LG Tübingen, Beschluss vom 14.04.2015 - 5 T 55/15
Fundstelle
openJur 2015, 19042
  • Rkr:

Die sofortige Beschwerde, mit der der Schuldner die Existenz eines Haftbefehls nach § 802g ZPO angreift, ist mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Dies gilt auch dann, wenn die titulierte Forderung, wegen der die Zwangsvollstreckung betrieben wurde, durch Erfüllung erloschen ist.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Nagold vom 9. Oktober 2014 - 3 M 1130/14 - wird

v e r w o r f e n.

2. Auf Antrag der Gläubigerin wird der Haftbefehl des Amtsgerichts Nagold vom 9. Oktober 2014 - 3 M 1130/14 - aufgehoben.

3. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: bis 2.000,00 EUR

Gründe

I.

Auf Antrag der Gläubigerin, die aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Mayen vom 11. Juni 2014 - Geschäftsnummer 14-6591482-0-9 - die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin betrieb, hat das Amtsgericht Nagold als Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom 9. Oktober 2014 - 3 M 1130/14 - gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802g ZPO die Haft angeordnet, nachdem diese zu dem auf 30. September 2014 bestimmten Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht erschienen war.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 23. Dezember 2014 legte die Schuldnerin gegen den Haftbefehl sofortige Beschwerde ein, beantragte dessen Aufhebung und kündigte die Bezahlung des titulierten Betrages unter dem Vorbehalt der Rückforderung an (vgl. Bl. 4, 5 d. A.). Zur Begründung lies sie u. a. vortragen, sie habe weder einen Mahnbescheid, noch einen Vollstreckungsbescheid noch eine Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft erhalten. Der Gerichtsvollzieher teilte mit Schreiben vom 31. Dezember 2014 mit, dass die Forderung komplett bezahlt worden sei (vgl. Bl. 9 d. A.). Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 23. Februar 2015 - 3 M 1130/14 - der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht Tübingen vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 25. März 2015 (vgl. Bl. 7 d. A.) erklärte die Schuldnerin ihre Zahlung für vorbehaltlos. Die Gläubigerin hat die Aufhebung des Haftbefehls beantragt.II.

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist unzulässig. Zwar ist die sofortige Beschwerde gegen den Haftbefehl statthaft (1.) und form- und fristgerecht eingelegt worden (2.), doch fehlt der Schuldnerin das erforderliche Rechtsschutzinteresse (3.). Die Aufhebung des Haftbefehls beruht allein auf dem Antrag der Gläubigerin (3. c.).

1.

Der Haftbefehl kann mit der sofortigen Beschwerde nach allgemeiner Ansicht angefochten werden (vgl. Stöber in Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 802g Rn. 15 m. w. N.).

2.

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin war auch fristgerecht. Der Haftbefehl wird bereits mit seiner Hinausgabe rechtlich existent und damit anfechtbar (Stöber in Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 802g Rn. 15 m. w. N). Die zweiwöchige Notfrist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO beginnt aber erst mit der Übergabe des Haftbefehls an die Schuldnerin bei der Verhaftung nach § 802g Abs. 2 Satz 1 ZPO. Dies ist bislang nicht erfolgt, so dass die sofortige Beschwerde fristgerecht erfolgt ist.

3.

Der Schuldnerin fehlt aber ein rechtliches Interesse hinsichtlich der von ihr begehrten Aufhebung des Haftbefehls.

a.

Durch die alleinige Existenz des Haftbefehls nach § 802g ZPO ist die Schuldnerin nicht beschwert. Denn die Existenz dieses Haftbefehls wird insbesondere nicht im Schuldnerverzeichnis vermerkt. Beschwert wäre die Schuldnerin nur, wenn die Gläubigerin trotz der Erfüllung der titulierten Forderung weiterhin die Abgabe der Vermögensauskunft mittels des Haftbefehls erzwingen würde. Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich.

b.

Würde die Gläubigerin trotz der Erfüllung der titulierten Forderung weiterhin die Zwangsvollstreckung betreiben, müsste die Schuldnerin den Einwand der Erfüllung im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend machen. Würde hierauf die Zwangsvollstreckung nach § 767 ZPO für unzulässig erklärt werden, würde dies nach § 775 Nr. 1 ZPO aber nur zu einer Einstellung der Zwangsvollstreckung und damit Hinderung der Vollziehung des Haftbefehls führen (vgl. Stöber in Zöller, ZPO, 30. Aufl. § 802g Rn. 14), nicht aber zu einer Aufhebung des Haftbefehls. Eine Aufhebung des Haftbefehls sieht das Gesetz nicht vor (vgl. Stöber in Zöller a. a. O.).

c.

Dass eine Aufhebung des Haftbefehls auf Antrag des Gläubigers (vgl. LG Frankfurt, Beschl. v. 10. März 1961 - 2/14 T 253/60, NJW 1961, 1217, 1218) oder, wenn sich der Gläubiger mit einer vom Schuldner beantragten Aufhebung des Haftbefehls einverstanden erklärt hat (so LG Frankenthal, Beschl. v. 7. März 1986 - 1 T 88/86, RPfleger 1986, 268), möglich ist, ändert am fehlenden Rechtsschutzinteresse der Schuldnerin nichts. Denn Grundlage der Aufhebung des Haftbefehls ist in diesen Fällen, allein der Antrag bzw. das Einverständnis des Gläubigers, der Beginn, Art und Ausmaß des Vollstreckungszugriffs bestimmt und dessen Interessen die Zwangsvollstreckung dient (vgl. Stöber in Zöller a. a. O. vor § 704 Rn. 19).III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Nach dem sich die Rechtslage seit dem 1. Januar 2013 geändert hat, wird die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO zugelassen.

Der Beschwerdewert folgt aus § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO unter Berücksichtigung des in § 25 Abs. 1 Nr. 4 für die Gläubigersicht ausgedrückten Rechtsgedankens, der mangels anderer verlässlicher Angaben vorliegend auch für die Beurteilung des Schuldnerinteresses (§ 25 Abs. 2 RVG) heranzuziehen ist.