäre dieser Gesichtspunkt ausschlaggebend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung, könne kein Vertragsarzt oder Physiotherapeut selbständig tätig sein. Die Tatsache, dass die Beigeladene zu 1) nicht selbst mit dem Kostenträger abgerechnet habe und wohl auch nicht hätte abrechnen dürfen, sondern dass dies der Kläger für sie übernommen habe, schließe eine freie Mitarbeit in einer Praxis nicht aus. Schließlich resultiere daraus in der vorliegenden Konstellation keine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1). Demgegenüber überwögen die Gesichtspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen (Fehlen einer eigenen Praxis, Mitbenutzung der Praxis des Klägers) nicht.

Gegen das ihr am 25. August 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10. September 2014 Berufung eingelegt. Die Beigeladene zu 1) sei auch bei Privatpatienten nicht unmittelbar Vertragspartnerin der Patienten gewesen. Sie habe daher selbstverständlich auch keinen Einfluss auf die Preiskalkulation des Klägers gehabt. Aus dem Widerspruchsschreiben ergebe sich, dass auch die Privatpatienten ausschließlich mit dem Kläger ein Vertragsverhältnis eingegangen seien und nur dieser die Leistung und den hierfür jeweiligen Preis mit den Patienten ausgehandelt habe. Es müsse also davon ausgegangen werden, dass die Beigeladene zu 1) ihre Leistungen nicht im eigenen Namen erbracht, zumindest insoweit Patienten des Klägers behandelt worden seien, und die Beigeladene zu 1) allenfalls in ihrer Terminsbestimmung frei gewesen sei. Die Beigeladene zu 1) habe keine Arbeitnehmer gehabt und auch keinen Vertreter eingesetzt. Dass die Beigeladene zu 1) in der inhaltlichen Ausgestaltung ihrer Tätigkeit insoweit frei gewesen sei, dass sie auf der Basis der ärztlichen Verordnung und der von vornherein gegebenen Reglementierung durch die erforderliche Abrechnungsfähigkeit der Leistung bei der Krankenkasse die Behandlung des einzelnen Patienten eigenverantwortlich durchgeführt habe, ohne dabei Einzelanweisungen des Klägers zu unterliegen, sei typischer Ausfluss einer Tätigkeit als Physiotherapeutin und werde auch von abhängig Beschäftigten so geleistet. Insoweit sei es unschädlich, dass vereinbart worden sei, dass die Beigeladene zu 1) nicht weisungsgebunden sei. Die Möglichkeit der freien Zeiteinteilung spreche zwar für eine selbständige Tätigkeit. Dieses Indiz besitze aber aufgrund der immer weiter fortschreitenden Flexibilisierung der Arbeitszeit (Gleitzeit, flexible Arbeitszeitmodelle) kein großes Gewicht. Aufgrund dessen, dass die Beigeladene zu 1) keine eigene Betriebsstätte unterhalte und auch ansonsten keine unterhaltsbedürftigen und mithin unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg ihrer Tätigkeit kostenverursachenden Betriebsmittel eingebracht habe, liege insoweit auch das für eine Selbständigkeit typische Unternehmerrisiko nicht vor. Die Bezahlung sei zudem nicht von dem Erreichen eines bestimmten Erfolges abhängig gewesen, sondern habe sich nach einem festen Prozentsatz der insgesamt durchgeführten physiotherapeutischen Leistungen berechnet. Der Umstand, dass die Behandlungsanzahl die Einnahmen der Beigeladenen zu 1) habe erhöhen bzw. mindern können, sei kein unternehmerisches Risiko. Diese Chance auf Mehrarbeit werde auch Arbeitnehmern eingeräumt. Gleichzeitig habe die Beigeladene zu 1) wie Arbeitnehmer auch das Risiko getragen, dass sie bei weniger Arbeitsaufkommen auch Einnahmen einbüße. Entscheidend sei, dass die Beigeladene zu 1) unabhängig von der Patientenbehandlung keine betrieblichen Aufwendungen gehabt habe und somit nie Gefahr gelaufen sei, aufgrund zu geringer Umsätze Verlust zu machen. Zudem ließen insbesondere die vorliegenden Rechnungen i.V.m. dem Ausdruck aus dem Jahreskonto darauf schließen, dass die Beigeladene zu 1) 70 Prozent des Abrechnungsbetrages erhalten habe, unabhängig davon, ob die Krankenkasse den Betrag in voller Höhe abgerechnet bzw. der Betrag von den Privatpatienten vollständig überwiesen worden sei. Insoweit habe sie mit Übernahme eines Auftrages auch kein Risiko getragen, dass sie ihre Arbeitskraft umsonst einsetze. Offensichtlich habe ihr selbst bei den Privatpatienten nicht das Risiko oblegen, Ansprüche gegebenenfalls auch kostenintensiv im Wege des Mahn- oder Gerichtsverfahrens geltend zu machen oder Kassenabrechnungen zu monieren. Insofern habe die Beigeladene zu 1) die Praxis des Klägers zur Abrechnung genutzt. Ohne diese wäre ihr die Liquidation ihrer Leistungserbringung bei Kassenpatienten auch überhaupt nicht möglich gewesen, so dass sie insoweit auf die betriebliche Einrichtungen des Klägers und deren Leistung zwingend angewiesen gewesen sei. Die Beigeladene zu 1) hätte ohne die Praxis des Klägers ihre erbrachten Leistungen nicht abrechnen können. Maßgeblich für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses müssten auch die Vorgaben des Leistungserbringerrechts des SGB V sein. Per legem seien dem Kläger die Verantwortung für die Letztentscheidung für alle physiotherapeutischen Leistungen, die in seiner Praxis erbracht würden, zugewiesen. Ihm komme daher die entscheidende Weisung- und Entscheidungsgewalt zu. Dies aber belege das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses. Insoweit könne dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14. September 1989 (12 RK 64/87 – in juris) nicht mehr ohne Weiteres gefolgt werden. Der damaligen Annahme, dass bei fehlender Zulassung des freien Mitarbeiters zur Leistungserbringung nur das Verhältnis zwischen Praxisinhaber und Krankenkasse betroffen sei, stehe nun die neue Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30. April 2013 – B 12 RK 19/11 R – in juris) entgegen, wonach die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag gäben, wenn sie rechtlich auch zulässig seien. Die vertraglichen Regelungen seien an objektiv nachweisbaren Punkten zudem nicht umgesetzt worden; so habe die Beigeladene zu 1) entgegen der Vereinbarung das Statusfeststellungsverfahren nicht eingeleitet. Zudem habe die Beigeladene zu 1) selbst vorgetragen, dass sie sich bei der Terminplanung auch nach der Verfügbarkeit der freien Räumlichkeiten zu richten habe, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass entgegen der Ziffer 4 des Vertrags ein ausreichend geeigneter Behandlungsraum zur alleinigen Nutzung nicht zur Verfügung gestanden habe. Insoweit könne allein aufgrund der vertraglichen Regelung auch nicht abschließend auf das tatsächliche Verhältnis des Klägers und der Beigeladenen zu 1) geschlossen werden. Letztlich sei auch die Vita der Beigeladenen zu 1) nicht durch Selbständigkeit geprägt. Seit dem 1. Juli 2011 sei sie zudem entsprechend ihrer eigenen Angaben 20 Stunden pro Woche als abhängig beschäftigte Physiotherapeutin tätig. Weitere selbständige Tätigkeiten als die bei dem Kläger habe sie entsprechend ihrer Angaben wohl nicht ausgeübt. Sie habe keine eigene Mitarbeiter und habe die Leistung bei dem Kläger über einen Zeitraum von fast zwei Jahren ausschließlich selbst erbracht, d.h. weder in Zeiten des Urlaubs noch bei Krankheit habe eine von ihr organisierte Vertretung stattgefunden. Dies sei insofern für einen Selbständigen ungewöhnlich, da er von den aus seiner Selbständigkeit erzielten Einnahmen laufend seinen Lebensunterhalt finanzieren müsse. Der Umstand, dass in dem Vertrag über die freie Mitarbeit vom 1. Februar 2008 nicht expressis verbis niedergelegt worden sei, dass die Beigeladene zu 1) zur Arbeitsleistung verpflichtet sei, schließe das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht aus. Bereits der Umstand, dass ein Vertrag über eine Tätigkeit als freie Mitarbeiterin geschlossen worden sei, zeige, dass von einer Leistungspflicht ausgegangen worden sei. Wenn beide Vertragspartner nicht von einer bestehenden Leistungspflicht ausgegangen wären, wäre eine vertragliche Regelung auch nicht notwendig gewesen. Die Beigeladene zu 1) habe auch tatsächlich ihre Behandlungsleistungen im Betrieb des Klägers erbracht. Auch unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlicher Interessen müsse eine bestehende Leistungspflicht bejaht werden. Der Kläger gehe von einer Verpflichtung der Beigeladenen zu 1) zur Arbeitsleistung aus, da dies Grundlage seiner Kalkulation zur Auslastung seiner Praxis sei. Zudem werde der Kläger in seine wirtschaftliche Kalkulation auch den 30prozentigen Anteil an dem Abrechnungsbetrag für die von der Beigeladenen zu 1) erbrachten Behandlungsleistungen einbezogen haben. Auch die Beigeladene zu 1) gehe aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten von einer Leistungsverpflichtung aus, da sie an der im Gegenzug möglichen Nutzung der Infrastruktur und dem Erwirtschaften einer Vergütung interessiert sei. In Ziffer 6 des Vertrages sei geregelt, dass der Kläger als Vergütung für die nach diesem Vertrag zu erbringenden Leistung 70 Prozent des Abrechnungsbetrages zahle. Dies mache ebenso deutlich, dass die Vertragspartner davon ausgingen, dass die Beigeladene zu 1) zur Erbringung von Arbeitsleistungen verpflichtet sei. Auch stelle sich die Frage, warum unter Ziffer 9 des Vertrages ein beiderseitiges sechswöchiges Kündigungsrecht vereinbart worden sei sowie das Recht auf fristlose Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zugunsten des Klägers, wenn eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht bestanden haben sollte. Ohne Leistungspflicht bestehe auch kein Schutzbedürfnis für einen sechswöchigen Abwicklungszeitraum aus arbeitnehmerschützenden Gesichtspunkten. Allein der Umstand, dass die Beigeladene zu 1) nur eine Vergütung erhalte, wenn sie Aufträge habe, stelle kein Unternehmerrisiko dar. Die Beigeladene zu 1) habe die durch den Kläger bereitgestellte Infrastruktur genutzt, insofern also keine eigenen Investitionen wie Anmietung von Räumlichkeiten, Beschaffung eines Abrechnungssystems und Anschaffung von Praxiseinrichtung getätigt. Kosten für die Nutzung in prozentueller Höhe zum Abrechnungsbeitrag seien auch nur angefallen, wenn die Beigeladene zu 1) Behandlungsleistungen durchgeführt habe. Entscheidend für eine abhängige Beschäftigung spräche aber, dass die Beigeladene zu 1) ihre Behandlungsleistungen in einer fremden, zur Leistungserbringung zugelassenen Praxis erbracht habe. Die Praxisinhaber träten gegenüber den Patienten als Heilmittelerbringer auf, rechneten die Heilmittel gegenüber der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse ab und träten nach außen hin als verantwortliche Praxisbetreiber auf. Das Risiko des wirtschaftlichen Praxisbetriebes, der sich an den zwischen Praxisbetreibern und Krankenkassen geltenden Vertrags- und Vergütungsregelungen orientiere, trage der Praxisbetreiber. Die entscheidende Weisungs- und Entscheidungsgewalt liege auch bei dem Praxisbetreiber. Die Regelungen zur Zulassung als Leistungserbringer nach dem SGB V verlangten die erforderliche Qualifikation, die nötige Erlaubnis sowie die Ausstattung für eine zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, müsse der Praxisinhaber seine Praxis entsprechend organisieren und kontrollieren, da dem Praxisinhaber als dem zugelassenen Leistungserbringer die Verantwortung für die von ihm abgerechneten Leistungen durch die zwingenden Vorgaben des Leistungserbringerrechts zugewiesen würden. Auch wenn das BSG in seinem Urteil vom 14. September 1989 (a.a.O.) ausgeführt habe, dass die Tätigkeit in einer solchen Konstellation eine freie Mitarbeit in einer Praxis nicht ausschließe, weise es aber darauf hin, dass die rechtlichen Bindungen, die nach dem Zulassungsrecht zu beachten seien, ein Indiz dafür sein könnten, wie die Beziehungen zu den in der Praxis tätigen Mitarbeiter zu regeln seien. Sie sollten nur dann keine Bedeutung haben, wenn die geschlossenen Verträge und ihre tatsächliche Abwicklung keine Zweifel über die gewollte Gestalt der Beziehung zuließen. Daher könnten die rechtlichen Vorgaben des Leistungserbringerrechts nicht außer Acht gelassen werden, denn nach der (genannten) aktuellen Rechtsprechung des BSG gehörten zu den tatsächlichen Umständen, die eine sozialversicherungsrechtliche Zuordnung erlaubten, auch die rechtlich relevanten Umstände. Ein weiterer Anhaltspunkt für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung stelle die fehlende eigene Betriebsstätte dar. Ausweislich Ziffer 2 Abs. 3 des Vertrages über die freie Mitarbeit müsse eine Abstimmung mit der Praxis hinsichtlich der Patientenbestellungen und der sich daraus ergebenden Belegungsmöglichkeiten der Behandlungsräume erfolgen, da diese dem freien Mitarbeiter nicht zur alleinigen Nutzung vermietet seien. Hinsichtlich der erhobenen Säumniszuschläge sei der Begriff unverschuldet dahingehend auszulegen, dass auch fahrlässiges Handeln miteinbezogen werde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. August 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger wiederholt sein bisheriges Vorbringen. Im Übrigen sei der Einsatz freier Mitarbeiter in den Rahmenempfehlungen nach § 125 SGB V ausdrücklich vorgesehen. Dass die Vita eines Betroffenen Aufschluss über dessen sozialversicherungsrechtlichen Status innerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses geben solle/könne, scheine nahezu absurd. Die Voraussetzungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen lägen nicht vor.

Die Beigeladenen haben im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beklagte hat ihre Position bekräftigt. Die Beigeladenen zu 2) und 3) haben ausdrücklich von einer Stellungnahme abgesehen. Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

II.

1. Der Senat entscheidet über die Berufung der Beklagten nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten.

2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere bedurften sie nicht der Zulassung, da über eine Beitragsnachforderung von EUR 12.019,69 gestritten wird, so dass der Beschwerdewert von EUR 750,00 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) überschritten ist.

3. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat den Bescheid vom 9. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2012 zu Recht aufgehoben, da diese rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzten. Die Beklagte hat zu Unrecht Gesamtsozialversicherungsbeiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen nach dem AAG aufgrund der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) festgesetzt. Denn die Beigeladene zu 1) war zwischen dem 1. Februar 2008 und dem 31. Dezember 2009 bei dem Kläger nicht abhängig beschäftigt, so dass er nicht zur Tragung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages und Umlagen verpflichtet war (dazu unter a). Entsprechend ist auch die Erhebung der Säumniszuschläge nicht rechtmäßig (dazu unter b).

a) aa) Die Beklagte ist nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I, S. 3710) für die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuständig. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden (Satz 4). Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.

Diese Befugnis der Beklagten schließt die Rechtsmacht ein, einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung zu erlassen und damit rechtsgestaltend im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in die Rechtssphäre des Arbeitnehmers – hier der Beigeladenen zu 1) – als Drittbetroffene einzugreifen. Die Beklagte darf den an den Arbeitgeber gerichteten Bescheid gegenüber dem Drittbetroffenen mit dem Hinweis, dass dieser berechtigt sei, Rechtsbehelfe einzulegen, bekanntgeben (Urteil des Senats vom 23. Januar 2015 – L 4 R 916/12 – m.w.N., nicht veröffentlicht).

bb) Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 SGB V, § 174 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie § 60 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auch für die Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach § 28d Satz 1 SGB IV die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Teil des Beitrags des Arbeitgebers zur Bundesagentur für Arbeit, der sich nach der Grundlage für die Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§ 28d Satz 2 SGB IV). Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung werden nach dem seit 1. Januar 2006 gültigen § 7 Abs. 1 AAG durch eine Umlage von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht.

cc) Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – in juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R – in juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – in juris, Rn. 23 – jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – in juris, Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – in juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – in juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – in juris, Rn. 23 ff. – jeweils m.w.N.).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 49/94 – in juris, Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 – 12/3/12 RK 39/74 – in juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R – in juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 – B 12 KR 21/98 R – in juris, Rn. 17 – jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – in juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – in juris, Rn. 16).

dd) Nach diesen Maßstäben steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) in der Praxis des Klägers keine abhängige Beschäftigung war (gleiche Bewertung in ähnlicher Konstellation bereits bei Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2008 – L 11 R 515/08 – nicht veröffentlicht).

(1) Es lässt sich bereits nicht feststellen, dass die Beigeladene zu 1) gegenüber dem Kläger zu einer Arbeitsleistung verpflichtet war. Die Pflicht zur Erbringung von Arbeitsleistungen ist als Hauptpflicht essentialia negotii eines Arbeitsvertrages (vgl. etwa Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 13. Juni 2010 – 7 AZR 169/11 – in juris, Rn. 20; Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 611 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] Rn. 639) und damit Grundvoraussetzung für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Form eines Arbeitsverhältnisses (BSG, Urteil vom 11. März 2009 – B 12 R 11/07 R – in juris, Rn. 12; Urteil des Senats vom 24. April 2015 – L 4 R 1787/14 – nicht veröffentlicht).

Dem zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) geschlossenen schriftlichen Vertrag lässt sich weder eine Pflicht der Beigeladenen zu 1) zur Arbeitsleistung noch ein Anspruch des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1) auf Erbringung einer Arbeitsleistung entnehmen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2008 – L 11 R 515/08 – nicht veröffentlicht). Der schriftliche Vertrag enthält lediglich Regelungen für den Fall, dass die Beigeladenen zu 1) Tätigkeiten erbringt. Auf eine Leistungspflicht der Beigeladenen zu 1) kann daraus – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht geschlossen werden; es wäre zudem schon völlig unklar, welchen zeitlichen Umfang diese Leistungspflicht haben sollte. Zwar ist in Ziffer 6 des Vertrages von der Vergütung der „nach diesem Vertrag zu erbringenden Leistung“ die Rede; dies hat aber lediglich deskriptive Funktion und soll umschreiben, um die Vergütung welcher Leistung – nämlich der Leistungen, die nach Maßgabe des Vertrages erfolgen – es geht.

Zwar kann eine Arbeitsleistung auch mündlich oder konkludent (etwa durch Arbeitsaufnahme; vgl. etwa Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 611 BGB Rn. 314) vereinbart werden. Dass dies hier der Fall war, lässt sich indes nicht feststellen. Auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung maßgeblich ist insoweit, dass sich privatrechtliche Verpflichtungen zur Arbeitsleistung einerseits und zur Annahme der Arbeitsleistung und ihrer Vergütung andererseits nicht feststellen lassen. Anders als in Konstellationen, in denen der Senat zuletzt abhängige Beschäftigungsverhältnisse festgestellt hat (etwa Urteil vom 14. August 2015 – L 4 R 3277/14 – und Beschluss vom 6. Juli 2015 – L 4 R 4641/14 – beide nicht veröffentlicht), liegt insbesondere kein Fall vor, in dem von einem Beschäftigungsverhältnis auf Abruf gesprochen werden könnte. Es besteht keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die Beigeladene zu 1) jeweils auf Anforderung des Klägers tätig geworden wäre.

Eine Leistungspflicht lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus Ziffer 9 des Vertrages herleiten, in der ein beiderseitiges sechswöchiges Kündigungsrecht sowie das Recht auf fristlose Kündigung vereinbart worden ist. Die Beklagte vertritt die Ansicht, ohne Leistungspflicht der Beigeladenen zu 1) bestehe kein Bedürfnis für einen sechswöchigen Abwicklungszeitraum aus arbeitnehmerschützenden Gesichtspunkten. Sie verkennt dabei, dass die Regelung der Kündigungsbedingungen deswegen notwendig, jedenfalls sinnvoll war, weil der Vertrag zwar keine Leistungspflicht der Beigeladenen zu 1), aber einen Anspruch gegenüber dem Kläger begründete, in seinen Praxisräume tätig zu werden. Kündigungsfristen sind im Übrigen kein exklusives Element von Arbeitsverträgen, sondern finden sich in einer Vielzahl schuldrechtlicher Vereinbarungen.

Das Vorbringen der Beklagten, es sei schon deswegen von einer Pflicht zur Arbeitsleistung auszugehen, weil die wirtschaftliche Kalkulation des Klägers hierauf beruhe, ist spekulativ. Auf Spekulationen können belastende Verwaltungsakte indes nicht gestützt werden. Insofern gehen auch die Erwägungen der Beklagten leer, aus dem Umstand, dass die Beigeladene zu 1) entgegen Ziffer 7 des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) geschlossenen Vertrages einen Statusfeststellungsantrag nicht gestellt hat, darauf zu schließen, dass auch ansonsten die tatsächliche Vertragsdurchführung von dem schriftlich Vereinbarten abgewichen sei. Positive und konkrete Anhaltspunkte hierfür hat die Beklagte nicht benennen können. Ihr aber obliegt die objektive Beweislast für das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung. Eine gesetzliche Regel, dass im Zweifel eine versicherungspflichtige Beschäftigung anzunehmen ist, existiert nicht (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1978 – 12 RK 58/76 – in juris, Rn. 14; Urteil des Senats vom 17. Juli 2015 – L 4 R 1570/12 – nicht veröffentlicht – auch zum Folgenden). Entsprechend ist es unzulässig, bestimmte Tätigkeiten als in der Regel abhängige Beschäftigung zu kategorisieren und die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung mit dieser Prämisse vorzunehmen (so aber für in einer fremden Praxis tätige Physiotherapeuten LSG Bayern, Beschluss vom 13. Februar 2014 – L 5 R 1180/13 B ER – in juris, Rn. 17; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. September 2014 – L 1 KR 351/12 – in juris, Rn. 41). Es ist auch nicht erlaubt, gleichsam im Wege einer dem Grundsatz der objektiven Beweislast entgegenstehenden Beweisregelung eine abhängige Beschäftigung aus Gründen als gegeben zu unterstellen, die mit dem Tatbestand der Abhängigkeit nicht zu tun haben müssen (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1978 – 12 RK 58/76 – in juris, Rn. 14). Die Aufstellung einer solchen Zweifelsregelung wäre mit den grundrechtlichen Positionen der betroffenen Personen auch nicht zu vereinbaren. Sowohl für den Auftraggeber als auch den Dienstleistenden stellt die Feststellung von Sozialversicherungspflicht und der damit einhergehenden Beitragspflicht einen Eingriff jedenfalls in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) dar (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. Februar 1998 – 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 – in juris, Rn. 66 m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2003 – 1 BvR 558/99 – in juris, Rn. 38). Dieser Eingriff ist nur zu rechtfertigen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in die Sozialversicherung erfüllt sind. Daher muss der abhängige Charakter der Tätigkeit und damit die Sozialversicherungspflicht positiv festgestellt werden können.

(2) Fehlt es bereits an dem für ein Beschäftigungsverhältnis typischen Synallagma der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten ist der Annahme, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege, von vorneherein der Boden entzogen. Selbst wenn man aber – mit der Beklagten – davon ausgehen würde, dass eine Pflicht der Beigeladenen zu 1) zur Erbringung von Arbeitsleistung bestanden hätte, könnte eine abhängige Beschäftigung nicht festgestellt werden.

Insbesondere bestand kein Weisungsrecht des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1). Ein solches Weisungsrecht ist in Ziffer 3 des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) geschlossenen Vertrages ausdrücklich ausgeschlossen worden; eine davon abweichende tatsächliche Handhabung kann nicht festgestellt werden; hierfür gibt es auch keine Anhaltspunkte. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Beigeladene zu 1) keinen fachlichen Weisungen des Klägers unterlegen ist. Selbst wenn man mit der Beklagten annimmt, dass es sich so auch in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen verhalten würde, würde dies aber allenfalls dazu führen, dieses Merkmal als neutral einzustufen. Für die Position der Beklagten lässt sich aus diesem Umstand jedenfalls nichts herleiten (vgl. auch BSG, Urteil vom 14. September 1989 – 12 RK 64/87 – in juris, Rn. 25 a.E.).

Neben der fachlichen Weisungsfreiheit bestand auch eine Weisungsfreiheit hinsichtlich der Zeitpunkte und der Dauer der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1). Dies entspricht der Regelung in Ziffer 2 des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) geschlossenen Vereinbarung und nach dem unwiderlegten Vortrages des Klägers auch der tatsächlichen Praxis. Dies stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Anhaltspunkte für vertragliche Vorgaben und die tatsächliche Ausübung eines Direktionsrechts des Klägers hinsichtlich Zeitpunkt und Dauer der Tätigkeit fehlen. Die Beigeladene zu 1) war – anders als dies die Beklagte suggeriert – nicht nur hinsichtlich ihrer Zeiteinteilung frei, sondern bereits hinsichtlich des Zeitvolumens. Die Beigeladene zu 1) hat selbst entschieden, ob, wann und welche Patienten sie behandelt. Sie hat die Termine mit den Patienten selbst vereinbart. Dies gilt auch dann, wenn sie gelegentlich Patienten behandelt hat, die eigentlich Patienten des Klägers waren. Auch die Beklagte konnte nicht darlegen, dass die Beigeladene zu 1) zur Behandlung solcher Patienten verpflichtet gewesen wäre. Damit unterscheidet sich der Sachverhalt etwa von demjenigen, über den das LSG Niedersachsen-Bremen in seinem Urteil vom 24. September 2014 (L 1 KR 351/12 – in juris, Rn. 49) zu entscheiden hatte, schon dadurch, dass in jenem Fall der Erstkontakt mit den Patienten stets über die Praxis erfolgte und nicht über den Physiotherapeuten, dessen sozialversicherungsrechtliche Einstufung streitig war.

Gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung spricht auch, dass die Beigeladene zu 1) nach Ziffer 2 der Vereinbarung vom 1. Februar 2008 eine eigene Patientenkartei geführt hat, eigenen Briefbogen und Visitenkarten verwendet hat sowie berechtigt war, eigenes Therapiematerial anzuschaffen und zu nutzen. Durch die Verwendung eigener Visitenkarten trat die Beigeladene zu 1) nicht als Mitarbeiterin des Klägers auf; insofern unterscheidet sich der Sachverhalt von demjenigen, der dem Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 4. Mai 2011 (L 1 KR 11/11 B ER – in juris, Rn. 77) zugrunde lag.

Allerdings war die Beigeladene zu 1) hinsichtlich des Ortes ihrer Tätigkeit nicht frei, sondern musste diese entweder in der Praxis des Klägers und bei entsprechender Verordnung von Hausbesuchen bei den Patienten vor Ort ausüben. Dies ist aber, worauf der Kläger zu Recht hingewiesen hat, Folge der gesetzlichen Regelung, das die Zulassung zur Erbringung von Leistungen der physikalischen Therapie an bestimmte Räumlichkeiten gebunden ist (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 2 SGB V; Schneider, in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 124 Rn. 20 m.w.N.), und nicht Ausfluss eines Weisungsrechtes des Klägers. Würde man den Umstand gleichwohl als – gar entscheidendes – Merkmal einer abhängigen Beschäftigung einordnen, könnte ein Physiotherapeut ohne eigene Praxis nie selbständig tätig sein. Dies entspricht zumindest nicht der Rechtsprechung des BSG, das die Möglichkeit selbständiger Tätigkeit eines Physiotherapeuten in einer fremden Praxis sowohl im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung angenommen hat (Urteil vom 14. September 1989 – 12 RK 64/87 – in juris, Rn. 24 ff.) als auch im krankenversicherungsrechtlichen Kontext die Abrechenbarkeit von Leistungen freier Mitarbeiter durch den (zugelassenen) Praxisinhaber bejaht hat (BSG, Urteil vom 29. November 1995 – 3 RK 33/94 – in juris, Rn. 16 ff.). Die zuletzt genannte Entscheidung wird von der Beklagten wie auch von der von ihr in Bezug genommenen obergerichtlichen Entscheidungen nicht hinreichend gewürdigt.

Kein Argument für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) ist der – wiederum dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (§§ 124, 125 SGB V; vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 12. August 2010 – B 3 KR 9/09 R – in juris, Rn. 14 ff., 19) geschuldete – Umstand, dass die Beigeladene zu 1) ihre Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten nicht mit den Kostenträgern direkt abrechnen durfte, sondern dass dies durch den Kläger geschah (so bereits in ähnlichen Konstellationen LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Mai 2011 – L 11 R 1075/11 ER-B – in juris, Rn. 18; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2008 – L 11 R 515/08 – nicht veröffentlicht). Eine sozialversicherungsrechtlich relevante Eingliederung der Beigeladenen zu 1) in den Betrieb des Klägers ist hierdurch genauso wenig erfolgt, wie Ärzte zu Angestellten privatärztlicher Verrechnungsstellen werden, die sie mit der Eintreibung ihrer (ggf. an diese abgetretenen) Forderungen gegenüber Privatpatienten beauftragt haben.

Dass die Beigeladene zu 1) auch die Abrechnung ihrer Tätigkeit mit Privatpatienten dem Kläger übertragen hat, worauf die Beklagte rekurriert, ändert an der Beurteilung nichts. Es ist bereits unter praktischen Gesichtspunkten ohne Weiteres plausibel, dass der Kläger und die Beigeladene zu 1) zwischen der Abrechnung mit gesetzlichen Krankenversicherten und mit Privatpatienten nicht unterschieden haben. Die damit ersichtlich beabsichtigte Vermeidung von Reibungsverlusten – und der Notwendigkeit, dass die Beigeladene zu 1) eigene Inkassotätigkeiten betreibt – spricht nicht gegen eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1).

Die Beklagte kann auch nicht mit dem Argument durchdringen, die frühere Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14. September 1989 – 12 RK 64/87 – in juris) sei überholt, weil das BSG (nun) die praktizierte Beziehung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer nur dann für ausschlaggebend erachte, wenn sie rechtlich zulässig sei (Hinweis der Beklagten auf BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R – in juris, Rn. 14). Ausgangspunkt für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung sind zunächst die privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Diese sind allerdings nur insoweit maßgeblich, wie sie zulässig sind. Grenzen können sich hierfür sowohl aus zwingendem Privatrecht als auch aus dem öffentlichen Recht ergeben. Hierauf bezieht sich die Wendung „so wie sie rechtlich zulässig ist“ in der BSG-Rechtsprechung. Es existieren aber keine Rechtsvorschriften, die der zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) vereinbarten und praktizierten Art und Weise ihrer Zusammenarbeit entgegenstünden. Die Vorgaben des Krankenversicherungsrechts zu den Anforderungen an die Abrechenbarkeit von Physiotherapieleistungen stehen privatrechtlichen Vereinbarungen, wie sie der Kläger und die Beigeladene zu 1) getroffen haben, nicht entgegen. Insbesondere sind §§ 124, 125 SGB V keine Verbotsnormen im Sinne von § 138 BGB. Sollten die privatrechtlichen Vereinbarungen mit §§ 124, 125 SGB V kollidieren, hätte dies allenfalls Auswirkungen auf die Zulassung des Klägers haben können, nicht aber auf dessen privatrechtliche Beziehung zur Beigeladenen zu 1) (so bereits in ähnlicher Konstellation BSG, Urteil vom 14. September 1989 – 12 RK 64/87 – in juris. Rn. 26). Wären – und das ist die Konsequenz der Auffassung der Beklagten – die Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) unwirksam, wäre jedenfalls dann auch jedem Weisungsrecht und jeder vertraglich begründeten Eingliederung der Beigeladenen zu 1) in den Betrieb des Klägers der Boden entzogen. Abgesehen davon ist aber in der Rechtsprechung des BSG – wie bereits erwähnt – ohnehin geklärt, dass ein nach § 124 SGB V zugelassener Praxisinhaber auch freie Mitarbeiter beschäftigen und deren Leistungen mit dem Leistungsträger abrechnen darf (BSG, Urteil vom 29. November 1995 – 3 RK 33/94 – in juris, Rn. 16 ff.).

Kein Argument gegen eine selbständige Tätigkeit ist entgegen der Auffassung der Beklagten, dass die Beigeladene zu 1) keine Arbeitnehmer hatte und nie einen Vertreter eingesetzt hat. Zwar ist im positiven Fall das Vorhandensein von Arbeitnehmern des Auftragnehmers ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit. Das Fehlen solcher Arbeitnehmer lässt aber keinen Umkehrschluss zu, sondern ist neutral. Es entspricht auch der Wertung des Gesetzgebers selbst, Selbständige ohne versicherungspflichtigen Arbeitnehmer anzuerkennen (vgl. § 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 9 lit. a SGB VI).

Die Beklagte kann mit ihrer Berufung auch nicht insoweit durchdringen als sie ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1) in Abrede stellt. Kriterium für ein Unternehmerrisiko eines Selbständigen, das im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten ist (BSG, Beschluss vom 16. August 2010 – B 12 KR 100/09 B – in juris, Rn. 10 m.w.N.), ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – in juris, Rn. 27 m.w.N.; BSG, Urteil vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – in juris, Rn. 29). Das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist aber nicht schlechthin entscheidend (BSG, Beschluss vom 16. August 2010 – B 12 KR 100/09 B – in juris, Rn. 10 m.w.N.).

Im Übrigen lassen sich aber im vorliegenden Fall auch Elemente eines Unternehmerrisikos feststellen. Soweit die Beklagte bei der Beurteilung eines Unternehmerrisikos auf den Einsatz eigenen Kapitals bzw. eigener Betriebsmittel abstellt, ist dies keine notwendige Voraussetzung für eine selbständige Tätigkeit. Dies gilt schon deshalb, weil anderenfalls geistige oder andere betriebsmittelarme Tätigkeiten nie selbständig ausgeübt werden könnten (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 R 3/12 R – in juris, Rn. 25; Urteil des Senats vom 27. Februar 2015 – L 4 R 3943/13 – nicht veröffentlicht; Urteil des Senats vom 24. April 2015 – L 4 R 1787/14 – nicht veröffentlicht). Insofern ist – zugunsten der Position des Klägers – durchaus zu berücksichtigen, dass die Beigeladene zu 1) finanzielle Investitionen für einen Pkw, eine transportable Behandlungsbank, für Massageöl und für therapeutisches Kleingerät getätigt hat. Dass der Pkw auch privaten Zwecken dienen mag und die übrigen finanziellen Investitionen betragsmäßig überschaubar sein mögen – die Beklagte hat hier im Übrigen keine Feststellungen getroffen und keine Ermittlungen unternommen – kann der Beigeladenen zu 1) erst Recht nicht entgegengehalten werden. Die Beklagte ist zu sehr einer Sichtweise verhaftet, die lediglich gewerblichen Unternehmern mit erheblichen Betriebsmittelbedarf die Möglichkeit selbständiger Tätigkeit zubilligt. Dies wird weder der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 1 SGB IV noch der Vielfalt des wirtschaftlichen Lebens gerecht (vgl. zur selbständigen Tätigkeit eines Piloten ohne eigenes Flugzeug BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – in juris, Rn. 16 ff.).

Im Sinne eines gewissen Unternehmerrisikos ist auch zu werten, dass die Beigeladene zu 1) einen Vergütungsanspruch nur erlangte, wenn es tatsächlich zu Behandlungen von Patienten kam. Hielt sie ihre Arbeitskraft bereit, ohne dass es zu Behandlungen kam, etwa weil – was der Kläger durchaus plausibel vortrug – Patienten trotz Anmeldung nicht erschienen oder nur kurzfristig absagten, erlangte sie keinen Vergütungsanspruch. Sie hat dann ihre Arbeitskraft vergeblich vorgehalten. Der Erfolg des Einsatzes der persönlichen Mittel war also ungewiss. Anders als in dem dem Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 4. Mai 2011 (L 1 KR 11/11 B ER – in juris, Rn. 75) zugrunde liegenden Sachverhalt wurden der Beigeladenen zu 1) seitens des Klägers auch keine Fahrtkosten bei Hausbesuchen erstattet.

Dass die Beigeladene zu 1) stets einen Vergütungsanspruch hatte, wenn eine Behandlung durchgeführt wird, streitet nicht für eine abhängige Beschäftigung. Jeder niedergelassene Arzt hat die Sicherheit, dass er für die Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ein Honorar erhält. Gleiches gilt für selbständige Physiotherapeuten. Wäre dieser Gesichtspunkt ausschlaggebend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung, könnte kein Vertragsarzt und Physiotherapeut selbständig tätig sein (so bereits LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Mai 2011 – L 11 R 1075/11 ER-B – in juris, Rn. 18). Entscheidend ist, dass die Beigeladene zu 1) nur dann eine Vergütung erhielt, wenn sie Aufträge hatte (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Mai 2011 – L 11 R 1075/11 ER-B – in juris, Rn. 18). Die Beklagte verkennt die arbeitsrechtliche Realität und Rechtslage, wenn sie die Auffassung vertritt, auch Arbeitnehmer trügen das Risiko, bei weniger Arbeitsaufkommen Einnahmen einzubüßen; denn regelmäßig besteht ein Entlohnungsanspruch von Arbeitnehmern bereits dann, wenn sie ihre Arbeitskraft anbieten, und nicht erst dann, wenn der Arbeitgeber dies auch annimmt. Der Arbeitgeber käme anderenfalls in Annahmeverzug mit der Folge, dass der Entlohnungsanspruch fortbesteht (§§ 293, 615 BGB; vgl. dazu etwa Geisler, in: jurisPK-BGB, Band 2, 7. Aufl. 2014, § 293 Rn. 40 ff.). Selbst bei Arbeit auf Abruf ist eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festzulegen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG); anderenfalls gilt eine wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart (§ 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG) mit der Folge, dass Mindestvergütungsansprüche des Arbeitnehmers entstehen.

Nicht nachvollziehbar ist schließlich der Hinweis der Beklagten auf die Vita der Beigeladenen zu 1), die nicht durch Selbständigkeit geprägt sei. Da – wovon auch die Beklagte in geeigneten Fällen stets ausgeht – die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung jeder Tätigkeit einzeln vorgenommen werden muss und abhängige Beschäftigungen und selbständige Tätigkeiten parallel ausgeübt werden können (etwa LSG Niedersachsen-Bremen vom 4. Mai 2011 – L 1 KR 11/11 B ER – in juris, Rn. 79; siehe auch § 16 SGB IV), kann die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer bestimmten Tätigkeit als selbständiger Tätigkeit nicht davon abhängig gemacht werden, dass das bisherige Berufsleben der betroffenen Person durch Selbständigkeit geprägt gewesen ist. Im Übrigen entspricht es auch dem Willen des Gesetzgebers, die Selbständigkeit bislang oder früher zuletzt abhängig Beschäftigter zu fördern (vgl. etwa den Gründungszuschuss nach § 93 SGB III).

b) Da bereits die Hauptforderung (Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen) von der Beklagten zu Unrecht festgesetzt worden sind, fehlt es Recht an der Grundlage für die Erhebung von Säumniszuschlägen gemäß § 24 SGB IV.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Beigeladene zu 1) ist als Grundrechtsträgerin aufgrund der rechtswidrigen Bescheide der Beklagten in den Rechtsstreit hineingezogen worden, so dass es billig ist, ihre außergerichtlichen Kosten der Beklagten aufzulegen, auch wenn sie keinen Antrag gestellt hat. Die anderen Beigeladenen sind Träger öffentlicher Gewalt und haben keine Anträge gestellt, so dass insofern eine Kostentragungspflicht der Beklagten nicht billig wäre.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

6. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 Gerichtskostengesetz.