VG München, Urteil vom 21.07.2015 - M 1 K 14.3830
Fundstelle
openJur 2015, 18667
  • Rkr:

Genehmigung für 4 Windkraftanlagen nach BImSchG;Kläger mit vom Standort weit entfernt liegendem Wohnsitz;Schallschutz- und Schattenwurfgutachten;Anspruch auf Überprüfung umweltfachlicher Entscheidungen;Anwendbarkeit der „10-H-Regelung“ bei Bescheidsänderung;Infraschall- und Mietminderungsgefahr

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von vier Windkraftanlagen, die der Beklagte der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilt hatte.

Die Gemeinde A..., die zu diesem Verfahren als Trägerin des Vorhabens vom 28. August 2014 bis 2. April 2015 beigeladen war, beantragte am ... März 2014 beim Landratsamt Starnberg (Landratsamt) die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von vier Windkraftanlagen des Typs ... (Gesamthöhe: 206,85 m) auf den Grundstücken FlNr. 19, 20, 23 und 25 Gemarkung ... Die beantragten Standorte liegen in Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen, die die Gemeinde A... im Rahmen eines sachlichen Teilflächennutzungsplans an dieser Stelle dargestellt hat (25. Änderung des Flächennutzungsplans als sachlicher Teilflächennutzungsplan „Windkraft“). Des Weiteren liegen die beantragten Standorte im Landschaftsschutzgebiet „...“ des Landkreises Starnberg. Die 8. Änderungsverordnung der Landschaftsschutzverordnung regelt für den betreffenden Bereich eine Verbotsausnahme, um die Errichtung von Windkraftanlagen in Konzentrationsflächen zu ermöglichen, die in dem sachlichen Teilflächennutzungsplan der Gemeinde A... ausgewiesen werden. Die benachbarte Gemeinde B... hat gegen diesen Teilflächennutzungsplan einen Normenkontrollantrag gestellt, der am 10. März 2015 vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abgelehnt wurde (BayVGH, U.v. 10.03.2015 – 1 N 13.354 u.a. – juris).

Am ... April 2015 erteilte die Gemeinde A... zu ihrem Vorhaben das Einvernehmen. Sie legte ihrem Antrag unter anderem ein Schallschutz- und Schattenwurfgutachten (jeweils v. ...4.2014) bei; das Schallschutzgutachten wurde am ... und ... Juni 2014 ergänzt, das Schattenwurfgutachten am ... Juni 2014. Beide Gutachten kommen zum Ergebnis, dass – bezogen auf die umliegende Wohnbebauung – keine unzulässigen Lärm- und Schattenwurfbeeinträchtigungen von den beantragten Windkraftanlagen ausgehen.

Das Landratsamt kam am ... Juni 2014 im Rahmen einer standortbezogenen Vorprüfung zu dem Ergebnis, dass für das beantragte Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich sei und gab diese Entscheidung am 2. Juli 2014 im Amtsblatt des Landkreises Starnberg bekannt.

Mit Bescheid vom ... Juli 2014, ergänzt durch Bescheid vom ... Januar 2015, erteilte das Landratsamt die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung und erklärte hierbei die Gutachten zum Schallschutz und Schattenwurf zum Bestandteil der Genehmigung. Zudem legte es im Bescheid für die Windkraftanlagen einen jeweils immissionswirksamen Schallleistungspegel bei Volllast von 106,0 dB(A) fest und ordnete zudem an, dass von ihnen ausgehende Geräusche weder impuls- noch tonhaltig sein dürfen. Unter Nr. 4.6.9 des Bescheides sind Immissionsrichtwertanteile für den Nachtbetrieb (22.00 bis 6.00 Uhr) festgelegt, die von der Summe der vier Anlagen nicht überschritten werden dürfen. Für die Immissionsorte „G-IO 07“ („...“) und „H-IO 08“ („...“), die von den beantragten Anlagen 1.100 m bzw. 1.300 m entfernt im Ortsteil ... der Gemeinde B... liegen und sich nach Einschätzung des Landratsamts in der Gebietsart „Dorfgebiet“ (MD) befinden, wurden Immissionsrichtwertanteile für die Nacht von 39 dB(A) (G-IO 07) bzw. 38 dB(A) (H-IO 08) festgelegt. Im ergänzenden Bescheid vom ... Januar 2015 ordnete das Landratsamt für das Jahr 2015 eine Nachuntersuchung zur Überprüfung der artenschutzrechtlichen Prüfung an.

Der Bevollmächtigte der Klägerin erhob am ... August 2014 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragt,

die Bescheide des Landratsamts Starnberg vom ... Juli 2014 und ... Januar 2015 aufzuheben.

Zur Begründung trägt er vor, die Klägerin wohne im Ortsteil ... der Gemeinde B... Entgegen der Übergangsregelung in Art. 83 Abs. 1 BayBO n.F., die den Stichtag „4. Februar 2014“ regele, habe die Gemeinde A... den Genehmigungsantrag erst am ... März 2014 gestellt. Deshalb sei das beantragte Vorhaben unzulässig, da es nicht das 10-fache seiner Höhe zu Wohngebäuden in Gebieten mit Bebauungsplänen, innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile und im Geltungsbereich von Außenbereichssatzungen einhalte. Gegen diese Regelung sei Verfassungsbeschwerde erhoben worden. Sie stehe auch dem sachlichen Teilflächennutzungsplan der Gemeinde A... entgegen, da die Gemeinde B... diesem am ... Februar 2015 widersprochen habe. Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung des genehmigten Vorhabens sei der ... Januar 2015 als Tag der letzten Verwaltungsentscheidung des Landratsamts. Eine Entscheidung über den Genehmigungsantrag hätte erst nach dem Inkrafttreten der bayerischen Regelungen zu höhenbezogenen Mindestabständen von Windkraftanlagen am 21. November 2014 ergehen dürfen. Die eingereichten naturschutzfachlichen Antragsunterlagen hätten Defizite aufgewiesen. Erst am ... Januar 2015 habe das Landratsamt ergänzend Nachuntersuchungen angeordnet, doch seien auch diese Maßnahmen artenschutzfachlich ungeeignet. Im Kloster ... befinde sich eine artenschutzrechtlich bedeutsame Fledermauskolonie, die durch die beantragten Anlagen gefährdet sei. Als benachbarte Anwohnerin des Bauvorhabens habe die Klägerin einen Anspruch auf Überprüfung der Entscheidung des Landratsamts, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Diese Entscheidung sei rechtswidrig gewesen, wie auch kürzlich in mehreren gleichartigen Verfahren das Verwaltungsgericht Würzburg festgestellt habe. Den beantragten Windkraftanlagen komme eine erdrückende Wirkung mit umzingelndem Charakter zu Lasten der Bewohner des Ortsteils ... zu. Dieser Ortsteil sei bereits durch die angrenzende Autobahn immissionsrechtlich vorbelastet. Das zeige die Lärmkarte des Landesamts für Umweltschutz zu diesem Gebiet. Bisher mögliche Ruhephasen bei Westwind gingen verloren. Durch die genehmigten Anlagen würden sie und ihre Mutter gesundheitlich beeinträchtigt, insbesondere durch Infraschall. Ferner fürchte sie Einbußen hinsichtlich der Vermietung von zwei Wohnungen in ihrem Dreifamilienhaus. Durch die Windkraftanlagen verschlechtere sich die Vermietbarkeit, es drohten Mietpreisminderungen. Im Übrigen stimmten die Höhenangaben der genehmigten Anlagen nicht mit den in den Lärm- und Schattenwurfgutachten angegebenen Höhenlagen überein. Die tatsächlichen Beeinträchtigungen durch Schattenwurf seien höher.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Verweis auf die im Bescheid enthaltene Begründung trägt er ergänzend vor, zwar differierten die Höhenangaben der genehmigten Anlagen um 1 bis 4 Meter zu den in den Schattenwurf- und Schallschutzgutachten angegebenen Höhen, doch zeige eine überschlägige Nachberechnung, dass der Schattenwurf noch immer unter der Zumutbarkeitsgrenze liege. Für den Schallschutz sei die Höhendifferenz ohne Auswirkung. Trotz des Ergehens eines Ergänzungsbescheids am ... Januar 2015 finde die sogenannte „10-H-Regelung“ auf das beantragte Vorhaben keine Anwendung. Eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung habe nicht bestanden, weshalb die Entscheidung, eine solche Prüfung nicht durchzuführen, aufrechterhalten bleibe. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Nachprüfung, ob die artenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten seien. Im Übrigen habe das Bayerische Umweltministerium in einem Schreiben vom 25. Februar 2015 an die Gemeinde B... die Einhaltung dieser Bestimmungen bestätigt.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 20. April 2015 die Beigeladene, eine juristische Person des Privatrechts in der Form der Kommanditgesellschaft, der die ehemals beigeladene Gemeinde A... am ... März 2015 die Projektrechte und die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der vier Windkraftanlagen übertragen hatte, beigeladen.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls

Klageabweisung.

Sie verweist auf die vom Beklagen vorgetragene Klageerwiderung.

Nachdem das Landratsamt am ... Oktober 2014 zum Genehmigungsbescheid vom ... Juli 2014 den Sofortvollzug angeordnet hatte, beantragte die Klägerin am ... Oktober 2014 die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Gericht lehnte diesen Antrag mit Beschluss vom 29. Januar 2015 ab (M 1 SN 14.4727). Eine hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. April 2015 zurück (22 CS 15.479).

Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten und auf die Entscheidungsgründe in den Beschlüssen des Verwaltungsgerichts München vom 29. Januar 2015 sowie des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. April 2015 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der angefochtene Bescheid jedenfalls keine subjektiv-öffentlichen Rechte der Klägerin verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Errichtung und der Betrieb der genehmigten Windkraftanlagen des Typs ... bedürfen aufgrund ihrer Gesamthöhe von jeweils mehr als 206 Metern nach § 4 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 4. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (4. BImSchV) und Nr. 1.6 Anhang 1 zur 4. BImSchV einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Genehmigungspflichtige Anlagen sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.

Nach der sogenannten Schutznormtheorie kann die Klägerin als Nachbar im immissionsschutzrechtlichen Sinn mit ihrer Klage nur bei Verletzung von gerade auch ihre Rechte schützenden Normen durchdringen, wenn sie als Dritte eine Genehmigung, die einem anderen erteilt wurde, anficht (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 113 Rn. 18 m.w.N.).Die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ist eine Vorschrift, die in diesem Sinne auch Drittschutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen vermitteln kann. Der Begriff der „schädlichen Umwelteinwirkungen“ ist in § 3 Abs. 1 BImSchG definiert. Das sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

2. In dem von der Rechtsprechung als drittschützend anerkannten Recht auf Schutz vor solchen schädlichen Umwelteinwirkungen wird die Klägerin, deren Anwesen sich circa 1,4 Kilometer vom beabsichtigten Anlagenstandort entfernt befindet, durch die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht, insbesondere nicht durch den von den genehmigten Anlagen ausgehenden Lärm, verletzt. Das Landratsamt hat zum Schutz vor Lärmbeeinträchtigungen Auflagen in den Genehmigungsbescheid aufgenommen und sich hierbei auf die den Antragsunterlagen beigefügte Schallimmissionsprognose vom ... April 2014 sowie vom ... und ... Juni 2014 gestützt. Diese Prognose wurde nach den Vorgaben der Technischen Anleitung Lärm (TA Lärm) erstellt, die aufgrund von § 48 BImSchG erlassen wurde und nach ständiger Rechtsprechung eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift darstellt, die auf Windkraftanlagen anwendbar ist (BayVGH, B.v. 20.11.2014 – 22 ZB 14.1828 – juris Rn. 20). Die in der Schallimmissionsprognose zugrunde gelegten und durch Berechnung ermittelten Lärmwerte sind – bezogen auf den Wohnsitz der Klägerin, der von den genehmigten Anlagen noch weiter entfernt liegt als der im Gutachten berücksichtigte Immissionsort H IO 08 – nicht zu beanstanden. Die Gutachter durften ihren Berechnungen den vom Anlagenhersteller für den beantragten Anlagentyp prognostizierten Schallleistungspegel von 106,0 dB(A) zugrunde legen und auch einen Sicherheitszuschlag von 2,66 dB(A) (vgl. Bl. 1035 der Behördenakten – BA: „Kombinierte Standardunsicherheit“) aufschlagen (BayVGH, B.v. 30.4.2014 – 22 ZB 14.680 – juris Rn. 7). Mit diesem Sicherheitszuschlag sind die Unsicherheiten des genehmigten Anlagentyps – etwa hinsichtlich der Serienstreuung – kompensiert (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2014 – 22 ZB 14.1828 – juris Rn. 15).

Der zu den Immissionsorten G IO 07 und H IO 08 genannte Beurteilungspegel von 39 bzw. 38 dB(A), den das Landratsamt im Genehmigungsbescheid zu diesen Immissionsorten als verbindlichen Lärmimmissionsrichtwert für die Nachtzeit festgelegt hat, ist nicht zu beanstanden. Die Gutachten konnten für diese Immissionsorte mit der Gebietseinstufung Dorfgebiet („MD“) den nach Nr. 6.1 Buchst. c der TA Lärm hierfür relevanten Beurteilungspegel von 45 dB(A) nachts um 6 dB auf 39 dB(A) bzw. um 7 auf 38 dB(A) reduzieren und zugleich auf die Ermittlung von Geräuschvorbelastungen an diesen Immissionsorten verzichten (vgl. Nr. 3.2.1 letzter Absatz TA Lärm). Deshalb ist für diese Lärmprognose auch die von der Klägerin vorgelegte Lärmkarte zur angrenzenden Autobahn ohne Bedeutung, zumal sie selbst keine hierdurch verursachte Erhöhung des Lärmwerts behauptet. Vielmehr trägt sie vor, ihr Anwesen sei schon bislang vom Lärm der (östlich gelegenen) Autobahn beeinträchtigt. Nun komme noch der Lärm der (südlich gelegenen) Windkraftanlagen hinzu, so dass mögliche Ruhephasen bei Westwind verlorengehen würden. Damit kann die Klägerin die Richtigkeit der Berechnungen im Lärmgutachten jedoch nicht erschüttern. Ebenfalls ohne Bedeutung sind die unterschiedlichen Höhenangaben von 1 bis 4 Meter im Lärmgutachten und im Genehmigungsbescheid. Bei der Entfernung des klägerischen Anwesens zu den genehmigten Anlagen ist auch in dieser Hinsicht ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht gegeben.

3. Auch schädliche Umwelteinwirkungen durch periodischen Schattenwurf sind nicht zu besorgen. Zur Ermittlung und Beurteilung der optischen Immissionen von Windenergieanlagen können die Schattenwurf-Hinweise des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) von Mai 2002 als Ansatz und Orientierung herangezogen werden. Sie umfassen sowohl den durch den Rotor der Windkraftanlage verursachten periodischen Schattenwurf als auch die Lichtblitze und den Lichtreflex (sogenannter Disko-Effekt) und enthalten Angaben über die Prognose, das Berechnungsverfahren, die Beurteilung, die maßgeblichen Immissionsrichtwerte und Vorschläge für Auflagen. Ziel ist die sichere Vermeidung von erheblichen Belästigungen, die durch periodische Lichteinwirkungen (optische Immissionen) für die schutzwürdige Nutzung von Räumen insbesondere durch Wohnen entstehen können. Einwirkungen durch periodischen Schattenwurf können dann sicher ausgeschlossen werden, wenn der in Frage kommende Immissionsort außerhalb des möglichen Beschattungsbereichs der Windkraftanlage liegt. Innerhalb des Beschattungsbereichs wird eine Einwirkung durch zu erwartenden periodischen Schattenwurf dann als nicht erheblich belästigend angesehen, wenn die astronomisch maximal mögliche Beschattungsdauer am maßgeblichen Immissionsort in einer Bezugshöhe von 2 m über dem Erdboden nicht mehr als 30 Stunden/Jahr und darüber hinaus nicht mehr als 30 Minuten/Tag beträgt. Diese Werte sind kumulativ zu verstehen, also darf weder der Immissionsrichtwert für die jährliche noch der für die tägliche Beschattungsdauer überschritten werden. Sie beruhen auf Studien, wurden aus Vorsorgegründen noch entsprechend vermindert und sind in der Rechtsprechung inzwischen weitgehend anerkannt (OVG Niedersachsen, U.v. 18.5.2007 – 12 LB 8/07 – juris Ls. 1 und Rn. 55; BayVGH, U.v. 29.5.2009 – 22 B 08.1785BayVBl. 2010, 114 – juris Rn. 27). Nach der vorgelegten Schattenwurfprognose werden diese Werte am nächstgelegenen Schattenwurf-Immissionsort E IO 05 („...“) und damit auch am mindestens ebenso weit entfernten klägerischen Grundstück nicht erreicht (22:13 Schattenstunden/Jahr, 22 Minuten/Tag).

Auch der Einwand, die Höhenangaben zum beantragten Vorhaben im Schattenwurfgutachten würden mit denen im Genehmigungsbescheid nicht übereinstimmen, führt letztendlich nicht zum Erfolg der Klage. Zwar differieren die Angaben in der Tat um 1 und 4 Meter, doch hat das Landratsamt im gerichtlichen Verfahren plausibel und nachvollziehbar an Hand einer überschlägigen Nachberechnung dargelegt, dass selbst unter Zugrundelegung der höherliegenden Werte eine unzumutbare Belastung der Klägerin durch Schattenwurf nicht eintritt. Nach dieser Nachberechnung werden die oben genannten kritischen Werte weder am Schattenwurf-Immissionsort E IO 05 noch am klägerischen Grundstück erreicht.

4. Das Rücksichtnahmegebot als unbenannter öffentlicher Belang nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Baugesetzbuch (BauGB) steht der Genehmigungserteilung im Hinblick auf eine optisch bedrängende Wirkung im vorliegenden Fall ebenfalls nicht entgegen. Dieses Gebot schützt die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen eines Bauvorhabens, wozu auch optisch bedrängende Wirkungen gehören können, wie sie im Einzelfall auch von einer Windkraftanlage durch die Höhe des Masts und die Breite der sich drehenden Rotorblätter ausgehen können (vgl. BVerwG, B.v. 11.12.2006 – 4 B 72.06 – juris Rn. 4, 10; BayVGH, B.v. 16.1.2014 – 22 ZB 13.2608 – juris Rn. 10). Ob tatsächlich das Maß des dem Nachbarn Zumutbaren überschritten ist, ist dabei nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beantworten. Dabei können aber bestimmte Abstände als grobe Anhaltswerte für oder gegen eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots herangezogen werden. Beträgt – wie hier – der Abstand mindestens das Dreifache der Gesamthöhe der geplanten Anlage, wird eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen optisch bedrängender Wirkung in der Regel zu verneinen sei, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen (BayVGH, B.v. 16.1.2014 a.a.O. Rn. 10 unter Hinweis auf U.v. 29.5.2009 – 22 B 08.1785 – juris Rn. 15, 23). Solche Umstände sind nicht erkennbar. Selbst wenn, wie die Klägerin vorträgt, die Anlagen 275 m groß wirken würden, wäre das Dreifache der Gesamthöhe als Abstand zu ihrem Anwesen noch immer eingehalten.

5. Auch das Gesetz zur Änderung unter anderem der Bayerischen Bauordnung vom 17. November 2014 (GVBl S. 478) und die sich daraus ergebende Neufassung der Art. 82 und 83 BayBO stehen der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Genehmigung nicht entgegen, da sie keine Anwendung finden.

Nach Art. 82 Abs. 1 BayBO in der am 21. November 2014 in Kraft getretenen Fassung müssen Windkraftanlagen das Zehnfache ihrer Gesamthöhe zu Wohngebäuden in Gebieten mit Bebauungsplänen, innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile und im Geltungsbereich von Außenbereichssatzungen einhalten. Die angefochtene Genehmigung datiert jedoch vom ... Juli 2014 und ist damit zu einem Zeitpunkt ergangen, zu dem diese Neuregelung noch nicht galt. Auch die Ergänzung des Genehmigungsbescheids durch den weiteren Bescheid vom ... Januar 2015 führt nicht zu einer Veränderung des für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Zeitpunktes der letzten Verwaltungsentscheidung. Denn der Zeitpunkt ist nur insoweit maßgeblich, als der weitere Bescheid vom ... Januar 2015 zusätzliche oder andere Regelungen trifft, die die Genehmigungsinhaberin gegen sich gelten lassen muss. Die schutzwürdige Position, die die Genehmigungsinhaberin bzw. deren Vorgängerin mit Erteilung der Genehmigung erlangt hat, geht nicht dadurch verloren, dass die Genehmigungsbehörde eine Bescheidsergänzung vornimmt (BayVGH, B.v. 16.4.2015 – 22 CS 15.478 – Beschlussabdruck Rn. 12).

Aus diesem Grund ist auch unerheblich, dass die Gemeinde A... den Genehmigungsantrag am ... März 2014 und damit nach dem in der Übergangsregelung des Art. 83 Abs. 1 BayBO n.F. geregelten Stichtag „4. Februar 2014“ gestellt hat. Denn auch diese Übergangsregelung findet aus den oben genannten Gründen auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Ebenso unerheblich ist deshalb, ob die Neuregelung in Art. 82 und 83 BayBO n.F. mit der Bayerischen Verfassung in Einklang steht.

Im Übrigen würde eine Anwendung des Art. 82 Abs. 1 BayBO n.F.wohl nicht zu einer drittrechtsschützenden Verletzung von Abstandsflächen führen, sondern zum Entfallen der bauplanungsrechtlichen Privilegierung der Windkraftanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Die Frage der objektiv-rechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens im Außenbereich ist jedoch regelmäßig kein Umstand, der von einem benachbarten Anwohner als Verletzung einer ihm gegenüber zu beachtenden, nachbarlichen Drittschutz verleihenden Bestimmung vorgetragen werden kann (BVerwG, U.v. 28.10.1993 – 4 C 5.93DVBl 1994, 697 – juris Rn. 19).

6. Der Einwand der Klägerin, der sachliche Teilflächennutzungsplan der Gemeinde A... sei unwirksam, ist unbehelflich. Ein Flächennutzungsplan kann nicht Grundlage einer (bau- oder immissionsschutzrechtlichen) Genehmigung einer Windkraftanlage sein. Allenfalls ein hierauf aufbauender Bebauungsplan wäre eine solche Grundlage, doch befand sich ein solcher der Gemeinde A... erst in Aufstellung, weshalb die Genehmigung ausweislich der Bescheidsgründe auf der Grundlage des § 35 BauGB als Außenbereichsgenehmigung eines nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierten Bauvorhabens erteilt worden ist. Die Wirksamkeit des Teilflächennutzungsplanes der Gemeinde A... käme zum Tragen, wenn einem Antragsteller eine immissionsschutzrechtliche Anlagengenehmigung zu Standorten außerhalb der Konzentrationsflächen verwehrt würde. Im vorliegenden Fall aber wirkt sich die rechtliche Beurteilung des sachlichen Teilflächennutzungsplanes auf die Frage der Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung nicht aus. Im Übrigen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof einen gegen diesen Teilflächennutzungsplan gestellten Normenkontrollantrag mit Urteil vom 10. März 2015 abgelehnt (1 N 13.354 u.a.). Aufgrund der Verbotsausnahme der achten Änderung der Landschaftsschutzgebietsverordnung „...“ vom 31. Januar 2012 steht auch diese Regelung – unabhängig von der Frage, ob die Klägerin sie drittschützend einwenden könnte – der Genehmigung der 4 Windkraftanlagen nicht entgegen.

7. Die Genehmigung verletzt auch kein Recht der Klägerin auf Überprüfung der Entscheidung des Landratsamts, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, da für eine Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung nichts ersichtlich ist.

7.1 Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG unter anderem dann verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) erforderliche Vorprüfung des Einzelfalles über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt worden ist. § 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG gilt gemäß Satz 2 dieser Bestimmung auch, wenn eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalles über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt. Die genehmigten vier Windkraftanlagen erfordern nach § 3a Satz 1 und § 3c Satz 2 UVPG i.V.m. Nr. 1.6.3 der Anlage 1 zum UVPG eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalles, um die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu klären. Diese Vorprüfung des Landratsamts hat stattgefunden; das Ergebnis vom ... Juni 2014 wurde im Amtsblatt des Landkreises Starnberg am 2. Juli 2014 bekannt gegeben.

7.2 Hinweise darauf, dass diese Vorprüfung nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG genügt, liegen dem Gericht nicht vor. Nach dieser Bestimmung beschränkt sich die Kontrolldichte des Gerichts auf die Prüfung, ob die behördliche Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Die gerichtliche Überprüfung des Ergebnisses der Vorprüfung beschränkt sich auf eine Plausibilitätskontrolle (BVerwG, U.v. 20.12.2011 – 9 A 31.10 – NVwZ, 575 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 20.8.2014 – 22 ZB 14.94 – juris Rn. 11). Freilich darf sich die Vorprüfung nicht in einer oberflächlichen Abschätzung spekulativen Charakters erschöpfen, sondern muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen, wobei der Behörde auch ein Einschätzungsspielraum hinsichtlich der Frage zusteht, welche Unterlagen und Informationen als geeignete Grundlage einer überschlägigen Prüfung benötigt werden (BVerwG, U.v. 20.12.2011 a.a.O. Rn. 25)

Das Landratsamt hat die Vorgaben des § 3c Satz 2 UVPG beachtet, der auf Vorhaben mit standortbezogener Vorprüfungspflichtigkeit und damit auf das vorliegend genehmigte Vorhaben Anwendung findet. Deshalb waren vom Landratsamt die in Nr. 2 („Standort des Vorhabens“) der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Schutzkriterien bei der Prüfung eventuell nachteiliger Umweltauswirkungen zu beachten, nicht aber die Kriterien nach Nr. 1 dieser Anlage („Merkmale des Vorhabens“). Das Landratsamt hat die einschlägigen Schutzkriterien geprüft, insbesondere das Landschaftsschutzgebiet „...“ berücksichtigt und hierbei auf die oben genannte Verbotsausnahme in § 2 Satz 1 der Landschaftsschutzgebietsverordnung hingewiesen. Es hat weiter ausgeführt, dass sich in der näheren Umgebung des Vorhabenstandortes keine Gebiete nach Nr. 2.3 der Anlage 2 zum UVPG befinden. Auf dieser Grundlage konnte das Landratsamt in rechtlich unbedenklicher Weise zu dem Ergebnis kommen, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, da nicht mit erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen seitens des beantragten Vorhabens zu rechnen ist.

Dieses Ergebnis wird mit Schreiben der Bayerischen Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz vom 25. Februar 2015 an die Gemeinde B... bestätigt und auch nicht durch den Hinweis der Klägerin auf eine Fledermauskolonie im ... Klosterbereich in Frage gestellt. Die von der Klägerin eingewandten Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 30. März 2015 (W 4 S 15.155 u.a.) sind vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. Juni 2015 geändert worden, da sie sich als ungerechtfertigt erwiesen haben (BayVGH, B.v. 8.6.2015 – 22 CS 15.686 – juris Rn. 17).

Ein Anspruch auf Beachtung der einschlägigen umweltschutzrechtlichen Belange als öffentlicher Belang gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB steht der Klägerin ebenfalls nicht zu.

8. Der Einwand der Klägerin, die genehmigten Anlagen würden sie und ihre Mutter gesundheitlich – insbesondere durch Infraschall – beeinträchtigen, ist unbehelflich. Nach den „Hinweisen zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen (WKA)“ vom 20. Dezember 2011 (Windkrafterlass Bayern, dort Abschnitt 8.2.8) sind schon bei einem Abstand von 250 m zu solchen Anlagen im Allgemeinen keine erheblichen Belästigungen durch Infraschall mehr zu erwarten (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2015 – 22 CS 15.481 – juris Rn. 20 ff.). Im Übrigen werden ausweislich der dort genannten Angaben die im Entwurf der DIN 45680 nach dem Stand von August 2011 genannten Anhaltswerte, bei deren Überschreitung Infraschall als schädliche Umwelteinwirkung einzustufen sei, jedenfalls dann nicht erreicht, wenn eine Windkraftanlage einen Abstand von mehr als 500 m zu Wohnbebauung einhält; die Entfernung zwischen dem Anwesen der Klägerin und den genehmigten Anlagen ist deutlich größer. Deshalb kann sie auch hieraus keinen Verstoß der genehmigten Anlagen gegen das Gebot der Rücksichtnahme ableiten. Das gilt ebenso für die von ihr vorgebrachte Befürchtung von Mietminderungen bzw. einer Verschlechterung der Vermietbarkeit ihrer Wohnungen. Ebenso wie Befürchtungen von Wertminderungen des Grundstücks sind auch solche befürchteten finanziellen Einbußen bei einer derartigen Entfernung von Windkraftanlagen kein Umstand, der unter dem Gesichtspunkt des grundgesetzlichen Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz – GG) zu einer Verletzung von Drittrechten durch die genehmigten Windkraftanlagen führt.

9. Aus diesen Gründen ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und sich somit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat, erscheint es angemessen, dass die Klägerin auch deren außergerichtliche Kosten trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).  

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 15.000,-- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. Nr. 2.2 und 19.2 der Empfehlungen des Streitwert-katalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).