OLG Stuttgart, Urteil vom 29.09.2015 - 6 U 21/15
Fundstelle
openJur 2015, 19342
  • Rkr:

1. Geringe textliche Abweichungen der Widerrufsbelehrung von der Musterbelehrung lassen die Schutzwirkung des § 14 Abs.1 BGB-InfoV jedenfalls dann entfallen, wenn die erteilte Belehrung aufgrund der vorgenommenen Änderungen nicht in gleichem Maße deutlich ist wie die Musterbelehrung.

2. Entscheidet sich der Verwender dafür, eine Belehrung zu den Widerrufsfolgen zu erteilen, obwohl ihm dies nach den Gestaltungshinweisen der Musterbelehrung freigestellt ist, muss sie dem Muster entsprechen, um dem Verwender die Schutzwirkung zu erhalten (Anschluss an BGH v. 28.6.2011 - XI ZR 349/10 Tz. 39).

3. Soweit § 312 d Abs. 2 BGB in der bis 10.6.2010 geltenden Fassung regelt, dass die Widerrufsfrist nicht vor dem Tage des Vertragsschlusses beginnt, handelt es sich um eine Ereignisfrist (§ 187 Abs.1 BGB) und nicht um eine Tagesanfangsfrist (§ 187 Abs. 2 BGB).

4. Belehrt der Darlehensgeber hinsichtlich der Voraussetzungen des Beginns der Widerrufsfrist gemäß § 312 d Abs. 2 BGB dahin, dass die Frist "einen Tag nachdem" die in der Belehrung beschriebenen Ereignisse eingetreten sind beginne, " jedoch nicht vor dem Tag des Abschlusses des Darlehensvertrages", verstößt dies gegen das Deutlichkeitsgebot, weil dadurch der Fehlvorstellung Vorschub geleistet wird, in Bezug auf den Abschluss des Darlehensvertrages sei die Widerrufsfrist im Gegensatz zu den weiteren genannten Ereignissen unter Einschluss des Tages des Vertragsschlusses zu berechnen.

5. Zum Einwand der Verwirkung und des Rechtsmissbrauchs.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 8.1.2015 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 29.697,15 EUR

Gründe

I.

Die Kläger verlangen nach Widerruf die Erstattung eines Aufhebungsentgelts, das sie im Zuge der Ablösung von sechs Verbraucherdarlehen geleistet haben, die die Beklagte in den Jahre 2004 bis 2010 gewährt hatte.

1.

Mit Schreiben vom 27.10.2004 bot die Beklagte dem Kläger zu 1 ein Darlehen in Höhe von 80.000 Euro sowie ein Darlehen in Höhe von 200.000 Euro zu jeweils fest vereinbarten Zinssätzen an (Kontonummer ... und ...). Dieses Angebot nahm der Kläger zu 1 am 18.11.2004 an. Am 10.11.2004 schlossen die Parteien in Bezug auf die Zinskonditionen einen Änderungsvertrag. Der Darlehens- und der Änderungsvertrag enthielten folgende Widerrufsbelehrung:

Durch Vereinbarung vom 14.3.2008 verlängerten die Parteien den Darlehensvertrag zu neuen Konditionen mit Wirkung ab 1.8.2010.

Am 27.11./8.12.2008 schloss der Kläger zu 2 einen weiteren Darlehensvertrag (Kontonummer ...) mit der Beklagten über 30.000 Euro. Dieser Vertrag, sowie die weiteren, später abgeschlossenen Verträge enthielten folgende Widerrufsbelehrung:

Am 20.7./1.8.2011 verlängerten die Parteien das Darlehen zu neuen Konditionen (B 4 a).

Am 22.1.2010 schloss der Kläger zu 1 nochmals einen Darlehensvertrag über 50.000 Euro (Kontonummer ...) mit der Beklagten. Darüber hinaus schloss der Kläger zu 1 gemeinsam mit der Klägerin zu 2 am selben Tag einen Vertrag mit der Beklagten, wonach diese Darlehen in Höhe von 86.600 Euro und in Höhe von 25.500 Euro zur Verfügung stellte. Diesen Verträgen war jeweils dieselbe Widerrufsbelehrung beigefügt wie dem Vertrag vom 27.11./8.12.2008.

Bei den Verträgen vom 27.11./8.12.2008 und vom 22.1.2010 wurden zum Vertragsschluss und im Rahmen der Vertragsanbahnung ausschließlich Fernkommunikationsmittel eingesetzt. Ein persönlicher Kontakt bestand nicht.

Infolge der Veräußerung ihrer Immobilie baten die Kläger die Beklagte um die Möglichkeit, die Darlehen vorzeitig abzulösen. Mit Schreiben vom 31.1.2012 unterbreitete die Beklagte je dem Kläger zu 1 sowie dem Kläger zu 1 und der Klägerin zu 2 gemeinsam ein Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages unter Vereinbarung eines entsprechenden Aufhebungsentgelts. Die Kläger nahmen das Angebot am 6.2.2012 an und lösten sämtliche Darlehen im Februar 2012 ab, der Kläger zu 1 bezahlte ein Aufhebungsentgelt von insgesamt 25.408,18 Euro, darüber hinaus bezahlte er gemeinsam mit der Klägerin zu 2 ein weiteres Aufhebungsentgelt in Höhe von 4.288,97 Euro.

Am 28.11.2013 widerriefen die Kläger ihre auf den Abschluss sämtlicher Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen und forderten die Rückzahlung der bezahlten Entgelte bis 6.12.2013. Dies verweigerte die Beklagte mit Schreiben vom 23.12.2013.

Die Kläger haben die Rückzahlung der bezahlten Aufhebungsentgelte nebst Zinsen verlangt. Sie sind der Auffassung, sie hätten sämtliche Verträge wirksam widerrufen. Die erteilten Widerrufsbelehrungen seien jeweils falsch, auch könne sich die Beklagte nicht auf die Schutzwirkung des Musters gem. § 14 Abs. 1 BGB Info-V a. F. berufen. Die Beklagte habe die Musterbelehrung nicht unverändert übernommen. Die Widerrufsfrist sei deshalb nicht abgelaufen. Die Aufhebungsvereinbarung vom Februar 2012 beseitige das Widerrufsrecht nicht. Ihr Widerruf verstoße nicht gegen Treu und Glauben.

Die Beklagte ist der Auffassung die Widerrufsfrist sei abgelaufen. Sie beruft sich aber auf die Schutzwirkung der Musterbelehrung, die sie ohne inhaltliche Bearbeitung übernommen habe. Die zweite von der Beklagten verwandte Widerrufsbelehrung sei ordnungsgemäß. Darüber hinaus hätten die Parteien die Verträge lange vor Ausübung des Widerrufs einvernehmlich aufgehoben, der Vertrag sei weggefallen, der Widerruf gehe ins Leere. Im Übrigen sei mit der Aufhebungsvereinbarung ein eigener Rechtsgrund für das Behalten-Dürfen der Vorfälligkeitsentschädigung geschaffen worden. Jedenfalls hätten die Kläger ihr Widerrufsrecht verwirkt und ihr Widerruf sei rechtsmissbräuchlich.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

2.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat einen Anspruch der Kläger auf Rückzahlung der entrichteten Aufhebungsentgelte bejaht. Der Widerruf der Darlehensverträge sei wirksam. Die Widerrufsfrist sei nicht abgelaufen. Beide Widerrufsbelehrungen seien fehlerhaft. Im ersten Fall handle es sich um einen sogenannten „frühestens-Fall“, in den anderen Fällen entspreche die Belehrung nicht dem Deutlichkeitsgebot, da über die Informationspflichten im Rahmen von Fernabsatzverträgen nicht ausreichend informiert werde, denn die Belehrung zitiere lediglich die „Vorschriften über Fernabsatzverträge (§ 312 c Abs. 2 BGB i. V. m. § 1 Abs. 1, 2 und 4 BGB-InfoV)“, liste die entsprechenden Informationspflichten aber nicht im Einzelnen auf. Darüber hinaus könne sich die Beklagte auch nicht auf die Schutzwirkung des Musters berufen, denn beide Belehrungen enthielten textliche Abweichungen. Die Prolongationsvereinbarungen stellten lediglich Konditionenneuvereinbarungen dar, es sei kein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt worden, der ursprüngliche Vertrag und das diesbezügliche Widerrufsrecht würden nicht berührt. Auch die Aufhebungsvereinbarung stehe der Wirksamkeit des Widerrufs nicht entgegen. Letztlich hätten die Kläger ihr Widerrufsrecht auch nicht verwirkt, noch sei dessen Ausübung rechtsmissbräuchlich erfolgt.

3.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klagabweisung weiter. Sie widerspricht der Auffassung des Landgerichts, im Fall der ersten Widerrufsbelehrung würde die Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV nicht eingreifen. Die Beklagte hätte die Belehrungstexte keiner inhaltlichen Bearbeitung unterzogen, sondern lediglich sprachliche Anpassungen vorgenommen, die unschädlich seien.

Darüber hinaus sei jedenfalls die zweite Widerrufsbelehrung zu den Verträgen aus den Jahren 2008 bis 2010 richtig. Ein Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot liege nicht vor. Soweit die Belehrung darauf hinweise, dass die Widerrufsfrist nicht vor dem Tag des Abschlusses des Darlehensvertrages beginne, entspreche dies dem Wortlaut des Gesetzes. Ein Missverständnis, wie diese Frist zu berechnen sei, ergebe sich daraus nicht. Der Verweis auf die Informationen gemäß der Vorschriften über Fernabsatzverträge sei ausreichend.

Das Landgericht habe zudem die Aufhebungsvereinbarungen nicht zutreffend gewürdigt. Die Verträge seien beseitigt, die Widerrufe gingen ins Leere. Die mit den Aufhebungsvereinbarungen eingegangenen Verpflichtungen der Kläger zur Zahlung eines Aufhebungsentgelts bildeten einen selbständigen Rechtsgrund, der durch den Widerruf nicht beseitigt werde.

Letztlich verstoße der Widerruf der Kläger gegen Treu und Glauben. Spätestens mit Abschluss der Aufhebungsverträge hätte die Beklagte mit einem Widerruf nicht mehr rechnen müssen. Die Kläger verhielten sich rechtsmissbräuchlich.

Die Beklagte beantragt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Stuttgart vom 8.1.2015 (6 O 64/14) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil unter Bezugnahme und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Widerruf der Darlehensverträge wirksam ist und demzufolge ein Anspruch der Kläger auf Rückzahlung der entrichteten Aufhebungsentgelte besteht.

1.

Maßgeblich sind die Bestimmungen des BGB nach den Änderungen durch das OLG - Vertretungsänderungsgesetz vom 23.7.2002 (BGBl. I S. 2850) (Art 229 § 9 Abs.1 Nr.2 EGBGB), das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2.12.2004 (BGBl. I. S 3102) und das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen vom 29.7.2009 (BGBl. I, S. 2413).

2.

Es handelt sich bei den Darlehensverträgen, die die Parteien in den Jahren 2004 bis 2010 geschlossen haben jeweils um Verbraucherdarlehen, bei denen sich ein Widerrufsrecht der Kläger aus § 495 Abs. 1 BGB ergibt.

Soweit bei den Kreditverhältnissen, die in den Jahren 2008 bis 2010 begründet wurden, nach den unstreitig anwendbaren Bestimmungen über Fernabsatzverträge auch ein Widerruf gem. § 312 d Abs. 1, 355 BGB in Betracht kommt, tritt dieses Widerrufsrecht hinter dem nach § 495 Abs. 1 BGB zurück; jedoch sind in Bezug auf den Beginn der Widerrufsfrist die besonderen Voraussetzungen in § 312 d Abs. 2 BGB zu berücksichtigen (§ 312 d Abs. 5 BGB).

3.

Als die Kläger - vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten - mit Schreiben vom 25.11.2013 ihre Vertragserklärungen widerrufen haben, die den nicht im Fernabsatz geschlossenen Darlehensverträgen (Konto Nr. ... und ... vom 27.10./18.11.2004) zugrunde lagen, war die Widerrufsfrist nicht abgelaufen, weil den Klägern keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt worden war.

a)

Die Widerrufsbelehrung ist nicht gemäß § 14 Abs. 1 der BGB-InfoV als gesetzeskonform zu behandeln.

aa) Ein Unternehmer kann die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV nach ständiger Rechtsprechung nur dann mit Erfolg geltend machen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht. Greift der Unternehmer hingegen in das ihm zur Verfügung gestellte Muster durch eigene Bearbeitung ein, tritt die Wirkung des § 14 Abs.1 BGB-InfoV nicht ein und zwar unabhängig vom konkreten Umfang der vorgenommenen Änderungen (BGH v. 28.6.2011 - XI ZR 349/10 Tz. 37 ff.; v. 9.12.2009 - VIII ZR 219/08; v. 1.3.2012 - III ZR 83/11; v. 18.3.2014 - II ZR 109/13).

bb) Es kann offen bleiben, ob geringfügige Abweichungen und lediglich sprachliche Abweichungen der Widerrufsbelehrung von der Musterbelehrung die Schutzwirkung des § 14 Abs.1 BGB-InfoV unberührt lassen (so OLG Frankfurt v. 7.7.2014 - 23 U 172/13; OLG Düsseldorf v. 7.12.2012 - 17 U 139/11). Das kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die erteilte Belehrung aufgrund der vorgenommenen Änderungen - wie hier - nicht in gleichem Maße deutlich ist wie die Musterbelehrung.

Eine Abweichung von der Musterbelehrung, mit der eine Einbuße an Deutlichkeit verbunden ist, liegt bereits darin, dass die Beklagte die im Muster dem ersten Absatz vorangestellte Zwischenüberschrift „Widerrufsrecht“ in ihre Belehrung nicht übernommen hat. Zweck dieser Überschrift ist es, das Augenmerk des Verbrauchers bereits bei oberflächlicher Betrachtung des Textes darauf zu lenken, dass ihm das Gesetz ein Widerrufsrecht einräumt und dies Gegenstand der nachfolgenden Belehrung ist. In der Belehrung der Beklagten fehlt diese mit der Zwischenüberschrift verbundene Signalwirkung, sodass die Deutlichkeit der vorliegenden Belehrung hinter der des Musters zurückbleibt.

Ebenfalls weniger deutlich ist die Belehrung über „Finanzierte Geschäfte“, weil die Beklagte folgende Formulierung aufgenommen hat: „Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstückgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung des Darlehens hinausgehen […]“. Nach dem einschlägigen Gestaltungshinweis der Musterbelehrung war hingegen einzufügen: „Dies ist nur anzunehmen, wenn die Vertragspartner in beiden Verträgen identisch sind oder wenn der Darlehensgeber über die Zurverfügungstellung des Darlehens hinaus geht [...]“. Durch ihre Umformulierung überlässt die Beklagte die Subsumtion unter die Begriffe „finanzierter Erwerbe eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts“ dem Verbraucher. Das Muster sieht jedoch vor, dass der Unternehmer die Subsumtion vornimmt und entsprechend belehrt. Die von der Beklagten gewählte Umformulierung bedeutet daher einen Verlust an Deutlichkeit und ist deshalb als inhaltliche Bearbeitung des Musters einzuordnen.

Irrelevant ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte auf die Belehrung zu den finanzierten Geschäften hätte verzichten können, da ein solches unstreitig nicht vorlag. Entscheidet sich der Verwender für die Aufnahme dieser Passage in die Widerrufsbelehrung, muss sie dem Muster entsprechen, um dem Verwender die Schutzwirkung zu erhalten (BGH Urt. v. 28.6.2011 - XI ZR 349/10 Rn. 39).

b)

Die Berufung stellt nicht in Frage, dass die Belehrung hinsichtlich des Beginns der Frist unzureichend ist. Die Formulierung „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" belehrt den Verbraucher nicht richtig über den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist. Der Verbraucher kann der Verwendung des Wortes „frühestens“ zwar entnehmen, dass der Beginn des Fristlaufs noch von weiteren Voraussetzungen abhängt, wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, um welche Voraussetzungen es sich dabei handelt (BGH, Urt. v. 9.12.2009 - VIII ZR 219/08, Rn. 13, juris; Urt. v. 1.12.2010, VIII ZR 82/10, Rn. 12, juris).

4.

Auch in Bezug auf die späteren Darlehensverträge vom 27.11./8.12.2008 (Konto Nr. 631.242279.6) und vom 22.1.2010 (Konto Nr. 631.261.675.9, Nr. 631.761.076.6 und Nr. 631.261.077.3), die unstreitig den Bestimmungen über den Fernabsatz unterliegen, erfolgte der Widerruf noch rechtzeitig, weil die Kläger nicht ordnungsgemäß belehrt wurden.

a)

Die Widerrufsbelehrungen sind nicht gemäß § 14 der BGB-InfoV als gesetzeskonform zu behandeln, weil die Beklagte die maßgeblichen Musterbelehrungen (sowohl in der ab 1.4.2008 als auch in der ab 4.8.2009 geltenden Fassung) in Bezug auf den Fristbeginn einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat.

Soweit in der Belehrung ausgeführt wird, die Frist beginne einen Tag nachdem die im Belehrungstext in vier Unterpunkten erläuterten Ereignissen eingetreten sind, war dies von Gesetzes wegen zwar nicht erforderlich, weil das Gesetz vom Unternehmer lediglich verlangt, das den Fristablauf auslösende Ereignis zu nennen, ohne dass die weitere Fristberechnung gemäß §§ 187 ff. BGB erläutert werden müsste (BGH v. 27.4.1994 - VIII ZR 223/93 Tz. 21). Der Bundesgerichtshof sieht in einer solchen Belehrung aber lediglich eine unschädliche Anpassung an die Regelung des § 187 BGB (BGH v. 20.11.2012 - II ZR 264/10; v. 18.3.2014 - II ZR 109/13).

Neben weiteren Abweichungen in einzelnen Formulierungen und im Satzbau liegt eine Bearbeitung insbesondere darin, dass der Fristbeginn in Bezug auf den Vertragsschluss als weitere Bedingung abweichend vom Muster erläutert wird. Nach dem Gestaltungshinweis (3) des Musters - den Beginn der Widerrufsfrist bei Fernabsatzverträgen betreffend - soll bei der Erbringung von Dienstleistungen hinzugefügt werden: „jedoch nicht vor Vertragsschluss“. Demgegenüber lauten die Belehrungen der Beklagten insoweit wie folgt: “(…) nicht jedoch vor dem Tag des Abschlusses des Darlehensvertrages“. Wie nachfolgend näher ausgeführt wird, verstößt dies in der Zusammenschau mit den weiteren Hinweisen zum Fristbeginn und zur Fristberechnung gegen das Deutlichkeitsgebot. Die Beklagte kann sich deshalb nicht auf die Schutzwirkung gemäß § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen (so bereits Senat, Urt. v. 14.4.2015 - 6 U 66/14).

b)

Die Belehrung ist in Bezug auf die Information zur Fristberechnung irreführend.

aa) Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses unter Ausschöpfung der Widerrufsfrist auszuüben. Er ist deshalb über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren (BGH v. 13.1.2009 - XI ZR 118/08; v. 10.3.2009 - XI ZR 33/08 -, BGHZ 180, 123-134).

Gemessen daran, fehlt der Belehrung der Beklagten die notwendige Eindeutigkeit, weil darin zwar für die in einer Aufzählung zunächst genannten Bedingungen des Fristbeginns (Erhalt der Widerrufsbelehrung, der Vertragsurkunde bzw. des schriftlichen Antrags, der AGB sowie der Verbraucherinformationen) ein Hinweis zur Fristberechnung gemäß § 187 Abs.1 BGB erteilt wird, für den Vertragsschluss als weitere Bedingung des Fristbeginns ein solcher Hinweis zur Fristberechnung aber fehlt. Der erste Halbsatz der Belehrung über den Fristbeginn macht deutlich, dass die Frist erst einen Tag nach den in den folgenden Unterpunkten aufgezählten Ereignissen beginnt. Eine solche Klarstellung erfolgt im zweiten Halbsatz für den Vertragsschluss als weitere Voraussetzung nicht. Der gewählte Satzbau lässt auch nicht erkennen, dass sich die einleitende Wendung „einen Tag nachdem“ auch auf das Erfordernis des Vertragsschlusses beziehen soll. Vielmehr lässt die Wendung „nicht vor dem Tag des Abschlusses des Darlehensvertrages“ auch die Deutung zu, bei der Fristberechnung sei gemäß § 187 Abs. 2 BGB der Beginn des Tages des Vertragsschlusses maßgebend.

Gerade weil die Erläuterung zur Fristberechnung nicht auch auf alle fristauslösenden Ereignisse erstreckt wurde ist diese Formulierung geeignet, beim Verbraucher die Fehlvorstellung hervorzurufen, dass der Tag des Vertragsschlusses bei der Fristberechnung mitzuzählen ist. Es wird nicht hinreichend deutlich, dass die Frist auch in Bezug auf den Vertragsschluss gemäß § 187 Abs. 1 BGB zu berechnen ist und der Tag des Vertragsschlusses nicht gemäß § 187 Abs. 2 BGB in die Frist einzurechnen ist.

bb) Dieses naheliegende Verständnis der Belehrung entspricht nicht der Rechtslage, denn auch der gemäß § 312 d Abs. 2 BGB für den Fristbeginn notwendige Vertragsschluss stellt ein Ereignis im Sinne des § 187 Abs. 1 BGB dar.

Allerdings kann dies dem Wortlaut des Gesetzes wegen der negativen Fassung des Tatbestandes („nicht vor dem Tage des Vertragsschlusses“) nicht unmittelbar entnommen werden. Der Text lässt offen, ob die Frist im Sinne des § 187 Abs. 1 BGB am Tag des Vertragsschlusses mit diesem Ereignis beginnt und dieser Tag bei der Fristberechnung folglich nicht mitgezählt wird oder ob gemäß § 187 Abs. 2 BGB der Beginn des Tages des Vertragsschlusses der für den Anfang der Frist maßgebende Zeitpunkt sein und bei der Fristberechnung mit berücksichtigt werden soll.

Die Gesetzgebungsgeschichte gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber in Bezug auf den Vertragsschluss eine Tagesanfangsfrist gemäß § 187 Abs. 2 BGB regeln wollte. Die Formulierung, dass die Frist für den Widerruf eines Fernabsatzvertrages bei der Lieferung von Waren nicht vor dem Tag ihres Eingangs beim Empfänger, bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor dem Tag des Eingangs der ersten Teillieferung und bei Dienstleistungen nicht vor dem Tag des Vertragsabschlusses beginnt, geht auf das Gesetz über Fernabsatzverträge vom 27.6.2000 (BGBl. I, S. 897) zurück. Dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 9.2.2000 lässt sich zu der Regelung über den Beginn der Widerrufsfrist in § 3 Abs. 1 S. 2 FernAbsG entnehmen, dass die Vorschrift Artikel 6 Abs. 1 Unterabsatz 2 und 4 FARL in redaktionell gestraffter Form zusammenfasse, wonach die Frist nämlich mit Erfüllung der Informationspflichten, bei der Lieferung von Waren jedoch nicht vor deren Eingang beim Empfänger und bei der Erbringung von Dienstleistungen nicht vor Abschluss des Vertrages beginne (BT-Drucks. 14/2658, S. 43). Dass § 3 Abs. 1 S. 2 FernAbsG eine Tagesanfangsfrist gemäß § 187 Abs. 2 BGB regeln könnte, wurde offensichtlich nicht erwogen, vielmehr ist in dem Entwurf nur von den Ereignissen als fristauslösenden Umständen die Rede.

Durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie vom 29.7.2009 (BGBl. 2009, 2355) wurde § 312 d Abs. 2 BGB dahingehend geändert, dass die Widerrufsfrist unter anderem „nicht vor Vertragsschluss“ beginnt, sodass das Gesetz nunmehr schon dem Wortlaut nach eindeutig eine Ereignisfrist regelt. Begründet wurde die Neufassung des § 312d Abs. 2 BGB lediglich mit der redaktionellen Anpassung der Verweisungen und einer Vereinfachung des Wortlauts (Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 5.11.2008, BT-Drucks. 16/11643, S. 69). Eine Änderung des Regelungsgehalts der Norm sollte damit offenbar nicht verbunden sein. Der Gesetzgeber ging also ersichtlich davon aus, dass auch § 312 d Abs. 2 BGB in der hier anwendbaren Fassung insgesamt unter § 187 Abs. 1 BGB falle. Dem entspricht auch der Text der Musterbelehrung, der - wie oben ausgeführt - den Vertragsschluss im Gestaltungshinweis (3) eindeutig als fristauslösendes Ereignis beschreibt.

Für die Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB spricht der Umstand, dass auch die in § 355 BGB geregelten allgemeinen Bedingungen des Fristbeginns als Ereignisse im Sinne des § 187 Abs. 1 BGB ausgestaltet sind. Die verlängernde Fristberechnung gemäß § 187 Abs. 1 BGB stellt den gesetzlichen Regelfall dar. Ihre Anwendung ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn einer gesetzlichen Frist - wie der Widerrufsfrist - eine Schutzfunktion zukommt (Repgen in Staudinger, BGB (2014), § 187 Rn. 2). Eine verkürzende Fristberechnung, wie sie § 187 Abs. 2 BGB vorsieht, entspricht danach nicht dem Zweck der gesetzlichen Regelung in § 312 d Abs. 2 BGB. Ein sachlicher Grund, die Frist insoweit abweichend von den allgemeinen Voraussetzungen des Fristbeginns gemäß § 355 BGB verkürzend zu berechnen, besteht nicht. Auch nach der Kommentarliteratur richtet sich die Berechnung der Widerrufsfrist gemäß § 312 d Abs. 2 BGB nach § 187 Abs. 1 BGB (Wendehorst in Münchner Kommentar, BGB, 6. Aufl., § 312 d Rn. 86; Grüneberg in Palandt, BGB, 68. Aufl., § 312 d Rn. 6; Palm in Erman, BGB 11. Aufl., § 187 Rn. 1; Repgen in Staudinger, BGB (2004), § 187 Rn.6).

cc) Die Beklagte verteidigt sich ohne Erfolg mit dem Einwand, ihr könne nicht zum Nachteil gereichen, dass sie hinsichtlich des Erfordernisses des Vertragsschlusses den negativ formulierten und in seiner Auslegung nicht eindeutigen Gesetzestext des § 312 d Abs. 2 BGB übernommen habe.

Der Mangel der Belehrung hat seinen Grund nicht allein in der Übernahme des Gesetzestextes, sondern beruht entscheidend darauf, dass die Beklagte ergänzende Erläuterungen zur Fristberechnung für alle fristauslösenden Umstände bis auf den Vertragsschluss erteilt hat, und dadurch den unzutreffenden Eindruck erweckt hat, dass die Frist unterschiedlich zu berechnen sei. Das wäre vermeidbar gewesen, wenn die Beklagte - dem Vorschlag der Musterbelehrung folgend - den Vertragsschluss positiv als weiteres für den Fristbeginn notwendiges Ereignis beschrieben hätte, oder - sollte sie insoweit über die Rechtslage im Unklaren gewesen sein - den Hinweis zur Fristberechnung insgesamt unterlassen hätte. Durch die vorgenommene Differenzierung hat sie aber den unzutreffenden Eindruck erweckt, die für den Fristbeginn maßgeblichen Ereignisse seien in Bezug auf die Fristberechnung unterschiedlich zu behandeln.

5.

Die von den Parteien als Aufhebungsvertrag bezeichnete Vereinbarung vom 31.1./ 6.2.12 hat weder das Widerrufsrecht der Kläger beseitigt noch steht sie dem daraus folgenden Rückgewähranspruch der Kläger entgegen. Die Beendigung des Schuldverhältnisses und die beiderseits vollständige Leistungserbringung stehen dem späteren Widerruf nicht entgegen (BGH Urt. v. 7.5.14 - IV ZR 76/11, Rn. 37; für die Beendigung durch Kündigung BGH Urt. v. 7.5.14 - IV ZR 76/11, Rn. 36, Juris; Urt. v. 29.7.15 - IV ZR 384/14, Rn. 30, juris).

a)

Entgegen der Ansicht der Beklagten haben die Parteien durch die genannte Vereinbarung nicht das ursprüngliche Schuldverhältnis beseitigt, sondern dieses nur geändert. Es besteht fort und kann deshalb auch nach Beendigung noch widerrufen werden.

Mit Vertrag vom 31.1./6.2.12 haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass die Kläger zur vorzeitigen, sofortigen Rückzahlung des Darlehens berechtigt sein sollen mit der Folge, dass ab diesem Zeitpunkt auch keine Verpflichtung zur Zinszahlung mehr besteht. Im Gegenzug versprachen die Kläger die Zahlung eines „Aufhebungsentgelts“.

Durch diese Vereinbarung haben die Parteien das ursprüngliche Schuldverhältnis nicht beseitigt, sondern lediglich die Bedingungen für die Beendigung modifiziert. Sie haben den Fälligkeitszeitpunkt gegen Zahlung einer Entschädigung vorverlagert. Die Beklagte sollte wirtschaftlich so gestellt werden wie sie stünde, wenn das ursprüngliche Darlehen für den vereinbarten Festschreibungszeitraum fortgeführt und mit Zinsen bedient worden wäre. Die Parteien haben mit der Vereinbarung eine Änderung des Vertrages in dem Sinne herbeigeführt, dass sie die vertraglich vereinbarte Erfüllungssperre beseitigt und den Erfüllungszeitpunkt vorverlegt haben (BGH Urt. v. 1.7.1997 - XI ZR 267/96).

b)

Ein selbständiger Rechtsgrund für das Behalten-Dürfen des Aufhebungsentgelts wurde durch die Vereinbarung vom 31.1./ 6.2.12 nicht geschaffen.

Zwar wäre es grundsätzlich möglich, dass ein Darlehensnehmer auf sein Widerrufsrecht ganz oder zum Teil verzichtet und eine vergleichsweise Regelung abschließt. Diese Möglichkeit des Vergleichs gilt auch bei zwingenden Rechtssätzen. Voraussetzung ist aber dass der Vergleich einen Streit oder eine Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt, sofern diese Zweifel auch bei objektiver Beurteilung bestehen (BGH Urt. v. 22.5.1975 - KZR 9/74 - BGHZ 65, 147).

Voraussetzung für einen diesen Grundsätzen folgenden wirksamen Verzicht wäre allerdings, dass Unsicherheiten der Parteien gerade über das Widerrufsrecht bestehen, dessen sich der Darlehensnehmer sodann begibt. Dazu müsste der Darlehensnehmer denknotwendig wissen, dass ihm ein Widerrufsrecht überhaupt noch zur Verfügung steht, um dann zu entscheiden, ob er dieses Recht - unter bestimmten Bedingungen - aufgeben will. Diese Anforderung ist vorliegend nicht erfüllt. Zum Zeitpunkt, als die Kläger die sogenannte Aufhebungsvereinbarung unterzeichneten war ihnen gerade nicht bewusst, dass sie die Verträge auch hätten widerrufen können.

6.

Die Ausübung des Widerrufsrechts der Kläger verstößt nicht gegen Treu und Glauben.

a)

Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, der Widerruf der Darlehensverträge sei rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), weil nicht davon auszugehen sei, dass die beanstandeten Belehrungsmängel bei den Klägern tatsächlich eine Fehlvorstellung hervorgerufen habe, der Widerruf vielmehr ausschließlich durch das allgemein gesunkene Zinsniveau motiviert sei.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Wirksamkeit des Widerrufs nicht voraus, dass der Mangel der Belehrung ursächlich dafür war, dass der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Das Gesetz knüpft unabhängig davon, ob der Verbraucher durch die unzureichende Belehrung tatsächlich einer Fehlvorstellung über das Bestehen und die Modalitäten der Ausübung eines Widerrufsrechts unterlag, allein an die objektive Gesetzeswidrigkeit der Widerrufsbelehrung die Sanktion eines nicht befristeten Widerrufsrechts des Verbrauchers. Entscheidend ist, dass die erteilte Belehrung generell geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines gegen den Darlehensvertrag gerichteten Widerrufsrechts abzuhalten (BGH v. 23.6.2009 - XI ZR 156/08 Tz.25). Das Widerrufsrecht besteht selbst dann, wenn feststeht, dass der Widerruf auch bei ordnungsgemäßer Belehrung nicht rechtzeitig ausgesprochen worden wäre, weil andernfalls das Ziel des Gesetzes unterlaufen würde, den Unternehmer zu einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht anzuhalten (BGH v. 13.1.1983 - III ZR 30/82). Wie bei anderen Gestaltungsrechten kommt es grundsätzlich auch nicht auf die Motive des Verbrauchers an. Es soll seinem freien Willen überlassen bleiben, ob er seine Vertragserklärung wirksam werden lassen will oder nicht (BGH v. 19.2.1986 - VIII ZR 113/85). Entsprechend bedarf der Widerruf auch keiner Begründung.

Es stellt danach keinen Rechtsmissbrauch dar, sondern ist von der beschriebenen Ausgestaltung des Widerrufsrechts durch das Gesetz und die Rechtsprechung gedeckt, wenn ein Verbraucher dieses Recht nach längerer Zeit ausübt, obwohl er nicht konkret durch den Mangel der Belehrung an der fristgerechten Ausübung gehindert war. Genauso wenig handelt er missbräuchlich, wenn er, nachdem er von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangt hat, eine mittlerweile eingetretene Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum Anlass nimmt, sich durch Widerruf von dem Vertrag zu lösen.

b)

Die Kläger haben ihr Widerrufsrecht nicht verwirkt.

aa) Bei der Verwirkung handelt es sich um einen Fall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB), die in der illoyal verspäteten Geltendmachung eines Rechts liegt. Der Einwand ist berechtigt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH, Urteil vom 23.1.2014 - VII ZR 177/13; Urteil vom 7.5.2014 - IV ZR 76/11).

bb) Ein in dem Sinne illoyales Verhalten der Kläger, dass diese in Kenntnis ihres Widerrufsrechts über lange Zeit an dem Darlehensvertrag festgehalten und den Widerruf erst nach dem Fehlschlagen der finanzierten Kapitalanlage erklärt hätten, kann nicht festgestellt werden. Es ist nicht ersichtlich, dass bzw. wie lange die Kläger vor Ausübung des Widerrufs Kenntnis von ihrem Recht hatten.

cc) Zwar ist eine Verwirkung auch ohne Rücksicht auf die subjektive Kenntnis und Willensrichtung des Berechtigten möglich, wenn der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung aus dem Verhalten des Berechtigten schließen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete mit einer Rechtsausübung durch den Berechtigten nicht mehr zu rechnen brauchte und sich entsprechend darauf einrichten durfte (BGH, Urteil vom 16.3.2007 - V ZR 190/06; Urteil vom 27.6.1957 - II ZR 15/56).

Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht gegeben. Der Umstand, dass dem Berechtigten der ihm zustehende Anspruch unbekannt war, steht der Verwirkung jedenfalls dann entgegen, wenn die Unkenntnis des Berechtigten in den Verantwortungsbereich des Verpflichteten fällt. Die mit der unterlassenen oder nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile hat grundsätzlich der Geschäftspartner des Verbrauchers zu tragen (BGH, Urteil vom 18.10.2004 - II ZR 352/02). Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Unternehmer regelmäßig schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er den mit dem unbefristeten Widerrufsrecht verbundenen Schwebezustand selbst herbeigeführt hat, indem er eine fehlerhafte Belehrung erteilt hat (BGH, Urteil vom 7.5.2014 - IV ZR 76/11 -, Rn. 30, juris). Der Unternehmer, der gegen seine Pflicht verstoßen hat, dem Verbraucher eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu erteilen, darf nicht darauf vertrauen, er habe durch seine Belehrung die Widerrufsfrist in Lauf gesetzt. Er muss erkennen, dass dem Verbraucher nach dem Gesetz ein zeitlich nicht befristetes Widerrufsrecht zusteht, und darf folglich allein aus dem Umstand, dass der Darlehensvertrag über lange Zeit erfüllt wird, nicht schließen, der Verbraucher werde sein Widerrufsrecht nicht ausüben. Ohne konkrete gegenteilige Anhaltspunkte ist vielmehr zu unterstellen, dass der Verbraucher zunächst keine Kenntnis von seinem unbefristeten Widerrufsrecht hat, so dass der Widerruf auch noch nach langer Zeit erfolgen kann, sollte der Verbraucher später von der Rechtslage Kenntnis erlangen. Gegen die Schutzwürdigkeit des Unternehmers spricht zudem, dass er den Schwebezustand durch eine Nachbelehrung beenden kann (Senat, Urt. v. 21.4.2015 - 6 U 148/12; v. 29.5.2015, 6 U 110/14).

Das Vorliegen des Umstandsmoments kann auch nicht deshalb bejaht werden, weil die Parteien am 31.1./6.2.12 einen sogenannten Aufhebungsvertrag geschlossen haben. Wie bereits dargestellt, führt die beiderseitig vollständige Vertragserfüllung nicht zum Verlust des Widerrufsrechts. Diese allein kann daher auch nicht ausreichen, um die Annahme der Verwirkung zu rechtfertigen. Dies widerspräche dem Schutzzweck der Regelung, wonach dem Verbraucher, der sein Widerrufsrecht nicht kennt, unabhängig von der Vertragsbeendigung, sein Widerrufsrecht erhalten bleiben soll.

Hinzu kommt, dass vorliegend zwischen der Ablösevereinbarung und dem Widerruf lediglich ein Zeitraum von knapp 22 Monaten verstrichen ist. Dieser Zeitraum bleibt schon hinter der regelmäßigen Verjährungsfrist zurück. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten darauf, dass sie sich auf den Bestand der Ablösung hätte verlassen dürfen, war zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch nicht begründet worden.

Soweit demgegenüber angenommen wird, eine Verwirkung komme in Betracht, wenn der Darlehensvertrag bereits seit längerer Zeit vollständig abgewickelt ist und eine Belehrung erteilt wurde, die zwar fehlerhaft ist, den Verbraucher über das Bestehen eines befristeten Widerrufsrechts aber nicht im Unklaren lässt (OLG Köln v. 25.1.2012 - 13 U 30/11; OLG Düsseldorf v. 9.1.2014 - 14 U 55/13; KG v. 16.8.2012 - 8 U 101/12), schließt sich der Senat dem aus den vorgenannten Erwägungen nicht an.

Darüber hinaus ist hier weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass sich die Beklagte im Vertrauen auf den Bestand dieser Vereinbarung so eingerichtet hätte, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.

7.

Da die Kläger die Darlehensverträge wirksam widerrufen haben, können sie die Erstattung des geleisteten Aufhebungsentgelts verlangen (§§ 357 Abs.1 S.1 B, 346 BGB).III.

Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Angesichts der divergierenden Entscheidungen der Obergerichte zur Frage der Verwirkung wird die Revision zugelassen. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).