FG Nürnberg, Beschluss vom 28.09.2015 - 2 V 408/15
Fundstelle
openJur 2015, 19030
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Gründe

I.

Streitig ist, ob das Finanzamt zu Recht dem Antragsteller die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten abgelehnt hat.

Der Antragsteller hat mit dem Fragebogen zur steuerlichen Erfassung wegen Aufnahme einer Tätigkeit als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten beantragt (Eingang beim Finanzamt 23.02.2003). Soweit aus den Akten ersichtlich, hat das Finanzamt diesem Antrag nicht explizit zugestimmt. Allerdings wurden Umsatzsteuererklärungen des Antragsteller ohne Änderung verarbeitet (in den Akten z.B. Mitteilung für 2008 über Umsatzsteuer vom 29.06.2009).

Mit Schreiben vom 09.04.2014 informierte das Finanzamt den Antragsteller, dass ihm seit 01.12.2002 genehmigt worden sei, die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen. Diese Genehmigung werde nunmehr gemäß § 131 Abgabenordnung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen.

Der Einspruch des Antragstellers und ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzamt blieben erfolglos.

Der Antragsteller verfolgt sein Einspruchsziel mit einer fristgerechten Klage weiter und hat zudem am 20.02.2015 für alle laufenden Klageverfahren, also auch dieses, bei Gericht Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Er begründet seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass das Finanzamt örtlich nicht zuständig sei.

Das Finanzamt beantragt, den Antrag abzulehnen und begründet dies im Wesentlichen damit, dass es örtlich zuständig gewesen sei und der Antragsteller weiter nichts vorgetragen habe.

II.

Der Antrag ist unbegründet. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen bei der gebotenen überschlägigen Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts und der präsenten Beweismittel keine ernsthaften Zweifel.

Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auf Antrag auszusetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes ist ernstlich zweifelhaft, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, der gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhalts erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen eine Unklarheit in der Beurteilung von Tatsachen oder eine Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Bescheid als rechtswidrig erweisen könnte (BFH-Beschluss vom 18.05.2001 VIII B 25/01, BFH/NV 2001,1119).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Offen bleiben kann dabei, ob dem Antragsteller überhaupt durch die widerspruchslose Übernahme von Steuererklärungen, in denen Umsätze vermutlich und nicht ohne Weiteres erkennbar nach vereinnahmten Umsätzen erklärt wurden, konkludent die Genehmigung gemäß § 20 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) erteilt worden ist (dagegen Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.02.2015 7 V 7309/14, EFG 2015, 941 und Urteil vom 18.06.2014 2 K 2149/11, Juris: STRE201570041; Revision anhängig XI R 38/14). Jedenfalls wäre eine derartige konkludente Genehmigung frei widerruflich, denn dem Finanzamt kann nicht – ohne weitere Anzeichen – unterstellt werden, dass es in Widerspruch zu den es bindenden Vorschriften der Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) gehandelt habe. In UStR 2002 Abschnitt 254 heißt es: „Dem Antrag ist grundsätzlich unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs zu entsprechen“.

Der Widerruf der (unterstellten) Genehmigung wäre gemäß § 131 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) jederzeit möglich, da der Kläger unstreitig freiwillig Bücher führt (vgl. z.B. den eigenen Vortrag des Antragstellers im Verfahren 2 V 1184/13 und 2 V 1047/13). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der der erkennende Senat folgt, kommt eine Ist-Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG auch bei Fehlen einer Buchführungspflicht nicht in Betracht, wenn der Unternehmer für die in dieser Vorschrift genannten Umsätze freiwillig Bücher führt (Urteile vom 22.07.2010 V R 36/08, BFH/NV 2011, 316 und V R 4/09, BStBl II 2013, 590).

Auch wenn davon ausgegangen wird, dass in der widerspruchslosen Verarbeitung der Umsatzsteuererklärungen des Antragstellers keine Genehmigung der beantragten Ist-Versteuerung zu erkennen ist, ist die Ablehnung vom 09.04.2014 durch die besagte Rechtsprechung des BFH gerechtfertigt, ohne dass es auf weitere Ermessenserwägungen des Finanzamts ankommt.

Das Finanzamt war auch zuständig für den Widerruf bzw. die Versagung der Genehmigung, da es bis zu dem Zeitpunkt, als es vom Antragsteller mit Schreiben vom 30.05.2014 (vgl. Vortrag im Parallelverfahren 2 K 746/15) erfuhr, dass er seinen Kanzleisitz verlegt habe, für dessen Besteuerung nach § 21 AO in Verbindung mit § 26 AO zuständig war und dies für das Einspruchs- und Klageverfahren auch blieb (vgl. § 357 Abs. 2 AO, § 63 Abs. 1 Nr. 1 FGO.

Die Vollziehung des angefochtenen Bescheides ist auch nicht wegen unbilliger Härte gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO auszusetzen.

Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinn dieser Vorschriften liegt vor, wenn dem Zahlungspflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (BFH-Beschlüsse vom 21.02.1990 II B 98/89, BStBl II 1990, 510; vom 05.03.1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325).

Eine solche unbillige Härte ist nicht ersichtlich.

Der Antragsteller hat nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er durch die Vollziehung in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht wäre oder welche kaum mehr gutzumachenden Nachteile ihm entstehen würden.

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