ArbG München, Urteil vom 11.12.2012 - 30 Ca 5213/12
Fundstelle
openJur 2015, 18801
  • Rkr:

Kündigt ein einziger Auftraggeber einen Dienstleistungsvertrag zur Zeitungszustellung und vergibt diesen Auftrag an ein anderes Unternehmen, ohne dass sächliche Betriebsmittel oder die Hauptbelegschaft übernommen wurden, liegt eine bloße Auftragsnachfolge und kein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB vor. Auch wenn Tourenbücher und Schlüssel zu den Haustüren der Abonnenten an den neuen Auftragnehmer übergeben werden, ändert dies nichts am Ergebnis, da es sich bei Tourenbüchern und Hausschlüsseln um bloße Hilfsmittel und nicht um wesentliche, die Identität prägende Betriebsmittel handelt.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Der Streitwert wird auf EURO 3.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung.

Der Kläger ist seit dem 01.11.2002 bei der Beklagten als Zeitungszusteller zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.000,00 € beschäftigt.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen, dessen einziger Unternehmensgegenstand die Verteilung von Zeitungen an Abonnenten im Innenstadtbereich von B- Stadt war. Die Beklagte beschäftigte im Januar 2012 ca. 57 Arbeitnehmer und betrieb drei sog. Verteilstellen, bei denen sich die Zusteller Zeitungen zur Verteilung abholten.

Unter dem 18.01.2012 stellte der Kläger einen Antrag auf Feststellung seiner Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch. Über diesen Antrag liegt noch keine Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom 28.04.2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.07.2012. Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 09.05.2012, beim Arbeitsgericht München am selben Tag eingegangen, erhob der Kläger Kündigungsschutzklage.

Mit Schreiben vom 30.06.2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers vorsorglich nach Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes zum 30.09.2012. Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 05.07.2012, beim Arbeitsgericht München am 06.07.2012 eingegangen, erhob der Kläger Kündigungsschutzklage.

Mit Schreiben vom 19.04.2012 (auf Anlage B 1, Bl. 46 f. der Akte, wird Bezug genommen) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu beabsichtigten Kündigung des Klägers an.

Mit Schreiben vom 24.04.2012 (auf Anlage B 4, Bl. 93 ff. der Akte, wird Bezug genommen) zeigte die Beklagte der Agentur für Arbeit die Massenentlassung an.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die streitgegenständliche Kündigung unwirksam sei. Die Beklagte, die Unternehmen X. und Y. würden einen Gemeinschaftsbetrieb bilden. Die Beklagte hätte daher im Rahmen der Sozialauswahl die Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs mit einbeziehen müssen. Zudem liege ein Betriebsübergang auf die Z. vor. Kernpunkt der Beklagten sei das Austragen sämtlicher Tageszeitungen im Gebiet der Stadtmitte Münchens. Sämtliche Mitarbeiter der Beklagten, die sich mit dem neuen Vergütungssystem des Süddeutschen Verlages einverstanden erklärt hätten, hätten ein Angebot erhalten, bei der Z. wie bisher die Touren zu bedienen. Die Z. habe ca. 20 Mitarbeiter der Beklagten tatsächlich übernommen. Auch sei das wesentliche Betriebsmaterial der Beklagten auf die Z. übergegangen. Die wesentlichen Betriebsmittel der Beklagten bestünden aus Schlüsseln sowie Tourenbüchern, die für die Austragung der Zeitungen unverzichtbar seien. Angesichts der langen Tätigkeit der Zeitungszusteller sei bei den Hausverwaltungen angefragt worden, ob diese den Zustellern die Hausschlüssel zur Verfügung stellen würden. Mithilfe dieser Schlüssel sei der Mitarbeiter in der Lage, auch außerhalb der normalen Öffnungszeiten in die Häuser zu gelangen. In den sog. Tourenbüchern würden die Zusteller die jeweiligen Wünsche der Abonnenten eintragen. Die Tourenbücher und die Schlüssel würden das wesentliche Betriebskapital der Beklagten darstellen, das auf die Z. übergegangen sei. Ohne die entsprechenden Schlüssel könnten mehr als die Hälfte sämtlicher zuzustellender Zeitungen nicht zugestellt werden, da es für den Zusteller unmöglich sei, ohne den entsprechenden Schlüssel das Gebäude zu betreten. Weiter sei es ohne die entsprechenden Tourenbücher nicht möglich, eine ordnungsgemäße Ausführung der Zustellung sicher zu stellen.

Der Kläger beantragt daher zuletzt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 28.04.2012 beendet wird.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 30.06.2012 beendet wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Meinung, die streitgegenständlichen Kündigungen der Beklagten seien aufgrund der Betriebsstilllegung als betriebsbedingte Kündigung wirksam und habe das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien beendet. Ein Betriebsübergang habe nicht stattgefunden.

Die Beklagte trägt vor, dass die Gesellschafter der Beklagten, die F. und die G. am 12.01.2012 beschlossen hätten, den Geschäftsbetrieb der Beklagten zum 29.02.2012 vollständig einzustellen, insbesondere sämtliche Vertragsverhältnisse der Beklagten unverzüglich zu beenden. Anlass für diese Entscheidung sei gewesen, dass der einzige Auftraggeber der Beklagten den Dienstleistungsvertrag über die Zeitungszustellung zum Ablauf des 29.02.2012 gekündigt habe. Diese Entscheidung sei von der Beklagten auch umgesetzt worden. Seit 01.03.2012 seien von der Beklagten keine Zeitungen mehr verteilt worden. Dadurch sei das Beschäftigungsbedürfnis für sämtliche bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer auf Dauer ersatzlos weggefallen. Eine Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz sei nicht möglich. Eine Sozialauswahl sei nicht durchzuführen gewesen. Ob die Beklagte mit der X. und/oder der Y. einen gemeinsamen Betrieb gebildet habe, könne offen bleiben, da der Gemeinschaftsbetrieb jedenfalls zum Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr bestanden habe. Die Beklagte habe am 28.04.2012 sämtlichen zu diesem Zeitpunkt noch bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern gekündigt habe. Ausgenommen sei nur ein schwerbehinderter Arbeitnehmer gewesen, dem erst nach Vorliegen der Zustimmung durch das Integrationsamt am 23.05.2012 gekündigt hätte werden können.

Die Kündigung sei auch nicht wegen eines Betriebsüberganges ausgesprochen worden. Richtig sei vielmehr, dass zwischen der Beklagten und der Z. eine Auftragsnachfolge stattgefunden habe. Der Z. habe von der Beklagten aber weder die Hauptbelegschaft noch die wesentlichen Betriebsmittel übernommen. Nach Kenntnis der Beklagten hätten sieben ihrer Zusteller bei der Z. ihre Tätigkeit aufgenommen. Die Z. habe keine Tourenbücher der Beklagten übernommen. Die Z. habe das Zustellgebiet völlig neu in Zustellbezirke aufgeteilt und ohne Zuhilfenahme der Tourenbücher der Beklagten eigene Tourenbücher erstellt. Richtig sei, dass die Z. von ihrem Auftraggeber, der H., die Hausschlüssel erhalten habe, die für die Erledigung des Zustellauftrags - teilweise - erforderlich seien. Die Schlüssel würden ebenso wenig wie die Tourenbücher den Kern des für die Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhanges ausmachen.

Zum Vortrag der Parteien wird auf die jeweils gewechselten Schriftsätze - nebst Anlagen - sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 19.06.2012 und 08.11.2012 Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig.

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 b, 46, 48 ArbGG i.V.m. 17 ff. GVG eröffnet. Das Arbeitsgericht München ist zur Entscheidung des Rechtsstreits gemäß §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 12,17 ZPO örtlich zuständig.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Die Kündigung vom 28.04.2012 ist als betriebsbedingte Kündigung wirksam und beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.09.2012. Da zum beabsichtigten Beendigungszeitpunkt der Kündigung vom 30.06.2012 kein Arbeitsverhältnis mehr bestand, war auch der Feststellungsantrag der Klageerweiterung abzuweisen.

A. Die Kündigung vom 28.04.2012 ist gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Es liegen dringende betriebliche Erfordernisse vor, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen. Dahingestellt kann dabei bleiben, ob die Beklagte mit der X. und/oder der Y. einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet hatte.

1. Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung u.a. dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen. Betriebliche Erfordernisse, die zur Kündigung führen, können sich aus inner- oder außerbetrieblichen Gründen ergeben (vgl. Urteile des BAG vom 18.10.2006, Az.: 2 AZR 676/05; BAG vom 05.12.2002, Az.: 2 AZR 522/01, jeweils zitiert nach Juris). Im Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitgeber darlegen, aufgrund welcher Umstände er sich zu einem bestimmten unternehmerischen Handeln veranlasst sieht, das zu einer Verringerung des Beschäftigungsbedarfs führt, sowie ob die betrieblichen Erfordernisse dringend sind und die Kündigung bedingen. Dabei ist die Stilllegung eines gesamten Betriebes regelmäßig ein dringendes betriebliches Erfordernis (Griebeling in KR, 9. Auflage, § 1 KSchG, Rdn. 579, m.w.N.). Danach ist zu prüfen, ob anderweitige Möglichkeiten der Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz vorhanden sind. Schließlich muss auf entsprechende Rüge des Arbeitnehmers nach § 1 Abs. 3 KSchG geprüft werden, ob der Arbeitgeber die Kündigung zwischen den vergleichbaren Arbeitnehmern dem sozial am wenigsten schutzbedürftigen Arbeitnehmer gegenüber ausgesprochen hat.

2. Aufgrund der unternehmerischen Organisationsentscheidung der Beklagten am 12.01.2012, den Betrieb zum 29.02.2012 still zu legen, stand fest, dass der Arbeitsplatz des Klägers spätestens zum 31.07.2012 - Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist - weggefallen sein wird.

a) Nach den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts braucht bei geplanter Stilllegung des Betriebs die Stilllegung bei Zugang der Kündigung noch nicht vollzogen sein, sie muss nur greifbare Formen angenommen haben. Es genügt damit, wenn im Zugangszeitpunkt der Arbeitgeber ernsthaft und endgültig zur Stilllegung entschlossen war und sich bei objektiver betriebswirtschaftlicher Betrachtungsweise die Prognose ergab, dass nach Ablauf der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigt werden konnte (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Urteil vom 27.11.2003, Az.: 2 AZR 48/03, zitiert nach Juris). Dabei lässt der tatsächliche Eintritt der prognostizierten Entwicklung nach Ausspruch der Kündigung Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit und Plausibilität der Prognose zu (Urteil des BAG vom 27.11.2003, a.a.O.).

b) Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Kündigung nicht ernsthaft und endgültig zur Stilllegung ihres Betriebs entschlossen war. Die Beklagte hat den Betrieb auch tatsächlich stillgelegt, was vom Kläger auch nicht bestritten wurde. Zudem ist auch der Vortrag der Beklagten, dass alle Arbeitnehmer ausgeschieden sind bzw. allen Arbeitnehmern gekündigt wurde, vom Kläger unbestritten geblieben. Die von der Beklagten prognostizierte Entwicklung, dass der Kläger nach Ablauf der Kündigungsfrist zum 31.07.2012 nicht mehr beschäftigt werden konnte, hat sich damit bestätigt.

c) Es gab zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung auch keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen freien Arbeitsplatz im Betrieb bzw. Unternehmen. Im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast hätte der Kläger vortragen müssen, wie er sich eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz vorstellt (Griebling in KR, 9. Auflage, § 1 KSchG, Rdn. 555). Der Kläger hat hierzu nicht vorgetragen.

d) Eine Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG war vorliegend nicht durchzuführen, da die Arbeitsverhältnisse aller Arbeitnehmer spätestens bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wurden.

Eine Sozialauswahl war auch dann nicht erforderlich, wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass ein Gemeinschaftsbetrieb mit der X. und/oder der Y. bestanden hat.

(1) Eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl ist nach der Rechtsprechung des Bundearbeitsgerichts (Urteil vom 29.11.2007, Az.: 2 AZR 763/06, zitiert nach Juris) bei Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes mehrerer Unternehmen dann nicht vorzunehmen, wenn der Gemeinschaftsbetrieb zum Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr besteht. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass einer der Betriebe, die einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet haben, stillgelegt wird. Die "gemeinsame Klammer", die eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl veranlasst hat, ist regelmäßig auch dann entfallen, wenn im Zeitpunkt der Kündigung der eine der Betriebe, die zusammen einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet haben, zwar noch nicht stillgelegt ist, auf Grund einer unternehmerischen Entscheidung, die bereits greifbare Formen angenommen hat, aber feststeht, dass er bei Ablauf der Kündigungsfrist des Arbeitnehmers stillgelegt sein wird.

(2) Die unter Ziffer (1) genannten Voraussetzungen sind vorliegend zu bejahen. Der Betrieb der Beklagten wurde stillgelegt. Zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers hatte die Stilllegungsabsicht bereits greifbare Formen angenommen, indem die Beklagte bereits am 01.03.2012 sämtliche Zustellaktivitäten eingestellt hatte am 28.04.2012 allen Arbeitnehmern - mit Ausnahme eines schwerbehinderten Arbeitnehmers, zu dessen Kündigung noch die Zustimmung des Integrationsamts eingeholt wurde - zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt hat. Eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl war daher nicht vorzunehmen.

(3) Unabhängig davon hat der Kläger auch keine vergleichbaren Arbeitnehmer benannt, die im Rahmen einer unternehmensübergreifenden Sozialauswahl zu berücksichtigen gewesen wären.

B. Die Kündigung verstößt nicht gegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB, da ein Betriebsübergang nicht stattgefunden hat.

1. Ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a Abs. 1 BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder eines Betriebsteils auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist dabei die Wahrung der wirtschaftlichen Identität.

Eine wirtschaftliche Einheit besteht aus einer organisatorischen Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine wirtschaftliche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Umstände berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vergleiche BAG, Urteil vom 22. Januar 2009, 8 AZR 158/07, zitiert nach Juris).

In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Falle anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung der bisherigen betrieblichen Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge (ständige Rechtsprechung des BAG, beispielsweise Urteil vom 15.12.2011, 8 AZR 197/11, zitiert nach Juris). In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen. Der Umstand, dass die von dem neuen Unternehmer übernommenen Betriebsmittel nicht seinem Vorgänger gehörten, sondern vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden, schließt den Betriebsübergang nicht aus. Sächliche Betriebsmittel sind im Rahmen einer Auftragsneuvergabe wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht. Kriterien hierfür können sein, dass die Betriebsmittel unverzichtbar zur auftragsgemäßen Verrichtung der Tätigkeiten sind, auf dem freien Markt nicht erhältlich sind oder ihr Gebrauch vom Auftraggeber zwingend vorgeschrieben ist (Urteil des BAG vom 15.12.2011, a.a.O).

Die für den Betriebsübergang maßgeblichen Tatsachen sind von demjenigen vorzutragen und zu beweisen, der sich auf den Übergang beruft (vgl. Pfeiffer in KR, 9. Auflage, § 613a BGB, Rdn. 99 - 100), folglich hier vom Kläger.

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt kein Betriebsübergang von der Beklagten auf die Z. vor. Die Verteilung der Zeitungen der K. Gruppe in der Innenstadt von B-Stadt durch die Z. stellt eine bloße Auftragsnachfolge dar.

a) Der Abschluss eines Vertrages zwischen der früheren Auftraggeberin der Beklagten und der Z. stellt selbst dann keinen Betriebsübergang dar, wenn der der Z. erteilte Auftrag inhaltlich identisch zu dem zuvor der Beklagten erteilten Auftrag sein sollte. Zwar kann auch die Übernahme von Kunden- und Lieferantenbeziehungen einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang im Zusammenspiel mit weiteren Umständen begründen (Urteil des BAG vom 15.12.2011, a.a.O., Urteil vom 14.08.2007, Az.: 8 AZR 803/06, zitiert nach Juris). Die bloße Auftragsnachfolge stellt aber keinen einen Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB dar.

Eine Tätigkeit ist noch keine wirtschaftliche Einheit (Urteil des BAG vom 14.08.2007, Az.: 8 ZR 1043/06, zitiert nach Juris). Dies gilt auch dann, wenn ein Dienstleistungsauftrag der für die Existenz des Betriebs unentbehrliche einzige Auftrag des Betriebs ist (Urteil des BAG vom 28.05.2009, Az.: 8 AZR 273/08, zitiert nach Juris). Der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit setzt danach neben einer etwaigen Auftragsnachfolge die Feststellung zusätzlicher Umstände voraus, die in der Gesamtwürdigung die Annahme des Fortbestandes der wirtschaftlichen Einheit rechtfertigen. Allein der Umstand, dass die vom alten und neuen Auftragnehmer erbrachten Dienstleistungen ähnlich sind, erlaubt es nicht anzunehmen, der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit liege vor (Urteil des BAG vom 15.12.2011, a.a.O.). Der Grad der Ähnlichkeit der erbrachten Dienstleistungen erlangt als Kriterium, welches für die Annahme eines Betriebsübergangs spricht, allerdings dann Bedeutung, wenn die Art und Weise der Tätigkeit von den Auftragnehmern beeinflusst werden kann, also Ausdruck der von den Auftragnehmern geschaffenen Arbeitsorganisation ist und die durchgeführte Tätigkeit nicht maßgeblich auf den Vorgaben des Auftrages beruht, d.h. sie sich im Wesentlichen als die aufgrund des Dienstleistungsvertrages geschuldete Tätigkeit darstellt.

Dabei ist für den vorliegenden Fall zunächst festzustellen, dass allein die Übernahme der Kunden, d.h. insbesondere der Listen der Zeitungsabonnenten daher nur dann einen Betriebsübergang darstellen würde, wenn weitere Umstände hinzugekommen wären. Dies gilt auch, obwohl die Ähnlichkeit der erbrachten Dienstleistungen - Zustellen von Tageszeitungen der K. Gruppe - zu bejahen ist. Denn es ist weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus den Umständen erkennbar, dass die Art und Weise der Tätigkeit von den jeweiligen Auftragnehmern, d.h. der Beklagten bzw. der Z. maßgeblich beeinflusst werden könnte. Vielmehr beruht die Tätigkeit maßgeblich auf den Vorgaben des Auftrages durch die H.

Allein durch die Ähnlichkeit der Tätigkeit kann ein Betriebsübergang ohne das Hinzutreten weiterer Umstände daher nicht begründet werden.

b) Die Vergabe des Auftrages für Zustelltätigkeiten ging auch nicht mit dem Übergang einer wirtschaftlichen Einheit unter Wahrung ihrer Identität von der Beklagten auf die Z. einher. Die von der Rechtsprechung geforderten zusätzlichen Umstände - wie die Übernahme von sächlichen Betriebsmitteln oder der Hauptbelegschaft - liegen nicht vor.

(1) Sächliche Betriebsmittel sind im Rahmen einer Auftragsneuvergabe dann wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht und sie somit unverzichtbar zur auftragsgemäßen Verrichtung der Tätigkeiten sind Den Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs bilden sächliche Betriebsmittel aber nicht schon dann, wenn sie zur Erbringung der Dienstleistung erforderlich sind (Urteil des BAG vom 15.12.2011, a.a.O., m.w.N.). Vorliegend sind zwar sächliche Betriebsmittel auf die Z. übergegangen; diese machen aber nicht den Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs aus. Im Einzelnen:

Unstreitig ist, dass die Beklagte an die Z. die Hausschlüssel für bestimmte Zustellobjekte übergeben hat. Streitig ist zwischen den Parteien, ob die sog. Tourenbücher übergegangen sind. Aus Sicht des Gerichts sind aber weder die Schlüssel noch die sog. Tourenbücher einzeln als auch zusammengenommen identitätsprägend. Es handelt es sich bei den von der Z. weiterhin genutzten sächlichen Betriebsmitteln nicht um wesentliche, die Identität der Einheit prägende Betriebsmittel.

Die weiterhin genutzten Betriebsmittel stellen aus Sicht der Kammer bloße Hilfsmittel zur Erbringung der eigentlichen Zustelltätigkeit sind. Die Nutzung der Schlüssel mag notwendig sein, um in einzelnen Gebäuden an die jeweiligen Briefkästen der Abonnenten heranzukommen. Die Schlüssel haben als Hilfsmittel allein dienende Funktion. Dies gilt auch für - umstrittene Übernahmen - der sog. Tourenbücher. Auch diese Bücher haben lediglich die Funktion eines Hilfsmittels, um die Zustelltätigkeit zu erleichtern. Sie prägen aber nicht deren Charakter. Prägend für die Tätigkeit sind vielmehr die Abholung der Tageszeitungen und deren Auslieferung an die Kunden. Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich im Übrigen bereits auch, dass die Schlüssel nur für einen Teil der zuzustellenden Zeitungen eine Rolle spielen, nämlich nach der Behauptung des Klägers könnten ohne die Schlüssel mehr als die Hälfte der zuzustellenden Zeitungen nicht zugestellt werden. Die Zustellungen mit Hilfe der Schlüssel machen nur einen Teil der im Rahmen des Auftrages zu verrichtenden Tätigkeiten aus.

(2) Auch im Hinblick auf von der Z. eingesetzten - zugunsten des Klägers unterstellt 20 Mitarbeiter - der Beklagten lässt sich eine Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit nicht feststellen.

Zwar kann in Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt - wie vorliegend -, auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in solchen Fällen dann anzunehmen, wenn der neue Auftragnehmer nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, welches sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt. In Branchen, die durch einen objektbezogenen Personaleinsatz mit untergeordneter Bedeutung von sächlichen Betriebsmitteln geprägt sind, genügt dies, um die Identität der wirtschaftlichen Einheit fortzuführen. Von der Struktur des Betriebs oder Betriebsteils hängt es dann ab, welcher nach Zahl und Sachkunde zu bestimmende Teil der Belegschaft übernommen werden muss, um die Rechtsfolgen des § 613a BGB auszulösen. Werden Arbeitnehmer mit einer geringeren Qualifikation beschäftigt, muss eine größere Anzahl von ihnen weiterbeschäftigt werden, um auf einen Fortbestand der vom Konkurrenten geschaffenen Arbeitsorganisation schließen zu können, als wenn der Betrieb stärker durch Spezialwissen und Qualifikation der Arbeitnehmer geprägt ist (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Urteil vom 15.12.2011, a.a.O.).

Von der Z. ist schon nach dem Vortrag des Klägers - unterstellt man diesen als wahr - nicht die Hauptbelegschaft der Beklagten übernommen worden. Bei der Beklagten waren im Januar 2012 ca. 57 Mitarbeiter beschäftigt. Selbst wenn der Vortrag des Klägers, dass ca. 20 ehemalige Mitarbeiter der Beklagten durch die Z. übernommen worden seien, zuträfe, wurde damit gerade nicht die Hauptbelegschaft übernommen.

Von der Beschäftigung von - zugunsten des Klägers unterstellt - 20 von zuvor insgesamt 57 beschäftigten Arbeitnehmern lässt sich nicht auf die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit schließen. Bei der Tätigkeit der Zeitungszusteller handelt es sich um eine einfache, leicht erlernbare Tätigkeit. Es gab und gibt keine Vorarbeiter.

Bei der Z. sind lediglich 20 von ehemals bei der Beklagten beschäftigen 57 Arbeitnehmer tätig und damit weit unter 50 %. Zieht man die Rechtsprechung hierzu heran, reicht es bei der vorliegenden einfachen Tätigkeit, die keine besondere Sachkenntnis erfordert, bei weitem nicht aus, um vom Übergang einer wirtschaftlichen Einheit durch die Übernahme von Arbeitnehmern ausgehen zu können.

Entgegen der Auffassung des Klägers führt auch nicht zu einem anderen Ergebnis, dass er und andere Arbeitnehmer von der Beklagten ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages erhalten hatten, das sie nicht angenommen haben. Wird das Angebot, mit derselben Tätigkeit wie zuvor zum Nachfolger zu wechseln, von den Beschäftigten des Vorgängers - oder einer identitätswahrenden Anzahl von ihnen - abgelehnt, liegt kein Betriebsübergang vor. Wird in Fällen, in denen es für einen Betriebsübergang auf die Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft ankommt, die „kritische Masse" nicht überschritten, so fehlt jeder Ansatzpunkt, der die Anwendung der weitreichenden Rechtsfolgen des § 613a BGB rechtfertigen könnte (Urteil des BAG vom 15.12.2011, a.a.O.).

C. Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß zur streitgegenständlichen Kündigung mit Schreiben vom 19.04.2012 nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört.

D. Die Kündigung ist nicht mangels notwendiger Massenentlassungsanzeige nach §§ 17 KSchG, 134 BGB unwirksam. Der Beklagte erstattete mit Schreiben vom 24.04.2012 (Anlage B 4, Bl. 93 ff. der Akte) Massenentlassungsanzeige, deren Eingang am 24.04.2012 bei der zuständigen Bundesagentur für Arbeit durch diese am 25.04.2012 bestätigt wurde. Die Massenentlassungsanzeige erfolgte vor Ausspruch der Kündigung.

E. Die Kündigung vom 28.04.2012 ist auch nicht mangels Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam. Zwar hat der Kläger vor Ausspruch der Kündigung einen Antrag auf Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch gestellt. Eine Entscheidung hierüber wurde aber derzeit noch nicht getroffen.

F. Sonstige Unwirksamkeitsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

G. Da zum Zeitpunkt des beabsichtigten Beendigungszeitpunkts der vorsorglich ausgesprochenen Kündigung vom 30.06.2012 aufgrund der Wirksamkeit der Kündigung vom 28.04.2012 kein Arbeitsverhältnis der Parteien mehr bestand, ist der Kündigungsschutzantrag des Klägers bezüglich der Kündigung vom 30.06.2012 unbegründet (vgl. Urteil des BAG vom 14.06.2006, Az.: 5 AZR 592/05, zitiert nach Juris).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 91 ZPO.

IV.

Die Festsetzung des Streitwerts findet ihre Rechtsgrundlage in Die Festsetzung des Streitwerts findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 3 GKG.

V.

Der Beklagten steht gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel zu, da diese nicht beschwert ist. Der Kläger kann gegen dieses Urteil nach Maßgabe der folgenden Rechtsmittelbelehrung Berufung beim Landesarbeitsgericht München einlegen.