VG Ansbach, Beschluss vom 08.07.2015 - AN 5 K 15.00853
Fundstelle
openJur 2015, 18830
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der u.a. für den Aufgabenkreis Wohnungs- und Heimangelegenheiten unter Betreuung stehende Kläger wurde am 19. Mai 2011 von der Beklagten in die Obdachlosenunterkunft ...eingewiesen. Wegen zahlreicher Beschwerden wurde er mit Schreiben der Beklagten vom 6. Juni 2011 verwarnt und es wurde ihm bei Bekanntwerden weiterer Störfälle die Entfernung aus der Unterkunft angedroht. Ende August 2011 zog der Kläger aus dieser Unterkunft aus.

Mit Bescheid der Beklagten vom 21. März 2013 wurden die Eltern und drei jüngere Geschwister des Klägers in die Obdachlosenunterkunft ..., Zimmer Nr... eingewiesen, wobei ausdrücklich festgelegt wurde, dass dem Kläger der Zutritt in die Unterkunft nicht gestattet ist. Mit einer Ergänzung zum Einweisungsbescheid vom 21. März 2013 wurde dem Kläger ab dem 26. März 2013 der Zutritt in die Unterkunft gestattet. Der Kläger erklärte dabei, dass er auf die Einhaltung der Satzung hingewiesen worden sei und wisse, dass Verstöße gegen die Satzung, insbesondere Beschädigungen im Gebäude jeglicher Art, Beleidigungen gegen andere Mitbewohner, Störungen des Hausfriedens und grobe Verunreinigungen eine sofortige Räumung zur Folge hätten und ihm direkt ein Hausverbot ausgesprochen werde.

Den vom Betreuer des Klägers mit Schreiben vom 16. August 2013 gestellten Antrag, den Kläger in einem Einzelzimmer der Obdachlosenunterkunft unterzubringen, lehnte die Beklagte ab.

Am 1. März 2014 beschädigte der Kläger durch einen Fußtritt das Türblatt des Zimmers Nr. ... der Obdachlosenunterkunft. Seit dem 1. September 2014 bewohnt der Kläger ein Zimmer in der Obdachlosenunterkunft alleine.

Mit E-Mail vom 30. Oktober 2014 teilte die Beklagte dem Betreuer des Klägers mit, dass der Kläger mehrere Beschädigungen und auch Polizeieinsätze zu verantworten habe und sein weiterer Aufenthalt in der Obdachlosenunterkunft nicht mehr tragbar sei. Es sei deshalb beabsichtigt, den Aufenthalt des Klägers in der Obdachlosenunterkunft zu beenden. Es werde deshalb gebeten, bis spätestens 14. November 2014 einen Gesprächstermin zu vereinbaren. Nach erneuter Zustellung des Textes der E-Mail per Einschreiben rief der Betreuer des Klägers am 20. November 2014 bei der Beklagten an. Nach einem Aktenvermerk (Bl. ... der Behördenakte) wurde der Betreuer des Klägers aufgefordert, auf diesen einzuwirken und ihm klar zu machen, dass er mit einem Hausverbot zu rechnen habe, wenn es zu einem weiteren Verstoß komme.

Durch andere Bewohner der Obdachlosenunterkunft wurde die Beklagte darüber informiert, dass der Kläger im Zeitraum vom 18. Februar bis 2. März 2015 nachts unter Alkoholeinfluss das Schloss eines Briefkastens herausgebrochen, das Schloss der Haupteingangstür geknackt und ein Loch in die Wand des Eingangsbereichs geschlagen habe, er außerdem die Schließbleche der Zimmer Nr. ... und Nr. ... zum zweiten Mal so beschädigt habe, dass ein Abschließen unmöglich sei und die Türklinken inklusive Blenden herausgerissen habe und dass er weiter das Schloss des Fensters zu Zimmer Nr. ... geknackt und die Türen der Zimmer Nr. ... und Nr. ... durch starkes Dagegentreten und Bohrungen beschädigt habe.

Mit Schreiben vom 3. März 2015 teilte die Beklagte dem Betreuer des Klägers mit, dass der Kläger auf Grund weiterer Sachbeschädigungen und der unerlaubten Beherbergung nicht im Zuweisungsbescheid ausgewiesener Personen zum 30. April 2015 aus der Obdachlosenunterkunft im ... in ... ausgewiesen werde. Um ausreichend Zeit zur Räumung des aktuell noch bewohnten Zimmers und zur Suche einer anderen Unterkunft zu gewähren, finde die Räumung durch den Bauhof erst am 30. April 2015 um 8.00 Uhr statt. Zu diesem Zeitpunkt noch im Zimmer verbliebene Gegenstände würden vernichtet.

Mit Schreiben vom 5. März 2015 erstattete die Beklagte wegen der Sachbeschädigungen Strafanzeige.

Am 11. März 2015 teilte eine Bewohnerin der Obdachlosenunterkunft der Beklagten telefonisch mit, dass der Kläger die Tür des seinem Zimmer gegenüberliegenden Zimmers aufgebrochen habe und mit einem Messer nach der Anwohnerin geworfen habe.

Mit Schreiben vom 13. April 2015 bat der Betreuer des Klägers um Aussetzung der beabsichtigten Räumung und schlug vor, sich am 18. Mai 2015 zu einem lösungsorientierten Vierergespräch im Rathaus zu treffen. Zuvor werde der Kläger psychiatrisch begutachtet.

Mit Schreiben vom 15. April 2015 bestätigte die Beklagte den vorgeschlagenen Termin gegenüber dem Betreuer des Klägers und verlängerte die zur Räumung des Zimmers gesetzte Frist bis zum 31. Mai 2015.

Die Staatsanwaltschaft ... stellte das gegen den Kläger wegen der im Zeitraum vom 18. Februar bis 2. März 2015 begangenen Sachbeschädigungen mit Schreiben vom 20. April 2015 wegen Schuldunfähigkeit des Klägers gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein. Eine Bewohnerin der Obdachlosenunterkunft teilte der Beklagten im Folgenden mit, dass der Kläger das Zimmer ... wieder „belagert“ und in seinem Zimmer Nr. ... die Tür eigenmächtig ausgewechselt habe.

Nach einem Aktenvermerk der Beklagten führte der Kläger dazu bei dem Gespräch am 18. Mai 2015 aus, dass die Tür im Zimmer Nr. ... von ihm selbst eingetreten worden sei und deshalb nicht mehr geschlossen werden habe können. Sein Vater habe deshalb eine andere Tür eingebaut, woher diese stamme, sei ihm nicht bekannt. Der Kläger bot der Beklagten bei dem Gespräch auch an, sein Zimmer aufzuräumen und neu zu streichen, die Farbe hierfür werde sein Vater besorgen. Er werde auch keine „Assis“ mehr zum Feiern einladen. Eine weitere Verlängerung der Räumungsfrist lehnte die Beklagte im Rahmen des Gesprächs ab.

Der Bevollmächtigte des Klägers teilte der Beklagten mit Schreiben vom 27. Mai 2015 mit, dass der Betreuer des Klägers nunmehr zwei Bewerbungen für Mietwohnungen übermittelt habe. Es werde die Verlängerung der Räumungsfrist beantragt.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 28. Mai 2015 hat der Kläger Klage gegen die Stadt ... zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erhoben und beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 5. März 2015 (gemeint wohl: 3. März 2015) aufzuheben.

Weiter wurde beantragt,

dem Kläger unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der Betreuer des Klägers vor der Ausweisungsverfügung nicht angehört worden sei. Eine Ermächtigungsgrundlage für die Ausweisung und die angekündigte Vernichtung der Gegenstände sei in dem Bescheid nicht genannt worden. Es sei auch ermessensfehlerhaft, einen auf dem Wohnungsmarkt derart schwierig vermittelbaren Wohnungssuchenden in zwei Monaten zu einer Wohnungssuche zu zwingen. Die Beklagte habe weiterhin verkannt, dass nach dem einvernehmlichen Treffen vom 18. Mai 2015 nur 13 Tage bis zur Räumung verblieben seien. Im Falle der Ausweisung stehe dem Kläger keinerlei Unterkunft zur Verfügung, was bedeute, dass dem Kläger ein Leben auf der Straße drohe.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 1. Juli 2015 beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Betreuer des Klägers während des gesamten Einweisungszeitraums über die vom Kläger begangenen Sachbeschädigungen unterrichtet worden sei. Eine Anhörung sei vor Erlass der Ausweisungsverfügung nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte sei nach ihrer Satzung berechtigt gewesen, die Zuweisung der Unterkunft zurückzunehmen, nachdem der Kläger die Unterkunft zum wiederholten Male beschädigt habe. Die zur Räumung des Zimmers gesetzte Frist sei auch nicht unangemessen. Im Ausgangsbescheid sei eine Frist von knapp zwei Monaten eingeräumt worden, die dann noch um einen Monat verlängert worden sei. Nach § 10 Abs. 1 der Satzung über die Obdachlosenunterkünfte der Beklagten bestehe für jeden Benutzer die Verpflichtung, sich laufend auf dem freien Wohnungsmarkt um eine Mietwohnung oder sonstige Unterkunft zu bemühen. Mit Ausnahme der beiden Wohnungsgesuche vom 26. Mai 2015, die der Bevollmächtigte des Klägers vorgelegt habe, seien keine weiteren Bemühungen bekannt oder vorgetragen. Der Beklagten sei es nicht länger zuzumuten, den Kläger in der Obdachlosenunterkunft wohnen zu lassen. Dieser begehe Straftaten, ohne dass er sich für diese zu verantworten habe. Obwohl ihm dies immer wieder klar vor Augen geführt worden sei, halte er sich an keinerlei Regeln in der Unterkunft. Ein eigenes Bemühen des Klägers, neuen Wohnraum zu finden, sei ebenso wenig vorhanden, wie das Bemühen des Betreuers. Aus diesem Grund sei der Beklagten als letztes Mittel nur die Zurücknahme der Zuweisung verblieben. Selbst wenn der Kläger durch die Räumung tatsächlich ohne Obdach wäre, könnte er von der Beklagten keine Unterbringung nach Obdachlosenrecht mehr fordern. Denn eine Obdachlosigkeit im rechtlichen Sinne liege auch dann nicht vor, wenn sich der Obdachlose durch eigenes zurechenbares Verhalten dieser Nutzungsmöglichkeit entziehe, indem er beharrlich gegen die innere Ordnung der ihm zugewiesenen Einrichtung verstoße und deshalb im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung seine Nutzung beendet werden habe müsse. Dazu werde auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 24. Oktober 2002 (M 22 E 02.2459 u.a.) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen.

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Selbst wenn der Kläger gemäß den vorgelegten Unterlagen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu bestreiten, bietet jedenfalls die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Diese liegt stets dann vor, wenn eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung spricht. Bei der dabei vom Gericht anzustellenden vorläufigen Prüfung dürfen im Hinblick auf die Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Es genügt, wenn sich die Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung als offen darstellen (BayVGH, B.v. 21.12.2009 – 19 C 09.1723 – juris). Davon ist hier jedoch nicht auszugehen.

Denn der Widerruf der Einweisung des Klägers in die Obdachlosenunterkunft ... - als solcher ist die „Ausweisung aus der Obdachlosenunterkunft“ vom 3. März 2015 zu werten – ist nicht zu beanstanden.

Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 der Satzung über die Obdachlosenunterkünfte der Stadt ... vom 1. Oktober 2003 kann die Stadt die Zuweisung der Unterkunft zurücknehmen oder widerrufen oder dem Benutzer eine andere Unterkunft zuweisen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Solche Gründe liegen insbesondere vor, wenn wiederholt vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die Satzung verstoßen, der Hausfrieden nachhaltig gestört, die Unterkunft beschädigt, übermäßig abgenutzt oder nicht sauber gehalten wird (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 6 und 7 der Satzung).

Diese Voraussetzungen sind durch die vom Kläger begangenen Sachbeschädigungen, Ruhestörungen und die Beherbergung nicht zugewiesener Personen zweifelsfrei erfüllt.

Die Entscheidung, die Zuweisung einer Unterkunft zurückzunehmen, liegt nach der Formulierung in § 12 Abs. 1 Satz 1 der Satzung („kann die Zuweisung der Unterkunft zurücknehmen“) im Ermessen der Beklagten. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll dabei auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG). Das Schreiben der Beklagten vom 3. März 2015, dem auch keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, enthält derartige Gesichtspunkte zwar nicht, jedoch war es im vorliegenden Fall auch nicht erforderlich, derartige Gesichtspunkte in den angefochtenen Bescheid aufzunehmen. Es handelt sich vielmehr geradezu um ein Paradebeispiel der „Ermessensreduzierung auf Null“. Denn das Verhalten des Klägers in der Obdachlosenunterkunft, in der der Kläger (in der Regel im angetrunkenen Zustand) zahlreiche Sachen beschädigte und sich auch sonst nicht an die Hausordnung hielt, ließ eine andere Entscheidung der Beklagten nicht zu. Dem Kläger musste auch auf Grund der im Schreiben der Beklagten vom 30. Oktober 2014 an seinen Betreuer geäußerten Absicht, seinen Aufenthalt in der Obdachlosenunterkunft zu beenden, klar sein, dass sein nicht zu billigendes Verhalten diese Folge haben muss. Schon wegen der im Oktober 2014 erfolgten Anhörung war vor Erlass des Widerrufsbescheids vom 3. März 2015 auch keine weitere Anhörung mehr notwendig.

Auch die von der Beklagten zur Räumung der Unterkunft gesetzte Frist ist nicht zu beanstanden. Es ist insbesondere nicht unverhältnismäßig, wenn dem Kläger mit dem angefochtenen Bescheid acht Wochen Zeit gegeben wurde, um eine andere Wohnung zu finden. Darüber hinaus wurde die Frist auch noch um einen Monat verlängert.

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war deshalb nach allem abzulehnen.

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