Bayerischer VGH, Beschluss vom 04.09.2015 - 1 ZB 14.1084
Fundstelle
openJur 2015, 18969
  • Rkr:

"Gefangene" Stellplätze widersprechen den Anforderungen des Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBO an die "geeignete Beschaffenheit", weil ihre Benutzbarkeit vom Parkverhalten eines anderen Parkplatzbenutzers abhängt.Festsetzung von Stellplätzen im Bebauungsplan; „gefangene" Stellplätze.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass das Landratsamt den vom Kläger beantragten Vorbescheid im Hinblick auf die in diesem Verfahren streitigen drei Fragen zu Recht abgelehnt hat.

1. Dies gilt zunächst für die Frage 1: "Ist die Errichtung der Stellplätze außerhalb der zulässigen Flächen möglich?"

31.1 Der Bebauungsplan Nr. 8012, von dessen Festsetzung B 41 ("Die Errichtung von Stellplätzen und Garagen ist nur innerhalb der Bauräume oder in den dafür festgesetzten Flächen zulässig") der Kläger eine Befreiung begehrt, ist nicht deshalb unwirksam, weil die Anregung des Klägers vom 8. April 2003 im Rahmen des Verfahrens zur zweiten Änderung des Bebauungsplans, zu dem festgesetzten Garagenbauraum solle ein Bauraum für einen Carport zwischen der Garage und der Straße festgesetzt werden, im Bebauungsplan keinen Niederschlag gefunden hat. Der Beschluss der Beigeladenen vom 8. April 2003 hierzu, wonach der Anregung in der Gestalt entsprochen werde, dass die bestehende Garage mit einem Satteldach samt Vordach versehen werden könne, jedoch die Richtlinien der städtischen Stellplatzsatzung einzuhalten seien, beinhaltet nicht die Zusage, dass der Bereich vor der Garage im Bebauungsplan als Fläche für Stellplätze festgesetzt werden sollte. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt dies nicht einmal aus derjenigen Passage im oben genannten Beschluss, dass die bestehende Garage mit einem Satteldach samt Vordach versehen werden könne. Dieser Aussage kann allenfalls entnommen werden, dass der - faktisch als Stellplatz benutzbare - Bereich vor der Garage durch die Errichtung eines Vordachs z.B. gegen Umwelteinflüsse geschützt werden kann. Zutreffend weist das Verwaltungsgericht im Übrigen darauf hin, dass auch der Verweis auf die Regelung in der städtischen Stellplatzsatzung, wonach der „Vorplatz vor Garagen (Stauraum)“ nicht als Stellplatz (§ 3 Abs. 1 Nr. 7) gilt, zeigt, dass dem Beschluss der Beigeladenen nicht die vom Kläger beigemessene Bedeutung zukommt. Diese Regelung ist auch rechtmäßig, da "gefangene" Stellplätze nicht den Anforderungen des Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBO entsprechen. Nach dieser Vorschrift müssen Stellplätze in geeigneter Beschaffenheit hergestellt werden, was nach herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, bedeutet, dass ihre Benutzbarkeit nicht vom Parkverhalten eines anderen Parkplatzbenutzers abhängt (vgl. OVG RhPf, U.v. 22.8.2002 - 1 A 10439/02 - BauR 2002, 1840; BayVGH, B.v. 7.7.2010 - 2 CS 06.1432 - juris Rn. 5; Molitor in Koch/Molitor, BayBO, Stand April 2015, Art. 47 Rn. 68; Würfel in Simon/Busse, BayBO, Stand Februar 2015, Art. 47 Rn. 139). Eine - rechtmäßige - Festsetzung der Stellflächen vor den Garagen im Bebauungsplan hätte deshalb ohnehin nicht erfolgen können. Nach alledem kommt es auf den Vortrag des Klägers, der Bebauungsplan sei unwirksam, weil die Beigeladene hinter der von ihr im Beschluss vom 28. April 2003 selbst gesetzten Vorgabe zurückgeblieben (vgl. hierzu VGH BW, U.v. 27.10.2010 - 5 S 1292/10 - DVBl 2011, 239) und deshalb das Abwägungsergebnis fehlerhaft sei, nicht an. Entgegen der Auffassung des Klägers war es schließlich auch nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts zu überprüfen, ob die Beigeladene im Bebauungsplanverfahren verpflichtet gewesen wäre, verschiedene Möglichkeiten, "mit der Vordachlösung weitere Stellplätze zu schaffen, ohne die Vorgaben der Stellplatzsatzung der Stadt Starnberg zu verletzen", in Erwägung zu ziehen. Die vom Kläger nunmehr - soweit ersichtlich erstmalig - vorgeschlagene Drehung des Garagengebäudes war im Bebauungsplanverfahren ersichtlich nicht Gegenstand der Erörterung, wie die damals vorgelegten Skizzen zeigen (siehe Akte des Landratsamts Starnberg Nr. 4 0 V-2012-56-11). Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass die aus seiner Sicht naheliegende Lösung der Neuerrichtung einer Duplexgarage an Stelle der bisherigen Doppelgarage vom Kläger bislang offenbar noch nicht einmal erwogen wurde.

1.2 Die Errichtung zweier weiterer Stellplätze an der vom Kläger im Vorbescheidsantrag vorgesehenen Stelle (s.u.) berührt die Grundzüge der Planung, so dass eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht ausgesprochen werden konnte. Gemäß Nr. 4.1 der Festsetzungen des Bebauungsplans ist es sein Ziel, die offene Bauweise in durchgrünten Grundstücken zu erhalten, weshalb die Errichtung von Stellplätzen und Garagen nur innerhalb der Bauräume oder in den festgesetzten Flächen zulässig ist. Dass der vorgesehene Standort gegen diese Ziele des Bebauungsplans verstößt und damit die Grundzüge der Planung berührt, bedarf keiner weiteren Erörterung; insoweit wird auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Der Vortrag des Klägers, die Frage 1 im Vorbescheidsantrag sei nicht auf bestimmte Stellplätze beschränkt, sondern allgemein gehalten, weshalb sich das Landratsamt und das Verwaltungsgericht mit alternativen Lösungen zur Stellplatzfrage hätten auseinandersetzen müssen, trifft bereits deshalb nicht zu, weil sich im "Beiblatt zum Bauvorbescheid" (Bl. 7 der Akte V-2012-56-11; richtig: Beiblatt zum Antrag auf Erlass eines Vorbescheids) vom 7. Februar 2012 ausdrücklich der Hinweis des Klägers findet, dass die bestehende Doppelgarage, die zum westlichen abzureißenden Wohnhaus gehört, erhalten bleiben und durch zwei offene Stellplätze ergänzt werden solle, hierzu auf einen Plan ("s. Plan") Bezug genommen wird und dieser eindeutig die Situierung der beiden Stellplätze im Vorgartenbereich festlegt (Bl. 52 und 53 der Akte des Landratsamts Starnberg Az. V-2012-56-11).

2. Konsequent haben das Landratsamt und das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung auch die im Vorbescheidsantrag gestellte Frage 2 verneint, ob der "Stauraum vor der Garage auch als Stellraum gerechnet" werden könne. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einräumt, dass „gefangene" Stellplätze nicht geeignet im Sinn des Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind, er sich aber auf Bestandsschutz beruft, weil er die beiden Stellplätze auf dem Garagenvorplatz bereits seit der Errichtung der Garage im Jahre 1964 benutze, zum damaligen Zeitpunkt weder Stellplätze noch Garagen genehmigungspflichtig gewesen seien und in materieller Hinsicht lediglich die Anforderungen des "Art. 55 Abs. 8 BayBO 1962" (richtig: Art. 62 Abs. 8 BayBO 1962) gegolten hätten, führt auch dieser Vortrag nicht weiter. Dies folgt unmittelbar aus Art. 62 Abs. 2 Satz 1 BayBO 1962, der bereits damals - wortgleich mit dem jetzigen Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBO - die "geeignete Beschaffenheit" von Stellplätzen erforderte und somit auch damals "gefangene" Stellplätze materiell unzulässig waren (s.o. 1.1). Da sie weder genehmigt noch zu irgendeinem Zeitpunkt materiell rechtmäßig waren, stellt sich die Frage des (passiven) Bestandsschutzes nicht.

3. Nach alledem war auch die Verneinung der Frage 4, ob der Nachweis der notwendigen Stellplätze erbracht ist, rechtmäßig.

Der unterlegene Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.