Bayerischer VGH, Beschluss vom 05.10.2015 - 7 ZB 15.768 / 7 ZB 15.783
Fundstelle
openJur 2015, 18987
  • Rkr:

Staatlich anerkannte Ersatzschulen haben keinen Anspruch auf Bezuschussung des durch inklusiven Unterricht verursachten Mehraufwands.Staatlich anerkannte Ersatzschule; Betriebskostenzuschuss; Aufwand für inklusiven Unterricht

Tenor

I. Die Verwaltungsstreitsachen 7 ZB 15.768 und 7 ZB 15.783 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

IV. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 228.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin, die Schulträgerin eines staatlich anerkannten Gymnasiums ist, begehrt über den ihr gewährten Betriebszuschuss für das Haushaltsjahr 2011 und den gewährten Betriebszuschuss und Versorgungszuschuss für das Haushaltsjahr 2012 hinaus eine kostendeckende Bezuschussung unter Berücksichtigung des sonderpädagogischen Mehraufwands, der ihr durch die gemeinsame Unterrichtung von behinderten und nichtbehinderten Schülerinnen und Schülern entsteht. Ihre Klagen auf Aufhebung der Zuschussbescheide und erneute Verbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hat das Verwaltungsgericht München abgelehnt. Über den Anspruch auf Betriebskostenzuschuss und Versorgungszuschuss gemäß Art. 38 Abs. 1 und Art. 40 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 und Art. 17 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes hinaus sehe das Gesetz eine ergänzende Bezuschussung nicht vor. Im Übrigen sei die von der Klägerin angestellte Berechnung des durch den inklusiven Unterricht bedingten Mehraufwands nicht plausibel oder nachvollziehbar.

Mit ihren Anträgen auf Zulassung der Berufung verfolgt sie ihr Ziel, die kostendeckende Bezuschussung des durch den inklusiven Unterricht verursachten Mehraufwands weiter. Die Zulassungsanträge werden auf sämtliche Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 VwGO gestützt. Auf die jeweils gleichlautenden Antragsbegründungen vom 12. Mai 2015 wird Bezug genommen.

Der Beklagte tritt den Anträgen entgegen.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vom Beklagten vorgelegten Aktengehefte des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst verwiesen.

II.

1. Die zulässigen Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg, weil den Antragsbegründungen keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO entnommen werden kann.

Der Streit geht um die ergänzende Bezuschussung für den aus der von der Klägerin in erheblichem Umfang betriebenen inklusiven Beschulung resultierenden sächlichen und personellen Mehraufwand. Ihr Ziel ist, über die einheitlichen pauschalen Fördersätze hinaus den Aufwand des von ihr durchgeführten intensiven inklusiven Unterrichts zusätzlich bezuschusst zu bekommen. Sie meint, in korrekter, insbesondere grundrechtskonformer Auslegung der Vorschriften über die Bezuschussung privater Ersatzschulen, insbesondere staatlich anerkannter Gymnasien (Art. 38, Art. 40 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes [BaySchFG] i. d. F. d. Bek. vom 31. 5.2000 [GVBl S. 455; BayRS 2230-7-1-K], zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.5.2015 [GVBl S. 167]), Anspruch darauf zu haben.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich ein derartiger Anspruch nicht unmittelbar aus Art. 7 Abs. 4 SÄtze 3 und 4 GG oder Art. 134 Abs. 1 und 2 BV. Ein verfassungsunmittelbarer Anspruch der einzelnen privaten Ersatzschule auf Gewährung staatlicher Finanzhilfe, gar noch in bestimmter Höhe, besteht nicht (BVerwG, U.v. 21.12.2011 – 6 C 18.10; BayVerfGH, E.v. 7.11.1984 – Vf. 20-VII-83 – BayVerfGH n.F. 37, 148). Der grundrechtliche Schutzanspruch des einzelnen Ersatzschulträgers ist vielmehr nur darauf gerichtet, dass der Gesetzgeber die Grenzen und Bindungen beachtet, die seinem politischen Handlungsspielraum durch die Schutz- und Förderpflicht zugunsten des Ersatzschulwesens als Institution gesetzt sind. Der gerichtliche Rechtsschutz ist auf die Prüfung einer Untätigkeit, einer groben Vernachlässigung und eines ersatzlosen Abbaus getroffener Maßnahmen beschränkt. Der Gesetzgeber vernachlässigt seine Schutz- und Förderpflicht gröblich, wenn bei weiterer Untätigkeit der Bestand des Ersatzschulwesens insgesamt evident gefährdet wäre. Ob und wann eine solche Situation eingetreten ist, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände beurteilen. Der Staat ist dabei nicht zur vollen Kostenübernahme verpflichtet, sondern lediglich zu einem Beitrag zu den Kosten, falls sonst der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution gefährdet wäre (BayVerfGH, E.v. 9.10.2007 – Vf. 14-VII-06 – VerfGH n.F. 60, 167 ff. m.w.N.). Die Privatschulfreiheit und die damit verbundene Garantie für das private Schulwesen werden erst dann tangiert, wenn die staatliche Förderung in ihrer Gesamtschau nicht ausreicht, das private Schulwesen als Institution in seinem Bestand zu schützen.

Daran hat sich auch durch das Inkrafttreten des Gesetzes zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention - BRK) sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21. Dezember 2008 (BGBl S. 1419) nichts geändert. Weder die Behindertenrechtskonvention noch die zu ihrer Umsetzung erlassenen Vorschriften über die Unterrichtung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (Art. 30a und Art. 30b, aber auch Art. 19 ff. wie auch Art. 41 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen [BayEUG] in der Fassung der Bekanntmachung vom 31.5.2000 [GVBl S. 414, BayRS 2230-1-1-K], zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.6.2015 [GVBl S. 183]) gewähren individuelle Leistungsansprüche für Schüler oder aber auch private Schulträger. In Art. 24 Abs. 1 und 2 BRK haben die Vertragsstaaten ein diskriminierungsfreies Recht von Menschen mit Behinderung auf Bildung anerkannt. Dazu werden die Vertragsstaaten unter anderem verpflichtet, Menschen mit Behinderung gleichberechtigten Zugang zu einem integrativen Unterricht an weiterführenden Schulen zu ermöglichen, angemessene Vorkehrungen für Ihre Bedürfnisse zu treffen und ihnen die notwendige Unterstützung zur Erleichterung einer erfolgreichen Bildung zu gewähren. Diesen Regelungen fehlt die erforderliche Bestimmtheit, um sie unmittelbar anzuwenden. Sie enthalten Zielvorgaben für die Integration behinderter Menschen in das staatliche Schulsystem, verpflichten aber nicht zu konkreten Maßnahmen, auch nicht zu konkreten Fördermaßnahmen hinsichtlich der Aufwendungen privater Schulträger für inklusiven Unterricht (BVerwG, U.v. 29.7.2015 – 6 C 35.14 – juris Rn. 39; BayVGH, B.v. 4.9.2015 – 7 CE 15.1791 – juris).

Dass das private Schulwesen in Bayern angesichts des gegenwärtigen Stands des Förderwesens als Institution in seinem Bestand gefährdet ist, ist weder ersichtlich, noch ergibt sich das aus dem Vortrag der Klägerin. Es muss auch im Rahmen dieses Verfahrens nicht vertieft geprüft werden, weil nicht die Gesamtheit der gegenwärtigen Privatschulfinanzierung zur Prüfung gestellt worden ist, sondern allein der Aspekt, ob die Mehraufwendungen für den – insbesondere von der Klägerin praktizierten –inklusiven Unterricht zu einem Anspruch auf ergänzende Förderung führen (BayVerfGH, E.v. 7.7.2009 – Vf. 15-VII-08 – VerfGH n.F. 62, 121 = juris Rn. 57). Die dem Ersatzschulwesen als Institution geschuldete staatliche Förderung steht zudem unter dem Vorbehalt dessen, was von der Gesellschaft vernünftigerweise erwartet werden kann. Darüber hat in erster Linie der Landesgesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit in eigener Verantwortung zu entscheiden (BayVGH, U.v. 17.10.2011 – 7 ZB 11.544 u.a. – juris Rn. 19).

Der Gesetzgeber muss nicht in einem transparenten und sachgerechten Verfahren den tatsächlichen Bedarf und damit die existenznotwendigen Aufwendungen realitätsgerecht bemessen. Mit der Privatschulfinanzierung hat der Gesetzgeber nicht das Existenzminimum der einzelnen Schule sicherzustellen, sondern das der Institution Privatschule. Nur das Ergebnis der gesetzlichen Regelung muss der einschlägigen Verfassungsnorm genügen, auch wenn die gesetzliche Regelung nicht aus sich selbst heraus verständlich ist, sondern erst mit Hilfe weitergehender Überlegungen und Berechnungen plausibel wird (BVerwG, U.v. 21.12.2011 – 6 C 18.10 – Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 138; Neumann, jurisPR-BVerfG 14/2012 Anm. 6).

a) Gemessen daran sind die behaupteten Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) nicht entscheidungserheblich.

Die Klägerin rügt zum einen die Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 108 Abs. 2 VwGO, indem das Verwaltungsgericht seine Entscheidung ohne vorherigen Hinweis auch darauf stützt, dass sie den durch den inklusiven Unterricht entstehenden zusätzlichen Aufwand lediglich pauschal und nicht nachvollziehbar dargelegt habe. Ihr sei deshalb die Möglichkeit zu einem entsprechenden Vortrag genommen worden. Außerdem habe das Gericht ebenfalls überraschend auf seine Entscheidung vom 25. Oktober 2010 Bezug genommen. Zum anderen habe das Verwaltungsgericht seine Amtsermittlungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, indem es keine Ermittlungen zum Zustandekommen der gesetzlichen Zuschusspauschalen nach Art. 38 und Art. 40 BaySchFG angestellt habe, insbesondere inwieweit der Faktor des Aufwands für den inklusiven Unterricht berücksichtigt worden ist. Wie dargelegt, ist der grundrechtliche Schutzanspruch des einzelnen Ersatzschulträgers lediglich darauf gerichtet, dass der Gesetzgeber seiner Schutz- und Förderpflicht zugunsten des Ersatzschulwesens als Institution gerecht wird. Diese Pflicht verletzt der Gesetzgeber nur dann gröblich, wenn ohne weitere Förderung der Bestand des Ersatzschulwesens insgesamt evident gefährdet wäre. Dabei kommt es auf eine Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände an, jedoch nicht auf den durch die praktizierte Art des Unterrichts erforderlichen Aufwand der einzelnen Schule an, unabhängig davon, ob diese durch das Gesetz vorgeschrieben ist oder nicht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist darüber hinaus geklärt, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, bei der Festsetzung der Förderpauschalen den tatsächlichen Bedarf und damit die existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht zu bemessen (BVerwG, U.v. 21.12.2011 – 6 C 18/10 – Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 138). Die Mehraufwendungen für den inklusiven Unterricht wären nur im Rahmen einer Gesamtschau aller Umstände, ob das Ersatzschulwesen als Institution gefährdet wäre, entscheidungserheblich. Diese Problematik hat die Klägerin jedoch nicht aufgeworfen.

b) Aus diesem Grund bestehen – jedenfalls im Ergebnis – auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

c) Die Berufung ist ferner nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Insofern fehlt es bereits an einer hinreichend substantiierten Formulierung einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Die Frage allerdings, ob sich aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben ein Anspruch auf (besondere) Förderung der Aufwendungen für inklusiven Unterricht für den Träger einer Ersatzschule ergibt, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts wie bereits ausgeführt dahingehend entschieden, dass sich ein Anspruch des einzelnen Ersatzschulträgers aus Art. 7 Abs. 4 GG oder Art. 134 BV nur insoweit ergibt, als der Gesetzgeber seiner Schutz- und Förderpflicht zugunsten des Ersatzschulwesens nicht nachgekommen ist und der Bestand des Ersatzschulwesens insgesamt aus einer Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände heraus evident gefährdet erschiene. Ein Anspruch auf Bezuschussung im Hinblick auf die zusätzlichen Aufwendungen für inklusiven Unterricht ergibt sich daraus auch angesichts der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention nicht.

d) Das Verwaltungsgericht ist nicht von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 9. März 1994, Az. 1 BvR 1369/90 (BVerfGE, 128) abgewichen. Das Bundesverfassungsgericht führt dort aus, zu den Genehmigungsanforderungen für eine Ersatzschule gemäß Art. 7 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1 GG zähle, dass die Privatschule mit ihren sächlichen Mitteln den Schülern einen vergleichbar qualifizierten Unterricht wie öffentliche Schulen bietet. Es setzt sich damit allerdings nicht in Widerspruch zu seinem gleichzeitig ergangenen Beschluss mit den Aktenzeichen 1 BvR 682/88 und 1 BvR 712/88 (BVerfGE 90, 107), in dem es ausdrücklich ausführt, dass aus Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG kein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Gewährleistung staatlicher Finanzhilfe folgt und der grundrechtliche Schutzanspruch des einzelnen Ersatzschulträgers nur darauf gerichtet ist, dass der Gesetzgeber diejenigen Grenzen und Bindungen beachtet, die seinem politischen Handlungsspielraum durch die Schutz- und Förderpflicht für das Privatschulwesen als Institution gesetzt sind (s. auch BVerfG, B.v. 23.11.2004 1 BvL 6/99BVerfGE 112, 74).

e) Angesichts der ständigen und eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, auf die bereits hingewiesen worden ist, sowie des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, auf dessen Entscheidungen vom 9. Oktober 2007 und vom 7. Juli 2009 ebenfalls bereits hingewiesen worden ist, wonach ein verfassungsunmittelbarer Förderanspruch nur insoweit besteht, als andernfalls das Ersatzschulwesen als Institution in seinem Bestand gefährdet wäre und der Gesetzgeber zur Erfüllung seiner Schutz- und Förderpflicht auch nicht verpflichtet ist, die existenznotwendigen Aufwendungen der privaten Ersatzschulen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht zu bemessen, weisen die zur Entscheidung stehenden Streitsachen weder besondere rechtliche noch besondere tatsächliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Die angefochtenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts sind damit rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).